OGH 8ObS152/01p

OGH8ObS152/01p5.7.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Stefan Schöller und Brigitte Augustin als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. Leopold S*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, wider die beklagte Partei Bundessozialamt Wien, Niederösterreich, Burgenland, 1050 Wien, Geigergasse 5-8, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 256.266,97 an Insolvenz-Ausfallgeld, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse S 164.908,80) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Februar 2001, GZ 7 Rs 337/00f-39, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 20. September 2000, GZ 10 Cgs 30/98v-34, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wieder hergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei

a. die mit S 12.687 (darin enthalten S 2.114,5 an Ust) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und

b. die mit S 9.135 (darin enthalten S 1.522,5 an Ust) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war auf Grund eines Vertrages vom 15. 6. 1989 bei der späteren Gemeinschuldnerin, einer Herstellerin von Fertighäusern, mit der Vermittlung von Verträgen in den Gebieten Kärnten, Salzburg, Tirol, Osttirol und Südsteiermark betraut. Er hatte in deren Namen aufzutreten und durfte für keine Konkurrentin tätig werden. Dem Kläger sollten als Provision jeweils 5 % der Gesamtsumme und weitere 6 % für die Bauabwicklung zustehen. Er wurde zum "Schein" als Angestellter ab 1. 6. 1989 mit einem monatlichen Gehalt von brutto S 37.000,-- und dann ab 1. 9. 1989 mit brutto S 42.000,-- angestellt. Der Kläger sollte die Betriebskosten des ihm zur Verfügung gestellten Musterhauses selbst tragen. Er akzeptierte in diesem Zusammenhang einen Wechsel der späteren Gemeinschuldnerin und nahm auch einen Kredit über S 725.000,-- auf, für den die Gemeinschuldnerin die Haftung übernahm und mangels Zahlung des Klägers schließlich im Betrag von S 747.471,90 in Anspruch genommen wurde. Der Kläger war in die Betriebsorganisation der späteren Gemeinschuldnerin in im Einzelnen festgestellten Umfang eingebunden und wurde auch kontrolliert.

Im Sommer und Herbst 1990 äußerte der Kläger wiederholt seinen Wunsch, das Dienstverhältnis per Ende 1990 zu beenden. Er fand schließlich auch einen Nachfolger, den er einschulte. Jedenfalls bis Ende Jänner 1991war der Kläger noch für die spätere Gemeinschuldnerin tätig. Danach verrichtete er noch bis Mitte 1991 fallweise Arbeiten auf Werkvertragsbasis. Seine Abmeldung bei der Gebietskrankenkasse durch die spätere Gemeinschuldnerin war bereits am 15. 1. 1990 erfolgt und ab Juli 1990 erhielt er von dieser auch keine Zahlungen mehr. Er arbeitete jedoch weiter in der Hoffnung, noch Provisionen zu erwirtschaften.

1995 brachte die spätere Gemeinschuldnerin gegen den nunmehrigen Kläger Klagen auf Zahlung von S 303.506,99 und S 747.471,90 jeweils sA ein. Die Klagen stützte die Gemeinschuldnerin im wesentlichen darauf, dass der Beklagte und nunmehrige Kläger als Handelsvertreter für sie tätig gewesen sei. Er habe seine Gehälter nur als Provisionsvorauszahlungen erhalten und hätte auch für die tatsächlich von der Gemeinschuldnerin getragenen Betriebskosten des Musterhauses aufkommen müssen. Mangels gegenzuverrechnender Provisionsansprüch des Beklagten- des nunmehrigen Klägers- sei dieser zur Rückzahlung des Provisionsakontos und Zahlung der Betriebskosten verpflichtet. Soweit er diese über eine Kredit geleistet habe, für den die Klägerin aber letzlich aufkommen habe müssen, habe er ihr dies zu ersetzen.

Der Kläger wendete unter anderem in kompensando Ansprüche auf laufendes Entgelt und Urlaubsentschädigung ein.

