OGH 7Ob306/00a

OGH7Ob306/00a17.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann S*****, vertreten durch Dr. Roland Kometer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei U*****versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr. Herwig Liebscher & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 820.000,-- samt Anhang und Feststellung (Gesamtstreitwert S 870.000,--) infolge Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: S 578.416,--) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. Oktober 2000, GZ 4 R 219/00p-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Mai 2000, GZ 10 Cg 74/99v-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden - soweit sie nicht hinsichtlich der Klagsstattgebung sowie der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens, des Feststellungsbegehrens und eines Teils des Zahlungsbegehrens unangefochten in Rechtskraft erwachsen sind - im Umfang von S 578.416,-- samt 4 % Zinsen seit 1. 4. 1999 aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger ist Diplomingenieur und selbständig tätig. Er entwickelte ein EDV-Programm für statische Berechnungen im Holzbau. Um seine Aufträge auf dem freien Markt zu akquirieren, verfasste er eine Broschüre, die er an potentielle Interessenten versendet. Erhält er einen Auftrag, so muss er vor Ort die jeweilige Baustelle besichtigen und entsprechende Naturmaße nehmen. Dazu ist es auch notwendig, sich auf unwegsamem Gelände zu bewegen und Rohbauten zu begehen. Voraussetzung hiefür ist seine volle körperliche Beweglichkeit. Der Kläger hat keine Mitarbeiter. Hat er die Baustelle vor Ort besichtigt und die notwendigen Naturmaße genommen, so besteht seine Tätigkeit im Büro darin, mit dem Computerprogramm zu arbeiten. 70 % der Arbeitszeit verbringt der Kläger auf Baustellen, 30 % im Büro. Wenn der Kläger aus welchem Grund immer nicht fähig ist, Aufmaßarbeiten an einer Baustelle durchzuführen, dann kann er keine Aufträge annehmen und es fallen auch die Büroarbeiten nicht an.

Der Kläger schloss mit der Beklagten eine Betriebsunterbrechungsversicherung für freiberuflich Tätige, der die Allgemeinen Bedingungen für die Betriebsunterbrechungsversicherung für freiberuflich und selbständig Tätige (ABFT 1997) zu Grunde liegen, ab. Als Versicherungsbeginn war der 1. 4. 1998, als Versicherungssumme S 1,440.000, als maximale Leistung 1/360-stel der vereinbarten Versicherungssumme pro Tag, das sind S 4.000 eine Karenzfrist von 14 Tagen und bei Leistungspflicht der Beklagten die Inrechnungstellung eines Schadensfreiheitsvorausbonus von S 3.873,58 vereinbart.

Die ABFT 1997, FP 95 (in der Folge: ABFT) lauten (auszugsweise):

"Art 1

Gegenstand und Umfang der Versicherung.

1. Soweit eine gänzliche oder teilweise Unterbrechung des versicherten Betriebes (Betriebsunterbrechung) durch einen Personen- oder Sachschaden oder einen sonstigen Verhinderungsgrund verursacht wird, ersetzt der Versicherer nach den folgenden Bestimmungen den dadurch entstandenen Unterbrechungsschaden (Art 3).

2. Personenschaden im Sinne des Punktes 1 ist die völlige (100 %-ige) Arbeitsunfähigkeit der namentlich genannten, den Betrieb verantwortlich leitenden Person infolge Krankheit, Unfall, ...

2.1. Die völlige (100 %ige) Arbeitsunfähigkeit beginnt, wenn die den Betrieb verantwortlich leitende Person ihre berufliche Tätigkeit nach objektivem ärtzlichen Urteil in keiner Weise ausüben kann und auch nicht ausübt; also weder mitarbeitend noch Aufsicht führend oder leitend in ihrem Beruf tätig ist und sein kann; sie endet, wenn diese Person nach medizinischem Befund wieder arbeitsfähig ist oder ihre berufliche Tätigkeit wieder ausübt.

