OGH 6Ob263/99s

OGH6Ob263/99s30.8.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adolf H*****, vertreten durch Dr. Robert Krivanec, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Dr. Michael L*****, vertreten durch Dr. Florence Burkhart, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen 597.669,78 S, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teil- und Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 7. Juli 1999, GZ 2 R 271/98f-98, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.) Der Rechtsanwalt kann gemäß § 10 Abs 3 RAO sein Wirken von einer entsprechenden Sicherstellung seiner Vertretungsgebühren abhängig machen. Nach Graf (Anwaltshaftung, 19) treffen den nach § 10 Abs 3 RAO bestellten Rechtsanwalt vor der tatsächlichen Beauftragung - nur auf Grund der Bestellung durch den Ausschuss - keine Pflichten. Damit wird aber im Gegensatz zu der in der Revision vertretenen Ansicht nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Haftung des Rechtsanwaltes für fehlerhafte Beratung erst ab der Einigung über die Sicherstellung des Honorars und der ausdrücklichen Erteilung des konkreten Vertretungsauftrages eintritt.

Nach der auch von der Rechtsprechung geteilten Lehre von der "culpa in contrahendo" treten Parteien schon mit Aufnahme des Kontaktes zu geschäftlichen Zwecken in ein beiderseitiges Rechtsverhältnis, das sie zur Sorgfalt und Rücksichtnahme bei Vorbereitung und Abschluss des Vertrages verpflichtet (3 Ob 633/79 uva). Vorvertragliche Sorgfaltspflichten entsprechen den unselbständigen vertraglichen Nebenpflichten (SZ 59/109; 1 Ob 569/95 = HS 26.392 mwN).

Abgesehen davon weist Graf (aaO, 20) zutreffend darauf hin, dass im Bereich des - auch schlüssig möglichen - Anwaltsvertrages für eine eigene Haftung aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis wenig Raum bleibt; gewisse Beratungs- und Aufklärungspflichten, die man gewöhnlich zu den vorvertraglichen Pflichten zählt, gehören beim Anwaltsvertrag bereits zu den vertraglichen Pflichten, wobei der Grund hiefür in der typischen anwaltsvertraglichen Situation liegt, bei der der Mandant bei Kontaktaufnahme oft zunächst nur Rechtsberatung bezüglich eines Problems wünscht. Ob wie im vorliegenden Fall die Kontakte des Klägers zum Beklagten, einem nun merit. Rechtsanwalt, vor der Vollmachtserteilung zur Vertretung des Klägers im Schadenersatzprozess gegen dessen ehemaligen Sachwalter dem vorvertraglichen Bereich zuzuordnen oder als Vertragspflicht im eigentlichen Sinne zu qualifizieren sind, kann wegen der identen Rechtsfolgen dahingestellt bleiben.

Wesentlich ist lediglich die Abgrenzung zur bloßen Gefälligkeitsäußerung (§ 1300 ABGB). Dies betrifft jedoch eine von den Umständen des Einzelfalles abhängige Rechtsfrage (vgl zu den Abgrenzungskriterien Graf aaO 123 ff). Insbesondere im Hinblick darauf, dass der Kläger den Beklagten unter anderem in einer ganz bestimmten Causa, für die der Beklagte auch als Rechtsanwalt nach § 10 Abs 3 RAO bestellt worden war, aufsuchte und sich der Beklagte auch ohne vorherige Einigung über seine Gebührensicherstellung und ohne ausdrückliche Vertretungsbeauftragung auf mehrere Beratungsgespräche, die typische anwaltliche Zuständigkeitsbereiche umfassten (und nicht etwa, wie in dem der in der Revision zitierten Entscheidung EvBl 1962/160 zugrunde liegenden Fall, eine berufsfremde Angelegenheit) einließ, kann in der Bejahung der Haftung des Beklagten durch die Vorinstanzen nach den Grundsätzen der Anwaltshaftung auch für die bereits vor dem 25.6.1988 mit dem Kläger geführten Gespräche eine zur näheren Befassung Anlass gebende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen nicht erblickt werden.

2.) Der Mandant ist zwar vorweg verpflichtet, wahrheitsgemäß alle Umstände tatsächlicher Art, die nach seiner Kenntnis und nach seinem Verständnis für den Rechtsanwalt zur Durchführung seines Mandates von Bedeutung sein können, mitzuteilen. Der Anwalt hat aber auch seinerseits aktiv darauf zu dringen, dass die Aufklärung des Sachverhaltes durch den Klienten umfassend erfolgt (SZ 70/14 mwN; 6 Ob 37/99f = RdW 1999,714; Graf aaO 43). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Kläger den Beklagten auf die möglicherweise drohende Verjährung hingewiesen. Das Berufungsgericht hat daher in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung ausgeführt, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die für die Beurteilung einer allenfalls drohenden Verjährung maßgebenden Umstände durch geeignete Fragestellung beim Kläger zu klären, sollte dieser die entscheidenden Daten nicht von sich aus genannt haben.

Auch in der zweitinstanzlichen Ansicht, die Rechtsmeinung des Beklagten, die Verjährung beginne nicht vor dem Schadenseintritt, sei im Hinblick auf die damals (1988) aktuelle Rechtsprechung (die Verjährungsfrist wird bereits durch die Kenntnis des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen in Gang gesetzt [RIS-Justiz RS0034374]) unvertretbar gewesen, kann eine Verkennung der in der Rechtsprechung zur Frage der Anwaltshaftung entwickelten Grundsätzen nicht erblickt werden. Eine Wende der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Verjährungsfrage zeichnete sich nämlich erstmals durch die in der Entscheidung 1 Ob 601/93 = JBl 1994, 753 = EvBl 1994/109 vom 16.2.1994 obiter zum Ausdruck gebrachten Ansicht ab, dass zumindest die kurze Verjährungsfrist nicht vor dem tatsächlichen Schadenseintritt zu laufen beginne. Erst seit der Entscheidung des verstärkten Senates vom 19.12.1995, 1 Ob 621/95 = SZ 68/238 ist dies im allgemeinen Schadensrecht ständige Rechtsprechung. Eine Judikaturwende war damals nicht absehbar, auch wenn jederzeit die theoretische Möglichkeit einer Änderung der einheitlichen Rechtsprechung besteht (1 Ob 529/80 = MietSlg 32.228; 7 Ob 501/85 = SZ 58/165). Der Beklagte hat den Kläger aber nicht einmal auf die im Hinblick auf die damals einhellige Rechtsprechung bestehende hohe Wahrscheinlichkeit des Prozessverlustes wegen Verjährung bei Zuwarten mit der Klageführung hingewiesen.

Stichworte