OGH 2Ob185/99s

OGH2Ob185/99s9.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl H*****, vertreten durch Dr. Roland Gabl, Dr. Josef Kogler und Mag. Harald Papesch, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1.) Ewald M*****, und 2.) Gerhard W*****, beide vertreten durch Erhard Hackl und Dr. Karl Hatak, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 742.498,‑ ‑ sA und Feststellung (Streitwert S 30.000,‑ ‑) über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 27. Jänner 1999, GZ 2 R 249/98w‑18, womit das Teil‑ und Zwischenurteil des Landesgerichtes Linz vom 1. Juli 1998, GZ 1 Cg 61/98f‑10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss :

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2000:0020OB00185.99S.1109.000

 

Spruch:

1. Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Der außerordentlichen Revision der beklagten Partei wird hingegen teilweise Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen über das Leistungsbegehren werden aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlicher Entscheidung zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Entscheidung des Berufungsgerichtes über das Feststellungsbegehren bestätigt.

3. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

 

Begründung:

 

Der Kläger war im April 1995 als Hilfsarbeiter bei der Firma Johann N***** GmbH & Co KG beschäftigt, deren Geschäftsführer Johann N***** war. Das Unternehmen führte unter anderem Bodenverlegungsarbeiten durch.

Der Zweitbeklagte betreibt in Neustift/Mühlkreis einen Gasthof, den er im April 1995 renovierte.

Der Erstbeklagte war früher Chemiearbeiter und hatte dabei auch mit Chemikalien gearbeitet. Im April 1995 war er bereits längere Zeit arbeitslos.

Am 18. April 1995 ersuchte der Zweitbeklagte den Erstbeklagten, ihm am nächsten Tag beim Herausschneiden von Metalltürstöcken aus dem Mauerwerk im Gasthof des Zweitbeklagten mit einem Winkelschleifgerät zu helfen, wobei sich der Erstbeklagte aufgrund seines guten Verhältnisses zum Zweitbeklagten und aus Gefälligkeit dazu bereit erklärte, diese Arbeiten im "Pfusch" für den Zweitbeklagten zu verrichten.

Am 19. April 1995 begann Johann N*****, der vom Zweitbeklagten einen diesbezüglichen Auftrag erhalten hatte, mit dem Kläger die alten Teppichböden im Gasthof des Zweitbeklagten zu entfernen, um neue Böden verlegen zu können. Die beiden begannen diese Arbeiten am Morgen des 19. 4. 1995, wobei der Kläger im Auftrag von Johann N***** mit einer Schleifmaschine die am Boden haftenden Schaumstoffrückstände der alten Teppichböden entfernte. Um diese Arbeiten zu erleichtern, verwendete Johann N***** ein leicht brennbares Lösungsmittel, welches er mit einem Handsprühgerät auf den Boden auftrug. Das verwendete Lösungsmittel gehörte der Gefahrenklasse I an und hatte einen Flammpunkt von minus 4 Grad Celsius, sodass ab dieser Temperatur an der Oberfläche der Flüssigkeit brennbare und explosive Dämpfe auftraten. Das Aufsprühen des Lösungsmittels begünstigte dabei die Bildung solcher Dämpfe. Auf dem Gebinde des Lösungsmittels war als Sicherheitshinweis angeführt: "Belüftbarer Ort, keine Zündquellen, Rauchverbot, Maßnahmen gegen Elektrostatik treffen, leicht entzündlich".

Zur gleichen Zeit waren der Erstbeklagte und ein weiterer Arbeiter damit beschäftigt, ebenfalls in den Räumen des Gasthofes des Zweitbeklagten die alten Stahltürstöcke zu entfernen, wobei der Erstbeklagte diese Schneidearbeiten mit einem Zweihand‑Winkelschleifgerät verrichtet, während der andere Arbeiter den Abfall wegräumte. Der Zweitbeklagte, der der Bauherr war und darüber hinaus auch die Bauaufsicht inne hatte, arbeitete ebenfalls beim Erstbeklagten mit.

