OGH 16Ok1/00

OGH16Ok1/0015.5.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Birgit Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Manfred Vogel und Dr. Gerhard Kuras und die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Fidelis Bauer, Dkfm. Joachim Lamel, Dkfm. Dr. Erich Zeillinger und Dkfm. Dr. Thomas Lachs als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin und gefährdeten Partei F***** Aktiengesellschaft (nunmehr: F***** AG), *****, vertreten durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegnerin und Gegnerin der gefährdeten Partei M***** AG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Richter, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung und einstweiliger Verfügung, über den Rekurs der Antragsstellerin und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom 13. Dezember 1999, GZ 26 Kt 447, 448/99-9, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die Bezeichnung der Antragstellerin und gefährdeten Partei wird auf "F***** AG" berichtigt.

2. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin und Gegnerin der gefährdeten Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

zu 1.

Die Antragstellerin und gefährdete Partei hat ihre Firma geändert. Ihre Parteibezeichnung war daher in analoger Anwendung des § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigen (7 Ob 151/75; 5 Ob 41/82; 2 Ob 569/86; 8 Ob 503/90).

zu 2.

Die Antragsgegnerin und Gegnerin der gefährdeten Partei (in der Folge: Antragsgegnerin) betreibt im Inland ein Mobilfunknetz, mit dem sie im Herbst 1999 einen Marktanteil von zumindest 56 % erreichte. Sie stand damals auf diesem Markt im Wettbewerb mit nur zwei Mitbewerbern, von denen die m***** GmbH (in der Folge: Mitbewerberin) einen Marktanteil von rund 35,5 % erreichte.

Die Antragstellerin und gefährdete Partei (in der Folge: Antragstellerin) verkauft über ihr österreichweites Filialnetz unter anderem Mobilfunkttelefone an Endverbraucher und vermittelt diesen Teilnehmerverträge mit Mobilfunknetzbetreibern, wofür sie von letzteren Provision erhält. Im Juni 1999 wurde die Antragstellerin im Wege der Übernahme durch eine zwischengeschaltete Holdinggesellschaft in den Konzern der Mitbewerberin eingegliedert. Diesen Umstand nahm die Antragsgegnerin zum Anlass, mit Schreiben vom 28. 6. 1999 den zwischen ihr und der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin am 25. 6. 1996 abgeschlossenen Partnervertrag (Beilage ./A) mit sofortiger Wirkung unter Bezugnahme auf die Punkte 6.2 lit f und g des Vertrags aufzukündigen. Gleichzeitig erklärte die Antragsgegnerin, unpräjudiziell bereit zu sein, der Antragstellerin noch eigene Produkte für den Fall zur Verfügung zu stellen, dass die Antragstellerin Kunden gegenüber mit der Lieferung solcher Produkte im Wort sei, diese aber nicht lagernd habe.

Im Partnervertrag vom 25. 6. 1996 verpflichtete sich die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin zur Geheimhaltung aller ihr von der Antragsgegnerin überlassenen vertraulichen Informationen, insbesondere aller Daten der Kunden. Als vertraulich gelten dabei alle Informationen, die von der Antragsgegnerin ausdrücklich als vertraulich bezeichnet werden oder deren Geheimhaltungserfordernisse sich aus ihrem Gegenstand oder sonstigen Umständen ergibt (Punkt 4.3). Der auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Vertrag sieht die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung vor. Danach ist jede Partei bei Vorliegen wichtiger Gründe berechtigt, den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen. Als wichtiger Grund ist insbesondere anzusehen, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse an dem Unternehmen der Partnerfirma derart verändern, dass mehr als die Hälfte des Stimmrechts auf einen Dritten übertragen wird, oder die Partnerfirma oder ein mit ihr zusammengeschlossenes Unternehmen selbst Betreiber eines österreichischen Mobilfunknetzes wird bzw um eine Konzession zum Betrieb eines solchen Netzes ansucht (Punkt 6.2 lit f und g).