Die Klagen wurden mit Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 23. 3. 1995 abgewiesen und dem Kläger ein Kostenersatzanspruch in Höhe von S 164.908,-- rechtskräftig zugesprochen. Das Arbeits- und Sozialgericht Wien ging dabei davon aus, dass der Kläger als Angestellter Anspruch auf das angemessene Entgelt habe und dieses gutgläubig verbrauchen konnte. Die Überwälzung der Betriebskosten auf den Beklagen - nunmehrigen Kläger - als Arbeitnehmer erachtete es als sittenwidrig.

Über das Vermögen der Fertighausfirma wurde schließlich das Konkursverfahren eröffnet, jedoch mangels Kostendeckung aufgehoben. Von den vom Kläger geltend gemachten Ansprüchen auf Insolvenz-Ausfallgeld wurden von der Beklagten einerseits das Insolvenz-Ausfallgeld für die zugesprochenen Kosten in Höhe von S 164.908,08 und andererseits jenes für die nach 30. 11. 1990 entstandenen Ansprüche abgelehnt.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger den Zuspruch von Insolvenz-Ausfallgeld für die ihm mit dem Urteil vom 23. 3. 1995 als Beklagter zugesprochenen Kosten von S 164.908,80 sowie weiters - insoweit für das Revisionsverfahren mangels Anfechtung nicht mehr maßgeblich - für S 91.358,17 an noch offenen Entgeltansprüchen. Hinsichtlich der Kosten stützt sich der Kläger darauf, dass er in dem Verfahren der Gemeinschuldnerin gegen ihn auch in kompensando Entgeltansprüche eingewendet habe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass nach herrschender Rechtsprechung Kostenersatzansprüche aus Verfahren des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer nicht gesichert wären.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es folgerte rechtlich hinsichtlich der hier entscheidenden Sicherung des Anspruches auf Kostenersatz, dass auch Kosten aus Passivprozessen gesichert seien, sofern die Forderungen des Klägers sich gegen gesicherte Ansprüche des Arbeitnehmers richteten. Hier sei das Entgelt des Klägers in Frage gestellt worden.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten ausschließlich gegen diesen Zuspruch von Insolvenz-Ausfallgeld für die Kosten erhobenen Berufung Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes insoweit im klagsabweisenden Sinne ab. Es ging dabei davon aus, dass es sich bei den Prozesskosten nicht um gesicherte Ansprüche im Sinne des § 1 Abs 2 Z 4 IESG handle. Über die Gegenforderungen des Klägers seien im Vorprozess gar keine Feststellungen getroffen worden.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da der vom Kläger eingenommene Rechtsstandpunkt vertretbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision ist zulässig und auch berechtigt. Eine Rechtsprechung des Obersten Gerichthofes zu der hier im Ergebnis maßgeblichen Frage der Sicherung von Prozeßkosten aus einer Klage des Arbeitgebers auf Rückzahlung von Entgeltvorauszahlungen liegt nicht vor.

Nach § 1 Abs 2 Z 4 IESG sind die zur zweckensprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten gesichert. In den darauffolgenden lit a bis g werden demonstrativ ( vgl RIS Justiz RS0076607 mwN = 9 ObS 19/90, 8 ObS 246/97b, 8 ObS 190/99w) verschiedene Kosten aufgezählt.

Nach ständiger Rechtsprechung sind nach § 1 Abs 2 Z 4 lit d IESG (über die Kosten im Rahmen eines Vergleiches oder eines nach § 7 Abs 1 KO unterbrochenen Verfahrens) nur akzessorische Kosten eines Aktivprozesses zur Durchsetzung der Ansprüche des Arbeitnehmers nach § 1 Abs 2 Z 1 bis 3 IESG gesichert. Nur in diesem Zusammenhang werden auch die Kosten der Abwehr einer in kompensando eingewendeten Gegenforderung des Arbeitgebers als vom Schutz des IESG erfasst angesehen (vgl RIS-Justiz RS0076657 mwN = 9 ObS 16/90, 8 ObS 273/99a).