Nach dem diese Arbeiten zwar gleichzeitig, jedoch zunächst in verschiedenen Räumen ausgeführt worden waren, die etwa 10 m voneinander entfernt lagen, wurden die Arbeiten nach einer halbstündigen Jausezeit in zwei Zimmern im ersten Stock des Gasthofes des Zweitbeklagten ausgeführt, die links und rechts eines Ganges lagen und voneinander nur durch diesen etwa 1,3 m breiten Gang getrennt waren. Dabei begannen Johann N*****, der schon wiederholt mit dem erwähnten Lösungsmittel gearbeitet hatte, und der Kläger etwa 10 bis 15 Minuten früher ihre Arbeit als die beiden Beklagten. Johann N***** trug wiederum das Lösungsmittel auf, der Kläger schliff die Teppichbodenreste ab. Als in weiterer Folge der Erstbeklagte, der zwar wusste, dass von Johann N***** ein Mittel aufgesprüht wurde, allerdings nicht wusste, dass es sich dabei um ein Lösungsmittel handelte, mit seinen Schneidearbeiten wieder begann, kam es in jenem Zimmer, in dem Johann N***** und der Kläger arbeiteten, zu einem explosionsartigen Verbrennungsvorgang. Dieser entstand durch die in großer Menge aufgetretenen Schleiffunken beim Schneiden der Stahltürstöcke. Zum Zeitpunkt dieses Vorganges waren sowohl die Balkontüre als auch das Fenster in diesem Raum geschlossen. Durch den Verbrennungsvorgang erlitten sowohl der Kläger als auch Johann N***** schwere Verletzungen in Form von Verbrennungen zweiten und dritten Grades sowie der Kläger darüber hinaus eine Gasvergiftung und einen Schock. Aufgrund dieser Verletzungen sind beim Kläger Spät‑ und Dauerfolgen nicht ausgeschlossen.

Johann N***** und der Erstbeklagte wurden strafgerichtlich verurteilt, wobei dem Erstbeklagten zur Last gelegt wurde, dass er am 19. 4. 1995 bei Renovierungsarbeiten im Gasthof des Zweitbeklagten im Nahbereich einer am Boden aufgesprühten leicht brennbaren Flüssigkeit an Metalltürstöcken Schneidearbeiten verrichtet habe, bei welchen Funkenflug entstanden sei, wodurch es zu einer explosionsartigen Entzündung gekommen sei.

Der Kläger begehrt von den Beklagten S 742.498,‑ ‑ sA aus dem Titel des Schadenersatzes und die Feststellung ihrer Haftung für künftige Schäden mit der Begründung, er habe Schmerzen erlitten und sei verunstaltet worden, was ein Schmerzengeld von S 450.000,‑- und eine Verunstaltungsentschädigung von S 100.000,‑- rechtfertige. Darüberhinaus habe er Ersatzkräfte in der von ihm nebenbei betriebenen Landwirtschaft in Anspruch nehmen, Pflege und Heilungsaufwand tätigen müssen und einen Kleiderschaden erlitten. Der Erstbeklagte hafte dem Kläger, weil er von Johann N***** auf die Gefährlichkeit des verarbeiteten Lösungsmittels hingewiesen worden und es ihm auch klar gewesen sei, dass es durch seine Schneidearbeiten zu Funkenflug kommen werde. Darüber hinaus bestehe eine Haftung des Erstbeklagten schon allein aufgrund des Umstandes, dass er strafgerichtlich verurteilt worden sei. Der Zweitbeklagte hafte, weil er bei dem Gespräch zwischen Johann N***** und dem Erstbeklagten betreffend die Gefährlichkeit des verwendeten Lösungsmittels anwesend gewesen sei. Er hätte aufgrund dieses Umstands dafür Sorge tragen müssen, dass die von ihm in Auftrag gegebenen Arbeiten durch den Erstbeklagten nicht durchgeführt würden, wobei es sich beim Erstbeklagten um eine untüchtige Person gehandelt habe, weil er über keinerlei erforderliche Berufsausbildung und Gewerbeberechtigung für die durchgeführten Arbeiten verfügt habe. Aus dem zwischen dem Zweitbeklagten und der Firma Johann N***** GmbH & Co KG geschlossenen Verträge ergäben sich auch Schutzwirkungen zu Gunsten der Dienstnehmer des erwähnten Unternehmens.