Die Antragstellerin begehrt, das Kartellgericht möge der Antragsgegnerin gem § 35 KartG auftragen, den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung (Verweigerung jedweder Geschäftsbeziehung mit der Antragstellerin bzw Verweigerung jedweder Lieferung an die Antragstellerin) dadurch abzustellen, dass die Antragsgegnerin mit der Antragstellerin einen Partnervertrag gemäß Beilage ./A unter Berücksichtigung der jeweils üblichen Marktgegebenheiten und -konditionen abzuschließen habe. Zur Sicherung des Anspruchs der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin auf Abstellung des Missbrauchs ihrer marktbeherrschenden Stellung durch Verweigerung jedweder Geschäftsbeziehung mit der Antragstellerin bzw Verweigerung jedweder Lieferung an die Antragstellerin beantragt die Antragstellerin gem § 52 Abs 2 KartG, der Antragsgegnerin aufzutragen, ab sofort und bis zur Rechtskraft des über den Antrag gem § 35 KartG ergehenden Beschlusses die Antragstellerin mit Mobilfunkendgeräten, Einstiegspaketen für Wertkartenhandys sowie Wertkarten für B-Free-Handys (A1) zu beliefern und der Antragstellerin Provisionen für von der Antragstellerin an die Antragsgegnerin übermittelte Anmeldungen für A1-Mobilfunkkunden zu gewähren; dies unter Anwendung jener Konditionen, die die Antragsgegnerin grundsätzlich jedem Vertriebspartner (auch solchen mit einem weitaus kleineren Vertriebsnetz und weitaus geringeren Abnahmemengen als bei der Antragstellerin) einräume. Die Antragstellerin habe am Vertrieb von Mobilfunkendgeräten einen Marktanteil von rund 25 %. Auf Grund der Marktsituation sei ein annähernd kostendeckender Vertrieb von Mobiltelefonen ohne Anspruch auf die Erstanmeldungs-Provision nicht möglich. Mobiltelefone würden von Händlern zu rund 75 % direkt von den Mobilfunknetz-Betreibern bezogen, die insoweit die Funktion eines Mittlers zwischen Industrie und Handel besäßen und wegen der großen Abnahmemengen auch bessere Konditionen bei den Herstellern bekämen, die sie über den Handel direkt an die Endverbraucher weitergäben. Auf Grund der Kündigung des Partnervertrags durch die Antragsgegnerin habe die Antragstellerin einen schwerwiegenden und nahezu existenzbedrohenden Einbruch beim Vertrieb von Mobiltelefonen hinnehmen müssen. Die Antragsgegnerin verweigere der Antragstellerin, Einstiegspakete für Wertkartenmobiltelefone und Wertkarten für B-Free-Mobiltelefone zu liefern sowie Anmeldungen für A1-Mobilfunkkunden zu bearbeiten. Die Antragsgegnerin besitze als ehemalige Monopolistin auf dem Mobilfunkmarkt immer noch eine überragende Marktstellung, die sie durch ihre Weigerung, ihre Geschäftsbeziehung zur Antragstellerin aufrechtzuerhalten, missbrauche. Jene Vertragsklausel, auf die sich die Antragsgegnerin zur Berechtigung ihrer außerordentlichen Kündigung berufen habe, sei sittenwidrig. Die Antragstellerin habe die Antragsgegnerin immer gleich wie ihre Mitbewerber behandelt und werde dies auch weiterhin so handhaben. Ungeachtet der indirekten Beteiligung der Mitbewerberin an der Antragstellerin seien beide jeweils selbständige Unternehmen; die bei der Antragstellerin erzielten Gewinne würden zur Gänze bei ihr selbst reinvestiert. Die Marktteilnehmer seien über ihre Konkurrenten hinreichend informiert, sodass die angestrebte Geschäftsbeziehung mit keinem Informationsvorsprung des Mitbewerbers verbunden sei. Die Antragsgegnerin beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Auch die Mitbewerberin besitze eine marktbeherrschende Stellung. Nicht richtig sei, dass die Antragstellerin Mobiltelefone von Herstellern oder sonstigen Händlern nur zu ungünstigeren Einkaufspreisen als von der Antragsgegnerin beziehen könne. Die Antragstellerin habe schon vor ihrer Übernahme durch die Mitbewerberin die Vermittlung von Teilnehmerverträgen der Mitbewerberin gegenüber solchen der Antragsgegnerin forciert, was etwa in den Werbeaktivitäten und Präsentationen der Filialen der Antragstellerin zum Ausdruck gekommen sei. Objektive Rechtfertigungsgründe sprächen für den Abbruch der Geschäftsverbindung, weil andernfalls die Gefahr bestehe, dass die Mitbewerberin als Hauptkonkurrentin der Antragsgegnerin Zugang zu maßgeblichen Vertriebsinformationen und -daten sowie Marktinformationen und Vorabankündigungen für strategische Vertriebsaktionen der Antragsgegnerin erhalte. Die objektive Beratung interessierter Kunden sei nicht mehr gewährleistet, ein Imageverlust der Produkte der Antragsgegnerin zu befürchten. Bei Aufrechterhaltung der Geschäftsverbindung würde die Antragsgegnerin faktisch gegen sie gerichtete Wettbewerbsmaßnahmen ihres Hauptkonkurrenten geradezu subventionieren. Die Vertragsbeendigung sei für die Antragstellerin vorhersehbar gewesen. Aufgrund des Direktvertriebs der Antragsgegnerin sei auch weiterhin bundesweit eine flächendeckende Versorgung von interessierten Teilnehmern mit Produkten der Antragsgegnerin gewährleistet.

