OGH 9ObA151/98s

OGH9ObA151/98s8.7.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer und Dr.Spenling sowie durch die fachkundigen Laienrichter MR Mag.Norbert Riedl und Dr.Brigitte Houdek-Kern als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag.Daniela Z*****, Angestellte, ***** vertreten durch Gabler & Gibel Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 430.724 und Feststellungen (Streitwert S 100.000 und S 500.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23.Februar 1998, GZ 8 Ra 17/98y-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 15.September 1997, GZ 30 Cga 195/96g-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden unter Bestätigung des Feststellungsausspruches, daß das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen über den 4.10.1996 hinaus ungeachtet der Entlassung vom 3.10.1996 aufrecht besteht, im übrigen dahingehend abgeändert, daß die weiteren Klagebegehren 1) die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin S 430.724 brutto samt 4 % Zinsen seit 31.7.1996 zu zahlen und 2) es werde festgestellt, daß hinsichtlich der von der Klägerin bei der beklagten Partei ausgeübten und noch auszuübenden Tätigkeit gemäß ihrer Verwendung eine Einreihung in die Gehaltsgruppe E Dienstklasse III der Dienstordnung A für Verwaltungsangestellte, Pflegeperson und zahntechnische Angestellte bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs zu erfolgen habe, abgewiesen werden.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

15.651 (darin S 2.608,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz bis zur Tagsatzung vom 4.10.1996 binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die weiteren Verfahrenskosten erster Instanz einschließlich der Verhandlung vom 4.10.1996 sowie die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist seit 1983 aufgrund eines privatrechtlichen Dienstverhältnisses bei der Beklagten und seit 1986 in der Rechtsabteilung der Hauptstelle HGR beschäftigt. Sie genießt erhöhten Kündigungsschutz nach der auf das Dienstverhältnis anwendbaren Dienstordnung A für Verwaltungsangestellte, Pflegepersonal und zahntechnische Angestellte bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (= DO.A). Sie ist in die Gehaltsgruppe C I eingereiht. 1986 hat sie ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien begonnen und am 1.4.1996 erfolgreich mit dem Titel "Magister iuris" abgeschlossen. Mit Schreiben vom 3.10.1996 (zugegangen am 4.10.1996) sprach die Beklagte die Entlassung der Klägerin aus.