Die Beklagten entgegneten, der Erstbeklagte habe hinsichtlich der Schadensverursachung nur eine untergeordnete Rolle gespielt; bei seinem Verhalten habe es sich um eine entschuldbare Fehlleistung gehandelt, weshalb eine Haftung nach dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz ausscheide. Der Erstbeklagte habe sich wegen des verwendeten Mittels bei Johann N***** erkundigt, der ihm geantwortet habe, es würde ohnehin gut gelüftet und es könne daher nichts passieren. Der Zweitbeklagte habe die Bauaufsicht über gehabt, welche die Sorge und Verantwortlichkeit für das Zusammenwirken der beschäftigten Arbeitspartien sowie die Leitung und Überwachung der Arbeitsgänge umfasst habe. Er sei damit gegenüber dem Kläger als Aufseher im Betrieb anzusehen; ihm komme das Dienstgeberprivileg des § 333 ASVG zugute. Der Kläger habe selbst eine Gefahrenlage dadurch geschaffen, dass er in Kenntnis der Gefährlichkeit des von Johann N***** aufgetragenen Mittels die anderen nicht gewarnt und ohne entsprechende Lüftung weiter gearbeitet habe. Da der Kläger nicht durch den Verbrennungsvorgang selbst, sondern erst bei seiner Flucht durch die Flammen verletzt worden sei, hätte er die geltend gemachten Schäden nicht erlitten, wenn er für eine ausreichende Lüftung gesorgt hätte, weil er dann über den Balkon hätte flüchten können. Schließlich habe der Kläger keine Schutzkleidung getragen, weshalb sein Verschulden sowie jenes des Johann N***** ein allfälliges Verschulden der Beklagten derart überwiege, dass deren allfälliges Mitverschulden in den Hintergrund zu treten habe.

Der Erstbeklagte habe beim Unfall schwere Verbrennungen an Händen und Beinen erlitten und dadurch Schmerzen gehabt, die ein Schmerzengeld von S 50.000,‑- rechtfertigen. Dem Zweitbeklagten sei durch den Brand ein Verdienstentgang von S 32.050,‑- entstanden, darüberhinaus habe er für Reinigungsmittel S 13.248,‑- aufwenden sowie für Reinigung S 1.000,‑- bezahlen müssen. Diesen Gesamtschaden von S 46.248,‑- (richtig S 46.298) trete er für den Fall, dass er als Aufseher im Betrieb nicht zu haften habe, an den Erstbeklagten ab. Diese Forderungen würden auch kompensando gegen die Klageforderung eingewendet.

Der Kläger erwiderte, zu Beginn seiner Tätigkeiten sei die Balkontür des Zimmers, in dem er gearbeitet habe, offen gewesen, sie sei aber durch die Druckwelle bei der Explosion zugefallen und habe sich nicht mehr öffnen lassen. In Panik habe der dann beschlossen, durch die Flammen zu flüchten, wodurch es zu den Verletzungen gekommen sei. Das Tragen einer Schutzkleidung sei bei Verwendung des Lösungsmittels nicht vorgeschrieben, das hätte auch die Explosion nicht verhindern können. Der Zweitbeklagte könne das Dienstgeberprivileg des § 333 ASVG nicht in Anspruch nehmen, weil er die Bauaufsicht gar nicht übergehabt habe. Er sei auch nur zeitweise an der Arbeitsstelle anwesend gewesen.

