Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat die sexuelle Belästigung eines weiblichen Lehrlings durch den Kläger zutreffend als wichtigen Grund, der die Beklagte zur Entlassung gemäß § 82 lit g erster Tatbestand GewO 1859 berechtigte, angesehen. Es reicht daher insoweit aus, auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist dem Revisionswerber entgegenzuhalten:
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen trat der seit Jahren bei der Beklagten als Lagerarbeiter beschäftigte, damals 36-jährige Kläger in der Zeit ab Ende 1996/Anfang 1997 mehrmals an die damals 15-jährige, erst seit 3 bis 4 Monaten bei der Beklagten als Bürokauffrau-Lehrling beschäftigte Melanie M***** von hinten heran und berührte sie dabei nicht nur jeweils über der Kleidung an beiden Seiten, sondern auch am Gesäß. Dabei äußerte der Kläger, dass sie "dies so brauche und dies so wolle". Diese Angriffe des Klägers wiederholten sich in der Folge mehrmals innerhalb eines Zeitraumes von einem halben bis Dreivierteljahr. Tragfähige Anhaltspunkte, aus denen der Kläger hätte schließen können, sein Verhalten wäre auch nur annähernd erwünscht, kamen nicht hervor. Im Anschluss an eine größere Auseinandersetzung stellte der Kläger schließlich ab Sommer 1997 seine sexuelle Übergriffe ein, schikanierte jedoch Melanie M***** in der Folge weiter, indem er ihr beispielsweise Schachteln in den Weg stellte, wenn sie das Lager betreten musste. Nachdem sich Melanie M***** schließlich wegen der sexuellen Übergriffe des Klägers dem Geschäftsführer der Beklagten anvertraut und angekündigt hatte, aus diesen Gründen nach Abschluss der Lehre nicht weiter im Betrieb der Beklagten zu verbleiben, wurde der Kläger entlassen.
Bei dieser Sachlage ist der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes beizupflichten, dass die Beklagte berechtigt war, den Kläger gemäß § 82 lit g erster Tatbestand GewO 1859 zu entlassen, weil er sich gegenüber einer Arbeitskollegin einer groben Ehrenbeleidigung schuldig gemacht hatte. Der Revisionswerber versucht in der Revision, seine Übergriffe zu verharmlosen; dabei entfernt er sich allerdings in unzulässiger Weise von den bindenden Feststellungen (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 9 zu § 471); so etwa wenn er argumentiert, er habe die Betroffene nur "gehalten" bzw sie habe seine Annäherungsversuche "akzeptiert". Als abwegig ist der Versuch des Revisionswerbers anzusehen, aus der (angeblichen) Ehemündigkeit der Betroffenen abzuleiten, dass es sich "um einen in der heutigen Gesellschaft jedenfalls nicht verpönten Annäherungsversuch eines Mannes (gehandelt habe), den das junge Mädchen nicht zurückwies". Abgesehen davon, dass die Ehemündigkeit bei einer Frau erst mit dem vollendeten 16. Lebensjahr eintritt (§ 1 Abs 1 EheG); ist diese entgegen der Ansicht des Revisionswerbers jedenfalls kein Freibrief für Annäherungsversuche der hier festgestellten Art.
Ob die sexuellen Übergriffe des Klägers im vorliegenden Fall auch den Tatbestand der Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes infolge sexueller Belästigung durch (vom Arbeitgeber verschiedene) Dritte gemäß § 2 Abs 1a Z 2 und Abs 1b GlBG verwirklichten, braucht hier nicht im Einzelnen geprüft zu werden. Verfehlt ist aber in diesem Zusammenhang und auch im Hinblick auf die Bewertung der Schwere der vom Kläger gesetzten Handlungen die Ansicht des Revisionswerbers, es handle sich nur bei einem Berühren der "Geschlechtsteile" oder einem Küssen um ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten. Es geht im Zusammenhang mit dem Tatbestand der sexuellen Belästigung nicht nur um den Schutz der körperlichen Integrität vor unerwünschten sexuellen Handlungen, sondern es ist auch die psychische Verletzbarkeit gemeint. Letztlich geht es um Beeinträchtigungen der menschlichen Würde, also um Persönlichkeitsverletzungen. Körperliche Kontakte gegen den Willen der betroffenen Person ("Begrapschen") überschreiten im Allgemeinen die Toleranzgrenze (735 BlgNR 18. GP 33; Eichinger, Rechtsfragen zum Gleichbehandlungsgesetz: Mittelbare Diskriminierung - Sexuelle Belästigung - Beweislastverteilung 102 f mwN). Dass unter jene körperlichen Kontakte, die die Toleranzgrenze überschreiten, auch das Berühren des Gesäßes, begleitet von den bereits genannten Äußerungen, fällt, kann keinem Zweifel unterliegen (Kuderna, Entlassungsrecht2 122 FN 5).