In der Organisationseinheit Rechtswesen (HGR) bestehen folgende Dienstposten: 1 Leiter der Organisationseinheit (F III), 3 Referenten (E III), 1 Sekretärin (C III), 1 Sekretärin (C II), 2 Sachbearbeiter (C I). Der Klägerin wurden mit Ende Oktober 1992 die Bearbeitung von Behandlungshaftpflichtakten, nachdem sie Diplomprüfungen für zivilgerichtliches Verfahren, bürgerliches Recht und Strafrecht abgelegt hatte, übertragen. Hiezu zählen nicht nur Haftpflichtfälle aufgrund ärztlicher Fehler, sondern auch Beschwerden von Patienten über schlechte Verpflegung sowie allgemein aus Organisationsverschulden. Für die Erledigung der überwiegenden Anzahl der Fälle reicht bei Vorlage der Unterlagen an den ärztlichen Direktor nach Vorlagen der Stellungnahme des ärztlichen Leiters der Einrichtung ein Schimmelbrief aus. In schwierigeren Fällen wurden von der Klägerin entsprechende Fragen als Fragen für einen Sachverständigen formuliert. Bei Zweifel an der Stellungnahme des ärztlichen Leiters teilte sie diese dem ärztlichen Direktor mit. Sie bearbeitete diese Akten eigenständig und bereitete eigenständig die Grundlagen für die Entscheidung vor. Dies tat sie unter der fachlichen Aufsicht ihres Abteilungsleiters. Sie bereitete die Schadensmeldung an die Finanzabteilung der Beklagten vor. Der Abteilungsleiter unterschrieb diese nach Rücksprache mit der Klägerin, wobei sie ihn auf allfällige Besonderheiten des Aktes aufmerksam machte. Faktisch entschied sie über die Abgabe der Schadensmeldung. Lediglich formal lag die Entscheidungskompetenz beim Abteilungsleiter, wobei kein Fall feststellbar ist, in dem er vom Vorschlag der Klägerin abgewichen wäre. Bei unproblematischen Fällen unterschrieb der Abteilungsleiter ohne Rücksprache das von der Klägerin Vorbereitete. Auch über die Nichtweiterleitung von Fällen an eine Haftpflichtversicherung entschied faktisch die Klägerin unter der fachlichen Aufsicht des Abteilungsleiters. Dabei machte sie einen kleinen Vermerk im Akt mit einer entsprechenden Begründung. Vor der endgültigen Ablage des Aktes hat der Abteilungsleiter gegengezeichnet. Er sah sich stichprobenweise gelegentlich einen Akt an. Auch über die Weiterbearbeitung der im Zuständigkeitsbereich einer Landesstelle aufgetretenen Fälle bereitete die Klägerin eigenhändig den Entscheidungsvorschlag vor und traf faktisch die Entscheidung, wenngleich formal die Verantwortung für die Belassung eines Falles ausnahmsweise in der Hauptstelle beim Abteilungsleiter lag. Bei der Bearbeitung der Behandlungshaftpflichtakten war eine schadenersatzrechtliche Beurteilung gefordert, die von der Schwierigkeit des Falles abhing und sich im Großteil der Routinefälle auf eine Kontrolle und Weiterleitung der angeführten Unterlagen beschränkte. Die Klägerin hatte auch die Sinnhaftigkeit einer Nebenintervention zu prüfen; es gab auch Fragen der Wegesicherung. Sie hatte auch nichtmedizinisch zu klärende Kausalitätsfragen zu beurteilen und einen Verjährungsverzicht zu prüfen. Die überwiegende Zahl dieser Haftpflichtakten stellte Routinearbeit in dem Sinn dar, daß sich keine schwierigeren schadenersatzrechtlichen Fragen stellten und die Klägerin den Akt dem ärztlichen Direktor mittels Schimmelbrief vorlegen mußte. Behandlungshaftpflichtakten werden in der Hauptstelle der Beklagten nur von Juristen betreut. Insgesamt gab es bei der Beklagten 400 Behandlungshaftpflichtakten. Rund 300 davon waren abgeschlossen. Bei den restlichen 100 Akten war die Klägerin auch im Falle der Delegation an die Landesstelle in die juristische Bearbeitung eingebunden. Die Klägerin hatte weiters eine Sammlung, Sichtung und Zusammenstellung der mit 28 Krankenanstalten abgeschlossenen Verträge vorzunehmen und sie hinsichtlich der Beendigungsregelung inhaltlich zu vergleichen. Sie hatte eine Auflistung zu machen und die Kündigung aller Verträge vorzubereiten. Dies hat sie auch konzipiert. Sie war beauftragt, einen Vertrag für das SMZ-Ost nach dem Muster der bestehenden Verträge mit der Stadt Wien zu konzipieren. Dabei hatte sie auch die Frage der Abgeltung von Computertomographie-Untersuchungen zu behandeln.