Die Amtsparteien haben sich am Verfahren nicht beteiligt. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Auf dem sachlich relevanten Markt für den Vertrieb von angemeldeten oder mittels Wertkarte zu betreibenden Mobiltelefonen, der Anmeldung dieser Geräte für ein bestimmtes Mobilfunknetz sowie dem Vertrieb von Wertkarten seien sowohl die Antragsgegnerin als auch die Mitbewerberin als wirtschaftliche Eigentümerin der Antragstellerin marktbeherrschend iSd § 34 Abs 1 Z 2 und 3 KartG. Die Antragstellerin habe ihre Behauptung, ihren Geschäftsbetrieb im Rahmen einer langfristigen Vertragsbeziehung so stark auf die Antragsgegnerin ausgerichtet zu haben, dass sie auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung mit der Antragsgegnerin zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile unbedingt angewiesen sei, nicht durch ein entsprechendes Tatsachenvorbringen ausgeführt. Auf die Stellung der Antragstellerin auf dem Markt des Vertriebs von Mobiltelefonen komme es aber nicht weiter an, weil kein Missbrauchstatbestand vorliege. Im konkreten Fall sei zu berücksichtigen, dass ein Wettbewerber der Antragsgegnerin indirekt alle Anteile der Antragstellerin übernommen habe. Die Antragstellerin habe ihren eigenen Angaben zufolge am relevanten Markt einen Anteil von rund einem Viertel; ihr nunmehriger wirtschaftlicher Eigentümer und Wettbewerber der Antragsgegnerin sei seinerseits ebenfalls marktbeherrschend. Der Partnervertrag habe ausdrücklich den nunmehr verwirklichten Sachverhalt als Auflösungsgrund vorgesehen und habe die Antragstellerin daher nicht unvorbereitet treffen können. Die von der Antragsgegnerin zur Rechtfertigung des Abbruches der Geschäftsverbindung ins Treffen geführte Gefahr, die Antragstellerin werde die Vermittlung von Teilnehmerverträgen des Mitbewerbers forcieren, eine objektive Beratung sei nicht mehr gewährleistet, sei evident. Ebenso liege es auf der Hand, dass Marktinformationen und Vorabankündigungen für strategische Vertriebsaktionen der Antragsgegnerin der Mitbewerberin zur Kenntnis gelangen würden, sodass die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Verschwiegenheitspflicht nicht mehr gewährleistet sei. Der Abbruch der Geschäftsbeziehungen durch die Antragsgegnerin sei daher gerechtfertigt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Sicherungsantrag zu erlassen. Die Antragsgegnerin beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass es - wie bei Behandlung der Rechtsrüge zu zeigen sein wird - für die Beurteilung des Vorliegens eines marktmissbräuchlichen Verhaltens im konkreten Fall nicht darauf ankommt, ob die Antragstellerin ihren Geschäftsbetrieb (wie sie behauptet) so stark auf die Antragsgegnerin ausgerichtet habe, dass sie auf die Aufrechterhaltung dieser Geschäftsbeziehung zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile unbedingt angewiesen sei. Es bedarf daher auch keiner näheren Prüfung, ob dem Erstgericht ein Verfahrensfehler dadurch unterlaufen ist, dass es zu diesem Beweisthema angebotene Bescheinigungsmittel nicht aufgenommen hat.

