OGH 2Ob29/99z

OGH2Ob29/99z25.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *****M. Z***** KG, ********** vertreten durch Dr. Hansjörg Reiner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Wolfgang L*****, wegen Unwirksamerklärung eines Räumungsvergleiches, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 7. Dezember 1998, GZ 22 R 423/98g-5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 28. September 1998, GZ 3 C 1821/98x-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen wird der Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes aufgehoben und diesem die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Klage aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 9. 11. 1992 schlossen die Streitteile zu 3 C 429/92g des Erstgerichtes einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich die Klägerin verpflichtete, die von ihr mit Mietvertrag vom 4. 11. 1992 gemieteten Räume in einem Haus des Beklagten am 4. 11. 1997 zu räumen und geräumt zu übergeben. Auf einen Räumungsaufschub wurde ausdrücklich verzichtet.

Da die klagende Partei in weiterer Folge die Auskunft erhielt, daß der Räumungsvergleich unwirksam sei, teilte sie dies dem Beklagten mit und kündigte an, das Bestandobjekt zum vereinbarten Termin nicht räumen zu wollen.

Der Beklagte klagte daraufhin die Klägerin zu 3 C 1763/97 des Erstgerichtes auf Feststellung, daß der am 9. 11. 1992 abgeschlossene Räumungsvergleich rechtswirksam sei und die klagende Partei die gemieteten Räume am 4. 11. 1997 zu räumen und geräumt zu übergeben habe. Diese Klage wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht teilte zwar die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dem Beklagten (Kläger des Verfahrens zu 3 C 1763/97) fehle das Interesse an der begehrten Feststellung, nicht, es vertrat aber die Ansicht, der am 9. 11. 1992 abgeschlossene Räumungsvergleich sei mangels Zulässigkeit einer Befristung des Mietverhältnisses auf die Dauer von fünf Jahren eine unzulässige Umgehung der Kündigungs- und Befristungsbestimmungen des MRG gewesen, was seine Unwirksamkeit zur Folge habe.

Der Beklagte hat inzwischen unter Vorlage des Räumungsvergleiches vom 9. 11. 1992 die Räumungsexekution beantragt, dieser Antrag wurde mit Beschluß vom 27. 11. 1997 bewilligt, der dagegen erhobene Rekurs blieb erfolglos. Seither führt der Beklagte gegen die klagende Partei Räumungsexekution.

In der Folge brachte die klagende Partei zu 3 C 697/98b des Erstgerichtes eine Klage auf Unwirksamerklärung des am 9. 11. 1992 zu 3 C 429/92g abgeschlossenen Räumungsvergleiches ein. Diese Klage wurde mit Beschluß vom 12. 5. 1998 unter Hinweis auf das zu 3 C 1763/97 behängende Feststellungsverfahren wegen Streitanhängigkeit zurückgewiesen. Das Erstgericht vertrat die Ansicht, daß mit dieser Klage das kontradiktorische Gegenteil der Feststellungsklage angestrebt werde, weshalb Streitanhängigkeit vorliege. Der von der klagenden Partei dagegen erhobene Rekurs wurde wegen Verspätung zurückgewiesen.

Mit der am 24. 9. 1998 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die klagende Partei (erneut) die Unwirksamerklärung des am 9. 11. 1992 abgeschlossenen Räumungsvergleiches. Auch diese Klage hat das Erstgericht mit Beschluß vom 28. 9. 1998, GZ 3 C 1821/98x-2, zurückgewiesen. Es begründete seine Entscheidung mit der Rechtskraft des im Verfahren zu 3 C 697/98b gefaßten Zurückweisungsbeschlusses.

Das dagegen von der klagenden Partei angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung; es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 260.000 S übersteigend und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig.

Das Rekursgericht verneinte eine Bindung des zu 3 C 697/98b ergangenen rechtskräftigen Zurückweisungsbeschlusses für das nunmehr anhängige Verfahren. Zwar könnten auch Beschlüsse der Rechtskraftwirkung des § 411 ZPO teilhaft werden, dies sei aber nicht bei bloß prozeßleitenden Verfügungen, sondern nur dann der Fall, wenn die Beschlüsse "das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis ergreifen". Im vorliegenden Verfahren habe das Erstgericht die Klage vor Streitanhängigkeit zurückgewiesen. In einem solchen Fall ergebe sich schon aus § 522 Abs 1 ZPO, daß eine bindende Wirkung der Vorentscheidung nicht vorliege (JBl 1963, 482).