Seit Jahrzehnten hatte sich eine Unzahl von Verträgen mit den öffentlichen Krankenanstalten entwickelt, denen die beklagte Partei beigetreten ist oder bei denen sie ihre Zustimmung zu einem Abschluß erteilt hat. Ein Problem für die Rechtsabteilung der Beklagten war, daß in keinem Fall abgeschätzt werden konnte, ob die Beklagte dem früheren Vertrag bereits beigetreten war. Es war Aufgabe der Klägerin zu ermitteln, ob ein Beitritt zu dem vorliegenden Grundvertragswerk schon erfolgt war. Bei neuen Verträgen ging es meist um Zusatzverträge oder auch um neue Grundwerke. Allgemeine Richtlinie war: "War die Beklagte schon Mitglied des Grundwerkes, sei es sinnvoll, dem Zusatzvertrag beizutreten. Im gegenteiligen Fall sei auch der Beitritt zum Zusatzvertrag nicht sinnvoll." Die Klägerin hatte herauszusuchen, ob Beitrittserklärungen zum Grundwerk abgegeben worden waren bzw ob ein konkludenter Beitritt erfolgt war. Auch eine inhaltliche Prüfung der Verträge war von ihr vorzunehmen. Sie formulierte weiters eine Stellungnahme, ob die Beklagte an der medizinischen Versorgung durch Tageskliniken mitwirken sollte. Der Klägerin wurden weiters vom Abteilungsleiter die Verfassung von Stellungnahmen aufgetragen. Nach der Entlassung der Klägerin gehört zum Aufgabengebiet aller Referenten in der Abteilung die Erstellung derartiger rechtlicher Stellungnahmen. Sie hat rechtliche Stellungnahmen betreffend Richtlinien in der Blutgruppenserologie und transfusionsmedizin/rechtliche Beurteilung verfaßt, befaßte sich umfangreich mit der Beschickung des Beirates der Beklagten und der Teilnahme von Mitgliedern der Kontrollversammlung an den Sitzungen der Generalversammlung und des Vorstandes, erstellte eine Stellungnahme betreffend Änderungen der Mustersatzung als Textvergleich mit kommentierten Änderungen sowie eine Stellungnahme, wer die schriftliche Äußerung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt an den Verfassungsgerichtshof im Verordnungsprüfungsverfahren gemäß Art 139 B-VG zu unterzeichnen habe.

Eine weitere Stellungnahme betraf die betriebsärztliche Betreuung gemäß § 22 Abs 4 Arbeitnehmerschutzgesetz. Sie beschäftigte sich auch mit der Subvention von Geräteanschaffungen und hatte eine Zusammenstellung des Buches Medizinhaftung von Prof.B***** zu erstellen und befaßte sich auch mit dem Thema "Haftung bei Privatpatienten". Weiters prüfte sie Gesetzesentwürfe im Begutachtungsverfahren, erteilte über Anfrage Rechtsauskünfte an Primarärzte, hatte mit Behandlungskosteneintreibungen sowie allgemeinem Vertragsrecht zu tun und betreute auch Prozesse außerhalb des Behandlungshaftpflichtfälle, indem sie Schriftsätze der Gegenseite ansah und auf Auffälligkeiten hinwies oder Honorarnoten überprüfte. Der Abteilungsleiter benötigte ferner für die internationale Vereinigung der sozialen Sicherheit einen Ländervergleich der Sozialversicherungsrechte Österreich - Großbritannien - Japan. Der Bearbeitungsauftrag enthielt nicht reine Materialbeschaffung, sondern auch eine Ausarbeitung der Unterschiede zum österreichischen Sozialversicherungsrecht. Die rechtlichen Ausarbeitungen der Klägerin waren von hoher Qualität, wobei im Laufe der Zeit Häufigkeit und Qualifikation derartiger Aufträge stieg. Ihr vorgesetzter Abteilungsleiter verließ sich fachlich auf die Klägerin. Schreibarbeiten verrichtete die Klägerin nur insofern, als sie ihre eigenen Schreiben selbst schrieb. Lose-Blattsammlungen hatte die Klägerin nur maximal zweimal zu betreuen und sie hat keine manipulativen Arbeiten vorgenommen. Ausschließlich während der Weihnachtsferien, wenn beide Sekretärinnen auf Urlaub waren, hat die Klägerin Post eingetragen und Absenzlisten geführt. Ein bis zwei Stunden pro Monat wendete die Klägerin dafür auf, ein EDV-Aktenregister zu führen.

