Spruch:
Dem Rekurs des Klägers wird Folge gegeben.
Der die Klagsabweisung (S 311.111,08 s.A.) betreffende Teil des angefochtenen Beschlusses wird dahin abgeändert, daß er als Teilurteil zu lauten hat:
"Der Berufung des Klägers wird nicht Folge gegeben. Die Entscheidung über die Kosten des diesen Teil betreffenden Berufungsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten."
2. den Beschluß
gefaßt:
Dem Rekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hat mit der Beklagten eine Ärzte-Betriebsbündelversicherung abgeschlossen, in der auch eine Betriebsunterbrechungsversicherung für freiberufliche Tätigkeit enthalten ist. Nach den ergänzenden Bedingungen für die Betriebsunterbrechungs-Versicherung freiberuflich Tätiger gilt als Schadensereignis im Sinne des Art. 1 der Allgemeinen Bedingungen für die Betriebsunterbrechungs-Versicherung freiberuflich Tätiger auch die gänzliche oder teilweise Unterbrechung des versicherten Betriebes infolge Krankheit der den Betrieb verantwortlich leitenden Person. Nach Punkt II dieser ergänzenden Bedingungen gilt als Krankheit im Sinne des Vertrages ein nach medizinischen Begriffen anormaler körperlicher oder geistiger Zustand, auch wenn er als Folge eines Unfalles eintritt, sofern daraus eine völlige (100 %ige) Arbeitsunfähigkeit entsteht, so daß die den Betrieb verantwortlich leitende Person ihre berufliche Tätigkeit nach objektivem ärztlichen Urteil in keiner Weise ausüben kann und auch nicht ausübt, also weder mitarbeitend noch aufsichtsführend oder leitend in ihrem Beruf tätig ist und sein kann.
Als besondere Bedingung wurde vereinbart, daß der Selbstbehalt entfällt, wenn nach einem dem Grunde nach ersatzpflichtigen Schadensereignis (Unfall/Krankheit) ein stationärer Krankenhausaufenthalt von mindestens 72 Stunden erforderlich ist. Die Versicherungssumme beträgt S 4 Mio. Bei der Ermittlung der Entschädigung ist von einer Tagesquote von 1/360 der Versicherungssumme auszugehen.
Der Kläger befand sich in der Zeit vom 14. Dezember bis 23. Dezember 1986 wegen einer Bruchoperation in stationärer Krankenhauspflege. Die ärztliche Behandlung wurde am 7. Jänner 1987 beendet.
Vor Einleitung dieses Rechtsstreites zahlte die Beklagte auf den Anspruch des Klägers aus der Versicherung S 266.667,--. Der Kläger begehrt unter Berücksichtigung der geleisteten Teilzahlungen ein weiteres Entgelt aus der Versicherung von S 499.999,59 s.A. wobei er über den 7. Jänner 1987 hinaus Zahlungen verlangt und hiebei von insgesamt 69 Tagen ausgeht. Das Erstgericht hat dem Kläger unter Abweisung eines Mehrbegehrens von S 311.111,08 den Betrag von S 188.888,51 s.A. zugesprochen. Es stellte fest, daß der Kläger vom 14. Dezember 1986 bis einschließlich 24. Jänner 1987 zu 100 % in seinem Beruf arbeitsunfähig war. Anschließend war er 28 Tage lang zu 50 % arbeitsunfähig. Während der 100 %igen Arbeitsunfähigkeit konnte er selbst keine Röntgenaufnahmen machen und Geräte bedienen. Ab dem 6. Jänner 1987 hielt er sich wohl in der Ordination zusammen mit dem Hilfspersonal und anderen Angestellten auf. Seine hauptsächliche Tätigkeit bestand bis zum 24. Jänner 1987 in Schreibtischarbeiten und in Gesprächen mit Patienten, die er nicht behandeln konnte. Ab dem 24. Jänner 1987 hat der Kläger wieder fallweise Geräte bedient und Röntgenaufnahmen gemacht. Dies war ihm unter Berücksichtigung der vorhandenen Einschränkung und Behinderung auch möglich.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus:
