OGH 7Ob23/01k

OGH7Ob23/01k14.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** gmbH i.L., ***** vertreten durch Dr. Reinhard Neureiter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) Alfred O***** KG, ***** vertreten durch Dr. Harry Neubauer und Dr. Christa Springer, Rechtsanwälte in Wien, und 2.) I*****gmbH, ***** vertreten durch Mondl & Partner, Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Urkundenvorlage und Rechnungslegung (Streitwert S 500.000,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 31. Oktober 2000, GZ 2 R 69/00g-22, womit der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 29. Februar 2000, GZ 27 Cg 73/99m-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zurückverwiesen, dem die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen wird.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die beklagten Parteien haben gegen die am 12. 3. 1999 beim Erstgericht überreichte, auf Vorlage einer Urkunde und Rechnungslegung gerichtete Klage den Einwand der mangelnden Prozessfähigkeit der klagenden Partei erhoben. Da die Klägerin amtswegig gelöscht worden sei, sei sie weder rechts-, noch handlungs- oder geschäftsfähig und daher auch nicht prozessfähig. Der Klagevertreter werde bekanntzugeben haben, wen er vertrete.

Die klagende Partei erwiderte, beim Handelsgericht Wien sei ein Antrag auf Nachtragsliquidation und Bestellung des seinerzeitigen Geschäftsführers Roman K***** als Liquidator gestellt worden. Dieser habe dem Klagevertreter im August 1998 den Auftrag zur Klagsführung erteilt und werde diese (allenfalls) auch nachträglich genehmigen. Der Klagevertreter habe die klagende Partei schon seit Jahren vertreten.

Das Erstgericht wies die Klage zurück und erklärte das bisher durchgeführte Verfahren für nichtig. Es stellte fest:

Die Löschung der im Firmenbuch registrierten klagenden Partei gemäß § 2 AmtsLG wurde am 26. 9. 1998 im Firmenbuch eingetragen. Noch vor der Löschung erteilte der damalige Geschäftsführer der Klägerin Roman K***** dem Klagevertreter den Auftrag zur klagsweisen Geltendmachung der gegenständlichen Forderung. Er erteilte in diesem Zusammenhang auch Vollmacht an den Klagevertreter, wobei über den Inhalt der Vollmacht keine näheren Feststellungen getroffen werden können. Über Antrag des Klagevertreters wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 4. 11. 1999 Roman K***** von Amts wegen zum Liquidator für die Klägerin bestellt, wobei ausgeführt wurde, dass das Vorhandensein von Vermögen durch zwei anhängige Aktivprozesse - nämlich den gegenständlichen und das zu 15 Cg 214/97 HG Wien anhängige Verfahren - bescheinigt worden sei. Der Liquidator werde ermächtigt, alle Vertretungshandlungen für die Gesellschaft mit Rechtswirksamkeit für diese durchzuführen. Dass von Roman K***** als Liquidator die bisherige Prozessführung genehmigt worden wäre, wurde von der klagenden Partei weder behauptet, noch kann derartiges festgestellt werden.

Rechtlich führte das Erstgericht dazu aus, wohl werde gemäß § 35 Abs 1 ZPO die Prozessvollmacht weder durch den Tod des Vollmachtgebers, noch durch eine Veränderung in Betreff seiner Prozessfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben, doch sei diese Bestimmung bei Tod des Vollmachtgebers vor Einleitung des Rechtsstreites nicht anzuwenden, sondern in diesem Fall nach § 1022 ABGB zu prüfen, ob die Vollmacht im Einzelfall so ausgestaltet sei, dass sie ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen des § 1022 ABGB über den Tod - per analogiam:

die Löschung der Gesellschaft - hinaus fortdauere. Bei Vorliegen einer Generalvollmacht sei demnach Klagseinbringung möglich, bei bloß prozessbezogener Vollmacht dagegen nicht. Die Frage, ob hier Generalvollmacht erteilt wurde, habe sich aber nicht lösen lassen, da dazu vom Klagevertreter keine Behauptungen aufgestellt worden seien und der Liquidator dazu keine Auskunft geben habe können. Da auch nicht davon auszugehen sei, dass die Prozessführung nachträglich durch den Liquidator genehmigt wurde, sei der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 5 ZPO gegeben.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Ausgehend von den erstgerichtlichen Feststellungen, die es als Ergebnisse einer unbedenklichen und schlüssigen Beweiswürdigung "übernahm", führte das Rekursgericht im Wesentlichen aus, da der frühere Geschäftsführer K***** mit Beschluss vom 4. 11. 1999 zum Liquidator für die Klägerin bestellt worden sei, sei kein Verlust der Parteifähigkeit der Klägerin anzunehmen. Wie bereits das Erstgericht ausgeführt habe, erlösche gemäß § 35 Abs 1 ZPO die Prozessvollmacht durch den Tod des Klienten nicht. Sterbe jedoch der Klient vor Anhängigmachung des Prozesses, sei das Vollmachtsverhältnis, insbesondere dessen Beendigung nach § 1022 ABGB zu beurteilen. Da weder das Vorliegen einer Generalvollmacht, noch die nachträgliche Genehmigung behauptet worden seien, sei dem Rekurs der Klägerin nicht Folge zu geben gewesen.