Der Abteilungsleiter übte die fachliche Aufsicht über die Klägerin aus, kontrollierte sie jedoch nicht permanent, sondern beschränkte sich auf stichprobenartige Kontrollen. Bei Besonderheiten machte ihn die Klägerin ohnehin aufmerksam. Von der Unterschriftensituation war es so, daß diese davon abhing, an wen ein Schreiben ging und welchen Inhalt es hatte. Ein Schreiben direkt an den Generaldirektor oder eine Weisung an die Landesstelle hat der Abteilungsleiter unterfertigt. Dies wurde bei den anderen Referenten genauso gehandhabt wie bei der Klägerin. Eine Abtretung eines Behandlungshaftpflichtaktes an die Landesstelle konnte nur der Abteilungsleiter unterschreiben; auch die Abgabe der Schadensmeldung als Weisung unterschrieb der Abteilungsleiter. Es ging kein Schriftstück aus der Abteilung, das nicht zumindest vom Abteilungsleiter abgezeichnet war, sieht man von seinem Urlaub ab. Die Kontrolle der anderen juristischen Referenten der Abteilung HGR erfolgte durch den Abteilungsleiter ähnlich wie bei der Klägerin. Die juristische Qualität der Arbeiten der Klägerin war mit der der anderen juristischen Referenten vergleichbar. Es kann nicht festgestellt werden, daß der Abteilungsleiter der Klägerin mehr Anleitung bei rechtlichen Ausarbeitungen gegeben hätte als anderen Referenten oder sie dabei mehr überwacht hätte. Zu manchen Themenkreisen gab es häufige inhaltliche Gespräche mit dem Abteilungsleiter, die aber nicht der Abdeckung eines vorhandenen Defizits bei der Klägerin dienten, sondern der Erlangung sachlicher Information. Es kann nicht festgestellt werden, daß die Gespräche mit dem Abteilungsleiter über die rechtlichen Ausarbeitungen der Klägerin etwas an ihrer eigenständigen Arbeit geändert hätten. Ebenso nicht, daß ohne diese Gespräche die Qualität der Ausarbeitungen schlechter gewesen wäre.

Während des Urlaubs der Klägerin haben nur juristische Referenten die Arbeit der Klägerin gemacht. 80 bis 90 % des Arbeitsaufwandes der Klägerin fielen auf den Bereich der Behandlungshaftpflichtakten und der internen Rechtsgutachten, wobei der Aufwand für die Rechtsgutachten noch leicht überwiegt. Die restliche Kapazität erstreckte sich auf Krankenanstalten- und Ambulanzverträge und die sonstigen festgestellten Tätigkeiten. Die Klägerin war während eines Teiles des streitgegenständlichen Zeitraumes auch ordentliches Betriebsratsmitglied und stand nur eine beschränktere Zeit für die Arbeitsleistung zur Verfügung. Zwischen April 1996 bis Juli 1996 gab es insgesamt drei oder vier Anträge der Büroleitung der Beklagten an den Verwaltungsausschuß des Vorstandes um Umreihung der Klägerin in E III. Der Abteilungsleiter betrieb die Umreihung der Klägerin, wobei es dabei um die Sanierung eines bestehenden Zustandes ging. Mit Verfügung vom 6.8.1996 widerrief der Generaldirektor-Stellvertreter der Beklagten den Arbeitsauftrag des Abteilungsleiters hinsichtlich des japanischen Sozialversicherungsrechts. Arbeitsaufträge würden bis auf weiteres direkt durch ihn an die Klägerin erteilt werden. Er teilte der Klägerin die Argumentationslinie der Beklagten zur Einreihungsproblematik mit, wobei die Klägerin ihn von der Einbringung der gegenständlichen Klage informierte.