Voraussetzung für den Entgeltanspruch sei einerseits eine gänzliche oder teilweise Betriebseinschränkung und andererseits eine Krankheit. Unter Krankheit sei nur eine 100 %ige Arbeitsunfähigkeit zu verstehen. Diese sei nach den getroffenen Feststellungen beim Kläger bis zum 24. Jänner 1987, also für 41 Tage gegeben gewesen. Das Berufungsgericht hat die Entscheidung des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben. Es hat grundsätzlich die Rechtsansicht des Erstgerichtes gebilligt, jedoch das Verfahren bezüglich des Zeitraumes vom 7. Jänner bis 24. Jänner 1987 als ergänzungsbedürftig erachtet, weil die Frage der 100 %igen Arbeitsunfähigkeit des Klägers nur bei Kenntnis seiner tatsächlichen Tätigkeit in der Ordination während des genannten Zeitraumes beurteilt werden könne. Hätte der Kläger während dieses Zeitraumes, sei es auch nur in stark eingeschränktem Maße, seine berufliche Tätigkeit, etwa durch Aufarbeitung liegengebliebener Schreibarbeit oder durch Überwachung und Leitung seines Personals, ausgeübt, so wäre für diesen Zeitraum kein Entgelt zu zahlen. Die bloße Anordnung von Reinigungsarbeiten, die der Aufsicht des Klägers nicht bedurft hätten, würden allerdings nicht als teilweise Berufsausübung zu werten sein. Ein teilweises Entgelt für eine nur teilweise Betriebsunterbrechung sei in den Versicherungsbedingungen nicht vorgesehen. Richtig sei die Entscheidung des Erstgerichtes jedoch bezüglich des Zeitraumes der festgestellten nur teilweisen Arbeitsfähigkeit des Klägers.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Beklagten ist nicht gerechtfertigt.
Dagegen kommt dem Rekurs des Klägers im Ergebnis Berechtigung zu.
A) Zum Rekurs des Klägers:
Nicht bekämpft wurde vom Kläger in seiner Berufung die erstrichterliche Feststellung über seine vom medizinischen Standpunkt aus mit 50 % anzunehmende Arbeitsunfähigkeit nach 41 Tagen nach der Operation sowie, daß er ab 24. Jänner 1987 zumindest teilweise seiner Tätigkeit als Röntgenarzt nachgegangen ist. Nach dem Wortlaut der ergänzenden Bedingungen für die Betriebsunterbrechungsversicherung freiberuflich Tätiger (Beilage A) scheidet demnach ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch des Klägers aus. Nach Pkt. II dieser ergänzenden Bedingungen gilt nämlich als Krankheit im Sinne des Vertrages ein nach medizinischen Begriffen anormaler körperlicher oder geistiger Zustand, auch wenn er als Folge eines Unfalles eintritt, soferne daraus eine völlige (100 %ige) Arbeitsunfähigkeit entsteht, so daß die den Betrieb verantwortlich leitende Person ihre berufliche Tätigkeit nach objektivem ärztlichen Urteil in keiner Weise ausüben kann und auch nicht ausübt, also weder mitarbeitet noch aufsichtsführend oder leitend in ihrem Beruf tätig ist und sein kann. Schon die tatsächliche Tätigkeit des Versicherten in seinem Beruf ist demnach ebenso ein Grund für den Ausschluß eines Anspruches auf Versicherungsleistung wie die festgestellte nur 50 %ige Einschränkung der Arbeitsfähigkeit vom medizinischen Standpunkt aus. Der Wortlaut dieser Bestimmung ist derart eindeutig, daß eine andere Auslegung nicht in Frage kommt.
