OGH 1Ob2224/96g

OGH1Ob2224/96g22.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hilde D*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Rohringer, Rechtsanwalt in Tamsweg, wider die beklagte Partei Frieda B*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Stolz, Rechtsanwalt in Radstadt, wegen Unterlassung (Streitwert 100.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgerichts vom 19.Februar 1996, GZ 54 R 1082/95-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Tamsweg vom 26.September 1995, GZ 2 C 322/95-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.086,40 S (darin 1.014,40 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Eigentümer von Waldgrundstücken, die in eine forstliche Bringungsgenossenschaft einbezogen sind. Zu deren Mitgliedern gehören daher auch die Streitteile. Auf einem der Grundstücke der Beklagten befindet sich eine Almhütte. Die Genossenschaft dient dem Zweck der gemeinschaftlichen Errichtung und Erhaltung einer bestimmten Forststraße unter Einräumung des gegenseitigen Rechts (zu ergänzen: der Genossenschaftsmitglieder) zur Bringung von Forstprodukten. Die ihrem Wortlaut nach nicht strittige Genossenschaftssatzung bestimmt ua:

"§ 12 Kosten und Gebarung

.......

(5) Will ein Mitglied die Bringungsanlage über die satzungsmäßige Bestimmung hinaus benützen (etwa für gewerbliche Zwecke oder im Interesse von Nichtmitglieder[n]), so hat es hiezu die Zustimmung der Genossenschaft vorher einzuholen. Diese kann einen angemessenen Beitrag vorschreiben."

Die Forststraße führt in ihrem unteren Bereich "auf einem kurzen Stück" über Grundflächen der Klägerin. Im oberen Bereich verläuft ein bei einer Bachbrücke beginnender Stichweg auf längerer Strecke über eine andere Grundfläche der Klägerin. Von diesem Stichweg gelangt man auf jene Grundfläche der Beklagten, auf der deren Almhütte liegt. Diese wurde und wird von der Beklagten regelmäßig vermietet. Die Beklagte oder deren Gäste stellten bisweilen Personenkraftwagen im Bereich einer Ausweiche auf einer Grundfläche der Klägerin ab. Deren Ehegatte war über mehrere Jahre, jedenfalls von 1988 bis 1994, Genossenschaftsobmann. Die Klägerin wurde bei den Genossenschaftsversammlungen regelmäßig durch ihren Ehegatten vertreten. Die Beklagte nahm an diesen Versammlungen gelegentlich selbst teil und wurde sonst ebenso regelmäßig durch ihren Ehemann vertreten. Bei der Genossenschaftsversammlung am 4.März 1988 wurde das Problem der Benützung der forstlichen Bringungsanlage durch Nichtmitglieder behandelt und beschlossen, daß ab 1988 bei Verpachtung einer Hütte an verschiedene Benützer im Laufe eines Jahres oder bei Befahren der Forststraße mit mehr als einem Fahrzeug 1.000 S jährlich zu entrichten seien. Dieser Betrag wird von der Beklagten seither regelmäßig bezahlt. Nicht feststellbar ist, ob sich der Ehegatte der Klägerin damals in deren Namen gegen diese Vereinbarung aussprach. Die Klägerin selbst wurde als Grundeigentümerin nie gefragt, dieser Regelung ausdrücklich zuzustimmen. Sie gestattete der Beklagten auch keine über den Genossenschaftsbeschluß hinausgehende Benützung der forstlichen Bringungsanlage. Diese wird regelmäßig durch Gäste der Beklagten befahren, um zu deren Almhütte zu gelangen. Die Zahlungen der Beklagten für die Straßenbenützung durch deren Gäste erfolgen an die Genossenschaft. Diese verwendet die Einnahmen für die Straßenerhaltung. Der Ehegatte der Klägerin brachte ua gegenüber jenem der Beklagten immer wieder zum Ausdruck, daß die Gäste in der Almhütte nicht berechtigt seien, die Straße zu befahren. Der Klagevertreter machte in einem Schreiben an den Beklagtenvertreter vom 13.Dezember 1994 darauf aufmerksam, daß das Befahren eines Grundstücks der Klägerin "für Zwecke der Vermietung eines Ferienhauses" vom eingeräumten Bringungsrecht nicht gedeckt sei.

