OGH 8ObA38/01y

OGH8ObA38/01y22.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter HR Mag. Georg Genser und Helmuth Prenner in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Valentin K*****, vertreten durch Griesser, Gerlach, Gahleitner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B***** AG (*****), *****, vertreten durch Kunz, Schima, Wallentin & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 843.070 brutto sA und Feststellung (Streitwert S 1,000.000), über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse S 953.401) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. November 2000, GZ 8 Ra 299/00z-45, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. Mai 2000, GZ 17 Cga 85/98k-40, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

22.599 (darin enthalten S 3.766,50 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Frage der Einstufung des Klägers zutreffend beantwortet.

Der seit 1961 bei der Beklagten beschäftigte und grundsätzlich gegenüber seinem vorgesetzten Abteilungsleiter weisungsgebundene und berichtspflichtige Kläger war ab 1. 10. 1993 als Abfallbeauftragter verantwortlich und selbstständig tätig. Er war für alle Arbeitsstätten der Beklagten zuständig. Er hatte dabei neben der Überwachung der Einhaltung der abfallwirtschaftlichen Vorschriften Vorschläge zur Mängelbeseitigung und Anregungen zur Abfallbehandlung und Abfallvermeidung sowie der sinnvollen Organisation der Abfalltrennung und -entsorgung zu erstatten. Auch für die Aufklärung und Information der Betriebsangehörigen und die Aktualisierung des Abfallwirtschaftskonzeptes sowie des Umwelthandbuches hatte er zu sorgen. Neben der unmittelbaren Information des Vorstandes konnte er auch andere Abteilungen zur Verwirklichung dieser Ziele heranziehen und hatte Kontakt mit externen Stellen sowie außerbetrieblichen Experten zu halten. Jedenfalls seit dem Juli 1995 konnte er unter anderem die Grundlagen und Grundprinzipien der österreichischen Abfallwirtschaft und die einschlägigen Gesetze und Verordnungen sowie die Zuständigkeiten der verschiedenen Behörden und Institutionen, der Möglichkeiten der Abfallvermeidung und die betriebsinternen Abläufe und hatte marginale Grundkenntnisse im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und praktische Fähigkeiten zur Mitarbeitermotivation. Dazu hatte er verschiedene Lehrgänge solviert. Er verrichtete verschiedene Spezialaufgaben, besichtigte Schadensfälle, organisierte die Entsorgung gefährlicher Abfälle, führte laufend Gespräche mit Behörden und Entsorgungsfirmen und erstellte die entsprechenden schriftlichen Unterlagen nach den einschlägigen Vorschriften. Er hielt sich über diese durch verschiedene Informationen aus Fachzeitschriften und Aussendungen auf dem Laufenden und informierte in Merkblättern und Informationen in Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern über Umweltschutzbelange. Er erstellte auch ein Umwelthandbuch, mit dessen Aktualisierung er laufend befasst war. Die in den Außenstellen auf Vorschlag des Klägers ernannten 15 Umwelt- und Abfallverantwortlichen wurden von ihm geführt, unterwiesen und beaufsichtigt. Ihnen erteilte er insbesondere telefonische Auskünfte und überprüfte ihre Tätigkeit stichprobenartig. Ferner führte er zweimal jährlich halbtägige Schulungen und Exkursionen durch. Vorschriftswidrige Betriebsabläufe konnte er insbesondere bei Gefahr im Verzug zu stoppen und machte davon etwa auch bei einem Bauvorhaben Gebrauch.

Zutreffend hat nun das Berufungsgericht diese Tätigkeit als eine "schwierige Arbeit, die verantwortlich selbstständig auszuführen ist und besondere Fachkenntnisse und praktische Erfahrungen erfordert" im Sinne der Verwendungsgruppe V der hier nach dem übereinstimmenden Vorbringen beider Parteien noch anzuwendenden Arbeitsordnung für Dienstnehmer der B***** eingestuft. Es reicht daher auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegen zu halten:

Nach § 9 Abs 6 des AWG BGBl Nr 325/90 in der Fassung vor der AWG-Nov 1998 BGBl I 151 ist in Betrieben mit mehr als 250 Arbeitnehmern - ab der AWG Nov 1994 BGBl 155 100 Arbeitnehmern -, in denen regelmäßig gefährliche Abfälle anfallen, vom Betriebsinhaber ein Abfallbeauftragter schriftlich zu bestellen und der Behörde bekannt zu geben. Dieser hat die Einhaltung der Vorschriften des Abfallwirtschaftsgesetzes und der darauf beruhenden Verwaltungsakte zu überwachen, den Betriebsinhaber über seine Wahrnehmungen, insbesondere über festgestellte Mängel unverzüglich zu informieren und auch auf eine sinvolle Organisation der Umsetzung der abfallrechtlichen Bestimmungen hinzuwirken. Er muss während der üblichen Geschäfts- und Betriebsstunden anwesend und zumindest leicht erreichbar sein. Ferner ist für den Fall seiner Verhinderung ein Stellvertreter zu bestellen. Nach Abs 7 dieser Bestimmung wird durch Bestellung des Abfallbeauftragten die Verantwortung des Betriebsinhabers für die Einhaltung der Vorschriften nicht berührt. Die Aufgaben des Abfallbeauftragten bestehen in der stichprobenartigen "Überwachung der Abfälle von der Entstehung bis zur Entsorgung" (vgl List in Kind/List/Schmelz AWG, 315 f). Dabei hat er grundsätzlich seine Kontroll-, und Informationspflichten sowie Vorschlagsrechte gegenüber dem Arbeitgeber selbstständig auszuüben, wobei ihm zusätzlich - wie hier - auch noch Weisungsbefugnisse eingeräumt werden können (vgl dazu List aaO, 320; allgemein auch den Bericht des Umweltausschusses zur Abfallwirtschaftsgesetznovelle 1998, 1327 der BlgNR 20. GP, 1). Hieraus lässt sich auch unter Zugrundelegung der konkreten Vereinbarung und des konkreten Aufgabenbereiches die verantwortliche selbstständige Ausführung dieser Arbeiten im Sinne der Verwendungsgruppe V ableiten. Die eigenverantwortliche Übertragung der Kontroll-, Informations- und Berichtspflichten an den Kläger, für die dieser auch die Verantwortung trägt (vgl auch RIS-Justiz RS0054888 mwN zuletzt 9 ObA 151/98s), kann nicht mit der Frage der Verantwortung für die mangelnde Behebung allfälliger Missstände vermengt werden. Im Hinblick auf den Umfang der dabei zu beachtenden rechtlichen Vorschriften und der vorliegenden komplexen Organisation, bei der dem Kläger auch noch 15 andere Abfallbeauftragte unterstellt waren und von ihm geschult wurden, sowie der zusätzlichen Aufgabe der zumindest "Mit"-Entwicklung eines Abfallwirtschaftskonzeptes sowie umfangreicher Handbücher und der konkreten Weisungsbefugnis des Klägers ist diese Tätigkeit auch als "schwierige" Aufgabe im Sinne der Beschreibung dieser Verwendungsgruppe einzuordnen. Dies ergibt sich aus den beispielsweise angeführten Tätigkeiten dieser Verwendungsgruppe, wie etwa Referenten im Ein- und Verkauf, Sachbearbeiter in Verwaltungs- und Personalangelegenheiten, Hauptmagazineure, Techniker für Planung, Bau, Betrieb und Tarifwesen so wie einigen anderen.

Durch die umfassende Kontroll-, Berichts- ja sogar Weisungsfunktion gegenüber anderen Mitarbeitern, die Schulungstätigkeiten und die zu erstellenden aufwändigen Konzepte unterscheidet sich die Tätigkeit des Klägers auch ganz wesentlich von der von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Tätigkeit eines Abteilungsleiters in einer Feinkostabteilung, der Einkäufe selbstständig durchführen konnte (vgl dazu OGH 9 ObA 205/97f = DRdA 1998, 61 =infas 1998 A 23 = ARD 4887/6/97).

Die vom Erstgericht vorgenommen prozentmäßige Aufteilung der Tätigkeit des Klägers als Abfallbeauftragter in die Verwendungsgruppen IV bzw VI ist im wesentlichen der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen. Entscheidend ist die konkret festgestellte Tätigkeit und ausgehend davon das einheitliche Bild der Tätigkeiten des Klägers als Abfallbeauftragter (vgl allg dazu, dass nicht einzelne Aspekte einer Tätigkeit gesondert zu bewerten sind 8 ObA 200/00w). Nur bei unterschiedlichen Tätigkeiten ist das zeitliche Überwiegen bzw jene, die die ausschlaggebende Bedeutung hat, entscheidend (vgl RIS-Justiz RS0028025 mwN etwa zuletzt 10 ObS 217/99f). Soweit sich die Beklagte darauf stützt, dass die Tätigkeit des Klägers nicht für die "Aufrechterhaltung" des Betriebes maßgeblich war, verkennt sie schon, dass die Anwendung der Verwendungsgruppe V davon gar nicht abhängt. Im Übrigen hat der Gesetzgeber gerade im Bereich der Abfallwirtschaft durch die Verpflichtung zur Berufung eigener Abfallbeauftragter deren Tätigkeit wesentliche Bedeutung zugemessen. Verstöße gegen abfallrechtliche Vorschriften werden nicht nur strafrechtlich sanktioniert, sondern es können auch aus Umweltschäden, die auf der Verletzung einschlägiger Vorschriften beruhen, erhebliche zivilrechtliche Verpflichtungen des Unternehmens entstehen.

Soweit sich die Revision noch darauf stützt, dass der Kläger nicht mit der "laufenden und ständigen" Führung von Mitarbeitern im Sinne der Vorschreibung der Verwendungsgruppe V befasst gewesen wäre, ist darauf schon deshalb nicht näher einzugehen, da dies - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nur eine alternative Möglichkeit der Erfüllung der Voraussetzungen für die Verwendungsgruppe V darstellt.

Insgesamt war der Revision der Beklagten daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.

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