Der Kläger führt nun in seinem Rekurs angebliche Tatsachen an, die zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen sollen. Hiebei handelt es sich jedoch weitgehend um eine im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof unzulässige Bekämpfung der vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen. Im übrigen ließ auch die Beweisrüge der Berufung nicht eindeutig erkennen, auf welche Beweismittel das Erstgericht andere Feststellungen stützen hätte können. Verwiesen wird weitgehend auf Umstände, die angeblich eine andere Auslegung der erwähnten ergänzenden Bedingungen geboten erscheinen lassen. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Der Kläger beruft sich hier unter anderem auf einen Werbeprospekt, der nach seinen Angaben angeblich lange vor Abschluß des Versicherungsvertrages, ja vor Einleitung seiner konkreten Verhandlungen mit der Beklagten, herausgegeben worden sein soll. Aus dem vorgelegten Prospekt (Beilage R) ist jedoch für den Kläger nichts zu gewinnen. Es handelt sich nämlich um eine kursorisch gehaltene Werbebroschüre, die nähere Definitionen nicht enthält. Dies hat auch der Kläger erkannt, weshalb er eine Korrespondenz mit der Beklagten eröffnet hat. Auch die Antworten der Beklagten in dieser Korrespondenz hätten nie den Schluß auf eine andere Auslegung des Begriffes der Krankheit als nach den Versicherungsbedingungen gerechtfertigt. Diese Frage war überhaupt nicht Gegenstand der detaillierten Auskünfte oder Anfragen. Auch der Antrag des Klägers auf Abschluß der Versicherung enthält keinerlei Definition des Begriffes der Krankheit. Demnach ist die Beklagte in der Versicherungspolizze vom Antrag nicht abgewichen. Schließlich übersieht der Kläger aber auch, daß ihm mehrere Variationen der Versicherung angeboten wurden. Gerade dieser Umstand läßt aber erkennen, daß für ihn der bloße Werbeprospekt nicht maßgebend gewesen sein konnte, weil dieser ebenfalls nur ganz allgemein auf die verschiedenen Möglichkeiten verwiesen hat. Was die Erläuterungen über die Möglichkeit des Fortbetriebes der Ordination durch einen Vertreter mit der vorliegenden Sache zu tun haben soll, ist unerfindlich. Eine Fortführung der Praxis durch einen Vertreter ist hier nämlich nicht erfolgt. Daß dem Kläger allenfalls zusätzlich zu den Versicherungsbedingungen eine solche Möglichkeit angeboten worden ist und er demnach von dieser Möglichkeit erfolgreich Gebrauch machen hätte können, ändert nichts daran, daß für den Fall der Nichtführung der Praxis oder der teilweisen Führung durch ihn selbst die vereinbarten Versicherungsbedingungen gelten. Geht man aber von dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen aus, so ist die vom Kläger vorgenommene grammatikalische Auslegung dahin, daß Versicherungsschutz im Falle der Krankheit auch besteht, wenn der Betrieb nur teilweise nicht geführt wird unmöglich. Pkt. II der erwähnten ergänzenden Bedingungen spricht eindeutig aus, daß als Krankheit im Sinne des Vertrages eine medizinische Einschränkung nur dann gilt, wenn daraus eine völlige (100 %ige) Arbeitsunfähigkeit entsteht und wenn der Versicherte den Betrieb in keiner Weise ausüben kann und auch nicht ausübt. Ist demnach der Versicherte auch nur teilweise in seinem Betrieb tätig oder beträgt die medizinische Einschränkung der Arbeitsfähigkeit nicht 100 %, so kann Versicherungsschutz wegen Krankheit nicht gewährt werden. Es ergibt sich sohin, daß der Frage, ob Versicherungsbedingungen wie Gesetze auszulegen sind, was seit Jahren von der Lehre bestritten wird, oder ob sie den Auslegungsregeln für Verträge unterliegen, hier keine entscheidende Bedeutung zukommt. Wären sie wie Gesetze auszulegen, so wäre der Wortlaut maßgebend, der eindeutig für den Standpunkt der Beklagten spricht. Wären sie wie allgemeine Vertragsbedingungen auszulegen, so käme es wieder in erster Linie auf den Wortlaut der Vereinbarung an, da sonstige Umstände eine vom Wortlaut abweichende, für die Beklagte ungünstigere Auslegung nicht rechtfertigen.
