OGH 2Ob311/01a

OGH2Ob311/01a6.12.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon.-Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Regina L*****, vertreten durch DDr. Manfred Nordmeyer und andere Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei Rudolf L*****, vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in Wels, wegen Feststellung der Rechtsunwirksamkeit eines Vergleiches, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 20. August 2001, GZ 21 R 289/01a-21, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Wels vom 6. Juni 2001, GZ 17 C 21/01b-16, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 22.080,60 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 3.680,10, keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil vom 22. 1. 1996 geschieden. Im Verfahren zu 2 F 49/96w des Erstgerichtes über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse schlossen die Parteien am 31. 7. 1997 folgenden Vergleich:

"Sämtliche zwischen den Parteien bestehenden Ansprüche aus welchem Rechtstitel auch immer sind bis zum heutigen Tag bereinigt und verglichen. Die Parteien verzichten auf eine weitere Antragstellung nach den §§ 81 ff EheG".

Mit einer am 28. 10. 1998 beim Landesgericht Wels eingebrachten Klage begehrte die Klägerin folgendes Urteil:

"Der zwischen den Streitteilen abgeschlossene, zu 2 F 49/96 des BG Wels protokollierte Vergleich vom 31. 7. 1997 mit folgendem Inhalt ... ist nichtig, in eventu aufgehoben (wird aufgehoben)".

Sie brachte dazu vor, der Beklagte habe sie über die Unterhaltsbemessungsgrundlage durch Verschweigen wesentlicher Einkommensbestandteile getäuscht.

Nach Zurückweisung der Klage wegen sachlicher Unzuständigeit wurde das Verfahren gemäß § 230a ZPO mit Beschluss vom 4. 12. 1998 an das BG Wels überwiesen und dort zu AZ 1 C 214/98d geführt.

Zwischenzeitig brachte die Klägerin zu 1 C 153/97g des Erstgerichtes eine Klage auf Zahlung von S 210.000 an Unterhalt mit der Begründung ein, der Beklagte habe sie bei der Verhandlung zur Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse vom 31. 7. 1997 über die eigentliche Höhe ihrer Unterhaltsansprüche getäuscht, zumindest aber in Irrtum geführt, weshalb er ihr Unterhalt schulde. In der Verhandlung vom 22. 9. 1999 dehnte die Klägerin in eventu das Klagebegehren dahingehend aus, dass es wie folgt zu lauten habe:

"Der zwischen den Streitteilen abgeschlossene zu 2 F 49/96w des Bezirksgerichtes Wels protokollierte Vergleich vom 31. 7. 1997 mit folgendem Inhalt ... ist nichtig, in eventu aufgehoben (wird aufgehoben)". Mit Urteil vom 5. 3. 1999 wurden Haupt- und Eventualbegehren abgewiesen. Das Erstgericht begründete die Abweisung des Zahlungsbegehrens damit, dass die Klägerin vorerst den gerichtlichen Vergleich aus materiellrechtlichen Gründen anzufechten habe und erst nach dessen erfolgreicher Beseitigung die neuerliche Einbringung einer Klage auf Leistung eines allfälligen rückständigen Unterhaltes zulässig sei. Das Eventualbegehren sei deshalb abzuweisen, weil ein Vergleich nicht mit Nichtigkeitsklage angefochten werden könne.

Das Urteil erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Im Verfahren zu 1 C 214/98d des Erstgerichtes wurde mit Beschluss vom 31. 3. 2000 das Klagebegehren wegen entschiedener Rechtssache (Verfahren zu 1 C 153/97g des BG Wels) zurückgewiesen.

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des im Verfahren 2 F 49/96 des Erstgerichtes am 31. 7. 1997 abgeschlossenen Vergleiches. Auch hier brachte sie vor, sie sei vom Beklagten getäuscht und irregeführt worden. Sie sei der irrigen Meinung gewesen, es stünden ihr keine Unterhaltsansprüche mehr zu, weshalb sie auf sämtliche Ansprüche verzichtet habe. Der Beklagte beantragte ua die Zurückweisung der Klage mit der Begründung, die Klägerin habe bereits im Verfahren zu 1 C 153/97g des Erstgerichtes ein auf Feststellung der Nichtigkeit des genannten Vergleiches gerichtetes Eventualbegehren erhoben, das abgewiesen worden sei. Die Klägerin habe sowohl in diesem, als auch im Verfahren zu 1 C 214/98d des Erstgerichtes ihren Anspruch aus denselben rechtserzeugenden Tatsachen abgeleitet. Der Klagsführung stehe daher der Einwand der entschiedenen Streitsache entgegen.

