OGH 6Ob218/01d

OGH6Ob218/01d13.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Balthasar S*****, vertreten durch Dr. Erich Moser, Rechtsanwalt in Murau, gegen die beklagte Partei Anton S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Rohringer, Rechtsanwalt in Tamsweg, wegen Unterlassung (Streitwert 250.000 S), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 1. Juni 2001, GZ 4 R 91/01g-11, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 8. März 2001, GZ 7 Cg 76/00p-7, und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben wurden und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 12.195 S (darin 2.032,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Eigentümer von Grundstücken am F*****, über die eine von der forstlichen Bringungsgenossenschaft M***** errichtete und erhaltene Forststraße verläuft. Er hat diese Grundstücke für genossenschaftliche Zwecke zur Verfügung gestellt, um den einzelnen Mitgliedern der Genossenschaft die Benutzung der Forststraße zur Bringung von Forstprodukten zu ermöglichen. Nach § 12 Abs 5 der Genossenschaftssatzung hat ein Mitglied, das die Bringungsanlage über die satzungsmäßige Bestimmung hinaus (etwa für gewerbliche Zwecke oder im Interesse von Nichtmitgliedern) benützen will, vorweg eine Zustimmung der Genossenschaft einzuholen, wobei die Genossenschaft - im Fall einer Zustimmung - einen angemessenen Betrag vorschreiben kann. Die Gründung und die Satzung der Bringungsgenossenschaft M***** wurden 1977 mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft T***** genehmigt.

Der Beklagte ist Gastwirt und betreibt zwei Schihütten am F*****. Zur Versorgung dieser gastgewerblich genutzten Schihütten befährt er die Weganlage der Bringungsgenossenschaft in den Wintermonaten mit Schidoos und einer Pistenraupe. Die Genossenschaft gestattet dem Beklagten - wie seinen Rechtsvorgängern - schon seit Jahren diese über die satzungsmäßige Bestimmung gemäß § 12 Abs 5 der Genossenschaftssatzung hinausgehende Benützung gegen entsprechendes Entgelt.

Im Vorprozess 7 Cg 237/97g des Landesgerichtes Salzburg hatte der Kläger den Beklagten auf Unterlassung des Befahrens der näher bezeichneten Grundstücke, über die die Forststraße M***** verläuft, mit Schidoos und einer Pistenraupe zum Zwecke der Versorgung von gastgewerblich geführten Schihütten in Anspruch genommen. Er hatte damals vorgebracht, als Mitglied der forstlichen Bringungsgenossenschaft habe er diese Grundstücke unter der Einschränkung zur Verfügung gestellt, dass die auf seinem Grund errichtete Forststraße nur zu Zwecken der Bringung von Forstprodukten benützt werden dürfe. Die Nutzung des Beklagten gehe über diese satzungsmäßig zulässige Nutzung hinaus und greife damit in sein Eigentumsrecht ein. Der Versuch des Beklagten, seine gewerblich motivierten Fahrten durch Hinweis auf § 12 Abs 5 der Genossenschaftssatzung zu rechtfertigen, schlage fehl. Der an einer nicht satzungsgemäßen Nutzung der Straßenanlage Interessierte habe einerseits die Zustimmung der Genossenschaft als der über den Straßenkörper Verfügungsberechtigten nach § 12 Abs 5 der Genossenschaftssatzung einzuholen, andererseits benötige er aber jedenfalls noch die ausdrückliche Zustimmung des Grundeigentümers.

Der Vorprozess wurde durch rechtskräftige Abweisung des Unterlassungsbegehrens beendet. Das Berufungsgericht hatte in seiner das Urteil des Erstgerichts bestätigenden Entscheidung vom 27. 10. 1998, 2 R 223/98x, unter Hinweis auf das Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs 1 Ob 2224/96g ausgeführt, das Verfügungsrecht des Klägers als Grundeigentümer sei insoweit eingeschränkt, als dieses nach den Bestimmungen der Satzung durch die Genossenschaft ausgeübt werde. Habe die Genossenschaft einem Mitglied die Benützung der Forststraße für nichtforstliche Zwecke mit Genossenschaftsbeschluss gemäß § 12 Abs 5 der Satzung gestattet, habe der Grundeigentümer diese Benützung im gestatteten Umfang zu dulden. Der die Benützung gestattende Generalversammlungsbeschluss der Genossenschafter sei einer Überprüfung im ordentlichen Rechtsweg nicht zugänglich. Sollten die jährlichen Generalversammlungsbeschlüse, in denen dem Beklagten das Recht zur Benützung der Bringungsanlage eingeräumt worden sei, die Satzung oder das Forstgesetz verletzen, wäre es gemäß § 73 Abs 1 ForstG Aufgabe der Bezirksverwaltungsbehörde, diese Beschlüsse in Ausübung ihres Aufsichtsrechts zu beheben.