Die Vorinstanzen haben also richtig erkannt, daß dem Kläger aufgrund der Feststellung, daß er ab dem 24. Jänner 1987 wieder in seinem Betrieb, und zwar auf für diesen spezifische Weise tätig war, keine Versicherungsleistung mehr gebührt. Bei dieser Sachlage erübrigen sich weitere Erhebungen. Vielmehr wäre der klagsabweisende Teil des erstgerichtlichen Urteiles bereits im Berufungsverfahren im Sinne einer Bestätigung spruchreif gewesen. Da aufgrund eines Rekurses gegen einen mit Rechtskraftvorbehalt versehenen Aufhebungsbeschlusses das Verbot der reformatio in peius nicht gilt, ist der Oberste Gerichtshof in der Lage, den diesbezüglichen Teil des Aufhebungsbeschlusses des Berufungsgerichtes aufgrund des Rekurses des Klägers in einem diesem nachteiligen Sinn in ein bestätigendes Teilurteil abzuändern (§ 519 Abs 2 ZPO). Die Kostenentscheidung bezüglich des abändernden Teiles stützt sich auf die §§ 392 Abs 2 und 52 Abs 2 ZPO.
B) Zum Rekurs der Beklagten:
Zu der rechtlichen Beurteilung kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Richtig hat das Berufungsgericht also erkannt, daß Versicherungsschutz wegen einer Betriebsunterbrechung infolge Krankheit nur dann gegeben ist, wenn die den Betrieb verantwortlich leitende Person ihre berufliche Tätigkeit nach objektivem ärztlichen Urteil in keiner Weise ausüben kann und auch nicht ausübt, also weder mitarbeitend noch aufsichtsführend oder leitend in ihrem Beruf tätig ist und sein kann. Demnach scheidet eine Versicherungsleistung auch dann aus, wenn der Versicherte auch nur einen Teil der für den Betrieb notwendigen Arbeiten gemacht hat oder wenn seine Tätigkeit nur in für den Betrieb notwendigen organisatorischen Verrichtungen oder Weisungen bestand. Die Vornahme von Schreibarbeiten wird dann als teilweise Betriebsführung anzusehen sein, wenn diese Schreibarbeiten für den Betrieb notwendig waren und der Betriebsinhaber, etwa infolge Überlastung mit den übrigen betrieblichen Erfordernissen, diese Schreibarbeiten seinerzeit liegengelassen und sie erst nunmehr aufgearbeitet hat und diese Tätigkeit durch den Kläger tatsächlich dem Betrieb diente. Anders wäre die Sache zu beurteilen, wenn der Kläger, etwa zur bloßen Befriedigung eines Beschäftigungsdranges Arbeiten verrichtet hätte, die ohne seine Hilfe oder Mitwirkung auch sein Personal ohne weiters ausführen hätte können und unter normalen Bedingungen auch ohne besondere Hilfe oder Aufsicht ausgeführt hat. Diesfalls hätte die Tätigkeit des Klägers in Wahrheit keinen wirklichen Einfluß auf den Betrieb gehabt. Inwieweit die Tätigkeit des Klägers in der Zeit vom
6. bis 24. Jänner 1987 diesen Kriterien entsprochen hat, wurde vom Berufungsgericht als noch erörterungsbedürftig erachtet. Ist aber die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht unbedenklich, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, der Auffassung des Berufungsgerichtes, die bisher getroffenen Feststellungen reichten für die rechtliche Beurteilung nicht aus, nicht entgegentreten (SZ 44/108; SZ 43/167 u.a.).
Der Rekurs der Beklagten erweist sich sohin als nicht gerechtfertigt.
Die Entscheidung über die Kosten des die Bestätigung betreffenden Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof gründet sich auf § 52 ZPO.
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