Am 3.9.1996 übermittelte die Kanzlei der Beklagtenvertreterin den Entwurf für den Schriftsatz ON 4 an die Beklagte, wobei eine Kopie mit dem Vermerk "persönlich" an den Abteilungsleiter ging. Dieser hatte bereits vor Einlangen des Schriftsatzentwurfes laufend mit der Klägerin über die Problematik der Einreihung und über die in dem Schriftsatzentwurf dann auch angesprochenen Themen wie die E-Wertigkeit der Tätigkeit der Klägerin oder die Anzahl der von ihr betreuten Behandlungshaftpflichtakten und die Zahl der rechtlichen Ausarbeitungen gesprochen. Das Einlangen des Schriftsatzentwurfes war daher weder für den Abteilungsleiter noch die Klägerin eine besondere Zäsur. Sie hat diesen äußerlich zu Gesicht bekommen, weil der Abteilungsleiter bei Besprechungen mit der Klägerin über den Schriftsatzentwurf diesen teilweise mithatte. Der Abteilungsleiter verwahrte ihn in einem versperrten Kästchen. Eine Weisung, den Schriftsatzentwurf als besonderes Geheimnis zu betrachten und zu behandeln, hatte der Abteilungsleiter nicht erhalten. Er hat sich dementsprechend auch nicht der Klägerin gegenüber so verhalten, als ob dieser Entwurf ein besonderes Geheimnis wäre. Auch nach Einlangen dieses Schriftsatzentwurfes hat der Abteilungsleiter mit der Klägerin über die Anzahl der Behandlungshaftpflichtakten und der internen Rechtsgutachten gesprochen, wobei es zu weitergehenden Gesprächen als nur über reine Ziffern, wie etwa zur Frage der sogenannten Freiwilligkeit der Arbeitsaufträge und der Verschwiegenheitspflicht kam. Aus all diesen Gesprächen war die Argumentationslinie der Beklagten der Klägerin bekannt. Die Klägerin hatte auch ihrerseits den Klageentwurf und die Klage dem Abteilungsleiter gezeigt und nicht als Geheimnis behandelt. Der Abteilungsleiter hatte sich sogar nach Einlangen des Schriftsatzentwurfes an die Klägerin gewendet, um die notwendigen Daten über ihre Arbeit zu bekommen und ersuchte sie um Versorgung mit den entsprechenden objektiven Ziffern.

Im Ergebnis besprach die Klägerin mit dem Abteilungsleiter die Strategie der Beklagten für den Einreihungsprozeß. Es kann nicht festgestellt werden, daß die Klägerin den Schriftsatzentwurf bei ihren Besprechungen nicht als Entwurf erkannt hätte. Bei einem dieser Gespräche hatte der Abteilungsleiter den Schriftsatzentwurf mitgebracht und ließ ihn, als er aus einem nicht näher feststellbaren Grund das Zimmer zwischendurch ungeplant verließ, auf dem Poststoß bei der Klägerin zurück. Sie nahm den Entwurf und fertigte für sich eine Kopie an. Aufgrund der zahlreichen Gespräche über den Inhalt stellte er für die Klägerin kein besonderes Objekt der Geheimhaltung dar. Der Abteilungsleiter hatte der Klägerin gegenüber auch nie zum Ausdruck gebracht, sie dürfe den Schriftsatzentwurf nicht haben oder daß er ihn versperrt verwahre. Bei dem tatsächlich eingebrachten Schriftsatz ON 4 wurde gegenüber dem Entwurf lediglich das Datum aktualisiert sowie statt vier rechtliche Ausarbeitungen, der Passus "einige wenige" aufgenommen. In einem Gespräch danach wies sie der Abteilungsleiter auf auffällige Parallelitäten in ihrem Schriftsatz zu dem Schriftsatzentwurf der Beklagten hin. Auch das Problem des fehlenden Schlüssels des Kästchens im Zimmer des Abteilungsleiters, in dem er heikle Unterlagen aufbewahrte, kam zur Sprache. Eine Nachschau in ihrem Zimmer brachte den Schlüssel nicht zutage. Der Klägerin wurde nicht erlaubt, sich den Schriftsatz vom Klagevertreter faxen zu lassen. Eine Kontaktaufnahme mit ihm wurde vom Abteilungsleiter untersagt. Der Klägerin wurde der Vorwurf gemacht, sie sei in ein versperrtes Behältnis eingedrungen. Nachdem ihr verboten wurde, ein Betriebsratsmitglied dem Gespräch beizuziehen, hat sie keine substantiierte Stellungnahme zu den Vorwürfen mehr abgegeben. Dabei wurde durch den Generaldirektor ihre Dienstfreistellung verfügt.