Die Klägerin begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, das Befahren ihrer Grundflächen im Verlauf einer bestimmt bezeichneten Forststraße "über den Umfang als forstliche Bringungsanlage hinaus" zu unterlassen, und zwar insbesondere deren Befahren "selbst, durch Gäste und jeden anderen Dritten.... für Zwecke der Vermietung" der Almhütte. Sie brachte im wesentlichen vor, daß die auch der Beklagten eingeräumte Dienstbarkeit ausschließlich auf das Recht zur Bringung von Forstprodukten beschränkt sei. Die Beklagte dürfe daher die Genossenschaftsstraße nur im Rahmen der Ausübung des forstlichen Bringungsrechts auf den Grundflächen der Klägerin benützen. Das Befahren der Straße im Zusammenhang mit der Vermietung der Almhütte der Beklagten sei demnach ein Eingriff in das Eigentumsrecht der Klägerin. Soweit die Beklagte ihr Verhalten durch einen Beschluß der Genossenschaft zu rechtfertigen suche, sei zu erwidern, daß die Genossenschaft nicht befugt sei, die Ausübung des Eigentumsrechts unabhängig vom Genossenschaftszweck zu regeln.

Die Beklagte wendete ein, die Genossenschaft habe ihr das Recht der dann tatsächlich ausgeübten Benützung der Forststraße gegen Entgelt eingeräumt. Diese sei dazu gemäß § 12 Abs 5 ihrer Satzung auch berechtigt gewesen. Nach dieser Bestimmung setze die Benützung der Bringungsanlage durch ein Mitglied über den satzungsmäßigen Zweck hinaus - etwa für gewerbliche Zwecke oder im Interesse von Nichtmitgliedern - die Zustimmung der Genossenschaft voraus. Es sei daher einerseits nur die Genossenschaft legitimiert, eine Unterlassungsklage gegen eine satzungswidrige Benützung der Forststraße einzubringen, andererseits könne aber auch nur die Genossenschaft geklagt werden, wenn diese, wie die Klägerin behaupte, durch eine bestimmte Benützungserlaubnis tatsächlich in ihr Eigentumsrecht eingegriffen hätte.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und führte in rechtlicher Hinsicht aus, Forststraßen seien Bringungsanlagen im Sinne des § 59 ForstG. Diese seien für den Verkehr von Kraftfahrzeugen und Fuhrwerken bestimmte nichtöffentliche Straßen samt den in ihrem Verlauf befindlichen dazugehörigen Bauwerken, die der Bringung und dem wirtschaftlichen Verkehr innerhalb der Wälder und deren Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz dienten. Die Verpflichtung der Mitglieder, den Zweck der forstlichen Bringungsgenossenschaft zu fördern, beinhalte auch die Pflicht, die Benützung der Forststraße auf den eigenen Grundflächen durch die übrigen Berechtigten zu dulden. Diese seien gemäß § 3 lit a der Satzung aber auch befugt, die Bringungsanlage für ihre eigene Land- und Forstwirtschaft zu benützen. Die Vermietung und Verpachtung von Almhütten bilde einen nicht unerheblichen Anteil der Einnahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs. Der intensiveren Straßennutzung im Interesse der Beklagten habe die Genossenschaft mit der Auferlegung eines höheren jährlichen Beitrags Rechnung getragen. Diese sei auch berechtigt, Mehrheitsentscheidungen zu fällen, die - wie hier - eine stärkere Belastung des einzelnen Mitglieds verursachten. Halte sich die Benützung der Bringungsanlage im Rahmen der Beschlüsse der Genossenschaft, sei das von deren Mitgliedern zu dulden. Die Straßennutzung durch die Beklagte und deren Gäste übersteige aber nicht das durch den Genossenschaftsbeschluß gedeckte Ausmaß, sodaß die Klägerin nicht berechtigt sei, die Unterlassung der Benützung der Bringungsanlage über ihre Grundflächen zu begehren.