Unbestritten ist, dass der Beklagte auch in der Wintersaison 1999/2000 die Bringungsanlage zu Zwecken der Versorgung seiner gastgewerblichen Schihütten entsprechend § 12 Abs 5 der Genossenschaftssatzung und mit Zustimmung der Genossenschaft benutzt hat. Der Kläger hat dieser Benutzung nicht ausdrücklich zugestimmt.

In seiner am 7. 4. 2000 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt der Kläger vom Beklagten Unterlassung des Befahrens der Forststraße M***** über die näher bezeichneten Grundstücke des Klägers mit Schidoos und einer Pistenraupe zum Zweck der Versorgung von gastgewerblich geführten Schihütten. Der Sachverhalt habe sich seit dem Vorprozess grundlegend geändert, weil der Landeshauptmann von Salzburg mit rechtskräftigem Bescheid vom 6. 12. 1999 ausgesprochen habe, dass für die Benützung der Bringungsanlage über die satzungsmäßigen Bestimmungen hinaus nicht nur die Zustimmung der Genossenschaft, sondern auch jene des Grundeigentümers erforderlich sei, über dessen Boden die Bringungsanlage verlaufe. Er habe einer derartigen Nutzung durch den Beklagten nicht zugestimmt. Dass der Beklagte nicht Mitglied der Bringungsgenossenschaft wäre, macht der Kläger - wie auch im Vorprozess - nicht geltend.

Der Beklagte erhob unter Hinweis auf die Entscheidung im Vorprozess den Einwand der entschiedenen Rechtssache und beantragte die Zurückweisung der Klage.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur begehrten Unterlassung. Der Bescheid des Landeshauptmanns von Salzburg habe die Rechtsgrundlage zur Benützung der Forststraße über eine bestimmungsgemäße Nutzung hinaus geändert; der Einwand der entschiedenen Rechtssache sei daher nicht begründet. Der Kläger habe einer über die bestimmungsgemäße Benützung hinausgehenden Nutzung durch den Beklagten nicht zugestimmt.

Das Berufungsgericht gab der unter Hinweis auf die Einmaligkeitswirkung der Entscheidung des Vorprozesses erhobenen Nichtigkeitsberufung Folge, hob das angefochtene Urteil und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es bejahte die Identität der Parteien und des geltend gemachten Anspruches. Eine Änderung der Sach- und Rechtslage, die ein Verfahren über dasselbe Unterlassungsbegehren zulässig machen könnte, sei nicht eingetreten. Der Feststellungsbescheid der Aufsichtsbehörde interpretiere § 12 Abs 5 der Genossenschaftssatzung, ändere jedoch die Rechtslage nicht. Im Übrigen brauche der Beklagte diesen Bescheid schon deshalb nicht gegen sich gelten zu lassen, weil er nicht Partei des aufsichtsbehördlichen Verfahrens gewesen sei; er sei dort auch nicht gehört worden.

Der Rekurs des Klägers ist nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger macht in seinem Rekurs geltend, der rechtskräftige Feststellungsbescheid des Landeshauptmanns von Salzburg vom 6. 12. 1999 habe auch für die Gerichte bindend festgestellt, dass die nach § 12 Abs 5 der Satzung erteilte Zustimmung zur Benützung der Bringungsanlage die Zustimmung des Grundeigentümers nicht ersetze. Damit sei für die Zukunft klargestellt, dass eine Nutzung in der vom Beklagten vorgenommenen Form der Zustimmung des Klägers bedürfe. Infolge dieses geänderten Sachverhalts könne sich die Rechtskraftwirkung des Vorprozesses nur auf die Sachverhaltsgrundlage vor dem 6. 12. 1999 beziehen.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden.

Die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft setzt voraus, dass die rechtskräftige Entscheidung den gleichen Gegenstand zwischen denselben Parteien betraf. Identität des Anspruchs ist dann zu bejahen, wenn das neu gestellte Begehren sowohl inhaltlich dieselbe Leistung (Feststellung oder Rechtsgestaltung) fordert wie sie bereits Gegenstand des rechtskräftigen Vorerkenntnisses war und die zur Begründung des neuen Begehrens vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsachen dieselben sind, auf die sich auch die rechtskräftige Entscheidung gründet, sodass sie auch zwangsläufig dieselbe rechtliche Beurteilung zur Folge haben müssen (1 Ob 527/94, RS0041229).

