Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 8.112,-- S (darin 1.352,-- S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
In der über verschiedene Medien einer breiten Öffentlichkeit bekanntgewordenen sogenannten "Spitzelaffäre" wurde der Beklagte am 21. 10. 2000 im Rahmen von strafgerichtlichen Vorerhebungen von der Wirtschaftspolizei vernommen. Es ging um die illegale Beschaffung von Daten aus dem Computersystem der Sicherheitsbehörden. Der Beklagte bezeichnete den Kläger, der zum Zeitpunkt der behaupteten Datenbeschaffung Bundesgeschäftsführer einer im Nationalrat vertretenen politischen Partei war, als Auftraggeber und Ansprechpartner eines Polizeibeamten, der seinerseits verdächtigt wurde, an der illegalen Datenbeschaffung mitgewirkt zu haben.
Die Vorinstanzen gingen von folgendem, vom Rekursgericht wiedergegebenen Sachverhalt aus:
In der ORF Fernsehsendung 'Report' vom 17. 10. 2000 wurde der Beklagte zur sogenannten 'Spitzelaffäre' interviewt. Nachdem der Erzähler berichtet hatte, dass der Beklagte behaupte, 1993 seien Andre H***** Daten im Auftrag des damaligen *****-Bundesgeschäftsführers illegal abgefragt worden, fragte die Sprecherin den Beklagten: 'Ist es richtig, dass Sie bei der polizeilichen Einvernahme die Namen der *****-Politiker K***** und R***** genannt haben?'
Der Beklagte erwiderte darauf: 'Also, diese Namen finden Sie in der polizeilichen Niederschrift, die auch dem Gericht zugehen wird. Das ist richtig.'
Daraufhin berichtete der Erzähler, dass der Beklagte sage, man habe damals gegen diesen politischen Gegner Fakten über sein Privatleben sammeln wollen. Er behaupte auch, gegenüber der Untersuchungskommission bestätigt zu haben, dass der damalige *****-Bundesgeschäftsführer R***** diese illegale Überprüfung den Polizisten K***** und K***** angeordnet habe. Darauf sagte der Beklagte: 'Genauso ist es richtig, diesen Anruf gab es und diesen Wünschen wurde entsprochen.'
Auf die Frage der Sprecherin, was genau er über Andre H***** gesucht habe, erwiderte der Beklagte: 'Also R***** wollte, und das ist auch Gegenstand der Untersuchung, wollte die Wohnsitze und die Fahrzeuge, die Andre H***** verwendet, kennen. Er hat beides erfahren.'
Zur Sicherung des gleichlautenden Unterlassungsbegehrens begehrt der Kläger im Provisorialverfahren, dem Beklagten aufzutragen, es ab sofort zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten und/oder die wörtlichen oder sinngemäßen Behauptungen zu verbreiten, der Kläger wäre der Auftraggeber und/oder Ansprechpartner von Michael K***** oder des Beklagten im Zusammenhang mit der illegalen Beschaffung von Daten, insbesondere aus dem EKIS-Computersystem der Sicherheitsbehörden.
Der Beklagte beschuldige den Kläger bewusst wahrheitswidrig. Die Behauptungen seien kreditschädigend. Das Delikt der Verleumdung könne auch im Zuge von Vernehmungen durch behördliche Erhebungsorgane begangen werden. Ein Fall des § 1330 Abs 2 dritter Satz ABGB könne nur dann vorliegen, wenn der Beklagte die Unwahrheit seiner Äußerung nicht gekannt hätte. Das Gegenteil sei aber der Fall. Bei seiner Aussage gegenüber dem Reporter des ORF sei die Vertraulichkeit nicht gegeben gewesen. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass er seine unrichtige Aussage nur indirekt auf Fragen des Redakteurs wiederholt habe.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags. Er wandte ein, dass von der Redakteurin seine Aussage zitiert worden sei und er nur die Richtigkeit des Zitats bestätigt habe. In ihrem Tatsachenkern sei die bekämpfte Äußerung wahr. Der Kläger habe den Beklagten ersucht, ihm gesetzwidrigerweise Polizeidaten zu besorgen. Der Beklagte habe seine Behauptungen nur in dem gegen ihn angestrengten Strafverfahren aufgestellt und seine Aussage stets vertraulich behandelt. Seine Aussagen vor der Wirtschaftspolizei seien vom ORF korrekt zitiert worden. Der Beklagte habe sie aber nicht medial verbreitet. Es liege ein Fall des § 1330 Abs 2 dritter Satz ABGB vor. Bei Zeugen- oder Parteiaussagen mangle es an der Rechtswidrigkeit. Der Kläger könne nicht bescheinigen, dass der Beklagte bewusst unwahre Äußerungen verbreitet hätte.