Das Erstgericht wies die Klage wegen entschiedener Rechtssache zurück. Es vertrat die Ansicht, dass sich die Klägerin in den Verfahren 1 C 153/97g und 1 C 214/98d des Erstgerichtes auf denselben rechtserzeugenden Sachverhalt berufen habe, wie im vorliegenden Verfahren, weshalb der neuerlichen Klagsführung der Einwand der entschiedenen Streitsache entgegenstehe.

Das von der Klägerin angerufene Rekursgericht hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens über die Klage auf. Es sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige S 52.000, nicht aber S 260.000, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft verhindere eine neuerliche Verhandlung und Entscheidung über eine bereits entschiedene Hauptfrage. Diese Einmaligkeitswirkung trete dann ein, wenn die Identität des Anspruches vorliege, also wenn der Streitgegenstand der neuen Klage und der Urteilsgegenstand des schon vorliegenden Urteiles gleich seien, was jedenfalls erfordere, dass das neu gestellte Begehren sowohl inhaltlich dieselbe Leistung, Feststellung oder Rechtsgestaltung fordere, wie sie bereits Gegenstand des rechtskräftigen Vorerkenntnisses gewesen sei, als auch die zur Begründung des neuen Begehrens vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsachen diesselben seien, auf die sich auch die rechtskräftige Entscheidung gründe, sodass sie auch zwangsläufig dieselbe rechtliche Beurteilung zur Folge haben müssten.

Mit einer Rechtsgestaltungsklage werde die Fällung eines Urteiles begehrt, mit dem ein Rechtsverhältnis begründet, geändert oder aufgelöst werden solle. Ein Feststellungsurteil hingegen erschöpfe sich in der Feststellung eines bestehenden Rechtszustandes.

In den Vorprozessen seien die von der Klägerin behaupteten materiellrechtlichen Anfechtungsgründe nicht geprüft worden. Im vorliegenden Verfahren mache die Klägerin entsprechend der herrschenden Rechtsprechung die dem Vergleich anhaftenden materiellrechtlichen Mängel mittels Feststellungsklage geltend. Selbst wenn der rechtserzeugende Sachverhalt identisch geblieben sei, sei doch der Sachantrag verschieden und deswegen der geltend gemachte Anspruch nicht ident, weil die Entscheidung über das neu gestellte Begehren nicht zwangsläufig dieselbe rechtliche Beurteilung zur Folge haben müsse. Sei die frühere Klage deshalb abgewiesen worden, weil anstatt eines Rechtsgestaltungs- ein Feststellungsbegehren erhoben hätte werden müssen, dann stehe der späteren Klage das Prozesshindernis der entschiedenen Streitsache nicht entgegen.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht für zulässig, weil Ausführungen des Höchstgerichtes zur materiellen Rechtskraft klagsab- bzw zurückweisender rechtsgestaltender Entscheidungen im Hinblick auf ein nachfolgend gestelltes Begehren auf Feststellung eine erhebliche rechtliche Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukomme und eine unmittelbar auf einen solchen Fall übertragbare Judikatur des Höchstgerichtes nicht vorliege.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass die Klage zurückgewiesen werde; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die klagende Partei hat Revisionsrekursbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Partei zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Die beklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, das Klagebegehren in den Vorprozessen sei jeweils darauf gerichtet gewesen, dass der gerichtliche Vergleich vom 30. 7. 1997 beseitigt werde, es liege den beiden Vorverfahren als auch dem gegenständlichen Verfahren ein identer Sachverhalt zugrunde. Die Klägerin wolle in allen Verfahren diesen gerichtlichen Vergleich beseitigen. Bei den in den beiden Vorverfahren gestellten Begehren auf "Aufhebung" sei zu prüfen, ob es sich um ein Rechtsgestaltungsbegehren oder um ein Feststellungsbegehren handle. Die Begründung des Rekursgerichtes, das Klagebegehren sei abgewiesen worden, weil es sich um ein Rechtsgestaltungsbegehren gehandelt habe, sei nicht überzeugend oder gar zutreffend. Es könne auch eine Klage auf Feststellung einer Nichtigkeit erhoben werden; es sei nicht notwendig, dabei das Wort "Feststellung" zu verwenden. Relevant sei, dass der gerichtliche Vergleich als Prozesshandlung beseitigt werden sollte. Es sei daher auch zu prüfen, ob das Eventualbegehren im Verfahren 1 C 153/97g tatsächlich abzuweisen gewesen sei. Hätte das Erstgericht in diesem Verfahren eine materielle Entscheidung über das Eventualbegehren treffen müssen und habe es dies zu Unrecht nicht gemacht, so könne der Umstand, dass die Klägerin nicht berufen habe, keinen Einfluss auf die materielle Rechtskraft dieser Entscheidung haben. Es handle sich sohin beim Eventualbegehren zu 1 C 153/97g und dem Hauptbegehren zu 1 C 214/98d jeweils des BG Wels, und beim gegenständlichen Begehren nicht um ein aliud, weshalb rechtskräftig entschiedene Rechtssache vorliege.

