OGH 1Ob377/98t

OGH1Ob377/98t23.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin K***** Bauerrichtungsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Rudolf Denzel und Dr. Peter Patterer, Rechtsanwälte in Villach, wider die Antragsgegner 1) Dipl.Ing. Gernoth W*****, 2) Mag. Sieglinde W*****, und 3) Dr. Kurt S*****, alle vertreten durch Dr. Dieter Poßnig, Rechtsanwalt in Villach, wegen Einräumung eines Notweges infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgerichts vom 12. November 1998, GZ 2 R 367/98t-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Villach vom 10. Oktober 1998, GZ 10 Nc 19/98a-8, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichts ersatzlos behoben wird.

Text

Begründung

Der Erstantragsgegner und die Zweitantragsgegnerin sind je zur Hälfte Eigentümer des Grundstücks (GSt) 333/9, der Drittantragsgegner ist Eigentümer des GSt 333/10. Zugunsten der jetzt im Eigentum der Antragstellerin stehenden GSte 333/5 und 333/20 lastet auf dem gleichfalls im Miteigentum des Erstantragsgegners und der Zweitantragsgegnerin stehenden GSt 333/13 („Gretelweg“) als dienendem Grundstück die aufgrund des Überlassungsvertrags vom 10. März 1956 verbücherte Dienstbarkeit des Zugangs und der Zufahrt mit Verkehrsmitteln aller Art.

Die Antragstellerin begehrte, ihr einen Notweg, bestehend in der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art über die GSte 333/9 und 333/10 der Antragsgegner einzuräumen, weil sie die Errichtung eines Objekts mit 48 Wohneinheiten und 58 PKW-Abstellplätzen auf ihren beiden Grundstücken beabsichtige; ein entsprechendes Bauverfahren sei anhängig. Zur ordentlichen Bewirtschaftung ihrer Grundstücke im Zuge der baulichen Tätigkeit und insbesondere auch nach deren Fertigstellung sei auch die Einbeziehung von Teilen des Einmündungsrichters des „Gretelwegs“ in die bereits bestehende Dienstbarkeit unumgänglich erforderlich. Ohne Einmündungsrichter habe der „Gretelweg“ eine Breite von etwa 4 m, sodaß ein ordnungsgemäßer Einbiegevorgang, besonders mit Schwerfahrzeugen, unmöglich sei. Der Wortlaut der vertraglich eingeräumten Dienstbarkeit sei eindeutig und umfasse auch die im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben beabsichtigte Benützung.

Die Antragsgegner wendeten ein, die Dienstbarkeit am „Gretelweg“ sei für eine „Kleinwirtschaft“ begründet worden; die früher auf den Grundstücken der Antragstellerin betriebene Fremdenpension sei nur mit einem geringen Verkehrsaufkommen verbunden gewesen. Die jetzt von ihr beabsichtigte Benützung des Dienstbarkeitswegs für ein Objekt mit 48 Wohnungen und 58 PKW-Abstellplätzen stelle eine Ausdehnung der Dienstbarkeit dar. Es bestehe daher auf dem „Gretelweg“ keine für die beabsichtigte Verwendung der Liegenschaft der Antragstellerin erforderliche Dienstbarkeit.

Das Erstgericht verwies die Parteien von Amts wegen zur Klärung der Frage, in welchem Ausmaß zugunsten der Antragstellerin am „Gretelweg“ eine Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens bestehe, gemäß § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG auf den Rechtsweg, sprach aus, daß mit dem Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieser Vorfrage innegehalten und das Verfahren nur über entsprechenden Antrag der Parteien fortgesetzt werde. Die von der Antragstellerin begehrte Erweiterung der Dienstbarkeit im Rahmen des Notwegerechts setze das Vorliegen einer uneingeschränkten Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens auf dem „Gretelweg“ voraus. Es sei denkbar, daß die Dienstbarkeit bei Vertragserrichtung nur im eingeschränkten Umfang (was das Verkehrsaufkommen betreffe) eingeräumt worden sei; dies würde eine Benützung des „Gretelwegs“ im geplanten Ausmaß nach Errichtung der Wohnhausanlage ausschließen.