...

2.3. Ein Unfall ist ein vom Willen des Versicherten unabhängiges Ereignis, das plötzlich von außen mechanisch oder chemisch auf seinen Körper einwirkt und eine körperliche Schädigung nach sich zieht.

Artikel 3

Unterbrechungsschaden

1. Der Unterbrechungsschaden errechnet sich aus dem während der Dauer der Betriebsunterbrechung, längstens jedoch während der Haftungszeit in dem Betrieb nicht erwirtschafteten (entgangenen) versicherten Deckungsbeitrag (siehe Artikel 4) abzüglich ersparter (nicht anfallender) versicherter Kosten zuzüglich Schadenminderungskosten im Sinne des Art 8.

Artikel 4

Deckungsbeitrag

1. Deckungsbeitrag im Sinne dieser Bedingungen ist die Differenz zwischen den Betriebserträgen (Punkt 2) und den variablen Kosten (Punkt 3). ...

2. Die Betriebserträge umfassen die Umsatzerlöse, ... und die

sonstigen betrieblichen Erträge nach Abzug der Skonti und sonstigen

Erlösschmälerungen, die im versicherten Betrieb ... aus sonstigen

Dienstleistungen entstehen.

3. Variable Kosten sind Kosten, die als Folge der Betriebsunterbrechung wegfallen oder sich vermindern und die nicht auf Grund besonderer Vereinbarung als versicherte Kosten festgelegt sind.

Artikel 5

Versicherungswert

1. Der Versicherungswert im Sinne des § 52 VVG wird durch den Deckungsbeitrag gemäß Art 4 bestimmt. ...

Artikel 6

...

2. ...

Beginnt die Betriebsunterbrechung mit einem mindestens 24-stündigen Krankenhausaufenthalt, so entfällt die Karenz bei einer vereinbarten Karenz von 3 oder 7 Tagen. Bei einer vereinbarten längeren Karenz verkürzt sich diese um 7 Tage. Beginnt die Betriebsunterbrechung jedoch mit einem mindestens 7-tägigen ununterbrochenen Krankenhausaufenthalt, so entfällt die Karenz in jedem Falle.

Artikel 17

......

Es gilt österreichisches Recht."

Der Kläger fuhr am 10. 5. 1998 gegen 12.15 Uhr von seinem Haus in M***** mit dem Fahrrad zu einer Baustelle, um Naturmaße zu nehmen. Wegen Jugendlicher, die ihn offenbar übersehen hatten, kam der Kläger zu Sturz und verletzte sich schwer. Er erlitt einen Speichenköpfchenbruch an beiden Ellbogen sowie eine Teilzerreißung des Schulter-Eck-Gelenks. Der Kläger wurde im Krankenhaus H***** durch Anlegen eines gespaltenen Oberarmgips erstversorgt. Da im Krankenhaus keine Betten frei waren, wurde der Kläger nach der Erstversorgung in häusliche Pflege (Pflegedienst H*****) entlassen. Am 13. 5. 1998 wurde der Kläger stationär im Krankenhaus aufgenommen und verblieb dort bis 16. 5. 1998. Er wurde bis zum 27. 7. 1998 vom Pflegedienst H***** versorgt und gepflegt. Der Kläger konnte mindestens sechs Wochen nicht Auto fahren und acht Wochen keinerlei Geräte zum Vermessen tragen. Nach acht Wochen konnte der Kläger leichte Bürotätigkeiten, wie etwa Arbeiten am Computer oder Telefon durchführen.