Die Klägerin begehrt mit der Behauptung, aufgrund des ihr seit dem Jahr 1992 zugewiesenen höherwertigen Tätigkeitsbereiches, der die juristische Bearbeitung erforderte, zu Unrecht in die Gehaltsgruppe C I eingereiht worden zu sein, die Gehaltsdifferenz zu der richtigerweise vorzunehmenden Einreihung in die Gehaltsgruppe E II bzw nach Abschluß des Hochschulstudiums in E III. Die Gesamtdifferenz von August 1993 bis einschließlich Juli 1996 betrage S 430.724. Weiters begehrt sie die Feststellung, daß eine Einreihung in die Gehaltsgruppe E Dienstklasse III zu erfolgen habe. Im Laufe des Verfahrens, nach Zustellung des Entlassungsschreibens der Beklagten vom 3.10.1996 dehnte die Klägerin ihr Begehren dahin aus, daß festgestellt werde, daß ihr Dienstverhältnis über den 4.10.1996 hinaus ungeachtet der ungerechtfertigten Entlassung vom 3.10.1996, aufrecht fortbestehe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wies darauf hin, daß die Tätigkeit der Klägerin nicht eine eigenverantwortliche Bearbeitung des Gebietes der Rechtsangelegenheiten, zu deren Erledigung ein abgeschlossenes Studium erforderlich wäre, zum Gegenstand gehabt hätte. Sie sei richtig in die Gehaltsgruppe C I eingereiht worden. Die Entlassung sei berechtigt gewesen, weil die Klägerin sich widerrechtlich in den Besitz eines internen Schriftsatzentwurfes gesetzt habe. Sie hätte ein Verhalten gesetzt, das einem "Ausspionieren" gleichkomme und Vertrauensunwürdigkeit begründe.

Das Erstgericht erkannte im Sinne der von der Klägerin gestellten Begehren. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, daß bei der Tätigkeit der Klägerin jedenfalls für den Bereich der Betreuung der Behandlungshaftpflichtakten ein Jusstudium erforderlich.gewesen sei, weil immer wieder eine schadenersatzrechtliche Problematik zu beurteilen gewesen wäre. Die Klägerin habe eigenverantwortlich gearbeitet. Die Nichtroutinefälle hätten einen besonderen Schwierigkeitsgrad aufgewiesen. Es hätte keinen Unterschied zu den anderen Referenten gegeben. Eine dauernde Betrauung der Klägerin mit den für die Gehaltsgruppe E II bzw III erforderlichen Arbeitsinhalten sei gegeben. Unbeachtlich sei das Vorhandensein eines Dienstpostens E III im Dienstpostenplan oder ein konstitutiver Bestellungsakt, weil diese Voraussetzung nur für den Leiter einer Organisationseinheit gelte. Die Entlassung sei unberechtigt, weil der von der Klägerin kopierte Schriftsatz ohnehin dazu bestimmt war, ihr einige Tage später zugestellt zu werden und sie im übrigen über alle wichtigen Punkte dieses Schriftsatzes bereits ausführlich informiert war. Es läge zwar eine Pflichtwidrigkeit vor, der aber nicht das besondere Gewicht eines Entlassungsgrundes zukomme.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge und verwies in seinen rechtlichen Ausführungen auf die zutreffende Begründung des Erstgerichtes. Die Beklagte habe im wesentlichen Tätigkeiten verrichtet, die auch die anderen juristischen Referenten der beklagten Partei erledigt hätten. Einen Entlassungsgrund habe die Klägerin nicht verwirklicht, weil die Handlungsweise der Klägerin keine Vertrauensunwürdigkeit begründe, keine Pflichtverletzung vorliege, schon gar nicht eine besonders schwere, weil doch der Inhalt des Schriftsatzes mit ihr wiederholte Male besprochen wurde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, in Stattgebung der Revision das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung der Klagebegehren abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei stellt den Antrag, der Revision der Beklagten keine Folge zu geben.