Das Rekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Beantwortung der Frage, welchen Umfang die vereinbarte Dienstbarkeit derzeit habe, hänge von verschiedenen Tatfragen ab, wie dem Parteiwillen bei Abschluß des Dienstbarkeitsvertrags, den Verhältnissen bei und seit dessen Abschluß sowie den erwarteten Verhältnissen bei und nach Ausführung des beabsichtigten Wohnobjekts. Die Klärung dieser Sachverhaltsfragen mache hier „einen Zivilprozeß notwendig“, weil weder eines förmlichen Beweisverfahrens noch einer Überprüfung der Tatfrage im Berufungsverfahren entbehrt werden könne. Sollte die Antragstellerin den „Gretelweg“ nicht in der von ihr beabsichtigten Weise (für einen Verkehr zur Bauführung und Betreibung einer Wohnanlage) benützen dürfen, würde damit ihr Wegebedürfnis iSd § 1 NWG an den von ihr im vorliegenden Verfahren in Anspruch genommenen Flächen wegfallen, denn die von der Antragstellerin behauptete Notwendigkeit der Benützung der zusätzlichen Flächen ergebe sich gerade und nur aus der beabsichtigten Bauführung und Betreibung der Wohnanlage. In einem solchen Fall würde eine der Anspruchsvoraussetzungen wegfallen und der vorliegende Antrag wäre abzuweisen. Obwohl nur die Antragstellerin sowie der Erstantragsgegner und die Zweitantragsgegnerin vom Streit über den Umfang der bestehenden Dienstbarkeit betroffen seien, sei auch das Begehren auf Einräumung einer Dienstbarkeit an der im Eigentum des Drittantragsgegners stehenden Flächen vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängig. Daher sei bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Ausmaß der Dienstbarkeit mit dem gesamten Notwegeverfahren innezuhalten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und berechtigt.

Nach § 1 Abs 1 NotwegeG (NWG) entbehrt eine Liegenschaft einer Wegeverbindung mit dem öffentlichen Wegenetz nicht nur dann, wenn es an einer solchen gänzlich mangelt, sondern auch, wenn sie bloß unzulänglich erscheint. Auch in diesem Fall kann der Eigentümer, der für die Zwecke einer ordentlichen Bewirtschaftung und Benützung eine solche Wegeverbindung benötigt, die gerichtliche Einräumung eines Notweges über fremde Liegenschaften - als Legalservitut (SZ 67/119; Egglmeier in Schwimann 2, § 1 NWG Rz 1) - nach Maßgabe des Notwegegesetzes begehren. Zutreffend erkannte das Rekursgericht, daß die Antragstellerin nicht die Einräumung eines Notweges durch Erweiterung der bereits bestehenden Wegedienstbarkeit, sondern die Einräumung einer (weiteren) Dienstbarkeit auf sonstigen Flächen der Antragsgegner begehre, um die bestehende Wegedienstbarkeit ausüben zu können.

Gemäß § 3 NWG besteht der Notweg in der Servitut des Fußsteiges, Viehtriebes oder Fahrweges oder in der Erweiterung solcher bereits bestehender Wegerechte; insbesondere kann als Notweg auch die Mitbenützung eines vorhandenen Privatweges oder die Herstellung einer Weganlage über fremden Grund und Boden bewilligt werden. Nach § 9 Abs 1 NWG findet die Verhandlung über den Anspruch auf Einräumung eines Notweges auf Einschreiten des Eigentümers der notleidenden Liegenschaft statt; nach Abs 3 dieser Bestimmung finden die Grundsätze des Verfahrens außer Streitsachen Anwendung, sofern in diesem Gesetz nichts anderes angeordnet ist. Nach der ausdrücklichen Anordnung des § 16 Abs 8 NWG ist der ordentliche Rechtsweg zur Geltendmachung von Ansprüchen, über die in dem durch das NWG geregelten Verfahren zu entscheiden ist, ausgeschlossen. Darf aber eine Sache nur im außerstreitigen Verfahren verhandelt und entschieden werden, so ist eine Verweisung auf den Rechtsweg unzulässig. Daher bleibt im außerstreitigen Notwegeverfahren entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung die Verweisung auf den Rechtsweg auch nach § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG verwehrt (GlUNF 4.026; 1 Ob 40/86; RIS-Justiz RS0006632; Klang in Klang2 II 160; Petrasch in Rummel 2, § 480 ABGB Rz 11; Gögl, Die Vorfrage im Verfahren außer Streitsachen in ÖJZ 1956, 592 ff, 595). Ob die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG vorliegen, ist dann nicht mehr zu prüfen. Das Erstgericht muß die maßgebliche Vorfrage, mag es auch eine Tatfrage sein, selbst lösen. Damit hat auch die von den Vorinstanzen angeordnete Verfahrensinnehaltung nach § 127 Abs 1 AußStrG (in Ansehung des Drittantragsgegners) zu entfallen.

Die vorinstanzlichen Beschlüsse sind ersatzlos aufzuheben. Ein allfälliger Kostenausspruch nach § 25 NWG hat zu entfallen, weil beide Parteien im zweiseitigen Rechtsmittelverfahren (§ 16 Abs 3 NWG) keine Kosten verzeichneten.

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