OGH 6Ob197/99k

OGH6Ob197/99k15.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Johann P*****, vertreten durch Rechtsanwälte Gehmacher & Hüttinger Partnerschaft in Salzburg, gegen die zweitbeklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei K***** Verlag Gesellschaft mbH & Co KG, *****vertreten durch Dr. Gottfried Korn und Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 16. Juni 1999, GZ 6 R 117/99i-15, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Rekursgericht hat die erstinstanzliche einstweilige Verfügung in dem Teilbereich bestätigt, dem der zweitbeklagten Medieninhaberin einer in S***** erscheinenden Tageszeitung als alleinigen Gegnerin der gefährdeten Partei (im folgenden nur zweitbeklagte Partei) im Verfahren gegen den klagenden und für die Abteilung Raumplanung ressortzuständigen Stadtrat der Stadt S***** auf Unterlassung des Aufstellens wahrheitswidriger und kreditschädigener Behauptungen für die Dauer des Rechtsstreits verboten wurde, folgende Behauptungen aufzustellen:

a) ... (Kläger), einstiger Vorkämpfer gegen Monsterprojekte und Massensiedlungen, ist zum willigen Werkzeug einer internationalen Architektur-Schickeria geworden, die im Verein mit geldgierigen Baufirmen S***** idyllische Vorstädte und Erholungsgebiete zupflastert. Solange, bis auch der letzte grüne Winkel mit seelenlosen Block- & Flachdachbauten überzogen ist.

b) Für einen Wohnblock in S***** ist eine gesunde Eiche gefällt worden.

c) Alle Bäume auf dem Areal, das einst Schi-Kaiser Alois R***** gehörte, sind bereits gefällt worden.

Die zu a) aufgestellte und verbreitete Behauptung wurde vom erstbeklagten Chefredakteur der zweitbeklagten Partei in einem von ihm gezeichneten Artikel in einem "Kasten" auf Seite 17 der Ausgabe der Tageszeitung vom 27. Jänner 1999 aufgestellt, die zu b) und c) sind in einem redaktionellen, nicht gezeichneten Artikel auf Seite 14 der Ausgabe vom 20. Jänner 1999 enthalten mit folgender Überschrift:

S*****: Für Wohnblock gesunde Fichten, Eiche und Kastanien gefällt. Stadt genehmigte Baummord.

Die zweite Instanz führte zu diesem, die einstweilige Verfügung bestätigenden Teil seiner Entscheidung aus, dass jedenfalls die obgenannten Behauptungen der zweitbeklagten Partei zuzurechnen seien, weil es sich dabei nicht um Zitate, sondern um redaktionelle Äußerungen, bei der Behauptung a) des Chefredakteurs, handle. Wenngleich das Verbot, etwas zu behaupten, das Verbot des Verbreitens nicht in sich schliesse, habe es dennoch die Medieninhaberin in der Hand, das Aufstellen von "eigenen" Behauptungen in der Zeitung zu verhindern, sodass grundsätzlich die Möglichkeit ihrer Haftung für beanstandete Äußerungen in dem Sinn zu bejahen sei, dass in dem Medium enthaltene und dadurch verbreitete Behauptungen als von ihr aufgestellt anzusehen seien. Diese Regel gelte jedenfalls für Behauptungen, die Repräsentanten - wie Chefredakteure - aufstellen. In der Entscheidung SZ 64/36 sei der Oberste Gerichtshof zur Auffassung gelangt, dass sich die Fernsehanstalt unwahre Tatsachenbehauptungen von Diskussionsteilnehmern dann nicht zurechnen lassen müsse, wenn sie diese im Rahmen eines "Meinungsforums" im Wesentlichen kommentarlos wiedergegeben habe und nur als "Markt" verschiedener Ansichten und Richtungen in Erscheinung getreten sei. Dies gelte jedenfalls dann nicht, wenn solche Tatsachenbehauptungen erkennbar zur eigenen Sicht der Dinge gemacht und damit eigenständig verbreitet würden, etwa bei eigenen Beiträgen des Moderators der Sendung oder der Einbettung kritischer Beiträge von Diskussionsteilnehmern in die eigene kritische Stellungnahme in der Art, dass insgesamt von einer eigenen kritischen Darstellung des Mediums gesprochen werden könne.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der zweitbeklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Wenn jemandem durch Ehrenbeleidigung ein wirklicher Schaden oder Entgang des Gewinnes verursacht wurde, ist er nach § 1330 Abs 1 ABGB berechtigt, den Ersatz zu fordern. Gemäß § 1330 Abs 2 erster Satz ABGB gilt dies auch, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte oder kennen musste. Beides sind Fälle deliktischer Haftung (SZ 64/36, SZ 68/97 uva, zuletzt 6 Ob 119/99i). Anders als in § 7 UWG (oder § 14 dUWG) fehlt in § 1330 Abs 2 ABGB das Tatbestandsmerkmal der Behauptung von Tatsachen, somit das Mitteilen einer Tatsache einem anderen gegenüber aus eigenem Wissen. § 1330 Abs 2 ABGB wurde durch die 3. Teilnovelle neu gefasst und enthielt zunächst - in Übereinstimmung mit § 824 ABGB - auch das Wort "behauptet"; es wurde jedoch später ohne Begründung gestrichen. Die Behauptung einer Tatsache fällt aber ebenso unter § 1330 Abs 2 ABGB wie ihre Verbreitung (SZ 34/159 mwN; Harrer aaO Rz 22). Nach stRspr und herrschender Lehre bedeutet das "Verbreiten" einer Tatsache nach § 1330 Abs 2 ABGB das Mitteilen einer Tatsachenbehauptung auch ohne sich damit zu identifizieren (ÖBl 1993, 244 mwN; SZ 68/136 ua, zuletzt 6 Ob 119/99i; Reischauer in Rummel2, § 1330 ABGB Rz 14; Harrer in Schwimann2, § 1330 ABGB Rz 23; Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 53; Zeiler, Persönlichkeitsschutz, Handbuch für die Praxis 14). Im Hinblick auf den Schutzzweck des § 1330 Abs 2 ABGB ist allein auf die Ehrverletzung abzustellen, an der jemand beteiligt ist, ohne dass eine intellektuelle Beziehung des Verbreiters zu dem weitergegebenen Gedankeninhalt für erforderlich gehalten wird (stRspr, zuletzt 6 Ob 222/99m, 6 Ob 119/99i, je mwN). Es haftet danach nach dieser Bestimmung, wer verursacht, dass die Tatsache einem größeren Kreis von Menschen bekannt wird. "Verbreiten" einer Tatsache nach § 1330 Abs 2 ABGB bedeutet daher das Mitteilen dieser Tatsache, und zwar sowohl des Äußern der eigenen Überzeugung ("Behaupten") als auch das Weitergeben der Behauptungen eines Dritten. Genau dies hat die zweitbeklagte Partei aber getan. Dass im vorliegenden Fall Haupt- und Sicherungsbegehren auf die bloße Unterlassung von Behauptungen gerichtet sind, ist bedeutungslos, weil das Tatbild des § 1330 Abs 2 ABGB erfüllt ist. Das "Behaupten" einer Tatsache stellt nach dieser Gesetzesstelle gegenüber dem "Verbreiten" einer Tatsache kein aliud, dar.

Die zu a) aufgestellte Behauptung stammt überdies vom Chefredakteur der beklagten Partei. Er ist als solcher Repräsentant der beklagten Partei.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte