OGH 8ObA49/01s

OGH8ObA49/01s30.8.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Dietmar Strimitzer und DDr. Wolfgang Massl als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1.) Lothar G*****, vertreten durch Mag. Martin Nemec, Rechtsanwalt in Wien, und 2.) Gerhard P*****, vertreten durch Mag. Nikolaus Vasak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) F***** Vermittlungsgesellschaft mbH & Co KG, 2.) F***** Vermittlungsgesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Dr. Ruth Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwältin in Wien, wegen S 430.633,90 brutto sA (Revisionsinteresse S 397.999,86 sA) und S 375.801,28 brutto sA (Revisionsinteresse S 334.676,27 sA), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Oktober 2000, GZ 7 Ra 251/00h-23, mit dem infolge der Berufung der zweitklagenden Partei und der Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 29. März 2000, GZ 23 Cga 228/99p-11 (23 Cga 229/99k) teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Parteien wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in Ansehung der zweitklagenden Partei bestätigt wird, wird in Ansehung der erstklagenden Partei dahin abgeändert, dass es dieser gegenüber - einschließlich des bereits in Rechtskraft erwachsenen abweisenden Teiles - insgesamt zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der erstklagenden Partei S 430.633,90 brutto samt 8,5 % Zinsen aus S 387.873,59 vom 27. 11. 1999 bis 29. 3. 2000 und aus S 430.633,90 seit 30. 3. 2000 binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die erstklagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 28.232,14 (darin S 4.697,94 Umsatzsteuer und S 44,52 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die erstklagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 61.870,50 (darin S 5.456,27 Umsatzsteuer und S 29.132,90, Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der zweitklagenden Partei die mit S 16.780,50 (darin S 2.796,75 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstkläger und der Zweitkläger waren Funkleiter bei der erstbeklagten Partei, der Erstkläger war überdies Leiter der Personalabteilung. Das Verhältnis zwischen den Klägern und dem Geschäftsführer der erstbeklagten Partei Nikolaus N***** war seit etwa Juli 1999 getrübt.

Im Oktober 1999 trat die Telefonistin Erika P***** an den Zweitkläger heran und ersuchte ihn, sich bei dem diesem schon lange bekannten Geschäftsführer der Fa. V***** zu erkundigen, ob ein Inserat, wonach die V***** Telefonisten suche, aktuell sei. Der Zweitkläger tat dies auch und sprach mit einem der Geschäftsführer der V***** auch darüber, wann der Vorstellungstermin von Erika P***** stattfinde. Erika P***** wollte aufgrund des schlechten Arbeitsklimas den Arbeitsplatz wechseln und fragte dazu auch ihre Kollegin und Freundin Daniela T*****. Am 29. Oktober 1999 kündigten Erika P***** und Daniela T*****. Erika P***** druckte die Kündigungen selbst mittels einer zu diesem Zweck vom Erstkläger zur Verfügung gestellten Diskette aus. Wegen eines Tippfehlers druckte der Erstkläger die Kündigung der Daniela T***** neuerlich aus. Der Geschäftsführer Nikolaus N***** war über die Kündigungen von Erika P***** und Daniela T***** überrascht und sprach Erika P***** darauf an; diese begründete ihre Kündigung mit dem schlechten Arbeitsklima. Der Geschäftsführer regte an, es sich nochmals zu überlegen, und etwa eine Woche später zogen die beiden ihre Kündigungen wieder zurück. Daraufhin machten Erika P***** und Daniela T***** gegenüber dem Geschäftsführer Nikolaus N***** Andeutungen, dass die Kündigungen von den Klägern ausgegangen seien. Der Geschäftsführer fragte aber zunächst nicht weiter nach, dies auch deshalb, weil er damals noch nicht alleiniger Geschäftsführer war, sondern Kollektivgeschäftsführer mit einem weiteren Geschäftsführer, mit welchem er nicht kooperieren konnte. Am 25. November 1999 wurde Nikolaus N***** alleiniger Geschäftsführer. Noch an diesem Tag sprach er Erika P***** und Daniela T***** nochmals auf ihre Kündigungen an. Erika P***** teilte dabei mit, der Zweitkläger habe ihr eine Stellung bei der V***** angeboten, Daniela T***** gab an, dass der Erstkläger auf ihre Anmerkung, dass die Kündigung vor der Weihnachtszeit erfolge, gemeint habe: "Sollen sie halt in Konkurs gehen, ist mir doch egal."

Die Kläger wurden daraufhin am 26. November 1999 entlassen.

