OGH 1Ob31/01t

OGH1Ob31/01t24.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin K***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Rudolf Denzel und Dr. Peter Patterer, Rechtsanwälte in Villach, wider die Antragsgegner 1.) Dipl. Ing. Gernoth W*****, 2.) Mag. Sieglinde W*****, und 3.) Dr. Kurt S*****, alle vertreten durch Dr. Dieter Poßnig, Rechtsanwalt in Villach, wegen Einräumung eines Notweges infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgerichts vom 7. Dezember 2000, GZ 2 R 333/00y-36, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 4. September 2000, GZ 10 Nc 19/98a-29, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin ist schuldig, den Antragsgegnern die mit 6.999,36 S (darin 1.166,56 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Verwiesen wird vorerst auf die Vorentscheidung des erkennenden Senats 1 Ob 377/98t = JBl 1999, 675 = RZ 1999/83 = NZ 2000, 282 (im Folgenden nur Vorentscheidung).

Der Erstantragsgegner und die Zweitantragsgegnerin sind je zur Hälfte Eigentümer des Grundstücks (Gst) 333/9, der Drittantragsgegner ist Eigentümer des Gst 333/10. Zugunsten der im Eigentum der Antragstellerin stehenden Gste 333/5 und 333/20 lastet auf dem gleichfalls im Miteigentum des Erstantragsgegners und der Zweitantragsgegnerin stehenden Gst 333/13 (G*****-Weg, im folgenden nur Weg) als dienendem Grundstück die aufgrund des Überlassungsvertrags vom 10. März 1956 verbücherte Dienstbarkeit des Zugangs und der Zufahrt mit Verkehrsmitteln aller Art. Im Verbücherungszeitpunkt war die herrschende Liegenschaft eine Kleinlandwirtschaft, später wurde auf dieser Liegenschaft eine Pension mit zuletzt etwa 70 Betten betrieben. Den Pensionsgästen, die über den Weg zufuhren, standen etwa 10-11 Parkplätze auf der Liegenschaft der Antragstellerin zur Verfügung.

Die Antragstellerin beabsichtigt, auf ihren Liegenschaften eine Wohnanlage mit 48 Wohneinheiten samt 58 Pkw-Abstellplätzen zu errichten. Nach Fertigstellung der Wohnanlage würde sich die Verkehrsfrequenz auf dem Weg insofern erhöhen, als die maximale Stundenfrequenz im Straßenquerschnitt des Wegs (bei Arbeitsbeginn zwischen 07.00 und 08.00 Uhr) stündlich 45 bis 50 Pkw und in der übrigen Zeit stündlich 15 bis 30 Pkw betragen würde. Das Bauverfahren ist bis zur Entscheidung über das Notwegbegehren gehemmt.

Der etwa 4 m breite, sich in schlechtem Zustand befindliche Weg trifft fast rechtwinkelig auf den Fahrbahnrand der etwa 4,16 m breiten, gleichfalls in schlechtem Zustand befindlichen S*****-Straße - als Teil des öffentlichen Straßennetzes - und weist keine Einbiegeradien auf, sodass Schwerfahrzeuge im Bereich der Einmündung des Wegs in die Straße derzeit nicht abbiegen können. Die zu einer solchen Einbindung notwendige Fläche betrüge bei der Liegenschaft des Erstantragsgegners und der Zweitantragsgegnerin 5 m2 und bei jener des Drittantragsgegners 7 m2. Der Naturbestand der baulichen Einrichtungen und des vorhandenen Straßenverlaufs stimmen insofern nicht mit der Katasterdarstellung überein, als die nach dieser als öffentliches Gut ausgewiesene Straße in der Natur zum Teil auf den Grundstücken der Antragsgegner verläuft.

