OGH 7Ob347/99a

OGH7Ob347/99a12.7.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Moringer und Moser Rechtsanwälte OEG in Linz, wider die beklagte Partei protokollierte Firma A*****, vertreten durch Dr. Erich Kaltenbrunner, Rechtsanwalt in Eferding, wegen S 5 Mio, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 5. November 1999, GZ 4 R 126/99y-65, womit der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 29. März 1999, GZ 5 Cg 59/95m-58, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und die Rechtssache zur (allenfalls zu) ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Das klagende österreichische Putz-Produktions- und Verarbeitungsunternehmen schloss im Jahre 1992 mit dem beklagten tschechischen Unternehmen verschiedene Werkverträge ab, in denen sich die Beklagte verpflichtete, bestimmte Maschinenputzarbeiten an Baustellen der Klägerin für diese auszuführen. Dabei wurde versucht, den Einsatz der Arbeitnehmer der beklagten tschechischen Firma als "Einschulung" zu deklarieren, um die erforderlichen behördlichen Bewilligungen zu umgehen. Da die Arbeitnehmer der Beklagten keine Erfahrung im Maschinenputzsektor hatten, gab es zu Beginn insbesondere mit der Qualität der Verarbeitung Schwierigkeiten, die jedoch dann bereinigt wurden.

Im Jahre 1992 gründete dann die Klägerin in Österreich die K***** GmbH, deren Gegenstand der Handel mit Putzmaschinen und die Herstellung sowie Verarbeitung von Putzen aller Art sein sollte. Ziel war es, durch die Ausnutzung des unterschiedlichen Lohnniveaus zwischen Österreich und der damaligen Tschechoslowakei Erträge zu erwirtschaften. Die Klägerin trat dann am 27. 10. 1992 insgesamt S 350.000,-- des Stammkapitals von S 500.000,-- an dieser Gesellschaft (im Folgenden Kooperationsgesellschaft) an die Beklagte bzw deren Mitarbeiter ab. Mit Vereinbarung vom gleichen Tag verpflichtete sich die Klägerin, der Kooperationsgesellschaft beim Aufbau des Unternehmens durch Zurverfügungstellung des Know-hows, durch Überlassung von Geschäftsfällen, durch Herstellung von Kundenverbindungen und in jeder denkbaren Weise zu unterstützen. Ferner verkaufte es dieser Kooperationsgesellschaft zu einem festgelegten Preis von S 500.000,-- zuzüglich USt vier gebrauchte aber komplette maschinelle Putzausrüstungen in technisch gutem Zustand und erklärte sich bereit, ihr in ihrem Betriebsgelände (in Österreich) jene Fläche zu vermieten, die von dieser zur Ausübung ihrer Tätigkeit benötigt werde. Die Kooperationsgesellschaft ihrerseits verpflichtete sich, den Putzbetrieb derart auszubauen, dass ab 1. 1. 1993 jährlich durch 10 Monate hindurch mindestens 25 Arbeiter eingesetzt und pro Arbeiter eine Arbeitsleistung von mindestens 750 m2 Innenputz monatlich oder vergleichbare Umsätze erbracht werden. Für die Unterstützungen durch die Klägerin sollte diese 5 % des gesamten getätigten Umsatzes erhalten bzw dann, wenn die Mindestumsätze nicht erreicht werden, 5 % eines fiktiven Umsatzes von diesen angenommenen Mindestflächen zu den jeweils durchschnittlichen Marktpreisen. Auch die Beklagte verpflichtete sich, die Kooperationsgesellschaft in jeder Weise zu unterstützen und als "Gründungsunterstützung" 4.500 m2 Innenputzfläche kostenlos zu verputzen. Auch übernahm die Beklagte die volle Haftung für die Einhaltung der Verpflichtungen durch die Kooperationsgesellschaft.

Die in der Vereinbarung genannten Putzmaschinen wurden trotz Zahlung durch die Kooperationsgesellschaft dieser von der Klägerin nie übergeben. Die Mitarbeiter der Kooperationsgesellschaft wurden von Besprechungen und vom Betreten des Firmengeländes der Klägerin ausgeschlossen. Der Geschäftsführer der Klägerin behauptete wider besseres Wissen, dass die Arbeitnehmer der Beklagten bei den früheren Werkverträgen unmittelbar von ihm bezahlt worden seien. Er erhob auch gegenüber Mitarbeitern der Beklagten den Vorwurf, dieser habe widerrechtlich Unterlagen der Klägerin mitgenommen. Ferner hat die Klägerin der Kooperationsgesellschaft nie einen Auftrag im Bereich des Maschinenputzes zukommen lassen und sie auch nur unzureichend mit Preisunterlagen, Normen und Know-how bzw der Vermittlung von Geschäftsbeziehungen unterstützt.

Tatsächlich wurde kein einziges Bauvorhaben auf Grund der Vereinbarung abgewickelt. Vielmehr wurde am 25. 5. 1993 von der Beklagten und ihren Mitarbeitern entgegen der Stellungnahme des Vertreters der Klägerin die Liquidation der Kooperationsgesellschaft beschlossen.

Die Klägerin begehrte zuletzt (AS 317) S 5 Mio samt gestaffelten Zinsenbegehren und stützte dies im Wesentlichen darauf, dass die Kooperationsgesellschaft ihren Mindestumsatz nicht erreicht habe. Entsprechend der Vereinbarung habe diese aber 5 % auf Grund eines fiktiven, vom Mindestumsatz ausgehenden Jahresumsatz an die Klägerin zu leisten. Für den sich daraus errechnenden Entgeltanspruch von S 4,5 Mio hafte auf Grund der Vereinbarung auch die Beklagte; ebenso aber auch aus dem Titel des Schadenersatzes, da sie für die Auflösung der Kooperationsgesellschaft gestimmt habe. Der sich daraus errechnende Schadenersatzanspruch betrage mehr als S 10 Mio, werde aber derzeit nur im Betrag von S 5 Mio geltend gemacht.

Die Klägerin sei ihren Verpflichtungen aus der Kooperationsvereinbarung vom 27. 10. 1992 stets nachgekommen, nicht jedoch die Beklagte. Durch die schlechten Arbeitsleistungen der Arbeiter der Beklagten habe die Klägerin auch verschiedene weitere Schäden erlitten ua auch einen Auftrag verloren, was einen Verlust von S 500.000,-- bedeute.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte zusammengefasst ein, dass beide Vertragsparteien ihren wechselseitigen Verpflichtungen nicht nachgekommen seien, dass aber die Kooperationsgesellschaft in Ermangelung einer dazu erforderlichen behördlichen Bewilligung dazu gar nicht in der Lage gewesen wäre. Die Klägerin habe in keiner Weise die zugesagte Hilfestellung beim Aufbau und der Einführung der Kooperationsgesellschaft wahrgenommen oder auch nur eine einzige Baustelle vermittelt. Durch die Nichterbringung der zugesagten Leistungen seien der Beklagten erhebliche Verluste entstanden, die sie kompensando einwende. Die Klägerin habe weder Mieträumlichkeiten, noch Know-how zur Verfügung gestellt und sich auch bei der Abrechnung der Werkverträge durch ihre unhaltbaren Behauptungen bei der Abrechnung so verhalten, dass eine Aufrechterhaltung der Vertragsbeziehung nicht möglich gewesen sei. Wesentlich sei auch, dass trotz des Verkaufs der vier Putzmaschinen diese niemals übergeben worden seien und die Klägerin auch das erforderliche Know-how niemals zur Verfügung gestellt habe. Schließlich wandte die Beklagte auch noch Gegenforderungen aus den Werkverträgen in Höhe von S 638.711,-- und S 531.570,-- (AS 435) sowie hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten, nach 1994 gelegenen Ansprüchen die Verjährung ein (AS 321).

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte rechtlich, dass das vertragswidrige Verhalten der Klägerin eine tiefgreifende Vertrauenserschütterung bewirkt habe. Auch seien die Geschäftsgrundlagen für die Vereinbarung weggefallen. Der Geschäftsführer der Klägerin habe nicht nur wider besseres Wissen behauptet, er habe die Nettolöhne an die tschechischen Arbeiter ausbezahlt und ein Mitarbeiter habe Papiere widerrechtlich mitgenommen, sondern auch vereinbarungswidrig Forderungen nicht dem Betriebsvermögen der Kooperationsgesellschaft zugeführt, die Putzmaschinen nicht herausgegeben, keine Mieträumlichkeiten zur Verfügung gestellt und die Kooperationsgesellschaft auch nur unzureichend bei der Erlangung der behördlichen Bewilligungen und von Aufträgen unterstützt. Damit sei der Vertragszweck einer gedeihlichen Zusammenarbeit unerreichbar geworden und die Voraussetzungen für den Vertrag weggefallen. Daher sei die Vereinbarung berechtigt aufgelöst worden.

Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung von der Klägerin erhobenen Berufung mit der angefochtenen Entscheidung nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision unzulässig sei. Es behandelte die umfangreiche Beweisrüge der Klägerin, in der diese im Wesentlichen sämtliche Feststellungen über ihr Verhalten bei der Abwicklung der Vereinbarung sowie sonstige Vertrauensbrüche bekämpfte, nicht, sondern folgerte ausschließlich rechtlich, dass der Vertrag als solcher nicht zustandegekommen sei, da die dort vereinbarten Hauptleistungspflichten weder bestimmt noch bestimmbar wären. Insbesondere fehle es bei dem Bestandvertrag an der Festlegung eines Mietentgeltes und dem übrigen Vertrag auch der Festlegung, was unter den Begriff "Know-how" gemeint sei. Ferner sei nicht festgelegt, welche und wieviele Geschäftsfälle die Klägerin der Kooperationsgesellschaft zu überlassen habe und wie die Unterstützung auszusehen hätte. Daher liege "versteckter" Dissens bzw Dissens wegen Unbestimmtheit vor. Dazu habe die Beklagte auch behauptet, dass die Vereinbarung "gar nicht in der Lage gewesen ist, in Kraft gesetzt zu werden". Die Bestimmung des Vertragsinhaltes sei auch wegen der Verpflichtung zur Leistung eines Entgeltes auf Grundlage eines Mindestumsatzes erforderlich. Ginge man von der Wirksamkeit des Vertrages aus, so wäre die äquivalente Hauptleistungspflicht hoch anzusetzen und die Klägerin hätte zumindest in der Anlaufphase der Beklagten ein fertig ausgearbeitetes betriebswirtschaftliches Konzept, eine für die Erreichung des Mindestumsatzes ausreichende Anzahl ausverhandelter Geschäftsfälle und pro Geschäftsfall mindestens einen fachkundigen örtlichen Bauleiter oder Berater, der das erforderliche Know-how praxisgerecht vor Ort einzubringen, und schließlich die rechtlichen Voraussetzungen im Sinne der Erlangung der behördlichen Bewilligungen zur Verfügung zu stellen gehabt. Das Unterbleiben dieser Leistung stelle einen wichtigen Kündigungsgrund dar.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete außerordentliche Revision ist zulässig und auch im Sinne des subsidiär gestellten Aufhebungsantrages berechtigt. Zutreffend zeigt die Revision auf, dass das Berufungsgericht gegen die ständige Judikatur, wonach das Gericht die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen darf, die diese nicht bedacht haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam machte (vgl RIS-Justiz RS0037300 = EvBl 1964/161, SZ 42/28, SZ 50/35, SZ 54/181, SZ 57/31, SZ 63/67, SZ 64/173, SZ 65/41, SZ 70/199 uva), verstoßen hat. Eindeutig gingen beide Parteien von der Wirksamkeit ihrer Vereinbarung aus, wenngleich dann die Beklagte ableitete, dass die vereinbarten Bedingungen von der Klägerin hätten erfüllt werden müssen. Sowohl die klagende Partei als auch die Beklagte haben sich auf die Vereinbarung gestützt. Die Beklagte damit, dass der Klägerin die Leistung nicht zustehe, weil diese eben gerade den Inhalt dieser Vereinbarung nicht eingehalten habe. Soweit sich das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang darauf stützt, dass die Beklagte behauptet habe, dass die Vereinbarung "gar nicht in Kraft gewesen ist und in Kraft gesetzt wurde" bezieht sich dies darauf, dass die Parteien (aus Verschulden der Klägerin) eben die Voraussetzungen für die Durchführung nicht schafften. Dass sie die Vereinbarung als "unbestimmt" erachtet hätten, lässt sich daraus aber nicht ableiten. Diese Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist daher als "überraschend" im Sinne der dargestellten Judikatur anzusehen.

In der Sache selbst ist vorweg - soweit sich dies nicht überhaupt nach Erledigung der Tatsachenrügen wegen des Bestehens von Auflösungsgründen erübrigen sollte - nur darauf hinzuweisen, dass sich die Frage der Bestimmtheit im Sinne des § 869 ABGB nach dem jeweiligen beabsichtigten Geschäftstyp richtet (vgl Rummel in Rummel ABGB2 § 869 Rz 5). Bestimmtheit ist auch bereits dann gegeben, wenn sich die vertraglichen Rechtsfolgen durch Auslegung sowie auf Grund des dispositiven Rechtes ermitteln lassen (vgl Apathy in Schwimann ABGB2 § 869 Rz 6; ebenso RIS-Justiz RS0014010 = SZ 45/102 uva). Wesentlich ist dabei auch, ob trotz übereinstimmender Erklärung eine Mehrdeutigkeit oder Unvollständigkeit gegeben ist und die Vereinbarung auch von den Parteien jeweils anders ausgelegt wird (vgl RIS-Justiz RS0014701 = SZ 54/111; JBl 1988, 714 uva).

Gerade bei sogenannten "Metaverträgen" wie dem vorliegenden Kooperationsvertrag oder Verträgen bei denen sich mehrere Personen zu dem Zweck verbinden, während der Vertragsdauer eine bestimmte oder unbestimmte Anzahl von Geschäften im Namen des jeweils Handelnden aber auf gemeinsame Rechnung einzugehen und den Gewinn aus diesem Geschäft zu teilen (vgl SZ 55/76 ebenso 1 Ob 234/97m) ergibt sich nun aber schon, dass nur bestimmte Rahmenbedingungen dieser Geschäfte vorgegeben werden können. Vorweg wäre nun mit den Parteien überhaupt zu erörtern, inwieweit sie die Vereinbarung oder Teile davon als unbestimmt erachten. Selbst wenn dies der Fall wäre, müsste besonders geprüft werden, inwieweit nicht trotz einer allfälligen Unwirksamkeit einzelner Vertragspunkte infolge Unbestimmtheit doch von der Wirksamkeit der übrigen vertraglichen Regelung auszugehen ist und nur eine Teilunwirksamkeit hinsichtlich des unbestimmten Vertragspunktes eintritt (vgl zu den Fragen der Teilunwirksamkeit etwa Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I11, 155; Rummel in Rummel ABGB2 § 878 Rz 4; Apathy in Schwimann ABGB2 § 878 Rz 7 f uva). Vorweg sprechen wesentliche Argumente dafür, die Vereinbarung über die Zusammenarbeit als ausreichend bestimmt anzusehen.

Zutreffend ist nun, dass das hier vorliegende Kooperationsübereinkommen als Dauerschuldverhältnis anzusehen ist, bei dem wichtige Gründe zur sofortigen Auflösung berechtigen können (vgl zum Franchisevertrag EvBl 1988/31 = RdW 1988, 88).

Auf die vom Berufungsgericht herangezogenen Umstände zur Berechtigung der Auflösung des Dauerschuldverhältnisses hat sich die Beklagte in dieser Form nicht berufen. Hinsichtlich der anderen vom Erstgericht festgestellten Verhaltensweisen der Klägerin, die - ohne der Erledigung der Beweisrüge vorzugreifen - eine Auflösung als berechtigt erscheinen lassen, wurde aber die Beweiswürdigung von der Berufung bekämpft. Die Beweisrüge hat das Berufungsgericht jedoch zur Gänze unerledigt gelassen, sodass eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht unvermeidlich ist.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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