OGH 8ObS218/00t

OGH8ObS218/00t11.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Galutschek und Franz Gansch als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Peter St*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Bundessozialamt Steiermark, Babenbergerstraße 35, 8021 Graz, wegen S 110.457,-- Insolvenz-Ausfallgeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Juni 2000, GZ 8 Rs 69/00d-16, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger war bei seiner Mutter, die ein Gasthaus gepachtete hatte, seit vielen Jahren als Kellner beschäftigt. Er erhielt seit Oktober 1998 keinen Lohn mehr. Mit Beschluss vom 16. 4. 1999 wurde der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen seiner Mutter mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen. Da seine Mutter in den Monaten März und April 1999 nicht einmal in der Lage war, den vereinbarten Pachtzins zu bezahlen, vereinbarte sie mit den Verpächter, dass dieser anstelle des Zinses das von ihr vom Vorpächter abgelöste Inventar erhalte. Der Kläger setzte sich im April 1999 mit dem Verpächter in Verbindung und pachtete das Lokal ab 1. 5. 1999 samt sämtlichem Inventar. Bereits seit 1. 4. 1999 hatte er sich bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft sozialversichert und am 15. 4. 1999 das Gastgewerbe am bisherigen Standort angemeldet. Kurz danach, nämlich am 23. 4. 1999 trat er dann wegen Vorenthaltens des Entgelts vorzeitig aus.

Bei diesem Sachverhalt kann eine Auseinandersetzung mit der vom Berufungsgericht vertretenen und vom Kläger bekämpften Ansicht unterbleiben, dass die Forderungen des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis zu seiner Mutter wegen des "erkennbar einheitlichen Vorgangs" auf ihn als Betriebsübernehmer ohne eine Beschränkung der Haftung nach § 1409 ABGB übergegangen seien und deshalb ein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld ausscheide (8 ObS 219/99k) oder ob, wie der Kläger in seiner Revision meint, nur eine beschränkte Haftung nach § 1409 ABGB in Frage käme, weil er das Arbeitsverhältnis bereits vor Übernahme des Unternehmens aufgelöst habe, eine solche Haftung aber nicht ausreiche, um seinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld auszuschließen.

Da der Klagsanspruch jedenfalls aus anderen, von der beklagten Partei bereits in der Klagebeantwortung vorgetragenen, noch näher auszuführenden Gründen nicht zu Recht besteht, ist es unerheblich, ob höchstgerichtliche Judikatur zur Frage vorliegt, ob auch eine beschränkte Erwerberhaftung zum Ausschluss des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld führe und wie dies mit der Insolvenzrichtlinie 80/1987/EWG vereinbar sei.

Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist Zweck des IESG eine sozialversicherungsrechtliche Sicherung von Entgeltansprüchen und sonstigen aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Ansprüchen von Arbeitnehmern im Falle der Insolvenz ihres Arbeitgebers. Versichertes Risiko ist demnach im Kernbereich die von den Arbeitnehmern typischerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche, auf die sie typischerweise zur Bestreitung ihre eigenen Lebensunterhaltes sowie des Lebensunterhaltes ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind (SZ 64/54; SZ 66/124; SZ 67/142 ua). Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, die auf eine nicht von diesem Gesetzeszweck umfasste Verlagerung des Finanzierungsrisikos des Arbeitgebers zu Lasten des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds hinauslaufen, mit der Absicht, mit der Gegenleistung nicht den Arbeitgeber, sondern den Fonds zu belasten, sind sittenwidrig (SZ 66/8; SZ 70/232; 8 ObS 146/98y). Dies gilt auch dann, wenn die Absicht des Arbeitnehmers nicht vordergründig darauf gerichtet war, den Fonds sittenwidrig zu schmälern, sondern dies nur mit bedingtem Vorsatz in Kauf genommen wurde (8 ObS 295/98k; 8 ObS 32/99k; 8 ObS 48/99p).

Der Oberste Gerichtshof hatte sich vor kurzem mit einem ähnlichen Fall (E vom 29. 6. 2000, 8 ObS 311/99i = GesRZ 2000, 266 = RdW 2000,

751) zu befassen. Dort wurde ein Unternehmen, ebenfalls ein Gasthausbetrieb, zunächst von einer GmbH betrieben, deren Gesellschafter und Organe die Ehemänner von dort angestellten Arbeitnehmerinnen waren; dieses Unternehmen wurde nach Austritt dieser Arbeitnehmerinnen wegen größerer Entgeltrückstände (hier für sechs Monate) kurze Zeit vor Insolvenz dieser GmbH sodann von einer anderen GmbH übernommen und weiter geführt, deren Gesellschafter und Geschäftsführer diese Arbeitnehmerinnen sind, während nunmehr ihre Ehemänner als Arbeitnehmer tätig sind. Die wesentlichen Betriebsmittel standen nicht im Eigentum der GmbH, sodass auch eine Haftung der das Unternehmen fortführenden GmbH gemäß § 1409 ABGB weitestgehend vermieden wurde. Der Oberste Gerichtshof führte dort aus, dass ein solches Verhalten in der Regel darauf hinauslaufe, den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds sittenwidrig zu belasten, indem jeweils die gemäß § 1 Abs 6 Z 2 IESG von der Sicherung ausgeschlossenen Bezüge des als Geschäftsführer fungierenden Ehegatten entnommen und zur Bestreitung der Kosten der Lebensführung herangezogen würden, während zu Lasten des Fonds das Arbeitsentgelt der als Arbeitnehmer beschäftigten Ehegatten unbeglichen bleibe. Diese für den Fonds äußert nachteilige Gestaltung der Arbeits- und Gesellschaftsverhältnisse durch die beiden beteiligten Ehepaare führe dazu, dass die bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung völlig atypischen Arbeitsverhältnisse der Klägerinnen nicht mehr vom Sicherungszweck der IESG erfasst seien. Auch wenn man den Klägerinnen nicht unterstellen sollte, dass der vorzeitige Austritt nur in der Absicht vorgenommen worden sei, um eine Haftung der das Unternehmen fortführenden GmbH für ihre Ansprüche aus den geänderten Arbeitsverhältnissen zu vermeiden, sei daher von einer vom Schutzzweck des IESG nicht umfassten Verlagerung des Finanzierungsrisikos des Arbeitgebers zu Lasten des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds auszugehen.

Dieselben Erwägungen gelten auch hier. Die Gesamtbetrachtung ergibt, dass auch hier das Arbeitsverhältnis des Sohnes im Betrieb seiner Mutter nicht mehr vom Sicherungszweck erfasst ist. Er ließ einen erheblichen Lohnrückstand (knapp über sechs Monate) aufkommen, was nur erklärlich ist, wenn seine Lebenshaltungskosten zwischenzeitig von seiner Mutter mitgetragen wurden, trat knapp nach Abweisung des Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens vorzeitig aus, nachdem er bereits vorher alles in die Wege geleitet hatte, um wenige Tage nach seinem Austritt das von seiner Mutter gepachtete Unternehmen nunmehr selbst als Pachtunternehmen fortzuführen. Es ist daher auch hier von einer vom Schutzzweck des IESG nicht umfassten Verlagerung des Finanzierungsrisikos des Arbeitgebers zu Lasten des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds auszugehen, sodass ihm keine Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld aus seinem früheren Arbeitsverhältnis im von seiner Mutter geführten Pachtunternehmen gegen den Fonds zustehen.

Stichworte