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Einstufung:

§ 37 DO.A legt als Kollektiv- und Einstufungsgsnorm die ausschließlichen, keine Analogieschlüsse erlaubenden Voraussetzungen für die Einstufung in eine bestimmte Gehaltsgruppe fest (Arb 11.372; infas 1994 A 20; 9 ObA 409/97f ua). Die von der Klägerin angestrebte Einstufung in die Gehaltsgruppe E Dienstklasse II Z 3 Punkt 4 bzw E III Z 8 setzt voraus, daß die Angestellte, ohne einer Arbeitsgruppe anzugehören, einem in Gehaltsgruppe G einzureihenden Angestellten oder einem in Gehaltsgruppe F Dienstklasse II oder III einzureihenden Leiter einer Organisationseinheit unmittelbar unterstellt ist, wenn ihr die eigenverantwortliche Bearbeitung von hier relevanten Rechtsangelegenheiten, zu deren Erledigung an sich ein abgeschlossenes Jusstudium erforderlich wäre, zur alleinigen oder selbständigen Bearbeitung übertragen ist und diese Aufgabe qualitativ über die eines in Gehaltsgruppe D einzureihenden Angestellten hinausgeht (Dienstklasse II) oder wenn ihr die eigenverantwortliche Bearbeitung von Angelegenheiten übertragen ist, zu deren Erledigung ein einschlägiges Hochschulstudium notwendig ist (Dienstklasse III).

Das entscheidende Kriterium, an dem die Einstufung der Klägerin in E II oder E III scheitert, ist die Eigenverantwortlichkeit bei Erledigung der ihr übertragenen Arbeiten. Während das Erstgericht dieses Kriterium als erfüllt ansieht, weil es nach den Feststellungen zu den anderen Referenten keinen Unterschied gegeben habe, sie eigenverantwortlich gearbeitet habe, verweist das Berufungsgericht auf die richtige rechtliche Beurteilung durch das Erstgericht (§ 500 a ZPO), ohne hiezu eigene Überlegungen anzustellen. Ob Eigenverantwortlichkeit der Tätigkeit der Klägerin gegeben ist, ist keine Tatsachenfrage, sondern eine solche der rechtlichen Beurteilung (4 Ob 157/83). Von einer eigenverantwortlichen Bearbeitung und Erledigung der der Klägerin übertragenen Arbeiten könnte nur dann gesprochen werden, wenn auch die alleinige Verantwortung für das Ergebnis ihrer Arbeit bei der Klägerin selbst gelegen gewesen wäre (4 Ob 48/80; 4 Ob 75/81, 4 Ob 157/83; 9 ObA 262/91; 9 ObA 409/97f). Ob die Klägerin den Ablauf der ihr übertragenen Arbeiten selbst bestimmen konnte, unter fachlicher Aufsicht des Abteilungsleiters stand, der sie jedoch nicht permanent kontrollierte, sondern sich auf stichprobenartige Kontrollen beschränkte, bestätigt lediglich, daß die Klägerin zur alleinigen oder selbständigen Erledigung ohne unmittelbare Kontrolle berufen war, macht sie aber noch nicht eigenverantwortlich (4 Ob 48/80; 4 Ob 157/83).

Die organisatorische und dienstrechtliche Unterstellung unter den weisungsberechtigten Leiter einer Organisationseinheit schließt grundsätzlich zwar eine eigenverantwortliche Erledigung bestimmter Angelegenheiten nicht aus. Entscheidend ist aber letztlich, wer die Verantwortung für den Inhalt der Erledigungen trägt. Nach den Feststellungen ist davon auszugehen, daß in allen wichtigen Angelegenheiten der Abteilungsleiter unterzeichnete und kein Schriftstück aus der Abteilung "hinausging", das nicht zumindest vom Abteilungsleiter (abgesehen wenn er auf Urlaub war) abgezeichnet war. Damit hat dieser aber nach außen die Verantwortung für den Inhalt der Erledigung übernommen. Ob daneben eine permanente Kontrolle oder nur eine stichprobenartige stattfand, betrifft nur die Selbständigkeit der Tätigkeit unter Bedachtnahme auf die Weisungsgebundenheit der Klägerin, besagt aber nichts über die Eigenverantwortlichkeit.