Das Erstgericht sprach mit Teil‑ und Zwischenurteil aus, dass das Leistungsbegehren des Klägers dem Grunde nach zu Recht, die geltend gemachten Gegenforderungen jedoch nicht zu Recht bestünden und stellte fest, dass die Beklagten dem Kläger gegenüber zur ungeteilten Hand für sämtliche Spät‑ und Dauerfolgen aus dem Unfall hafteten. Es ging von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus und führte weiters aus, es stehe nicht fest, ob Johann N***** den Erstbeklagten unter Hinweis auf die Gefährlichkeit des verwendeten Mittels aufgefordert habe, die Schneidearbeiten einzustellen, sowie ob sich Johann N***** in Gegenwart der Streitteile geäußert habe, "es passiere nichts, es werde gut gelüftet" oder "es passiere nichts, wenn gut gelüftet werde".

Rechtlich erörterte das Erstgericht, die Haftung des Erstbeklagten ergebe sich aus dem Inhalt des strafgerichtlichen Erkenntnisses, das ihm Einlassungsfahrlässigkeit vorwerfe, weil er wegen des Hinweises des Johann N*****, es werde gut gelüftet, besonders vorsichtig hätte sein müssen und sich besonders genau zu informieren gehabt hätte. Insbesondere hätte er darauf achten müssen, dass auch tatsächlich in allen in Betracht kommenden Räumen entsprechend gelüftet werde. Der Zweitbeklagte hafte, weil er einerseits mit Johann N***** und andererseits mit dem Erstbeklagten Verträge abgeschlossen habe, aus denen sich jeweils Schutzwirkungen zu Gunsten des Klägers ergeben hätten. Dabei habe er sich das Verschulden des Erstbeklagten anrechnen lassen. Das Dienstgeberprivileg des § 333 ASVG kommen ihm nicht zugute, weil von einer Übertragung der Weisungsbefugnis Johann N*****s gegenüber dem Kläger an den Zweitbeklagten nicht ausgegangen werden könne. Daran ändere auch nichts, dass der Zweitbeklagte die Bauaufsicht über gehabt habe. Auf die Bestimmungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes könnten sich die Beklagten nicht berufen, weil es nur zwischen ihnen selbst Auswirkungen entfalten könne. Ein Mitverschulden des Klägers sei nicht anzunehmen, weil er lediglich als Hilfsarbeiter tätig gewesen sei, während sein "Chef" das Lösungsmittel aufgetragen habe. Die alleinige Verantwortung für die Verletzung von Schutz‑ Sorgfalts‑ und Warnpflichten treffe daher Johann N***** nicht aber den Kläger, weil dies den Sorgfaltsmaßstab überspannen würde. Damit bestünden das Leistungsbegehren dem Grunde und das Feststellungsbegehren zu Recht, wobei die Beklagten zur ungeteilten Hand hafteten, weil sie nicht nachgewiesen hätten, dass gewisse Teile des eingetretenen Schadens ausschließlich auf den einen oder den anderen zurückzuführen seien. Für die Gegenforderungen bestehe keine Grundlage, weil dem Kläger kein Verschulden angelastet werden könne.

Das von den Beklagten angerufene Berufungsgericht gab ihrer Berufung teilweise Folge und änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass das Feststellungsbegehren und das Leistungsbegehren je zu drei Vierteln zu Recht bestünden, hob im Übrigen das Urteil hinsichtlich der geltend gemachten Gegenforderung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung auf und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die Haftung des Erstbeklagten ergebe sich aus seiner strafgerichtlichen Verurteilung, die im Hinblick auf die nunmehrige Rechtsprechung Bindungswirkung für das Zivilverfahren entfalte.