Die Rekurswerberin vertritt den Standpunkt, die Antragsgegnerin habe bei Abschluss des Partnervertrags ihre überragende Marktstellung dazu missbraucht, sittenwidrige Kündigungsklauseln in den Vertrag einzubeziehen. Ungeachtet des erfolgten Eigentümerwechsels sei bei der Antragstellerin eine weitgehende Kontinuität in deren Geschäftspolitik gewährleistet, was unter anderem darin zum Ausdruck komme, dass der Vorstand nicht ausgetauscht worden sei. Die Antragstellerin benachteilige auch weiterhin den dritten Mitbewerber auf dem Mobilfunkmarkt in keiner Weise, solches sei auch für die Antragsgegnerin nicht zu befürchten. Ein Rechtfertigungsgrund für den Abbruch der Geschäftsbeziehungen liege nicht vor; die getroffene Maßnahme sei jedenfalls unverhältnismäßig. Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

Zutreffend gibt das Erstgericht Lehre und Rechtsprechung zum kartellrechtlichen Tatbestand marktmißbräuchlichen Verhaltens (§ 35 Abs 1 KartG) in Form der Geschäftsverweigerung durch Abbruch geschäftlicher Beziehungen wieder. Die Verhängung einer Liefer- oder Bezugssperre gegenüber bisherigen Handelspartnern begründet danach zunächst die Vermutung eines Gesetzesverstoßes, die durch den Hinweis auf besondere Rechtfertigungsgründe ausgeräumt werden kann. Ob Rechtfertigungsgründe vorliegen, ist auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu Art 82 EG (früher Art 86 EG-V) zu beurteilen (16 Ok 22/97 = ecolex 1998, 334 [Schanda] = ÖBl 1998, 309 - Handy-Umtauschaktion mwN).

Die Begründung dieser Entscheidung stützt sich in weiten Zügen auf die Entscheidung der EG-Kommission vom 29. 7. 1987 - BBI (WuW 1988, EV 1265 ff). Zu beurteilen war dort ein Sachverhalt, wonach ein britischer Hersteller von Blechblasinstrumenten die Belieferung eines Händlers und eines Reparaturunternehmens deshalb einstellte, weil diese ein gemeinsames Unternehmen zur Herstellung von Blechblasinstrumenten gegründet hatten. Die Kommission sah mangels Vorliegens eines Rechtfertigungsgrunds den Tatbestand des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung verwirklicht und führte aus: "Ein marktbeherrschendes Unternehmen ist immer berechtigt, die zum Schutz seiner Geschäftsinteressen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Diese Maßnahmen müssen jedoch fair sein und in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedrohung stehen. Die Tatsache, dass sich ein Abnehmer eines marktbeherrschenden Herstellers mit einem aktuellen oder zukünftigen Wettbewerber dieses Herstellers zusammenschließt, berechtigt diesen Hersteller normalerweise nicht, alle Lieferungen sofort einzustellen oder Repressalien gegen diesen Kunden zu ergreifen. Ein marktbeherrschender Hersteller ist nicht verpflichtet, den gegen ihn gerichteten Wettbewerb zu subventionieren. Wenn ein Kunde seine Haupttätigkeit auf die Absatzförderung einer konkurrierenden Marke richtet, ist es möglich, dass selbst ein marktbeherrschender Hersteller das Recht hat, seine Geschäftsbeziehungen zu diesem Kunden zu überprüfen und ein besonderes Kundenverhältnis mit einer angemessenen vorherigen Ankündigung zu beenden."

In der Rechtsprechung des EuGH ist die Frage, ob und inwieweit ein marktbeherrschendes Unternehmen verpflichtet sein kann, seine Konkurrenten aktiv zu unterstützen, um ihnen die Teilnahme am Wettbewerb zu ermöglichen, noch weitgehend offen (Grill in Lenz, EG-Vertrag, Art 86 Rz 38). In seiner erst jüngst ergangenen Entscheidung C 7/97 Bronner/Mediaprint (ÖBl 1999, 146 - Hauszustellungssystem II) nimmt der EuGH in dieser Frage aber eine deutlich zurückhaltende Position ein. Verweigert danach der Betreiber des einzigen Hauszustellungssystems für Tageszeitungen, das in einem Mitgliedstaat besteht, und das er für den Vertrieb seiner eigenen (marktbeherrschenden) Zeitungen benutzt, dem Verleger einer Konkurrenztageszeitung den Zugang zu diesem System, bringt er letzteren zwar um einen wesentlichen Vertriebsweg; ein Missbrauch iSd Art 82 EG läge aber nach Ansicht des EuGH erst dann vor, wenn dieses Verhalten geeignet wäre, jeglichen Wettbewerb auf dem Tageszeitungsmarkt auszuschalten und die Aufnahme in das Hauszustellungssystem für die Ausübung der Tätigkeit des Wettbewerbers unentbehrlich wäre, was angesichts der ihm offenstehenden anderen Vertriebswege und der Möglichkeit, allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Verlegern ein eigenes Hauszustellungssystems zu errichten, nicht der Fall sei. Die Besonderheit des vorliegenden Sachverhalts liegt darin, dass die Antragstellerin nunmehr eine Konzerngesellschaft jener Mitbewerberin der Antragsgegnerin ist, die auf dem Markt der Betreiber von Mobilfunknetzen - ebenso wie die Antragsgegnerin selbst - marktbeherrschend iSd § 34 Abs 1 Z 3 KartG ist. In ständiger Praxis werden in Ansehung der § 35 KartG, Art 82 EG die zu einem Konzern gehörenden Unternehmen, in denen die gemeinsame Willensbildung und das gemeinsame Auftreten im Markt durch eine Obergesellschaft kontrolliert wird, als Unternehmenseinheit mit der Folge angesehen, dass sie ein Unternehmen darstellen (Schuhmacher, Die Kündigung von Kfz-Händlerverträgen als Problem des Kartellrechts, WBl 1996, 421 ff, 426; Schröter in Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EG-Vertrag, Art 86 Rz 67 jeweils mwN). Zu beurteilen ist daher, ob ein marktbeherrschendes Unternehmen auch dann verpflichtet ist, seine Waren oder Dienstleistungen durch einen - gleichfalls marktbeherrschenden - Mitbewerber vertreiben zu lassen, wenn noch keine Benachteiligung seiner Waren oder Dienstleistungen durch den Konkurrenten gegenüber dessen eigenen Waren oder Dienstleistungen erfolgt ist. Dem erkennenden Senat erscheint unter den vorliegenden Umständen eine solche Verpflichtung für den Antragsgegner bei der gebotenen Interessensabwägung jedenfalls nicht zumutbar. Für den Anbieter einer werthaften Leistung (Ware oder Dienstleistung) bewirkt die Selbständigkeit unternehmerischer Entscheidung im Vergleich zu Mitbewerbern vor allem, dass er hinsichtlich des Vertriebs seiner Leistung autonom und nach seiner Interessenslage entscheiden darf. Der Anbieter muss also im Gefüge eines Leistungswettbewerbs seine Absatzkanalstrategie verfolgen dürfen ("Vertriebswegegestaltungsrecht"), weil er schließlich allein die Verantwortung für das von ihm eingegangene unternehmerische Risiko trägt. Er muss etwa solche Absatzmittler nicht in sein Vertriebsnetz aufnehmen, die nach objektiven Kriterien für dies Aufgabe ungeeignet sind. Dem steht gegenüber, dass die Freiheit des Marktzugangs erhalten bleiben muss. Art 82 EG verbietet daher nur solche Ungleichbehandlung, die auf Marktbeherrschung beruht, nicht aber solche Maßnahmen, die im Wettbewerb mit Konkurrenten sogar erforderlich sind, um bestmögliche Leistungen anbieten zu können; solche Maßnahmen sind wettbewerblich gerechtfertigt (Ebenroth/Abt, Beendigung von Absatzmittlungsverhältnissen nach dem Recht des EWGV, EWS 1993, 81 ff, 86 f; Dirksen in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht7 Art 86 Rz 168). Die Antragstellerin ist kein auf einer untergeordneten Vertriebsstufe tätiges unabhängiges Unternehmen, das einen repräsentativen Querschnitt sämtlicher auf dem betreffenden Markt vertretenen Leistungen anbieten können muss, sondern sie ist - wirtschaftlich gesehen - selbst der zweitgrößte Anbieter der betroffenen Dienstleistung. Unter diesen Umständen bedeutete es keinen Missbrauch einer Marktmacht, wenn die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer autonom bestimmten Absatzstrategie beschließt, ihren schärfsten Mitbewerber von ihrem Vertriebsnetz fernzuhalten. Sie kann nämlich nur auf diese Weise verhindern, dass die von der Konkurrentin durch den Vertrieb fremder Leistungen erzielten Gewinne in den Ausbau der eigenen Marktmacht der Mitbewerberin fließen und dass darüber hinaus der Konkurrentin frühzeitig die eigenen Absatz- und Werbestrategien bekannt werden.