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstands 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte aus, eine forstliche Bringungsanlage im Sinne des § 59 Abs 2 ForstG diene auch dem "wirtschaftlichen Verkehr innerhalb der Wälder sowie deren Verbindung zum öffentlichen Verkehrsnetz". Bringungsgenossenschaften seien gemäß § 68 Abs 1 ForstG befugt, auch die Benützung von Bringungsanlagen zu regeln, wozu der wirtschaftliche Verkehr im Sinne des § 59 Abs 2 ForstG gehöre. Der Verwaltungsgerichtshof habe den Kreis der befugten Benutzer einer Forststraße in einem Erkenntnis vom 15.April 1980 (VwSlg 10.100 A) sehr eng gezogen. Dazu gehörten Waldeigentümer, Fruchtnießer und Nutzungsberechtigte bzw Personen, die in deren Auftrag und mit deren Wissen handelten. Die Mieter von Almhütten seien nicht Nutzungsberechtigte im Sinne des Forstgesetzes. Sie könnten auch nicht im Auftrag bzw mit Wissen der Waldeigentümer oder Nutzungsberechtigten handeln, weil sie mit der Gewinnung und Verwertung des Holzes oder sonstiger Forstprodukte nichts zu tun hätten. Im Vordergrund stehe vielmehr der Erholungszweck. Solche Personen dürften daher Forststraßen gemäß § 33 Abs 3 ForstG nur mit Zustimmung jener Personen befahren, denen deren Erhaltung obliege. Diese Voraussetzung sei jedoch hier erfüllt. Die spezifische Benützung der Bringungsanlage durch die Beklagte, deren Unterlassung die Klägerin begehre, werde durch die Genossenschaft als Straßenerhalterin aufgrund ihres Beschlusses vom 4.März 1988 geduldet. Die Genossenschaftsmitglieder hätten auch Mehrheitsentscheidungen der Genossenschaft gegen sich gelten zu lassen. Würde der Beschluß vom 4.März 1988 die Satzung der Genossenschaft oder das Forstgesetz verletzen, wäre es gemäß § 73 Abs 1 ForstG Aufgabe der Bezirksverwaltungsbehörde, diesen Beschluß in Ausübung deren Aufsichtsrechts als gesetz- oder satzungswidrig zu beheben. Dem Gericht sei die Beantwortung der Frage verwehrt, ob der Genossenschaftsbeschluß vom 4.März 1988 mit der Satzung vereinbar sei. Da dieser Beschluß aber beide Streitteile binde, sei das Klagebegehren schon deshalb zutreffend abgewiesen worden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Klägerin versuchte die Rechtsnatur ihres Klagebegehrens als Eigentumsfreiheitsklage gemäß § 523 ABGB besonders durch dessen Formulierung zu verdeutlichen, die Beklagte sei schuldig, das Befahren von Grundflächen der Klägerin im Verlauf einer bestimmten Forststraße "über den Umfang als forstliche Bringungsanlage hinaus" zu unterlassen. Das Erstgericht sprach mit Beschluß vom 26.September 1995, der in die über die Hauptsache ergangene Entscheidung aufgenommen wurde, die Zulässigkeit des Rechtswegs aus und verwarf damit inhaltlich die von der Beklagten erhobene Einrede der "Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges". Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft. Die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs stellt sich daher im Revisionsverfahren nicht mehr.

Forststraßen gelten gemäß § 1 Abs 3 iVm § 59 ForstG als Teil des Waldes. Soweit deren Benützung nicht durch die sich aus § 33 Abs 1 ForstG ergebende Legalservitut gerechtfertigt wird, bedarf es gemäß § 33 Abs 3 ForstG der Zustimmung jener Person, der die Erhaltung der Forststraße obliegt (JBl 1996, 454; VfGH in ZfVB 1993/1832). Erhalter der Forststraße ist hier die forstliche Bringungsgenossenschaft, deren Mitglieder die Streitteile sind. Der satzungsgemäße Zweck der Genossenschaft ist "die gemeinschaftliche Errichtung und Erhaltung der Forststraße..... unter Einräumung des gegenseitigen Rechtes (zu ergänzen: der Genossenschaftsmitglieder) zur Bringung von Forstprodukten". Gemäß § 12 Abs 5 der Satzung, die auch die Rechtsbeziehungen der Mitglieder aus dem Genossenschaftsverhältnis regelt, kann die Genossenschaft der Benützung der Bringungsanlage durch Mitglieder "über die satzungsmäßige Bestimmung hinaus.... (etwa für gewerbliche Zwecke oder im Interesse von Nichtmitgliedern)" zustimmen und dafür "einen angemessenen Beitrag vorschreiben". Wie bereits das Erstgericht richtig erkannte, ist das Verfügungsrecht der Genossenschaftsmitglieder als Grundeigentümer soweit beschränkt, als dieses nach den Bestimmungen der Satzung durch die Genossenschaft ausgeübt wird. Wurde einem Mitglied - wie hier der Beklagten - durch einen Genossenschaftsbeschluß ein Benützungsrecht gemäß § 12 Abs 5 der Satzung eingeräumt, muß daher an dieser Sacheinwendung die Eigentumsfreiheitsklage eines anderen Mitglieds scheitern, soweit die Sondernutzung der forstlichen Bringungsanlage durch jenes Mitglied in Ausübung eines sich aus dem Genossenschaftsverhältnis ergebenden Rechts erfolgt. Nach den getroffenen Feststellungen benützt die Beklagte die Forststraße nur im Rahmen der ihr durch den Beschluß der Genossenschaft vom 4.März 1988 erteilten Genehmigung. Sie erfüllt auch stets ihre sich daraus ergebenden Zahlungspflichten. Die durch die Genossenschaft aus der Sondernutzung der forstlichen Bringungsanlage erzielten Erträge werden für die Erfüllung eines ihrer Zwecke (Erhaltung der Forststraße) aufgewendet. Die der Beklagten eingeräumte Möglichkeit der Sondernutzung der Forststraße gegen Entgelt kommt also letztlich allen Genossenschaftsmitgliedern - so auch der Klägerin - zugute, weil die Genossenschaft die Erhaltungsaufwendungen sonst ohne diese Erträge soweit aus anderen Mitteln zu finanzieren hätte. Der Ansicht der Klägerin, das der Beklagten durch die Genossenschaft gemäß § 12 Abs 5 deren Satzung eingeräumte Recht der Benützung der Forststraße diene jedenfalls nicht der Verwirklichung des Genossenschaftszwecks, kann somit nicht beigepflichtet werden.

Soweit die Klägerin den Genossenschafts- beschluß vom 4.März 1988 als gesetzwidrig ansieht, ist sie auf § 73 Abs 1 ForstG zu verweisen. Danach obliegt die Aufsicht über die Genossenschaft der Behörde. In Ausübung des Aufsichtsrechts hat die Behörde Beschlüsse oder Verfügungen der Genossenschaft, die gesetz- oder satzungswidrig sind, zu beheben und zu veranlassen, daß Maßnahmen, die aufgrund solcher Beschlüsse oder Verfügungen getroffen wurden, rückgängig gemacht werden. Daraus folgt, daß ein Genossenschaftsbeschluß nur durch einen in Ausübung des Aufsichtsrechts erlassenen und soweit konstitutiv wirkenden Bescheid der Verwaltungsbehörde behoben werden kann. Die Klägerin behauptete nicht, daß der Genossenschaftsbeschluß vom 4.März 1988 durch einen solchen Bescheid behoben worden wäre; jener ist daher nach wie vor als rechtswirksam anzusehen und auch für die Beurteilung der Rechtsbeziehungen der Streitteile maßgebend.

Der Eigentumsfreiheitsklage der Revisionswer- berin kann daher schon aus diesen Gründen kein Erfolg beschieden sein, so daß es keiner weiteren Erörterung forstrechtlicher Bestimmungen bedarf.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf § 41 ZPO und § 50 ZPO.

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