Der Zweitbeklagte habe die Bauaufsicht übergehabt und sei für die Überwachung der Arbeitsgänge und für das Zusammenwirken der beschäftigten Arbeitspartien zuständig gewesen. Dieser Verpflichtung sei er nicht nachgekommen, weil er in unmittelbarer räumlicher Nähe und zeitgleich einerseits Schneidearbeiten durch den Erstbeklagten und andererseits Bodenverlegungsarbeiten unter Einsatz eines brennbaren Lösungsmittels durch Johann N***** und den Kläger zugelassen habe; es seien durch zwei Arbeitspartien Tätigkeiten verrichtet worden, die nicht zeitgleich ausgeführt hätten werden dürfen. Der Zweitbeklagte, in dessen Gegenwart davon gesprochen worden sei, dass das Mittel nur dann nicht gefährlich sei, wenn gut gelüftet werde, hätte für eine Einstellung der Schneidearbeiten durch den Erstbeklagten oder für ein hinreichendes Lüften durch Johann N***** oder den Kläger sorgen müssen. Da er dies nicht getan habe, hafte er deliktisch für die beim Kläger eingetretenen Schäden, weshalb es auf Überlegungen zur Haftung des Zweitbeklagten aufgrund abgeschlossener Verträge mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nicht mehr ankomme. Es könne auch dahin gestellt bleiben, ob der Zweitbeklagte im Hinblick auf § 1313a ABGB für das Verschulden des Erstbeklagten als Erfüllungsgehilfen oder lediglich nach § 1315 ABGB für dessen Verhalten als Besorgungsgehilfen einzustehen habe, weil dem Zweitbeklagten ohnehin eigenes deliktisches und damit haftungsbegründendes Verhalten vorzuwerfen sei. Die Beklagten hafteten solidarisch, weil sich die einzelnen vom Kläger erlittenen Schäden nicht ausschließlich auf das Verhalten des einen oder des anderen zurückführen ließen.

Auch den Kläger treffe ein Mitverschulden von einem Viertel, weil auch in seiner Gegenwart die Ungefährlichkeit des verwendeten Mittels mit der Tatsache des Lüftens in Verbindung gebracht worden sei. Er hätte ebenfalls darauf zu achten gehabt, ob für eine ausreichende Lüftung gesorgt werde. Dagegen könne ihm die Unterlassung der Verwendung einer Schutzkleidung nicht vorgeworfen werden, weil eine solche nicht zwingend vorgeschrieben gewesen sei.

Zum Haftungsprivileg des § 333 ASVG, das der Zweitbeklagte in Anspruch nehmen wolle, weil er die Bauaufsicht innegehabt habe und somit als Aufseher im Betrieb anzusehen sei, führte das Berufungsgericht aus, der Kläger sei nicht als Dienstnehmer der Johann N***** GmbH & Co KG in den Betrieb des Zweitbeklagten eingegliedert worden, weil dem Zweitbeklagten dem Kläger gegenüber ein Weisungs‑ und Aufsichtsrecht zukommen hätte müssen; der Zweitbeklagte sei auch nicht in den Betrieb der Johann N***** GmbH & Co KG eingegliedert gewesen, weil sich aus der Tatsache der Bauaufsicht nicht eine generelle Verantwortung für die Tätigkeit des Klägers im Betrieb der Johann N***** GmbH & Co KG annehmen lasse. Der Zweitbeklagte habe im Verfahren nicht einmal konkret vorgebracht, dass ihm gegenüber dem Kläger ein Weisungsrecht zugestanden worden wäre. Die Haftung eines Unternehmers bei Verletzung eines Betriebsangehörigen des anderen Unternehmers sei durch § 333 ASVG nicht ausgeschlossen, wenn einander zwei Unternehmer als Vertragskontrahenten gegenüberstünden, solange keine Eingliederung des später Verletzten in den Aufgabenbereich des anderen Unternehmers vorliege, dem dabei eine Weisungs‑ und Aufsichtsbefugnis zukommen müsse. Bestünden die Berührungspunkte etwa nur darin, dass die vom beauftragten Unternehmen durchzuführenden Arbeiten im Betriebsgelände des anderen Unternehmers auszuführen seien und dieser wegen der Gefahren seines Betriebes die Arbeiter des beauftragten Unternehmens zu belehren und beaufsichtigen habe, könne noch nicht von einer Weisungsbefugnis im Sinne einer persönlichen Weisung gesprochen werden. Dem Zweitbeklagten sei eine solche "reduzierte" Belehrungs- und Beaufsichtigungsmöglichkeit zugekommen, weshalb ihm das Dienstgeberprivileg nicht zugute komme.