Am 7. 1. 1999 stürzte der Kläger beim Schi fahren und erlitt dabei Teilrisse der vorderen Kreuzbänder beidseits, einen Teileinriss des inneren Meniskus links, des inneren Seitenbandes rechts am Zehengelenk, einen Außenknöchelbruch links mit Zerreißung der körperfernen Bandhaft zwischen Außenknöchel und Schienbein (Syndesmose). Nach diesem Unfall wurde der Kläger stationär aufgenommen und befand sich im Krankenhaus S***** vom 8. 1. 1999 bis 16. 1. 1999. Auf Grund der erlittenen Verletzungen war der Kläger jedenfalls bis 30. 4. 1999 absolut arbeitsunfähig in Bezug auf körperliche Arbeiten im Zusammenhang mit seiner Vermessungstätigkeit auf den Baustellen. Da durch den Unfall beide Beine betroffen waren, bestand eine sechswöchige Mobilisationssperre. Der Außenknöchel sollte bis zur zehnten Woche entlastet bleiben, sodass der Kläger 10 Wochen zur Gänze arbeitsunfähig war. Ab dem Moment konnte er jede Bürotätigkeit, bei der er die Beine nicht benötigte, erledigen.

In der Zeit vom September 1998 bis 28. 11. 1998 hatte der Kläger noch eine Baustelle zu betreuen, die am 28. 11. 1998 abgeschlossen war. Auch für die Zeit danach hätte der Kläger genügend Aufträge gehabt, er konnte sie aber nicht ausführen, da er auf Grund seines Gesundheitszustandes nicht auf die Baustellen fahren konnte. Nach Abzug aller seiner Unkosten verdiente der Kläger ab Mai 1998 monatlich zwischen DM 7.000 und DM 8.000. Während der Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit konnte er dieses Einkommen nicht erzielen.

Der Kläger begehrte - soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist - die Bezahlung von S 820.000 samt Anhang aus der Betriebsunterbrechungsversicherung auf Grund der durch die Unfälle verursachten Arbeitsunfähigkeit in der Dauer vom 10. 5. 1998 bis 15. 8. 1998 (sohin 98 Tage) und vom 7. 1. 1999 bis 30. 4. 1999 (sohin 114 Tage). Der Tagessatz sei mit S 4.000 vereinbart worden.

Die Beklagte beantragte die kostenpflichtige Klagsabweisung im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Kläger nicht in den vom Kläger genannten Zeiträumen 100 %-ig arbeitsunfähig gewesen sei. Versichert seien überdies nur die nicht erwirtschafteten Betriebserträge abzüglich der im Unterbrechungszeitraum nicht auflaufenden Kosten, maximal S 4.000 pro Tag. Während der geltend gemachten Zeiträume sei kein täglicher Schaden in dieser Höhe entstanden (AS 147).

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte unter Abweisung des Mehrbegehrens zur Zahlung von S 133.457 samt Anhang. Es gelangte zu dem Ergebnis, dass 100 %-ige Arbeitsunfähigkeit nur dann vorliege, wenn der Beruf in keiner Weise ausgeübt werden könne. Der Kläger sei auf Grund des ersten Unfalls nur acht Wochen 100 %-ig arbeitsunfähig gewesen. Nach Abzug seiner Spesen sei dem Kläger nur ein Vermögensschaden von S 7.000 entstanden, wobei sich auf Grund der entsprechenden Aliquotierung nur ein Einkommensentgang von S 1.657 pro Tag ergebe. Da die Betriebsunterbrechung nicht mit einem 24-stündigen Krankenhausaufenthalt begonnen habe, sei die vereinbarte 14-tägige Karenz zu berücksichtigen. Die Beklagte habe daher für die Betriebsunterbrechung in der Dauer von 42 Tagen mit einem Tagessatz von S 1.657 unter Berücksichtigung einer bereits erfolgten Zahlung einzustehen. Verursacht durch den zweiten Unfall dauerte die Betriebsunterbrechung 70 Tage. Da die Betriebsunterbrechung mit einem 7-tägigen Krankenhausaufenthalt begann, sei keine Karenzzeit zu berücksichtigen gewesen.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens, dass nämlich das Erstgericht zu Unrecht von einem Widerruf der Außerstreitstellung des pro Tag entstandenen Schadens ausgegangen sei, liege nicht vor. Gemäß § 55 VersVG sei der Versicherer niemals verpflichtet, mehr als den eingetretenen Schaden zu ersetzen. Die Vereinbarung der Abrechnung nach Tagestaxe verstoße gegen ein zwingendes gesetzliches Verbot, wenn die vereinbarte Tagestaxe erheblich (also mit mehr als 10 %) den nach den Versicherungsbedingungen berechneten tatsächlichen Schaden übersteige. Tatsächlich werde die Taxe im Falle des Klägers um ca 59 % überschritten. Mit der Aufnahme administrativer Tätigkeiten insbesondere im Zusammenhang mit der Akquirierung von Kunden sei beim Kläger keine Arbeitsunfähigkeit mehr vorgelegen. Der 24-stündige Krankenhausaufenthalt sei auch nicht unbedingt medizinisch indiziert gewesen, sodass die Karenz beim ersten Schadensfall zu berücksichtigen sei.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision als nicht zulässig, da es von der herrschenden Judikatur nicht abgewichen sei.