Der Erstkläger hat ab und zu am firmeneigenen PC im Internet gesurft. Es konnte nicht festgestellt werden, dass es der Zweitkläger war, der pornographische Fotos mit seinem PC auf die firmeneigene Festplatte kopiert hat, da der Zweitkläger Anfang Oktober 1999 sein PC-Passwort dem Geschäftsführer bekanntgeben musste.

Die Kläger begehren Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens, da die Kläger wegen des Versuchs der Abwerbung zweier Untergebener zu einem Konkurrenzunternehmen zu Recht entlassen worden seien.

Die Kläger replizierten, dass die Entlassungen jedenfalls verfristet seien.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren mit der Begründung, es seien keine Entlassungsgründe vorgelegen, großteils statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien nicht Folge; hingegen gab es der Berufung des Zweitklägers Folge und sprach dem Zweitkläger den im Berufungsverfahren noch begehrten Mehrbetrag zu. Es führte ergänzend zur Begründung des Erstgerichtes aus, dass die Entlassungserklärungen jedenfalls verspätet seien - die Kläger hätten dies auch eingewandt (AS 45) -, sodass die Entlassungen der Kläger auch aus diesem Grund ungerechtfertigt erfolgt seien.

Rechtliche Beurteilung

Die gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG zulässige Revision der beklagten Parteien ist, soweit sie den Erstkläger betrifft, berechtigt, hinsichtlich des Zweitklägers aber nicht berechtigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens wurde bereits vom Berufungsgericht verneint und kann auch im Verfahren nach dem ASGG nicht mehr mit Revision an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (RZ 1989/16 mwN); soweit mit ihr in Wahrheit der rechtlichen Beurteilung zuzuordnende Feststellungsmängel geltend gemacht werden, kommt ihnen aus den nachstehenden Gründen keine rechtliche Relevanz zu.

1) Zur Revision hinsichtlich des Zweitklägers:

Der geltend gemachte Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung liegt hinsichtlich des Zweitklägers nicht vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob die vom Zweitkläger gesetzte Handlung (Vereinbarung eines Vorstellungsgesprächs für eine Untergebene bei einem Konkurrenzunternehmen) einen Entlassungsgrund darstellt, da die Entlassung jedenfalls verspätet erfolgt ist.

Eine Entlassung ist unverzüglich auszusprechen. Bei zweifelhaftem Sachverhalt ist der Arbeitgeber verpflichtet, die zur Feststellung des Sachverhaltes erforderlichen und zumutbaren Erhebungen ohne Verzögerung durchzuführen (RdW 1998, 26). Die Rechtsnatur dieses Erfordernisses der Unverzüglichkeit ist eine den die Entlassung aussprechenden Arbeitgeber belastende Aufgriffsobliegenheit, deren Verletzung zum Untergang des Entlassungsrechtes im konkreten Fall ohne Rücksicht darauf führt, ob die Entlassung ansonsten gerechtfertigt ist oder nicht (9 ObA 23/99v; 9 ObA 156/99b; 9 ObA 185/00x). Die Unterlassung der sofortigen Geltendmachung führt nur dann nicht zur Verwirkung des Entlassungsrechtes, wenn das Zögern des Arbeitgebers in der Sachlage begründet ist (DRdA 1984, 233; 9 ObA 381/97p). Nachdem Erika P***** und Daniela T***** ihre Kündigungen wieder zurückgezogen hatten (etwa eine Woche nach der am 29. Oktober 1999 erfolgten Kündigung), machten sie Andeutungen, dass die Kündigungen von den Klägern ausgegangen seien. Dieser gravierenden Behauptung, die das Vorliegen eines Entlassungsgrundes nahelegt, ging der Geschäftsführer Nikolaus N***** nicht weiter nach, obwohl er nach den oben genannten Grundsätzen zur Wahrung des Entlassungsrechtes ohne weitere Verzögerung dazu verpflichtet gewesen wäre. Der Einwand der beklagten Parteien, dass sie aufgrund der Konfliktsituation zwischen den beiden gemeinsam zeichnungsbefugten Geschäftsführern mit wesentlicheren Problemen befasst waren, geht fehl, da damit nicht eine in der Sachlage begründete Verzögerung behauptet wird; Nachforschungen wären unverzüglich ohne Hindernisse möglich gewesen. Interne Streitigkeiten zwischen den Geschäftsführern rechtfertigen nicht, dass der Arbeitnehmer, dem ein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen wird, übergebührlich lange über sein weiteres Schicksal im unklaren gelassen wird. Erst nachdem Nikolaus N***** alleiniger Geschäftsführer war, erkundigte dieser sich und entließ nach einem einzigen Gespräch mit Erika P***** und Daniela T***** die Kläger am 26. November 1999 (mehr als zwei Wochen nach den entsprechenden Andeutungen). Da die beklagten Parteien ihrer Aufgriffsobliegenheit nicht nachgekommen sind, ist das Recht zur Entlassung des Zweitklägers im konkreten Fall jedenfalls untergegangen, ohne dass näher darauf eingegangen werden müsste, ob eine Entlassung gerechtfertigt gewesen wäre.

2) Zur Revision hinsichtlich des Erstklägers:

Anders gelagert ist die Sach- und Rechtslage hinsichtlich des Erstklägers. Zwar ist auch hier die Entlassungserklärung wegen allfälliger Vertrauensunwürdigkeit aufgrund der Unterstützung der Telefonistinnen Erika P***** und Daniela T***** bei ihren Kündigungen - wie bereits dargelegt - jedenfalls verspätet erfolgt, sodass nicht nochmals darauf einzugehen ist. Jedoch ist die Äußerung des Erstklägers "Sollen sie halt in Konkurs gehen, ist mir doch egal" erstmalig im Gespräch am 25. November 1999 hervorgekommen (der Erstkläger stellt es in seiner Revisionsbeantwortung auch gar nicht in Frage, es so gesagt zu haben). Das Vorliegen einer derartigen Äußerung ist nicht von den bis dahin erfolgten Andeutungen, die Kündigungen seien von den Klägern ausgegangen, umfasst und war aufgrund dieser Andeutungen auch nicht zu erwarten, sodass der Verfristungseinwand hinsichtlich dieses geltendgemachten Entlassungsgrundes nicht greift.

Bei der Prüfung des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit ist an das Verhalten des Angestellten ein objektiver Maßstab anzulegen, der nach den Begleitumständen des Einzelfalles und nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise angewendet zu werden pflegt. Wesentlich ist, dass die Interessen des Dienstgebers so schwer verletzt werden, dass diesem eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann (4 Ob 37/74; Arb 10.212; RdW 1997, 289 uva). An das Verhalten eines Angestellten in gehobener Stellung ist ein strengerer Maßstab anzulegen als an das eines mit untergeordneten Tätigkeiten betrauten Dienstnehmers (WBl 1987, 281; ecolex 1991, 324; 8 ObA 29/97s).

In Anbetracht dessen, dass der Erstkläger als leitender Mitarbeiter mit Personalaufgaben bei den beklagten Parteien tätig war, kann eine derartige vom Erstkläger gegenüber einer untergeordneten Mitarbeiterin (welche sich wohl mehr Gedanken über das Schicksal des Arbeitgebers machte als der Personalchef) gemachte Äußerung, in welcher zum Ausdruck kommt, dass ihm der Fortbestand seines Arbeitgebers egal ist, nicht mehr als Unmutsäußerung angesehen werden. Es ist nämlich gerade Aufgabe eines Personalchefs die Mitarbeiter zu bewegen, in der Firma zu bleiben. In Hinblick auf den auf den Erstkläger als leitenden Mitarbeiter anzulegenden strengeren Maßstab verwirklicht diese Äußerung den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit und ist die Entlassung wegen dieser Äußerung - wie bereits dargelegt - auch rechtzeitig erfolgt.

Der Revision hinsichtlich des Erstklägers kommt daher Berechtigung zu, sodass das Klagebegehren des Erstklägers in Abänderung der angefochtenen Entscheidung abzuweisen ist.

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Die beklagten Parteien haben dem Zweitkläger die Kosten seiner Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Der Erstkläger hat hingegen den beklagten Parteien die durch seine erfolglose Prozessführung entstandenen Kosten zu ersetzen. Ihm waren daher die nach der Verbindung der Verfahren auf seinen Anteil entfallenden Kosten der beklagten Parteien nach dem Verhältnis des Streitwertes seiner Rechtssache zum Gesamtstreitwert aufzuerlegen (Arb 9523; 8 ObA 11/01b; vgl auch M. Bydlinski, Prozesskostenersatz [1992], 405; Klinger, WR 1988 H 21, 19). Zudem waren den beklagten Parteien für den Schriftsatz ON 3 (bloße Bevollmächtigungsbekanntgabe) des erstinstanzlichen Verfahrens Kosten nur nach TP 1 zuzuerkennen.

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