OGH 4Ob104/01z

OGH4Ob104/01z12.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermann S*****, vertreten durch Dr. Harald Ofner und Dr. Thomas Wagner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Alois F*****, vertreten durch Mag. Dr. Josef Kattner, Rechtsanwalt in Amstetten, wegen Herausgabe (Streitwert 80.000 S), infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 28. November 2000, GZ 36 R 266/00m-35, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Bezirksgerichts Waidhofen/Ybbs vom 18. August 2000, GZ 1 C 323/98z-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 6.086,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.014,40 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - (nachträglichen) Ausspruch des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht vor:

Der Kläger hat seinen Herausgabeanspruch in erster Instanz ausschließlich auf sein Alleineigentum an dem Mischpult gestützt. Er trug lediglich vor, dass der Beklagte beim Austritt aus der Musikgruppe völlig widerrechtlich (ua) diesen Gegenstand sich angeeignet habe. Beide Vorinstanzen kamen aber zu dem - in dritter Instanz nicht mehr in Zweifel gezogenen - Ergebnis, dass das Mischpult in Wahrheit im Miteigentum der drei Mitglieder der Musikgruppe, die eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts war, gestanden ist. Folgerichtig haben daher die Vorinstanzen diese Eigentumsklage (rei vindicatio) im Sinn des § 366 ABGB abgewiesen.

Einen Anspruch aus besserem Besitz, also eine "actio Publiciana" im Sinn des § 372 ABGB, hat der Kläger nicht geltend gemacht; er hat keine einen solchen Anspruch begründenden Tatsachen vorgetragen. Er hat sich in erster Instanz nicht darauf berufen, dass die in seinem Eigentum stehende Sache auch in seiner Gewahrsame gewesen und ihm vom Beklagten (listig) entzogen worden sei. Er hat den Sachverhalt vom 29. 8. 1996 nicht zum Gegenstand seines Tatsachenvorbringens gemacht. Die Entscheidung hängt daher nicht von der Lösung der Frage ab, ob der Kläger, der ebenso Miteigentümer wie der Beklagte ist, gegen diesen allein deshalb mit einer Klage nach § 372 ABGB durchdringen könnte, weil der Beklagte den Gegenstand am 29. 8. 1996 dem Kläger listig entzogen hat, also unechter Besitzer wurde (vgl Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 372 Rz 3, § 373 Rz 2 und § 431 Rz 12 letzter Satz; SZ 58/23; SZ 66/59).

Noch weniger ist dem Klagevorbringen die Behauptung zu entnehmen, dass die Mitglieder der GesbR eine Benützungsregelung in Ansehung der gemeinsamen Sache dahin getroffen hätten, dass sie der Kläger zu verwahren habe, oder dass jedenfalls eine faktische Gebrauchsordnung in diesem Sinne bestanden habe und der Beklagte diese eigenmächtig gestört habe. Ob dem Kläger kraft seines Anteilsrechts ein Anspruch auf Wiederherstellung der früheren faktischen Gebrauchsordnung durch Herausgabe der ihm entzogenen Sache zustünde (siehe dazu Gamerith in Rummel, ABGB3 § 835 Rz 13; Hofmeister/Egglmeier in Schwimann, ABGB2 § 835 Rz 38 je mwN aus der Rechtsprechung; SZ 51/56 uva), ist daher im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch ohne Bedeutung. Der Kläger hat ja in erster Instanz nicht einmal behauptet, dass sich das Mischpult vor der widerrechtlichen Mitnahme durch den Beklagten in seinem Besitz befunden habe. Er hat lediglich behauptet, dass er das Mischpult angeschafft und bezahlt habe und es in seinem Alleineigentum stehe.

Der Beklagte hatte daher keinerlei Anlass, in erster Instanz zu einem solchen "unabhängig vom Eigentum auf die widerrechtliche Entziehung des Streitgegenstandes gestützten obligatorischen Herausgabeanspruch" (SZ 51/56) zu erwidern und zu dessen Tatsachengrundlage eigene Behauptungen aufzustellen. Es verstieße daher gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art 6 MRK), auf Grund der überschießenden Feststellungen des Ersturteils über einen Verstoß gegen die Gebrauchsordnung abzusprechen (vgl EvBl 1999/189).

Die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen zu dem Zweck, dem Kläger eine Klageänderung (§ 235 ZPO) durch Änderung des Klagegrundes - also durch Behauptung anderer Tatsachen, die den Anspruch des Klägers begründen sollen (Rechberger/Frauenberger in Rechberger, ZPO2 § 235 Rz 3) - ist unzulässig. Die Anleitungspflicht im Anwaltsprozess darf nämlich keineswegs derart weit gezogen werden, dass einer Partei die Möglickeit eröffnet werden muss, einen nach den getroffenen Feststellungen zu verneinenden Klageanspruch dahin zu ändern, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Klagestattgebung gegeben sein könnten (SZ 70/199 = EvBl 1998/59 = JBl 1998, 308 = ecolex 1998, 318).

Da somit die Entscheidung über den in erster Instanz allein geltend gemachten Anspruch nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO abhängt, ist die Revision zurückzuweisen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Revisionsbeantwortung des Beklagten diente der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weil darin die Unzulässigkeit der Revision - mit zutreffender Begründung - geltend gemacht wurde.

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