Schließlich ist der Antragsgegnerin auch nicht zumutbar, durch Belieferung der Antragstellerin dabei mitzuwirken, dass für den Endverbraucher der (unzutreffende) Anschein erweckt wird, die Antragstellerin sei ein von der Mitbewerberin unabhängiges Vertriebsunternehmen, bei dem objektive, weil herstellerunabhängige Beratung erwartet werden könne. Erweckt der Mitbewerber eine solche unrichtige Erwartungshaltung, verstößt er zu Lasten der Antragsgegnerin gegen die im Interesse der Nachfrager gebotene Markttransparenz; dieses Verhalten ist auch geeignet, eine spürbare Nachfrageverlagerung zugunsten der Mitbewerberin zu bewirken und dadurch die Marktposition der Antragsgegnerin zu schwächen (vgl dazu die Entscheidung des BGH vom 26. 10. 1972 - Registrierkassen, abgedruckt bei Tahedl, Der Missbrauch marktbeherrschender Stellung im österreichischen Kartellrecht, 185, zu einem gleichsam spiegelbildlichen Sachverhalt: Eine Liefersperre wurde deshalb für berechtigt erachtet, weil der Betreiber eines Wartungsdienstes für Registrierkassen durch Verwendung von Klebezetteln, die gegenüber den vom Hersteller an den Kassen angebrachten Klebezetteln nur geringfügig modifiziert waren, den Anschein erweckt hat, er führe die Wartung im Rahmen des Kundendienstes des Herstellers aus). Die Antragstellerin kommt in ihrem Rechtsmittel auf die im Verfahren erster Instanz noch getroffene Unterscheidung zwischen dem Markt für Mobilfunknetze einerseits und jenem für den Vertrieb von Mobiltelefonen andererseits nicht mehr zurück; nur der Vollständigkeit halber ist sie dazu auf die jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu verweisen, die im Zusammenhang des § 9a UWG regelmäßig davon ausgeht, dass in Österreich an Mobiltelefonen ohne Teilnehmerverträge kaum Einzelinteresse besteht, weil solche Geräte nahezu ausschließlich in Verbindung mit dem Abschluss eines Teilnehmervertrags erworben werden (4 Ob 95/99w = RdW 1999, 530 = MR 1999, 239 - GSM-Jubiläums-Handy). Die geringe wirtschaftliche Bedeutung dieses Markts vermag am gewonnen Ergebnis, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten gerechtfertigt war, somit nichts zu ändern.

Dem Rekurs war ein Erfolg zu versagen.

Gemäß § 45 KartG sind unter anderem im Verfahren nach §§ 35 ff KartG die Bestimmungen der ZPO über den Kostenersatz sinngemäß anzuwenden. Die ZPO enthält keine Bestimmungen über den Kostenersatz bei einstweiligen Verfügungen; die einstweiligen Verfügungen sind in §§ 378 ff EO geregelt. Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber im Provisorialverfahren in Kartellsachen keinen Kostenersatz vorsehen wollte; für einen solchen Ausschluss fehlt jede sachliche Rechtfertigung. Es muss daher eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes angenommen werden, die durch analoge Anwendung der Bestimmungen über den Kostenersatz im Provisorialverfahren nach der EO zu schließen ist (so schon Okt 3/93 zu § 45 KartG idF vor der Novelle 1993). Ein Kostenersatzanspruch des Antragsgegners im kartellrechtlichen Provisorialverfahren als einem vom Hauptverfahren losgelösten Zwischenstreit könnte sich daher auf §§ 402, 78 EO, §§ 41, 50 ZPO stützen (16 Ok 1/99 = ÖBl 1999, 297 - One). Eine Kostenersatzpflicht tritt aber nach § 45 Abs 2 KartG in Verfahren nach den §§ 35 ff KartG nur soweit ein, als die Rechtsverfolgung oder -verteidigung mutwillig war; für ein im Zusammenhang eines solchen Hauptverfahrens durchgeführtes Provisorialverfahren muss dieselbe Einschränkung gelten. Eine mutwillige Rechtsverfolgung ist hier nicht zu erkennen; ein Kostenersatzanspruch der Antragsgegnerin kommt damit nicht in Betracht.

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