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichtes ist die Revision aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig.

Gegen den klagsabweisenden Teil des angefochtenen Urteils im Umfang von S 578.416 samt 4 % Zinsen seit 1. 4. 1999 richtet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Auf Grund der von den Parteien vorgenommenen Rechtswahl ist österreichisches Recht anzuwenden.

Bei einer Betriebsunterbrechungsversicherung handelt es sich um eine Sachversicherung, bei der der Betrieb und nicht die Person des Betriebsinhabers versichert ist (SZ 59/227, 7 Ob 55/86, 7 Ob 22/90, 7 Ob 346/98b).

Was die Höhe der begehrten Tagsätze anlangt, stützt sich der Revisionswerber neuerlich darauf, dass das Erstgericht entgegen der Außerstreitstellung der Parteien anderslautende Feststellungen zu den tatsächlich erzielten Betriebserträgen getroffen hat. Dabei übersieht der Kläger, dass nach ständiger Rechtsprechung ein vom Berufungsgericht verneinter Verfahrensmangel erster Instanz nicht mehr in der Revision gerügt werden kann (1 Ob 140/99s uva, Kodek in Rechberger2, § 503 ZPO, Rz 3 mwN aus Lehre und Rechtsprechung). Unanwendbar ist dieser Grundsatz nur dann, wenn - anders als hier - die zweite Instanz infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hat (1 Ob 140/99s, Kodek aaO mwN). Die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass durch das Vorbringen auf AS 147 ein Widerruf der ursprünglichen Außerstreitstellung der Beklagten zu erblicken ist, ist durch die Aktenlage gedeckt, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

Vorweg ist auf den Vorwurf der Beklagten in der Revisionsbeantwortung, der Kläger mache mit seiner Behauptung, ihm sei eine Taxe von S 4.000 täglich zugesagt worden, zu erwidern, dass der Kläger sehr wohl im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht hat, ihm stehe vereinbarungsgemäß aus dem Versicherungsvertrag eine Entschädigung von S 4.000 pro Tag zu (vgl AS 3). Da die Beklagte selbst einräumt, dieses Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren nicht bestritten zu haben (Revisionsbeantwortung S 8 letzter Absatz) und in ihrem nachfolgenden Vorbringen behauptete, dass - sofern ein S 4.000 übersteigender Schaden dem Kläger durch den Versicherungsfall entstanden sei - diese Summe die Begrenzung der Leistungspflicht der Beklagten darstellen sollte, ist dieser Tatsachenkomplex (vgl Rechberger2, § 267 ZPO, Rz 1) daher als unbestritten (§ 267 ZPO) der Entscheidung zu Grunde zu legen.

Zu Recht greift der Revisionswerber auf, dass die Feststellungen zu den Betriebserträgen und dem Deckungsbeitrag im Sinne der ABFT noch nicht zur abschließenden Beurteilung der Rechtssache ausreichen.