Hiezu wurde erwogen:

Wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, liegt Identität des Anspruches nur dann vor, wenn das neu gestellte Begehren sowohl inhaltlich dieselbe Leistung, Feststellung oder Rechtsgestaltung fordert, wie sie bereits Gegenstand des rechtskräftigen Vorerkenntnisses war, als auch die zur Begründung des neuen Begehrens vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsachen dieselben sind, auf die sich auch die rechtskräftige Entscheidung gründet, sodass sie auch zwangsläufig dieselbe rechtliche Beurteilung zur Folge haben müssen (RIS-Justiz RS0039347; RS0041229; SZ 68/103; 6 Ob 218/01d). Das Prozesshindernis der Rechtskraft setzt also grundsätzlich die Identität der Begehren voraus. Insoweit im Vorprozess ein Zahlungsbegehren erhoben wurde, ist dieses nicht ident mit dem hier zu beurteilenden Feststellungsbegehren. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch dargelegt, dass keine Identität des Begehrens zwischen einem Rechtsgestaltungs- und einem Feststellungsbegehren besteht. Während das Rechtsgestaltungsurteil eine neue Rechtslage schafft, erschöpft sich ein Feststellungsurteil in der Feststellung eines bestehenden Rechtszustandes (2 Ob 29/99z = JBl 1999, 675).

Wohl aber sind die anderen Begehren der Vorprozesse "der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vergleich ist nichtig, in eventu aufgehoben (wird aufgehoben)", ident mit dem hier erhobenen Feststellungsbegehren. In den Vorprozessen erhob die Klägerin wegen Irrtums beim Vergleichsabschluss sowohl ein Feststellungsbegehren ("ist nichtig"), als auch (eventualiter) ein Rechtsgestaltungsbegehren ("wird aufgehoben"). Beide Begehren wurden rechtskräftig abgewiesen. Unrichtig war allerdings die Begründung des Erstgerichtes betreffend die Abweisung des Eventualbegehrens im Verfahren 1 C 153/97g. Bei diesem Begehren handelt es sich nicht um eine Nichtigkeitsklage im Sinne des § 529 ZPO, mit welcher ein Vergleich nicht angefochten werden kann (Fasching, LB², Rz 1362). Dies ändert aber nichts daran, dass die Klagsabweisung mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen ist. Zwischen dem nunmehrigen Begehren auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Vergleiches und dem abgewiesenen Begehren auf Feststellung der Nichtigkeit des Vergleiches besteht kein wesentlicher Unterschied, weil beide Formulierung auf die Feststellung gerichtet sind, der Vergleich gehöre dem Rechtsbestand nicht an.

Daraus folgt, dass Identität von Begehren und rechtserzeugendem Sachverhalt vorliegt, weshalb die Klage wegen des Prozesshindernisses der entschiedenen Streitsache (§ 411 ZPO) zurückzuweisen war.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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