Dass der Kläger inhaltlich dieselbe Leistung wie im Vorprozess fordert, bestreitet er selbst nicht. Sein nun auf die Benutzung des über seine Grundstücke verlaufenden Forstweges eingeschränktes Begehren bedeutet im Übrigen auch bloß ein Minus zum Unterlassungsbegehren des Vorprozesses. Auch die zur Begründung seines Begehrens vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsachen sind identisch mit jenen des Vorprozesses. Auch dort hatte der Kläger bereits geltend gemacht, dass eine über die satzungsmäßige Benützung hinausgehende Nutzung nicht nur der Zustimmung der Genossenschaft nach § 12 Abs 5 ihrer Satzung, sondern auch seiner Zustimmung als Grundeigentümer bedürfe. Diese Ausführungen waren auch Gegenstand der Entscheidung des Vorprozesses, die unter Hinweis auf 1 Ob 2224/96g rechtskräftig erkannte, dass das Verfügungsrecht des einzelnen Genossenschaftsmitgliedes als Grundeigentümer insofern eingeschränkt sei, als die Bestimmung zur Benützung der Genossenschaft allein obliege. Habe die Genossenschaft einem Mitglied die Zustimmung zur Benützung für nichtforstliche Zwecke erteilt, müsse der Grundeigentümer die Benützung in diesem Umfang dulden. Der Oberste Gerichtshof hatte in seiner - eine vergleichbare Eigentumsfreiheitsklage eines Grundeigentümers beurteilenden - Entscheidung 1 Ob 2224/96g erkannt, dass eine nicht schon durch § 33 Abs 1 ForstG (als Legalservitut) gerechtfertigte Benützung einer Forststraße gemäß § 33 Abs 3 ForstG der Zustimmung des Straßenerhalters bedürfe. Sei die Forstgenossenschaft Erhalter der Forststraße und könne sie gemäß § 12 Abs 5 der Satzung einer Benützung der Bringungsanlage durch Mitglieder über die satzungsmäßige Bestimmung hinaus zustimmen und dafür einen angemessenen Betrag vorschreiben, sei das Verfügungsrecht der Genossenschaftsmitglieder als Grundeigentümer soweit beschränkt, als dieses nach den Bestimmungen der Satzung durch die Genossenschaft ausgeübt werde. Sei einem Mitglied durch Genossenschaftsbeschluss ein Benützungsrecht nach § 12 Abs 5 der Satzung eingeräumt, müsse die Eigentumsfreiheitsklage eines Grundeigentümers scheitern.

Der vom Rekurswerber nun ins Treffen geführte Feststellungsbescheid vertritt die gegenteilige Rechtsauffassung. Darin wird - einem Rechtsgutachten ähnlich - festgestellt, dass die gemäß § 12 Abs 5 der Genossenschaftssatzung vorgesehene Zustimmung der Genossenschaft für eine Benützung der Bringungsanlage über die satzungsmäßige Bestimmung hinaus die ebenfalls notwendige Zustimmung der Grundeigentümer, über deren Boden die erweitert zu benützende Bringungsanlage führt, nicht ersetze. Eine rechtsgestaltende Wirkung - die eine Bindung der Gerichte nach sich ziehen könnte (RIS-Justiz RS0021153 und RS0036975) - ist diesem Bescheid nicht zu entnehmen. Weder beseitigt er den der Sondernutzung gegen Entgelt zustimmenden Generalversammlungsbeschluss der Genossenschaft, noch § 12 Abs 5 der Satzung, die derartige Beschlüsse (mit der im Vorprozess ausgesprochenen Bindungswirkung für die Grundeigentümer) ermöglicht. Er stellt vielmehr deklarativ eine Rechtsauffassung dar, die in Widerspruch zu der im Vorprozess in Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vertretenen Auffassung steht. Die Gerichte sind an diesen deklarativen Bescheid nicht gebunden. Er kann somit auch die Tatbestandswirkungen der rechtskräftigen Vorentscheidung nicht ändern.

Die Rechtskraft von Entscheidungen über denselben Gegenstand zwischen denselben Parteien im Vorprozess stellt ein Prozesshindernis dar, das in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen ist und zur Zurückweisung der Klage führt. Die Nichtbeachtung dieser negativen Prozessvoraussetzungen durch das Erstgericht bewirkte die Nichtigkeit seiner trotzdem gefällten Sachentscheidung und des vorangegangenen Verfahrens in der Hauptsache, sodass sich die Entscheidung des Berufungsgerichtes als zutreffend erweist. Dem dagegen gerichteten Rekurs des Klägers wird ein Erfolg versagt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

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