Wie bereits oben ausgeführt, errechnet sich der Unterbrechungsschaden (vgl dazu Martin SVR3 W I 2) aus dem während der Dauer der Betriebsunterbrechung nicht erwirtschafteten versicherten Deckungsbeitrag (Art 3 Abs. 1 ABFT). Der Deckungsbeitrag ist die Differenz zwischen den Betriebserträgen und den variablen Kosten (Art 4 Abs 1 ABFT). Nicht grundsätzlich in Abzug zu bringen sind die fixen Kosten. Das Erstgericht hat aber lediglich die Betriebserträge unter Abzug aller Unkosten festgestellt, ohne zwischen den variablen und den fixen Unkosten zu unterscheiden. Das Beweisverfahren wird daher in diesem Sinn zu ergänzen sein. Erst dann wird abschließend beurteilt werden können, ob hier der vereinbarte Betrag (Taxe) auszuzahlen ist, oder ob die Taxe den wirklichen Versicherungswert erheblich überstiegen hat.

Bei einer Sachversicherung ist - soweit sich aus den Umständen nichts anderes ergibt - der Wert der Sache (= Betrieb bzw Erlösverlust) der Versicherungswert (§ 52 VersVG). Der Versicherungswert kann durch Vereinbarung auf einen bestimmten Betrag (Taxe) festgesetzt werden. Diese Taxe gilt auch als der Wert, den das versicherte Interesse zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles hat, es sei denn, dass sie den wirklichen Versicherungswert in diesem Zeitpunkt erheblich übersteigt (§ 57 VersVG). Damit wird eine Ausnahme vom versicherungsrechtlichen Bereicherungsverbot normiert, wonach der Versicherer gemäß § 55 VersVG niemals verpflichtet ist, mehr als den eingetretenen Schaden zu ersetzen. Diese Bestimmung ist zwingendes Recht (Schauer, Österreichisches Versicherungsvertragsrecht3, 174;

Prölss/Martin, VVG26, § 55, Rz 1; Bruck/Möller II8 § 57 VVG, Anm 4,

Schauer in Honsell, Berliner Kommentar § 57 VVG, Rz 12 ff). Die

Vereinbarung einer solchen Taxe erleichtert die Feststellung der Höhe

des vom Versicherer zu leistenden Schadenersatzes. Der

Versicherungsnehmer hat bei Vorliegen einer Taxvereinbarung daher

nicht die Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens darzutun. Diese

Durchbrechung des Bereicherungsverbots begegnet aber insofern einer

Schranke, als sich der Versicherer darauf berufen kann, dass zur Zeit

des Versicherungsfalls die Taxe den Ersatzwert erheblich übersteigt.

Insoweit trifft den Versicherer die Beweislast (7 Ob 346/98b; 7 Ob

310/00i; Bruck/Möller aaO; Prölss/Martin aaO § 57 Rz 3; Schauer aaO,

S 174 f). Die Auskunfts- und Belegpflichten des Versicherungsnehmers

(§ 34 VVG, Art 12 Abs 7 ABFT) greifen aber insoweit nicht Platz, als

sie den Zweck verfolgen, den Versicherer über den Ersatzwert zu

informieren; denn insoweit ist nach der getroffenen Taxvereinbarung

eine Unterrichtung des Versicherers nicht erforderlich. Ficht der

Versicherer aber die Taxe an, leben die beiden Obliegenheiten wieder

voll auf (7 Ob 346/98b; 7 Ob 310/00i; Bruck/Möller aaO, § 57, Anm

31). Zunächst ist daher von der Richtigkeit der getroffenen

Taxvereinbarung auszugehen. Erhebt der Versicherer den Einwand, dass

die Taxe den Versicherungswert erheblich übersteigt, hat er die

Behauptungen darüber aufzustellen, dass die Taxe den Ersatzwert um

mehr als 10 % übersteigt (7 Ob 346/98b, 7 Ob 310/00i, Bruck/Möller

aaO, § 57 Anm 41; Prölss-Martin aaO; § 57 Rz 3; Schauer aaO, 147 f).