Soweit sich die Berufung mit der Frage auseinandersetze, ob dem Kläger im Hinblick auf § 203 ASVG bzw 332 Abs 1 Satz 3 ASVG überhaupt Schmerzengeld und Verunstaltungsentschädigung zugesprochen werden könne, seien die Beklagten damit auf das Verfahren betreffend die Höhe des geltend gemachten Anspruches zu verweisen, ebenso wie hinsichtlich der Frage, ob sich der Kläger eine Eigenersparnis im Zusammenhang mit seinem Krankenhausaufenthalt anrechnen lassen müsse. Da das Erstgericht das Verfahren auf den Grund des Anspruchs eingeschränkt habe, habe es zu diesen Fragen zutreffend keine Beweise aufgenommen.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil ein außergewöhnlicher Einzelfall zu beurteilen gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung richten sich die außerordentlichen Revisionen beider Parteien.

Der Kläger begehrt in seinem Rechtsmittel die Wiederherstellung des Ersturteils.

Die Beklagten begehren die vollständige Abweisung des Klagebegehrens.

Die Revision des Klägers, in der lediglich die Verschuldensfrage releviert wird, ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig und war daher gem § 508a ZPO zurückzuweisen. Die Frage der Verschuldensteilung ist von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig, weshalb hier grundlegende Aussagen nicht gemacht werden können (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 3 zu § 502 mwN).

 

Rechtliche Beurteilung

In der Revision der Beklagten ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist auch berechtigt.

In der Revision der Beklagten wird - zusammengefasst - geltend gemacht, das Berufungsgericht habe

1.) dem Zweitbeklagten zu Unrecht eine Verletzung seiner Pflichten als Bauaufseher vorgeworfen. Der vom Zweitbeklagten beauftragte Unternehmer (die N***** GmbH & Co KG) habe nachträglich eine Gefahrenlage durch Verwendung eines geruchneutralen Lösungsmittels geschaffen. Der Zweitbeklagte als Verkehrssicherungspflichtiger sei dieser Pflicht durch Beauftragung des Unternehmens nachgekommen und nicht zusätzlich verpflichtet, den Werkunternehmer zu überwachen. Die Aufsichts‑ und Anweisungspflichten dürften nicht überspannt werden, zumal sich der Zweitbeklagte eines befugten Gewerbsmannes bedient habe.

2.) Der Kläger habe die Gefahrenquelle (Aufbringen des Lösungsmittels) selbst geschaffen, weshalb ihn das überwiegende Verschulden treffe.

3.) Der Erstbeklagte sei im Strafverfahren zunächst freigesprochen worden. Erst im Berufungsverfahren sei das verurteilende Erkenntnis ergangen, weshalb dem Erstbeklagten die Möglichkeit genommen worden sei, die für ihn nachteiligen Feststellungen zu rügen. Der strafgerichtlichen Verurteilung komme daher keine Bindungswirkung zu.

4.) Dem Zweitbeklagten komme der Haftungsausschluss des § 333 ASVG zugute. Dies sei dann der Fall, wenn - wie hier - der Verletzte die Sphäre seines eigenen Lebensbereiches verlasse und sich dem Aufgabenbereich des anderen Unternehmers, wenn auch nur kurzfristig unterordne.