Die Antragstellerin begehrte, ihr einen Notweg, bestehend in der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art über die Gste 333/9 und 333/10 der Antragsgegner einzuräumen. Aufgrund der beabsichtigten Errichtung eines Objekts mit 48 Wohneinheiten und 58 Pkw-Abstellplätzen auf ihren Grundstücken sei zur ordentlichen Bewirtschaftung ihrer Grundstücke im Zuge der baulichen Tätigkeit und insbesondere auch nach deren Fertigstellung die Einbeziehung von Teilen des Einmündungstrichters des Wegs in die bereits bestehende Dienstbarkeit unumgänglich erforderlich. Ohne Einmündungstrichter habe der Weg eine Breite von 4 m, sodass ein ordnungsgemäßer Einbiegevorgang, besonders mit Schwerfahrzeugen, unmöglich sei. Der Wortlaut der vertraglich eingeräumten Dienstbarkeit zulasten des Wegs umfasse eindeutig auch die im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben beabsichtigte Benützung.

Das Erstgericht räumte der Antragstellerin und dem jeweiligen Eigentümer der (derzeit) im Eigentum der Antragstellerin befindlichen Liegenschaften die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art über das Gst 333/9 des Erstantragsgegners und der Zweitantragsgegnerin im Ausmaß von 5 m2 und über das Gst 333/10 des Drittantragsgegners im Ausmaß von 7 m2 ein, trug der Antragstellerin die Zahlung näher genannter Entschädigungsbeträge an die Antragsgegner auf und verhielt diese zur Einwilligung in die grundbücherliche Einverleibung der Dienstbarkeit. Es führte aus, dass die zugunsten der Liegenschaft der Antragstellerin bestehende Dienstbarkeit des Zugangs und der Zufahrt mit Verkehrsmitteln aller Art über den Weg auch die sich aus dem geplanten Wohnbau ergebende verstärkte Benützung umfassen würde, somit keine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit vorliege.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss im antragsabweisenden Sinn ab. Die Antragstellerin begehre nicht die Ausweitung der bestehenden Dienstbarkeit auf dem Weg, sondern die Einräumung einer Dienstbarkeit auf anderen Grundstücksteilen der Antragsgegner, sodass sich ein Einfahrtstrichter von der Straße in den Weg ergeben würde. Mit der Einräumung der als Notweg begehrten Dienstbarkeit würde die Antragstellerin jedoch nicht die gewünschte Anbindung ihrer Liegenschaft an das öffentliche Straßennetz erreichen, weil ihr auf dem Weg keine Dienstbarkeit zustehe, die das Befahren in dem für die geplante Wohnanlage nötigen Umfang umfasse. Eine solche Benutzung würde vielmehr eine unzulässige Erweiterung der bestehenden Dienstbarkeit iSd § 484 ABGB darstellen.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil höchstgerichtliche Rsp dazu fehle, ob ein Notweg auf Teilen einer Liegenschaft auch begehrt werden könne, wenn dadurch keine Anbindung an die notleidende Liegenschaft hergestellt werde, inwieweit diese Tatsache im Notwegverfahren von Amts wegen zu erörtern sei bzw. welchen Einfluss die (nicht begehrte) Ausdehnung einer Wegedienstbarkeit auf das Notwegeverfahren habe.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Das Gesetz vom 7. Juli 1896 betreffend die Einräumung von Notwegen (NWG) ist mit Ausnahme einer geringfügigen Änderung durch RGBl 1913/7 unverändert in Geltung. Nach § 9 Abs. 1 NWG findet die Verhandlung über den Anspruch auf Einräumung eines Notweges auf Einschreiten des Eigentümers der notleidenden Liegenschaft statt; nach Abs. 3 dieser Bestimmung finden die Grundsätze des Verfahrens außer Streitsachen Anwendung, sofern in diesem Gesetz nichts anderes angeordnet ist. Nach § 14 Abs. 1 AußStrG ist gegen den Beschluss des Rekursgerichts der Revisionsrekurs nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Gericht zweiter Instanz von der Rsp des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rsp fehlt oder uneinheitlich ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist der Oberste Gerichtshof an einen Ausspruch des Rekursgerichts nach § 13 Abs. 1 Z 2 AußStrG nicht gebunden (§ 16 Abs. 3 AußStrG; 1 Ob 88/99v zu einem Notwegeverfahren). Werden von der rechtsmittelwerbenden Partei keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 14 Abs. 1 AußStrG aufgezeigt, von deren Lösung die Entscheidung zweiter Instanz abhängt, so ist der Revisionsrekurs trotz seiner Zulassung durch die zweite Instanz unzulässig.