Demgemäß konnte das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Einstufung in E II oder E III von der Klägerin nicht nachgewiesen werden, so daß ihr auf die unrichtige Einstufung gestütztes Leistungsbegehren nicht zu Recht besteht. Mangelt es bereits am Erfordernis der eigenverantwortlichen Erledigung der der Klägerin zur Bearbeitung übertragenen Aufgaben, braucht auf die übrigen Tätigkeitsmerkmale der gewünschten Gehaltsgruppen nicht weiter eingegangen zu werden. Daß die Kontrolle der anderen juristischen Referenten ähnlich wie bei der Klägerin erfolgte und auch die Unterschriftensituation ähnlich war, obwohl diese Referenten nach dem Vorbringen der Klägerin (AS 28) in E III bzw F I oder F III eingestuft waren, besagt nichts. Es wurde auch nicht behauptet, daß der Behandlung der bessergestellten Dienstnehmer ein erkennbares generalisierendes Prinzip zugrunde lag, von dem der Arbeitgeber im Einzelfall der Klägerin willkürlich und ohne sachlichen Grund abgewichen ist und der Klägerin daher das vorenthält, was er den anderen zubilligt (Arb 11.301 mwN). Auf eine geschlechtsbezogene Diskriminierung hat sich die Klägerin ebenfalls nicht gestützt.

Zur Entlassung:

Die Vorinstanzen haben zutreffend den Entlassungsgrund des § 31 Abs 1 Z 2 DO.A verneint. Es reicht daher aus, auf die Richtigkeit der diesbezüglichen Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Ergänzend ist lediglich auszuführen, daß ein aktives, die Interessen des Dienstgebers schädigendes oder gefährdendes Auskundschaften oder "Ausspionieren" von Geschäftsinterna im eigenen Interesse, das die Treuepflicht des Dienstnehmers verletzt hätte, nicht vorliegt. Die Klägerin hat lediglich unbefugt eine Kopie eines vom Dienstgeber in dem von ihr gegen diesen angestrengten Prozeß einzubringenden Schriftsatz, der letzten Endes mit oder ohne Änderungen an sie zuzustellen gewesen wäre, für sich angefertigt. Dabei wurde vor und nach Einlangen dieses Schriftsatzes beim Abteilungsleiter laufend über die Einstufungsproblematik, aber auch die im Schriftsatz angesprochenen Themen diskutiert. Auch die Argumentationslinie und Prozeßstrategie in diesem Verfahren wurde vom Abteilungsleiter mit der Klägerin besprochen. Sie hat sogar den Abteilungsleiter mit dem für die endgültige Redigierung dieses Schriftsatzes erforderlichen Zahlenmaterial versorgt, wobei es auch zu weitergehenden Gesprächen gekommen ist. Daß dieser Schriftsatz ein besonderes Geheimnis sei, wurde der Klägerin gegenüber nicht zum Ausdruck gebracht. Unter diesen Voraussetzungen verwirklicht die unbefugte und auch heimliche Kopie eines damals noch internen Schriftsatzes, der aber letztlich im Prozeß ohnehin der Klägerin zuzustellen gewesen wäre, auch vor Zustellung und Einbringung bei Gericht keine besonders schwere Pflichtverletzung, die einen solchen Vertrauensverlust des Dienstgebers zur Folge hatte und nur mit Entlassung beantwortet werden mußte. Es handelt sich auch nicht um die Verschaffung von noch nicht vorhandenen Kenntnissen, die ihr Vorteile im Prozeß sichern konnten, die sie ohne Kopie dieses Schriftsatzes nicht gehabt hätte. Von einem von der Beklagten behaupteten "Ausspionieren" eines internen Geheimnisses kann in diesem Fall keine Rede sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich bis zur Tagsatzung vom 4.10.1996, in der die Ausdehnung um das Feststellungsbegehren auf Fortbestehen des Dienstverhältnisses erfolgte, auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO und hinsichtlich der weiteren Verfahrenskosten bei einem Prozeßerfolg der Klägerin von rund 49 % auf §§ 43 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

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