5.) Dem Kläger stehe eine Integritätsabgeltung zu, die einen kongruenten Anspruch auf das Schmerzengeld und die Verunstaltungsentschädigung darstelle. Diesbezüglich sei der Kläger nicht aktiv legitimiert.

Dazu ist auszuführen:

Zu den Punkten 1.) bis 4.) Hier ist zunächst auf die ausführliche Begründung des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Nach den Feststellungen war der Zweitbeklagte Bauherr und hatte die Bauaufsicht über. Danach oblag es ihm auch nach seinem eigenen Vorbringen, die Arbeiten derart zu koordinieren, dass jede Gefahr für die Beteiligten ausgeschlossen werden kann. Ihm war bekannt, dass das verwendete Lösungsmittel nur dann nicht gefährlich ist, wenn gut gelüftet werde. Ihm kann daher, so wie schon das Berufungsgericht erkannt hat, der Vorwurf nicht erspart werden, nicht dafür gesorgt zu haben, dass entweder die mit starkem Funkenflug einhergehenden Schneidearbeiten unterbleiben oder dass ausreichend gelüftet wird. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wurde ihm entgegen seinen Ausführungen nicht vorgeworfen, sondern eben die Unterlassung der Koordinierung der verschiedenen Arbeitspartien. Es hatte auch nicht das von ihm beauftragte Unternehmen zu überwachen, in welcher Weise die Arbeiten ausgeführt werden, sondern seinen Koordinierungspflichten nachzukommen.

Auch die Verschuldensaufteilung begegnet keinen Bedenken. Der vom Berufungsgericht nach den vorliegenden, einzelfallbezogenen Umständen gerichtete Vorwurf an den Kläger, die Lüftung unterlassen und sich auf seinen anwesenden Arbeitgeber verlassen zu haben, wurde zutreffend mit einer Mitverschuldensquote von einem Viertel gewichtet.

Auch die Bindung des Zivilgerichtes an seine strafgerichtliche Verurteilung ist gegenüber dem Erstbeklagten zu bejahen. Vorweg ist auf die vom Berufungsgericht bereits zitierte Entscheidung des verstärkten Senates SZ 68/195 samt den Folgeentscheidungen (RIS‑Justiz RS0074219) zu verweisen. Dem Erstbeklagten wurde vom Strafgericht der Vorwurf gemacht, sich nach der Erklärung N*****s, "wir lüften gut, es passiert nichts" nicht näher informiert zu haben, weshalb ihm Einlassungsfahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Auch diese Feststellung wurde vom Erstgericht in der Form getroffen, dass entweder in Gegenwart des Erstbeklagten gesagt wurde "es passiert nichts, es wird gut gelüftet", oder "es passiert nichts, wenn gut gelüftet wird". Damit musste auch dem Erstbeklagten die Gefährlichkeit des Lösungsmittels bei unterlassener Lüftung bewusst sein. Eine nicht gerügte Feststellung, die zu einer günstigeren Beurteilung im Strafverfahren geführt hätte, liegt demnach nicht vor. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Strafverfahren kann aber schon deshalb nicht vorliegen, weil der Erstbeklagte sowohl im Verfahren erster Instanz als auch vor dem Berufungsgericht Gelegenheit zur Stellungnahme hatte.

Die Rechtsfrage, ob der Zweitbeklagte als "Aufseher im Betrieb" anzusehen ist und ihm das Dienstgeberprivileg zugute kommt, haben die Vorinstanzen im Sinne der Rechtsprechung beantwortet (RIS‑Justiz RS0088337; RS0084209; RS0021515; RS0085519). Dass der Zweitbeklagte gegenüber dem Kläger weisungsbefugt gewesen wäre oder auch nur tatsächlich eine Weisung erteilt hätte, wurde von ihm nicht einmal vorgebracht. Eine Eingliederung des Klägers in den "Betrieb" des Zweitbeklagten ist nach den konkreten Feststellungen nicht anzunehmen. Wenn Mitbedienstete nicht die Stellung eines Aufsehers im Betrieb innehaben, sonder gleichgestellt sind, haften sie für die Folgen der von ihnen verschuldeten Schädigung, wenn diese eine Folge eines Arbeitsunfalles ist (ZAS 1982/6 = DRdA 1979/14; Ind 1992/2057). Ob eine Gleichstellung vorliegt oder ob einer der Vorgesetzte des anderen ist, lässt sich nur aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten im Rahmen der gemeinsam zu leistenden Arbeit ermitteln.

zu 5.) Die Beklagten haben in der Klagebeantwortung unter anderem eingewendet, der Kläger habe Anspruch auf Integritätsabgeltung im Sinne des § 213a ASVG und sei in diesem Umfang nicht aktiv zur Klage legitimiert.

Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, dass die Frage der Anrechenbarkeit einer allfälligen Integritätsabgeltung erst im fortgesetzten Verfahren über die Anspruchshöhe zu klären ist. Dem kann allerdings nicht beigestimmt werden:

Ein Anspruch auf eine angemessene Integritätsabgeltung besteht nach § 213a ASVG dann, wenn eine Arbeitsunfall durch die grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften verursacht wurde und der Versicherte dadurch eine erhebliche und dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Integrität erlitten hat und wenn wegen der Folgen dieses Arbeitsunfalles auch ein Anspruch auf Versehrtenrente gebührt. Dabei besteht zwischen dem Kapitalbetrag der Integritätsabgeltung und dem Schmerzengeldanspruch (§ 1325 ABGB) bzw dem Ersatz für die Verhinderung des besseren Fortkommens (§ 1326 ABGB) eine Verwandtschaft (1142 BlgNR XVII.GP  2).

Nach Lehre und Rechtsprechung (Reischauer, Neuerungen im Bereich des Arbeitgeberhaftungsprivilegs im Zusammenhang mit Kfz‑Verkehr und Integritätsabgeltung, DRdA 1992, 317 ff; Neumayr in Schwimann ABGB2 Rz 142 zu § 332 ASVG; SZ 66/79) ist § 332 Abs 1 Satz 3 ASVG, wonach Ansprüche auf Schmerzengeld auf den Versicherungsträger nicht übergehen, teleologisch dahin zu reduzieren, dass der Schmerzengeldanspruch doch übergeht, sofern der Sozialversicherungsträger kongruente Leistungen zu erbringen hat, weil es andernfalls zu einer Doppelliquidation an den Geschädigten kommen würde. Sollte daher ein Anspruch auf Integritätsabgeltung bestehen, käme es im Sinne der zitierten Lehre und Rechtsprechung zu einer Legalzession hinsichtlich des Schmerzengeldes und der Verunstaltungsentschädigung in Höhe der Integritätsabgeltung (Karner, Der Ersatz ideeller Schäden bei Körperverletzung, 45 ff; Danzl/Gutierrez‑Lobos/Müller, Schmerzengeld7, 195 ff). Der Kläger wäre dann in diesem Umfang nicht aktiv legitimiert.

Die Vorinstanzen haben über den Grund des Anspruchs entschieden, ohne den Anspruch des Klägers auf Integritätsabgeltung zu prüfen. Im Verfahren über den Anspruchsgrund muss aber auch über die Aktivlegitimation abgesprochen werden (Fasching Lehrbuch2 Rz 1430). Die Revisionswerber rügen in diesem Umfang daher zutreffend das Fehlen diesbezüglicher Feststellungen.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht Feststellungen darüber zu treffen haben, ob dem Kläger im Sinne des § 213a ASVG eine dem Schmerzengeld und der Verunstaltungsentschädigung verwandte Integritätsabgeltung gebührt.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

 

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