OGH 8ObA283/01b

OGH8ObA283/01b29.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Martha Schöck und Mag. Christa Marischka als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Claudia W*****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei W***** AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 159.588,-- sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Juli 2001, GZ 7 Ra 236/01d-29, womit das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Oktober 2000, GZ 33 Cga 103/99b-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die mangelnde Berechtigung der von der Beklagten ausgesprochenen Entlassung zutreffend bejaht, sodass es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung zu verweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Die bei der Beklagten vor der Entlassung ca zwei Jahre als Verkaufs- und Organisationsleiterin mit einem durchschnittlichen monatlichen Bruttogehalt von S 42.912,67 (Fixum S 24.430,-- zuzüglich Anteilsprovision) beschäftigte Klägerin war für die Leitung und Sicherung der Absatzziele, Akquisition neuer Kunden und die Betreuung des Kundenstockes verantwortlich. Sie hatte die ihr zugewiesenen Mitarbeiter zu betreuen und motivieren. Über deren Erfolg war sie über ihre Anteilsprovision beteiligt und nur im Rahmen ihrer persönlicher Beziehungen war es ihr gestattet, selbst Versicherungsverträge zu vermitteln. Für diese bezog sie eine reine Abschlussprovision.

Auch die Klägerin wurde in einen zur Mitarbeitermotivation bei der Beklagten üblichen internen Wettbewerb miteinbezogen, bei dem ihr mehr Erfolgsprovision für den Abschluss einer bestimmten Anzahl von Versicherungs- und Bausparverträgen zugesagt wurde. Dabei legte die beklagte Partei fest, dass die Mindestvertragssumme der Bausparverträge S 50.000,-- und die provisionswirksame Besparung mindestens 0,75 % der Vertragssumme jedenfalls aber S 1.000,-- betragen müsse. Als die Klägerin dann Mitte 1998 feststellte, dass sie nach den bisherigen Vertragsabschlüssen die Bonifikation nicht erreichen werde, trat sie an verschiedene Familienmitglieder und Bekannte heran. Diesen gegenüber legte sie ihr Motiv offen, ebenso den Umstand, dass bei Abschluss von mehreren Bausparverträgen nur ein einziger prämienbegünstigt ist. Es schlossen dann über 60 Bekannte und Familienmitglieder, um der Klägerin zu helfen, Bausparverträge ab, teilweise jedoch nur mit der Mindestvertragssumme von S 50.000,--.

Auf Grund verschiedener Informationen bei Schulungen war der Klägerin bewusst, dass es sich beim Abschluss von mehreren Verträgen für eine Person um ein firmenpolitisch unerwünschtes "Vertragssplitting" handelt, jedoch war dies eine bei den Angestellten der Beklagten nicht unübliche Vorgangsweise. Auch war der Klägerin im Zusammenhang mit sogenannten "Euro-Top-Life"-Verträgen im November 1997 mitgeteilt worden, dass gestückelte Verträge für den Jahreserfolgsvertrag nur als ein Vertrag gewertet werden, dabei wurde es als "unvertretbare" Stückelung angesehen, wenn bei einem Versicherungsnehmer Millionenbeträge in 10 bis 20 Verträge "gestückelt" werden.

Soweit nun die Beklagte davon ausgeht, dass das Verhalten der Klägerin den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 AngG dritter Tatbestand AngG erfülle und dazu auch noch die Feststellungen erforderlich erachtet, dass die Klägerin von 61 Bausparverträgen in 6 Fällen für eine Person zwei Bausparverträge, bei zwei Personen drei Bausparverträge abgeschlossen habe und 22 der Bausparverträge auch nicht weiter bespart worden seien, muss ihr schon entgegengehalten werden, dass nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen über 60 Familienmitglieder und Bekannte Bausparverträge abgeschlossen haben. Selbst wenn man aber von den 6 Doppel- bzw 2 und Dreifachabschlüssen ausgehen würde (vgl Beil/10), wäre für die Beklagte nichts gewonnen.

Der Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit im Sinn des § 27 Z 1 letzter Satz AngG erfasst Handlungen des Angestellten, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und auf ihre Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers unwürdig erscheinen lassen, weil der Arbeitgeber befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflicht nicht mehr getreulich erfüllen werde, sodass dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet sind (vgl RIS-Justiz RS0029547 mit zahlreichen weiteren Nachweisen etwa SZ 58/94, Arb 10.614, SZ 65/134 = Arb 11.047, SZ 69/14 uva). Ausschlaggebend ist dann, ob das Verhalten des Angestellten nach objektiven Grundsätzen als so schwerwiegend angesehen werden muss, dass das Vertrauen des Arbeitgebers so heftig erschüttert wird, dass ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (vgl RIS-Justiz RS0029323 mit zahlreichen weiteren Nachweisen etwa Arb 10.614, SZ 62/214; RIS-Justiz RS0029833; RIS-Justiz RS0029733 uva).

Dabei genügt für die Verwirklichung dieses Entlassungsgrundes Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers und es ist weder Schädigungsabsicht noch Schadenseintritt erforderlich (vgl RIS-Justiz RS0029531 mit zahlreichen weiteren Nachweisen etwa Arb 10.001, Arb 10.072, SZ 58/94, Arb 10.614, SZ 62/214 uva). Zutreffend zeigt die Beklagte auch auf, dass an Angestellte mit einer größeren Vertrauensstellung ein strengerer Maßstab hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit anzulegen ist, als bei Arbeitnehmern in untergeordneter Tätigkeit (vgl RIS-Justiz RS0029341 mit zahlreichen weiteren Nachweisen etwa JBl 1981, 161, RdW 1988, 205 uva).

Den Verstoß gegen eine konkrete Weisung, Bausparverträge nicht zu stückeln, konnte die Beklagte nicht nachweisen. Vielmehr konnten die Arbeitnehmer im Allgemeinen nach der Regelung über die Erfolgsprämie davon ausgehen, dass es nur auf den jeweiligen Bausparvertrag ankam und wurde dies jedenfalls teilweise im Betrieb der Beklagten auch so gehandhabt. Der Mangel an klaren Anweisungen fällt aber regelmäßig dem Arbeitgeber zur Last (vgl OGH 20. 9. 2000, 9 ObA 211/00w, OGH 4. 10. 2000, 9 ObA 216/00f = ASOK 2001, 164 = infas 2001, A 18 = RdW 2001/256). Dies gilt umsomehr dann, wenn der Arbeitgeber selbst ein Entlohnungssystem schafft, das bestimmte von ihm nicht gewünschte Verhaltensweisen klar fördert. Dann kann aber auch der Verstoß gegen seine nicht deutlich und klar artikulierten Interessen - unabhängig von der Frage inwieweit sie nicht überhaupt schon in der Entgeltregelung hätten dargestellt werden müssen - nicht als so einschneidend beurteilt werden, dass der Arbeitgeber befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflicht nicht mehr getreulich erfüllen werde und dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin zwar offenbar gewisse Vorgesetztenfunktionen zugekommen sind, dass ihr aber auch in dieser Funktion nicht eindeutig klar gemacht wurde, dass eine Stückelung der Verträge unzulässig wäre. Vielmehr hat es sich nur eine im Betrieb der Beklagten durchaus geübte Vorgangsweise handelt, die bisher nur mit der Sanktion der Zusammenrechnung geahndet wurde.

Insgesamt war daher der Revision der Beklagten ein Erfolg zu versagen.

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