OGH 3Ob23/53

OGH3Ob23/5324.6.1953

SZ 26/164

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1020
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1022
Zivilprozeßordnung §7
Zivilprozeßordnung §35
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1020
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1022
Zivilprozeßordnung §7
Zivilprozeßordnung §35

 

Spruch:

Bis zum Beginn der Einleitung eines Rechtsstreites werden die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes über die Fortdauer des Vollmachtsverhältnisses durch die verfahrensrechtliche, ihrer Wirksamkeit nach auf das Verfahren beschränkte Bestimmung des § 35 ZPO., nicht berührt.

Entscheidung vom 24. Juni 1953, 3 Ob 23/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Baden; II. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

Rechtsanwalt Dr. Heinrich S. brachte am 31. Mai 1949 beim Bezirksgericht B. namens der Klägerin eine Räumungsklage ein. Er berief sich hiebei auf eine angeblich zu TZ. 815/4 des gleichen Gerichtes erliegende Vollmacht der Klägerin. Daß die Richtigkeit dieser Behauptung vom Gerichte überprüft worden wäre, ist dem Akte nicht zu entnehmen. In den Verhandlungsprotokollen heißt es lediglich "Vollmacht ausgewiesen". Bei den Streitverhandlungen vom 10. Mai 1951 und 7. Mai 1952 schritt für die Klägerin ein Substitut des von der Rechtsanwaltskammer bestellten Kanzleiübernehmers Dr. Sch. ein. Eine Vollmacht wurde nicht vorgelegt. Im Protokoll heißt es wieder "Vollmacht ausgewiesen".

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Gegen dieses Urteil erhob Dr. Sch. namens der Klägerin als Kanzleiübernehmer des Dr. S. die Berufung, ohne eine Vollmacht der Klägerin vorzulegen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß dem Räumungsbegehren stattgegeben wird. Gegen dieses berufungsgerichtliche Urteil erhob der Beklagte Revision, ohne auf die mangelnde Vollmacht des Klagevertreters hinzuweisen. Die Revisionsbeantwortung wurde von Dr. Sch. erstattet.

Der Oberste Gerichtshof ordnete nun an, die Vollmacht der Klägerin an Dr. Sch. vorzulegen, da ein von der Rechtsanwaltskammer bestellter Kanzleiübernehmer nicht berechtigt ist, ohne Vollmacht der Partei einzuschreiten. Im Zuge des nun eingeleiteten Verfahrens stellte sich heraus, daß Dr. Sch. eine Vollmacht der Klägerin nicht beizubringen vermag, weil die Klägerin am 29. Mai 1948, also bereits vor Einbringung der Klage, gestorben ist. Der vom Bezirksgericht B. im Verlaßakte am 13. November 1952 gemäß § 77 Z. 2 AußStrG. bestellte Kurator erklärte, die bisherige Prozeßführung nicht zu genehmigen, da nach einer ihm zugekommenen Mitteilung des erblasserischen Sohnes, der bereits die Erbserklärung abgegeben habe, dieser Dr. Sch. keine Vollmacht erteile und seine verstorbene Mutter weder Dr. Heinrich S. noch Dr. Sch. zur Prozeßführung ermächtigt habe.

Der Oberste Gerichtshof hob aus Anlaß der Revision des Beklagten das gesamte bisherige Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Aus dem Sachverhalt ergibt sich, daß schon die Klage nicht durch einen Bevollmächtigten der Klägerin eingebracht wurde, da deren Vollmacht an Dr. Heinrich S. in diesem Zeitpunkte bereits erloschen war. Wohl bestimmt § 35 ZPO. daß die Prozeßvollmacht weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch durch eine Veränderung in betreff seiner Prozeßfähigkeit aufgehoben wird. Allein dieses Bestimmung kann nur auf eine als Prozeßvollmacht bereits wirksam gewordene Vollmacht, daher auf den Fall eines bereits eingeleiteten Prozeßverfahrens Anwendung finden. Bis zum Beginn der Einleitung eines Rechtsstreites werden hingegen die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes über die Fortdauer des Vollmachtsverhältnisses durch diese verfahrensrechtliche und ihrer Wirksamkeit noch auf das Verfahren beschränkte Bestimmung des § 35 ZPO. nicht berührt (SZ. VII/290, AnwZ. 1931, S. 245). Gemäß § 1022 ABGB. erlischt jedoch die Vollmacht durch den Tod des Machtgebers. Dieser Mangel der erforderlichen Ermächtigung zur Prozeßführung ist gemäß § 6 ZPO. in jeder Lage des Rechtsstreites von Amts wegen wahrzunehmen. Eine Behebung dieses Mangels ist nicht möglich, da der Erbenkurator erklärte, die Prozeßführung nicht zu genehmigen und dem Anwalt keine Vollmacht zu erteilen. Es war daher gemäß § 7 ZPO. die Nichtigkeit des ganzen Verfahrens auszusprechen und die Klage zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte