OGH 8ObS32/99k

OGH8ObS32/99k8.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Bukovec und Stefan Schöller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Waltraude F*****, vertreten durch Dr. Franz Terp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen für Wien, Niederösterreich und Burgenland, 1050 Wien, Geigergasse 5-9, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 906.559,33 s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. September 1998, GZ 10 Rs 212/98i-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6. November 1997, GZ 28 Cgs 146/97h-9 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Vorinstanzen haben den Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, weshalb es gemäß § 510 Abs 3 ZPO ausreicht, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils zu verweisen. Ergänzend ist anzumerken:

Rechtliche Beurteilung

Zweck des IESG ist in seinem Kernbereich das Hintanhalten der von den Arbeitnehmern typischerweise nicht abwendbaren und absicherbaren Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes der Entgeltansprüche, auf die diese zur Bestreitung des Lebensunterhaltes angewiesen sind (SZ 64/54; 66/124; 67/14 und 142 uva).

Ein "Fremdvergleich" zeigt, daß normalerweise ein Arbeitnehmer unter den gegebenen Umständen (keine Lohnzahlung durch nahezu sechs Jahre) das Arbeitsverhältnis nicht aufrecht erhalten hätte, sondern vorzeitig ausgetreten wäre, sodaß sich das finanzielle Risiko des Verlustes seiner Entgeltansprüche in Grenzen gehalten hätte.

Bleibt der Arbeitnehmer trotz Nichtzahlung des Lohns im Unternehmen tätig und versucht er auch gar nicht ernstlich die Beträge einbringlich zu machen, so indiziert dies in der Regel, daß er beabsichtigte, in der Folge seine offenen Lohnansprüche gegen den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds geltend zu machen; derartige Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, die auf eine Verlagerung des Finanzierungsrisikos des Arbeitgebers zu Lasten eines Dritten, nämlich des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds hinauslaufen, sind nichtig (WBl 1995, 75; ZIK 1996, 172). Gleiches gilt auch dann, wenn die Absicht des Arbeitnehmers nicht vordergründig darauf gerichtet war, den Fonds sittenwidrig zu schmälern, sondern dies nur mit bedingtem Vorsatz in Kauf genommen wurde (ZIK 1996, 172; 8 Ob 1023/95).

Selbst wenn der Arbeitnehmer die eventuelle Inanspruchnahme des Fonds nicht bedacht haben sollte und ihm kein bedingter Vorsatz vorgeworfen werden könnte, steht dennoch kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld zu, weil die atypische, einem Fremdvergleich nicht standhaltende Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, mit der der Arbeitnehmer zur Finanzierung des Unternehmens beitrug, nicht vom Schutzzweck des IESG erfaßt ist. Der Klägerin stand es selbstverständlich frei, im Unternehmen tätig zu bleiben, auch wenn sie jahrelang keinen Lohn erhielt, sie hat aber über den Zeitpunkt hinaus, in dem ein "unbeteiligter" Arbeitnehmer seinen vorzeitigen Austritt erklärt hätte, keine Ansprüche gegen die Beklagte, weil ein atypisches Arbeitsverhältnis, das nicht auf die Erzielung von Entgelt zur Bestreitung des Lebensunterhalts gerichtet war, vorlag (WBl 1999, 174; 8 ObS 295/98k; 8 ObS 306/98b).

Aus der zwischenzeitig erfolgten zeitlichen Limitierung des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld für laufendes Entgelt für Zeiten vor der Konkurseröffnung ist nur zu schließen, daß nunmehr das Zuwarten mehr als sechs Monate (§ 3a IESG idF IESG-Nov 1997, BGBl I 107) zum Verlust der Sicherung führt. Daraus folgt aber nicht, daß ein Lohnrückstand von sechs Monaten für die Zeit vor Konkurseröffnung (oder einem nach § 1 Abs 1 IESG gleichgestellten Sachverhalt) jedenfalls gesichert ist. Vor und nach der IESG-Nov 1997 sind Ansprüche aus dem Zweck des Gesetzes in seinem Kernbereich nicht entsprechenden Arbeitsverhältnissen nicht gesichert, sodaß die Klägerin auch nicht für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung rückständigen Lohn gegen den Fonds erfolgreich geltend machen kann (WBl 1999, 174; 8 ObS 295/98k; 8 ObS 306/98b).

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden weder geltend gemacht noch sind sie sonst aus dem Akt ersichtlich.

Stichworte