Nach § 1 Abs. 1 NWG entbehrt eine Liegenschaft einer Wegeverbindung mit dem öffentlichen Wegenetz nicht nur dann, wenn es an einer solchen gänzlich mangelt, sondern auch, wenn sie bloß unzulänglich erscheint. Auch in diesem Fall kann der Eigentümer, der für die Zwecke einer ordentlichen Bewirtschaftung und Benützung eine solche Wegeverbindung benötigt, die gerichtliche Einräumung eines Notweges über fremde Liegenschaften - als Legalservitut (SZ 67/119 = JBl 1995, 325 = NZ 1995, 110; 1 Ob 377/98t u.a.; Egglmeier in Schwimann2, § 1 NWG Rz 1 und in bbl 1998, 62 ff, Notweg und Rechtsprechung) - nach Maßgabe des NWG begehren. Ob zur ordentlichen Bewirtschaftung oder Benützung einer Liegenschaft iSd § 1 Abs. 1 NWG ein Notweg erforderlich ist, ist nicht nach der derzeitigen faktischen Nutzung, sondern nach ihrer öffentlich-rechtlichen Widmung zu beurteilen; dies gilt insbesondere bei einer Widmung für Bauzwecke (EvBl 1965/106; EvBl 1994/26 u.v.a., zuletzt 1 Ob 88/99v = MietSlg 51.500 mwN; RIS-Justiz RS0070989; Hofmann in Rummel3 § 480 ABGB Rz 6 mwN). Auch die Neuerrichtung von Gebäuden gehört zur ordentlichen Bewirtschaftung und Benützung einer als Baufläche gewidmeten Liegenschaft, selbst wenn diese bisher anders - nicht als Bauland - genutzt wurde: Es ist nämlich auch ein durch einen Willensentschluß des Eigentümers geschaffener Bedarf zu berücksichtigen (EvBl 1994/80 u.a., zuletzt 1 Ob 88/99v mwN; RIS-Justiz RS0070979).

Grundsätzlich sind die Bestimmungen des NWG einschränkend auszulegen (SZ 67/119; 3 Ob 115/98b = bbl 1999/45; 4 Ob 214/99w = MietSlg 51.502 u.a.; RIS-Justiz RS0070966). Entgegen dem Wortlauf des § 2 Abs. 1 NWG entscheidet das Ergebnis der vorzunehmenden Interessenabwägung richtigerweise nur über die materiellrechtliche Zulässigkeit des Einräumung eines Notweges als Anspruchsvoraussetzung, nicht aber über die verfahrensrechtliche Rechtswegzulässigkeit des Begehrens auf Notwegeinräumung. Materiellrechtlich nicht berechtigt sind das Begehren und die Einräumung eines Notweges u.a. dann, wenn der Vorteil für den Antragsteller nicht größer ist als der Nachteil des Eigentümers (§ 2 Abs. 1 erster Fall NWG; Hofmann aaO § 480 ABGB Rz 8 mwN; Egglmeier aaO § 1 NWG Rz 1). Diesem Fall ist aber bei wertungsgemäßer Betrachtung jener Fall gleichzuhalten, in dem durch das Begehren und die Einräumung eines Notwegs überhaupt kein Vorteil für den Antragsteller entstehen kann, weil der begehrte Notweg keine Verbindung zum öffentlichen Wegenetz herstellen kann. In einem solchen Fall muss die Interessenabwägung jedenfalls zu Ungunsten des Antragstellers ausfallen, weil die Wegeverbindung - deren Herstellung gerade der Zweck des Notwegegesetzes ist - nicht hergestellt werden kann. Denknotwendigerweise muss daher im Notwegeverfahren die Frage geprüft werden, ob durch die Einräumung eines Notweges auf einem bloßen Teilstück des Zufahrtswegs eine bereits bestehende Wegedienstbarkeit des Antragstellers unzulässig ausgeweitet würde. Genau diese dem Erstgericht auferlegte Prüfungspflicht war aber entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Auffassung Inhalt der Vorentscheidung.

Der erkennende Senat hat bereits in der Vorentscheidung die zweitinstanzliche Auffassung gebilligt, dass die Antragstellerin nicht die Einräumung eines Notweges durch Erweiterung der bereits bestehenden und auf Vertrag begründeten Wegedienstbarkeit ("G*****-Weg"), sondern (nur) die Einräumung einer (weiteren) Legalservitut auf sonstigen Flächen der Antragsgegner begehre, um die bestehende Wegedienstbarkeit ausüben zu können. Auch in Kenntnis der Vorentscheidung beschränkte die Antragstellerin ihren Antrag ausdrücklich auf wenige m2 Bodenfläche im Bereich der Einmündung des Wegs in die (öffentliche) Straße und betont auch noch im Rechtsmittel ausdrücklich, dass sich ihr Antrag nicht auf die Ausdehnung der bestehenden Wegedienstbarkeit erstrecke. Erhebliche, die Zulässigkeit des Revisionsrekurses rechtfertigende Rechtsfragen iSd § 14 Abs 1 AußStrG wurden insoweit nicht dargetan.

Inwieweit durch die geplante Errichtung einer Wohnhausanlage mit 48 Wohneinheiten und 58 Pkw-Abstellplätzen eine unzulässige Erweiterung der Wegservitut vorliegt (§ 484 ABGB), was von der Antragstellerin im Rechtsmittel vor Allem releviert wird, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich deshalb regelmäßig einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage. Eine auffallende Fehlbeurteilung der zweiten Instanz, die zwingend zu einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof führen müsste, liegt hier nicht vor. Damit ist aber evident, dass mit diesem umfänglich ausdrücklich beschränkten Antrag das angestrebte Ziel nicht erreicht werden kann, weil denknotwendig nur mit einer Ausdehnung der bereits bestehenden vertraglichen Wegedienstbarkeit der vermehrte Verkehr (für 48 Wohneinheiten und 58 Pkw-Abstellplätze) erreicht werden kann, wobei die Frage des Bauverkehrs (bei der Errichtung der 48 Wohneinheiten) hier auf sich beruhen kann.

Die Antragstellerin hätte die von der zweiten Instanz als erheblich beurteilte Rechtsfrage des § 12 Abs. 3 NWG, wonach der Richter bei der Entscheidung über die Art, den Umfang und die Richtung des Notwegs nicht an das Begehren der Antragsteller gebunden ist, zum Inhalt ihres Rechtsmittels machen und damit auch die Lösung der Frage anstreben können, inwieweit das Erstgericht ungeachtet ihres Antrags dennoch auch solche Liegenschaften, die der wegebedürftige Eigentümer in seinem Gesuch nicht in Anspruch genommen hat (hier: "G*****-Weg"), einzubeziehen sind. Des weiteren hätte sich die Frage stellen können, ob von der zweiten Instanz, wenn sie - wie hier - abweichend von der Auffassung des Erstrichters von einer unzulässigen Ausweitung der bestehenden vertraglichen Wegedienstbarkeit iSd § 484 ABGB ausgeht und damit dem Notwegebegehren den Boden entzieht, die Rechtsfolgen mit den Parteien zu erörtern gewesen wären. Allein dazu finden sich im Revisionsrekurs keinerlei Ausführungen, im Besonderen wird das Rekursverfahren nicht als mangelhaft gerügt. Die an sich erhebliche Rechtsfrage wird somit von der Rechtsmittelwerberin gar nicht angesprochen und entzieht sich schon deshalb einer Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof.

Demnach ist das Rechtsmittel zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 9 Abs. 3 NWG iVm § 16 Abs. 3 AußStrG, § 508a Abs. 2 und § 510 ZPO).

Die Kostenentscheidung fußt auf dem § 25 Abs. 1 NWG. Von einem ungerechtfertigten Einschreiten der Antragsgegner, die auch auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hinwiesen, kann nicht gesprochen werden.

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