§ 57 VersVG ist absolut zwingend. Vereinbarungen, wonach die Taxe absolut unanfechtbar sei oder der Versicherer auf jeden Nachweis der Taxe verzichte, sind unwirksam (7 Ob 346/98b; 7 Ob 310/00i; Bruck/Müller aaO § 57 Anm 48, Schauer aaO, § 57, Rz 22 f). Erst wenn also der Deckungsbeitrag im Sinne der ABFT festgestellt ist, wird beurteilt werden können, ob es zu einer erheblichen Überschreitung des wirklichen Versicherungswerts gekommen ist oder nicht.

Zu Recht wendet sich auch der Kläger gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die teilweise Arbeitsfähigkeit des Klägers bereits in dem Zeitpunkt wiederhergestellt war, als er Akquisitionstätigkeiten durchführen konnte.

Hervorzuheben ist, dass der Kläger einen sogenannten "Einmannbetrieb" führt. Das heißt, dass er sämtliche im Betrieb zu verrichtenden Tätigkeiten selbst ausübt. Dazu gehören nach den Feststellungen des Erstgerichtes zu 70 % das Aufsuchen von Baustellen, um Naturmaße zu nehmen, und zu 30 % auf den so gewonnenen Daten aufbauend im Büro die Statikberechnungen durchzuführen. Die Büroarbeiten im Zusammenhang mit den typischen Betriebsleistungen fallen daher nach den Feststellungen des Erstgerichtes erst dann an, wenn Naturmaße auf den Baustellen genommen werden können. Dies bedeutet, dass der Kläger erst dann wieder arbeitsfähig ist, wenn er (im Sinne der ABFT) diese Tätigkeiten wenigstens zum Teil wieder ausüben kann. Es ist keine teilweise Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit darin zu erblicken, wenn der Kläger das Büro aufsuchen und dort Akquisitionstätigkeiten entfalten kann, ist er doch nicht in der Lage, seine typischen Betriebsleistungen (auch nur zum Teil) zu erbringen. Die Akquisitionstätigkeit ist lediglich eine Vorarbeit, die auch nur dann sinnvoll ist, wenn die akquirierten Aufträge auch erledigt werden können. Die von den Vorinstanzen vorgenommenen einschränkende Betrachtung wäre bei einem Betrieb wie dem des Klägers widersinnig (vgl. 7 Ob 346/98b zu den ABFT 1995, 7 Ob 39/88). Um nun beurteilen zu können, wie lang die Betriebsunterbrechung auf Grund der 100 %-igen Arbeitsunfähigkeit des Klägers jeweils gedauert hat, bedarf es daher konkreter Feststellungen, bis zu welchem Tag der Kläger unfähig war, auf Baustellen Naturmaße zu nehmen, sofern nicht schon vorher etwa vorhandene Naturmaße einer Berechnung zugeführt werden konnten und damit betriebstypische Leistungen zum Teil erbracht werden konnten (vgl 7 Ob 6/95).

Zutreffend haben entgegen der Rechtsansicht des Klägers aber die Vorinstanzen erkannt, dass die durch den Unfall vom 10. 5. 1998 verursachte Betriebsunterbrechung nicht mit einem mindestens 24-stündigen Krankenhausaufenthalt im Sinne der ABFT begonnen hat. Der Kläger wurde im Spital nur erstversorgt und dann in häusliche Pflege entlassen. Da der sofortige Krankenhausaufenthalt medizinisch offenbar nicht notwendig war, ansonsten wäre eine Entlassung des Klägers wohl nicht erfolgt, sind die Voraussetzungen für eine Verkürzung der vereinbarten Karenz nicht gegeben.

Erst nach Ergänzung des Beweisverfahrens im oben aufgezeigten Sinn wird eine abschließende Beurteilung der Rechtssache möglich sein.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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