Im übrigen aber stehe die Rechtskraft (Einmaligkeitswirkung) der zu 3 C 1763/97s des Erstgerichtes ergangenen Entscheidung der nunmehrigen Klage entgegen. Die materielle Rechtskraft eines stattgebenden positiven Feststellungsurteiles bewirke zwischen denselben Parteien Rechtskraft auch für eine negative Feststellung und gleiches gelte im umgekehrten Fall. Auch wenn das Begehren im vorliegenden Fall nicht identisch sei, stelle es doch das genaue begriffliche Gegenteil dar, weshalb die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft zum Tragen komme. Als Folge der Entscheidung zu 3 C 1763/97s des Erstgerichtes, in der das Begehren auf Feststellung, daß der Räumungsvergleich rechtswirksam sei, mit der Begründung abgewiesen worden sei, daß der Räumungsvergleich eine unzulässige Umgehung der zwingenden Bestimmungen des MRG sei, sei der Räumungsanspruch des Beklagten zu verneinen, die Abweisung des positiven Feststellungsbegehrens bewirke Rechtskraft (Einmaligkeitswirkung), die der nunmehrigen Klagsführung entgegenstehe. Der Klägerin sei unter Hinweis auf die abweisliche Entscheidung im Verfahren zu 3 C 1763/97s auch eine Einstellung des Exekutionsverfahrens gemäß § 39 Abs 1 Z 1 EO möglich.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht für zulässig, weil die Frage, ob die Abweisung einer positiven Feststellungsklage im Folgeprozeß nur (bindende) Präjudizialität schaffe oder eine zur Klagszurückweisung führende Einmaligkeitswirkung eintrete, nicht gesichert erscheine. Auch seien von der Lehre Zweifel daran angemeldet worden, ob Feststellungsurteile zum Einstellungsantrag berechtigten.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die Beschlüsse der Vorinstanzen ersatzlos aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme von den verwendeten Zurückweisungsgründen aufgetragen werde.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, die vorliegende Rechtsgestaltungsklage gehe über das Begehren im bereits rechtskräftig entschiedenen Feststellungsprozeß hinaus. Mit der Rechtsgestaltungsklage werde die Aufhebung eines Rechtsverhältnisses begehrt, während die Feststellungsklage lediglich auf die bloß deklarative Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes gerichtet sei. Die Rechtsgestaltungswirkung trete erst mit der Rechtskraft des Urteiles ein und binde nicht nur die Streitparteien und Behörden, sondern auch alle anderen der inländischen Rechtsordnung unterworfenen Rechtsträger. Ein stattgebendes Rechtsgestaltungsurteil bewirke sohin Rechtskraft gegenüber jedermann.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, verhindert die sich aus § 411 ZPO ergebende Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft eine neuerliche Verhandlung und Entscheidung über die bereits entschiedene Hauptfrage. Vielmehr ist eine zweite Klage über denselben Streitgegenstand mit Beschluß zurückzuweisen; ist das Prozeßhindernis übersehen worden, liegt ein Nichtigkeitsgrund vor, der in jeder Lage des Verfahrens zur Zurückweisung der Klage führen muß (Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 2 zu § 411 ZPO).

Die Einmaligkeitswirkung der Rechtskraft tritt dann ein, wenn Identität des Anspruches vorliegt, also wenn der Streitgegenstand der neuen Klage und der Urteilsgegenstand des schon vorliegenden Urteils gleich sind, was jedenfalls erfordert, daß das Begehren inhaltlich dasselbe ist. Dasselbe gilt, wenn das begriffliche Gegenteil des rechtskräftig entschiedenen Anspruches begehrt wird; der bejahende Urteilsspruch verneint sein kontradiktorisches Gegenteil (Rechberger, aaO Rz 7 und 8 zu § 411 mwN). Im vorliegenden Fall stellt aber - entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Ansicht - die hier vorliegende Klage auf Unwirksamerklärung des Vergleiches nicht das begriffliche Gegenteil der Klage auf Feststellung der Rechtswirksamkeit des Vergleiches dar. Während sich nämlich ein Feststellungsurteil in der Feststellung des bestehenden Rechtszustandes erschöpft (Fasching, LB**2 Rz 1110), wird mit einer Rechtsgestaltungsklage die Fällung eines Urteils begehrt, mit dem ein Rechtsverhältnis begründet, geändert oder aufgelöst werden soll; das Rechtsgestaltungsurteil schafft also konstitutiv eine neue Rechtslage (Fasching, aaO Rz 1106). Im Vorprozeß zu 3 C 1763/97s wurde das Begehren, es werde (deklarativ) festgestellt, daß der Vergleich rechtswirksam sei, abgewiesen, hier hingegen wird die Rechtsgestaltung der Unwirksamerklärung (ex nunc) des Vergleiches begehrt. Die vorliegende Rechtsgestaltung ist daher nicht das begriffliche Gegenteil der Feststellungsklage zu 3 C 1763/97s, weshalb auch die Einmaligkeitswirkung des in diesem Verfahren ergangenen Urteils der vorliegenden Klage nicht entgegensteht.

Ob die materielle Unwirksamkeit des Vergleiches überhaupt mit Rechtsgestaltungsklage geltend gemacht werden kann, ist hier nicht zu prüfen.

Dieser Ansicht steht auch nicht die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung SZ 39/94 entgegen. In dieser Entscheidung wurde ausgesprochen, daß im Falle der Abweisung der positiven Feststellungsklage wegen Nichtbestehens des Rechtes oder Rechtsverhältnisses der wiederholten Geltendmachung des Bestehens dieses Rechtes die Einrede der Rechtskraft entgegensteht. Mit der vorliegenden Rechtsgestaltungsklage wird aber das strittige Recht nicht wiederholt geltend gemacht, weshalb die Einmaligkeitswirkung der im Verfahren zu 3 C 1763/97s des Erstgerichtes ergangenen Entscheidung der vorliegenden Klage nicht entgegensteht.

In Stattgebung des Revisionsrekurse war somit dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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