Auch in der vom Kläger herangezogenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 19. 12. 1990, 9 ObS 16/90 (= SZ 63/229 = WBl 1991, 134 = ecolex 1991, 267) wurde dies festgehalten und auch klargestellt, dass grundsätzlich die Einbeziehung der Kosten eines gesonderten Schadenersatzprozesses des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer nicht von der Sicherung erfasst sind. Diese Rechtsprechung wurde auch in der Literatur übernommen (vgl Mazal ecolex 1991, 267; Liebeg, Insolvenzentgeltsicherungsgesetz2 § 1 Rz 229; Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz, 166).

Keine Voraussetzung für den grundsätzlich streng akzessorischen Anspruch auf Kostenersatz (vgl dazu RIS-Justiz RS0076640 mwN = SZ 62/152, SZ 66/124 uva) ist es, dass jene Ansprüche, zu deren Rechtsverfolgung die Prozesskosten erforderlich waren noch offen sind und auch nach dem IESG gesichert werden müssen, wenn nur diese Hauptansprüche als solches nach dem IESG sicherungsfähig wären (vgl Liebeg aaO § 1 Rz 17; Holzer/Reissner/Schwarz aaO, 165).

Die Aufzählung in den lit a bis g des § 1 Abs 2 Z 4 IESG, nach dem ja die zur zweckensprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten gesichert sein sollen, ist nur demonstrativ (vgl RIS Justiz RS0076607 mwN = 9 ObS 19/90, 8 ObS 246/97b, 8 ObS 190/99w).

So wurden etwa die dem Arbeitnehmer bei erfolgreicher Abwehr von Anfechtungsansprüchen im Zuge eines Anfechtungsprozesses des Masseverwalters entstehenden Kosten als gesichert angesehen (vgl RIS-Justiz RS0076605 = 9 ObS 19/90 = ecolex 1991, 267 = DRdA 1991, 476 = WBl 1991, 133; Liebeg aaO § 1 Rz 228; Holzer/Reissner/Schwarz aaO, 165).Auch in diesen Verfahren ist der Arbeitnehmer die beklagte Partei.

Hier hat nun die Gemeinschuldnerin in den Vorprozessen im Ergebnis die Rückzahlung von vorausgezahltem Entgelt bzw Aufwandersatz begehrt. Diese Klage wurde im wesentlichen wegen der Berechtigung der Arbeitnehmeranspüche abgewiesen. Dass die zugrundeliegenden Entgeltbzw Aufwandersatzansprüche des Klägers nicht nach dem IESG gesichert gewesen wäre, hat sich nicht ergeben.

Es ist aber davon auszugehen, dass die Kosten, die dem Arbeitnehmer in einem vom Arbeitgeber gegen ihn angestrengten Verfahren auf Rückzahlung von bereits befriedigten, sonst aber nach dem IESG gesicherten Ansprüchen des Arbeitnehmer entstehen, auch notwendige Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne des § 1 Abs 2 Z 4 IESG sind. Auch hier geht es darum, dem Arbeitnehmer sein Entgelt bzw seinen Aufwandersatz zu bewahren. Insoweit liegt kein wesentlicher Unterschied zu den bereits als gesichert erkannten Kosten eines erfolgreich abgewehrten Anfechtungsanspruches vor (vgl RIS-Justiz RS0076605 = 9 ObS 19/90 = ecolex 1991, 267 = DRdA 1991, 476 = WBl 1991, 133; Liebeg aaO § 1 Rz 228; Holzer/Reissner/Schwarz aaO, 165 mwN). Von den Kosten der Abwehr von Schadenersatzanpüchen des Arbeitgebers, unterscheidet sie schon ganz wesentlich, dass die Schadenersatzansprüche des Arbeitgebers nie nach dem IESG gesichert sind (vgl auch zum Aspekt der Symmetrie von Beitragsleistung und Sozialversicherungsleistungen OGH 8 ObS 141/01w, 8 ObS 243/00v, 8 ObS 204/00h und 8 ObS 52/97y, ähnlich VfGH VfSlg 12.230 = infas 1999, A 63).

Dementsprechend war der Revision des Klägers Folge zu geben und das Ersturteil zur Gänze wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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