Zur Begründung seines Zulassungsausspruchs führte das Rekursgericht aus, zur Frage der Vollmacht des Klagevertreters bei Löschung der Klägerin nach § 2 AmtsLG vor Einleitung des Verfahrens gebe es keine oberstgerichtlichen Entscheidungen; andere ähnliche Fallkonstellationen seien divergierend behandelt worden.

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist, weil die Vorinstanzen die Rechtslage verkannt haben, zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach hM setzt die vollständige Beendung einer GmbH sowohl ihre Löschung im Firmenbuch als auch ihre Vermögenslosigkeit voraus (6 Ob 120/97h = WBl 1997, 485; Gellis/Feil, Komm GmbH-Gesetz4 Rn 7 zu § 93; Kostner/Umfahrer, GmbH5 Rn 789f; Koppensteiner, GmbH-Gesetz2 Rn 9 zu § 93 mwH). Vollbeendigung der Gesellschaft tritt demnach erst dann ein, wenn kein verwertbares und verteilbares Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist (Feil aaO Rz 17 zu § 93) bzw auf Grund der Vermögenslosigkeit kein Abwicklungsbedarf mehr gegeben ist (Umfahrer aaO Rn 789). Eine Gesellschaft kann daher mit der Behauptung, ihr stehe noch ein Anspruch zu (und insoweit habe sie noch Vermögen), einen Aktivprozess führen; insoweit gilt sie als parteifähig (SZ 71/175; Feil aaO). Die Auflösung einer Gesellschaft und ihre Löschung beeinträchtigen solange ihre Partei- und Prozessfähigkeit nicht, als ihre Rechtsverhältnisse gegenüber Dritten noch nicht abgewickelt sind (vgl RIS-Justiz RS0035195).

Da dies im vorliegenden Fall im Hinblick auf die beiden Aktivprozesse der Klägerin zutrifft und daher auch eine (Nachtrags-)Liquidation angeordnet wurde, ist der Ansicht des Rekursgerichtes, die klagende Partei sei ungeachtet ihrer Löschung nicht voll beendet, beizutreten. Die Klägerin hat ihre Partei- und Prozessfähigkeit nicht verloren und war insbesondere auch im Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Klage nicht vollbeendet.

Damit besteht aber für die von den Vorinstanzen angestellte (grundsätzlich zutreffende: vgl GlUNF 5758; SZ 7/290; SZ 26/164; Arb 7307; EvBl 1961/96; EvBl 1991/107; Apathy in Schwimann2 V Rn 1 zu § 1022 ABGB; Strasser in Rummel3 Rz 21a zu §§ 1020 bis 1026 ABGB; Fucik in Rechberger2 Rz 1 zu § 35 ZPO) Überlegung, bei Tod des Klienten (Vollmachtgebers) vor Einleitung des Rechtsstreits sei § 35 ZPO nicht anzuwenden, sondern das Vollmachtsverhältnis, insbesondere seine Beendigung, nach § 1022 ABGB zu beurteilen, kein Anlass. Ob iSd § 1022 ABGB eine Generalvollmacht (die im Fall des Todes des Klienten die Klagseinbringung möglich machte) oder bloß eine prozessbezogene Vollmacht (die nach dem Tod des Vollmachtgebers keine Klagseinbringung mehr ermöglichte) vorliegt, ist hier also gar nicht entscheidungswesentlich. Da die klagende Partei als Vollmachtgeber zum Zeitpunkt der Klagseinbringung, wie bereits betont, eben nicht als vollbeendet, sondern als rechtlich existent angesehen werden muss, ist vielmehr die vom Erstgericht getroffene Feststellung maßgebend bzw ausreichend, dass der Klagevertreter vom Geschäftsführer und nunmehrigen Liquidator der Klägerin tatsächlich zur (klageweisen) Geltendmachung der gegenständlichen Forderung bevollmächtigt wurde. Auf diese Bevollmächtigung hat sich (und konnte sich) der Klagevertreter gemäß § 30 Abs 2 ZPO und § 8 Abs 1 RAO berufen.

Da der von den Vorinstanzen angenommene Vollmachtsmangel demnach nicht gegeben ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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