Das Erstgericht erließ das beantragte Verbreitungsverbot und wies das auf die Unterlassung der Behauptung gerichtete Begehren ab. Über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus stellte es noch im Rahmen der rechtlichen Beurteilung fest, dass die dem Kläger vom Beklagten angelastete Tat nicht bescheinigt sei. Es könne aber auch nicht davon die Rede sein, dass die Wahrheitswidrigkeit der Äußerung des Beklagten bescheinigt wäre.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass den Beklagten die Beweislast zur Richtigkeit der von ihm behaupteten Tatsachen treffe. Die Äußerung im Interview habe er unabhängig davon zu vertreten, dass er lediglich auf Befragen die Richtigkeit des ihm vorgehaltenen Zitats bestätigt habe. Bei den Angaben des Beklagten vor der Polizei setze eine Haftung aber voraus, dass die Aussage nicht wider besseres Wissen erfolgt sei. Es sei daher nur die Verbreitung der bekämpften Behauptung zu untersagen. Das darüber hinausgehende Begehren auf Unterlassung der Behauptung liefe darauf hinaus, dass der Beklagte bei weiteren polizeilichen oder gerichtlichen Einvernahmen seine Angaben über den Kläger nicht wiederholen dürfe.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Es erachtete eine Überprüfung der Beweiswürdigung für ausgeschlossen, weil das Erstgericht den Sachverhalt auf Grund der vor ihm abgelegten Zeugen- und Parteiausssagen festgestellt habe. Dem Beklagten sei ohnehin die Verbreitung der bekämpften Behauptung rechtskräftig untersagt worden. Unter Verbreitung verstehe man auch die Mitteilung der eigenen Überzeugung. Davon sei aber die bloß nicht öffentlich vorgebrachte Meinung, an der der Empfänger der Mitteilung ein berechtigtes Interesse habe (§ 1330 Abs 2 letzter Satz ABGB), nicht umfasst. Der Unterlassungsanspruch setze das Wissen des Täters um die Unrichtigkeit der Tatsache voraus. Die Beweislast für die Kenntnis der Unrichtigkeit der Behauptung treffe hier den Kläger. Aus rechtlichen Erwägungen sei die Verhinderung der Wiederholung einer gleichlautenden Aussage (aus einem Strafverfahren) durch eine einstweilige Verfügung nicht möglich, weil eine Sachlage geschaffen würde, die nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte. Dies würde den Rahmen eines Provisorialverfahrens sprengen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Abgrenzung der Begriffe Verbreitung im Sinne der Mitteilung einer eigenen Überzeugung (Behauptung) einerseits und der Behauptung im Sinne der Mitteilung einer Meinung stelle eine erhebliche Rechtsfrage dar.
Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass dem Sicherungsantrag zur Gänze stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.
Der Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes nicht zulässig.
Grundsätzlich lägen erhebliche Rechtsfragen vor, etwa die Abgrenzung der Begriffe des Behauptens und Verbreitens ehrverletzender Äußerungen, die Fassung des Spruchs im Hinblick auf mögliche Rechtfertigungsgründe, die Notwendigkeit, künftige Rechtfertigungsgründe, die schon vorbeugend ausgeschlossen werden sollen, in das Urteilsbegehren aufzunehmen und die Bindungswirkung eines auf die Unterlassung der Verbreitung einer Behauptung gerichteten Titels.
Der Kläger strebt auch die Unterlassung der Behauptung der bekämpften Äußerung, deren Verbreitung dem Beklagten rechtskräftig untersagt wurde, mit der offen deklarierten Absicht an, dass damit dem Beklagten (auch) die Aussage vor der Wirtschaftspolizei in einem bestimmten Sinn verboten werden soll. Entgegen dem Revisionsrekursvorbringen wurde jedoch nicht ein derart spezifizierter Antrag, sondern nur der gestellte allgemeine Antrag auf Unterlassung der Behauptung abgewiesen. Inhaltlich geht der Rekurswerber von einer bewusst wahrheitswidrigen Aussage des Beklagten vor der Wirtschaftspolizei aus. Bei Aussagen in Strafanzeigen oder in Partei- oder Zeugenvernehmungen kann sich der Täter trotz der Unrichtigkeit der Tatsachenbehauptungen auf den Rechtfertigungsgrund des öffentlichen Interesses am Funktionieren einer ordnungsgemäßen Rechtspflege berufen (SZ 56/74; 6 Ob 305/98s mwN = MR 1999, 22 = JBl 1999, 313). Er haftet nur für wissentlich falsche Angaben. Die Beweislast für die Kenntnis der Unwahrheit und den Vorsatz des Täters trifft den Kläger (RS0105665). Hier haben die Vorinstanzen - worauf der Beklagte zutreffend verweist - zur Wahrheit der Tatsachenbehauptung des Beklagten eine Negativfeststellung getroffen, diese umfasst zwingend auch den Kenntnisstand des Beklagten als Vorfrage der zitierten Negativfeststellung. Nach der zitierten Beweislastregel geht die Negativfeststellung für das von ihm angestrebte Ergebnis zu Lasten des Klägers. Da die Rechtsrüge des Klägers nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht und zu den eingangs angeführten Rechtsfragen nicht Stellung nimmt, ist der Revisionsrekurs unzulässig. Zur Klarstellung seien jedoch folgende Bemerkungen angebracht:
Rechtfertigungsgründe und daraus resultierende Ausnahmen vom gerichtlichen Verbot sind nicht in den Spruch der Entscheidung aufzunehmen, weil die Ausnahmen auf Grund des Gesetzes gelten und die Voraussetzungen hiefür im Exekutionsverfahren geprüft werden (6 Ob 114/00h = MR 2000, 307). Nach dem Klagevorbringen in Verbindung mit dem allgemein gestellten Urteilsantrag bestand der Entscheidungsgegenstand auch im Provisorialverfahren in der öffentlichen Äußerung des Beklagten im ORF-Interview, bei dem er seine Aussage vor der Wirtschaftspolizei wiederholte (vgl den vergleichbaren Fall der Wiederholung einer ehrverletzenden Äußerung eines Parlamentariers in einer Pressekonferenz, für die ihm nicht mehr der Schutz der Immunität zusteht: 6 Ob 79/00m = MR 2000, 228).
Mit dem Verbreitungsverbot wurde dem Beklagten im Ergebnis auch die öffentliche Behauptung (also zumindest gegenüber einer vom Verletzten verschiedenen Person) untersagt. Auch wenn im § 1330 Abs 2 ABGB der Begriff der "Behauptung" fehlt und das Gesetz nur auf die Verbreitung abstellt, fällt eine öffentliche Behauptung als Verbreitung der eigenen Meinung unter dieses Tatbild (vgl 6 Ob 197/99k = MR 2000, 20). Vom Verbreitungsverbot ist nur zusätzlich auch das Verbreiten fremder Äußerungen sowie das Eigenzitat, also die Wiederholung der eigenen Meinung, umfasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 402, 78 EO und den §§ 41 und 50 ZPO (4 Ob 62/00x uva).
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