Entscheidend ist im vorliegenden Fall, dass nach § 82 lit g erster Tatbestand GewO 1859 ein Arbeiter nicht nur entlassen werden kann, wenn er sich einer groben Ehrenbeleidigung gegenüber dem "Gewerbeinhaber" schuldig gemacht hat, sondern auch im Fall der groben Ehrenbeleidigung gegenüber einem Arbeitskollegen. Der Begriff der "groben Ehrenbeleidigung" stimmt mit jenem der "erheblichen Ehrverletzung" des § 27 Z 6 AngG überein (Kuderna aaO 139). Unter das Tatbestandsmerkmal der Ehrverletzung fallen nicht nur Äußerungen, sondern auch alle Handlungen, die geeignet sind, das Ansehen und die soziale Wertschätzung des Betroffenen durch Geringschätzung, Vorwurf einer niedrigen Gesinnung, üble Nachrede, Verspottung oder Beschimpfungen herabzusetzen und auf diese Weise das Ehrgefühl des Betroffenen zu verletzen. Zwar sind dies vor allem gegen die Ehre gerichtete strafbare Handlungen im Sinne der §§ 111 ff StGB, jedoch können auch nicht strafbare derartige Handlungen tatbestandsmäßig sein (Kuderna aaO 123; Eichinger in DRdA 1997, 51 [58]; Schwimann/Pfeil, ABGB2 VI § 1162 Rz 147).
Der Oberste Gerichtshof hat etwa in seiner Entscheidung RdW 1986, 349 ausgesprochen, dass jener Arbeitnehmer, der beispielsweise mit einer Tasche gegen einen Vorgesetzten "aufrieb" und sie schließlich derart auf den Boden schleuderte, dass der gesamte Inhalt herausfiel, eine grobe Ehrenbeleidigung im vorgenannten Sinne verwirklichte. Zu ARD 4169/5/90 wurde vom Obersten Gerichtshof unter die groben Ehrverletzungen (bzw Tätlichkeiten) gegen Vorgesetzte oder Mitbedienstete beispielsweise auch das Nachwerfen von Gegenständen oder Anspucken subsumiert. Gemeinsam ist all diesen Fällen, dass mit den inkriminierten Handlungen gegenüber dem Vorgesetzten oder einem Arbeitskollegen ein hohes Maß an Geringschätzung und Herabsetzung zum Ausdruck gebracht wurde. Um so mehr hat dies für den vorliegenden Fall zu gelten, in dem ein im Unternehmen bereits jahrelang beschäftigter, um 21 Jahre älterer Arbeiter gegenüber einem 15-jährigen, erst seit kurzer Zeit im Betrieb beschäftigten weiblichen Lehrling in wiederholten, sich über Monate erstreckenden Angriffen seine "Überlegenheit" in handgreiflicher Weise demonstrierte, indem er der Betroffenen mit der demütigenden Bemerkung, dass (er schon wisse und entscheide, dass) sie "dies so brauche und dies so wolle", an das Gesäß griff (vgl hiezu auch den vom Oberlandesgericht Wien zu ARD 4601/10/94 entschiedenen Fall, in dem ein Arbeitnehmer entlassen wurde, der einer Mitarbeiterin mit Bemerkungen wie "Ich hätte gerne einmal eine Rothaarige" etc. auf das Knie gegriffen hatte).
Das Vorliegen einer "groben" Ehrenbeleidigung im Sinne des § 82 lit g erster Tatbestand GewO 1859 wird regelmäßig dann bejaht, wenn die Ehrenbeleidigung nach ihrer Art und nach den Umständen, unter welchen sie erfolgte, von einem Menschen mit normalem Ehrgefühl nicht anders als mit dem Abbruch der Beziehungen beantwortet werden kann (Kuderna aaO 123; Eichinger in DRdA 1997, 51 [58]; Schwimann/Pfeil aaO § 1162 Rz 71). Ob nun eine Ehrenbeleidigung noch als geringfügig oder bereits als grob und damit als entlassungswürdig zu qualifizieren ist, hängt in aller Regel von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab (Kuderna aaO 123; Eichinger in DRdA 1997, 51 [58]; 9 ObA 254/90 ua). Im konkreten Fall kann in der Bejahung des Vorliegens einer bereits groben Ehrenbeleidigung durch die Vorinstanzen keine Fehlbeurteilung erblickt werden. Die festgestellten Übergriffe des Klägers wirkten nämlich für die Betroffene nicht nur in objektiver Hinsicht ehrverletzend, sondern riefen diese Wirkung auch in subjektiver Hinsicht tatsächlich hervor (Krejci in Rummel, ABGB2, Rz 139 zu § 1162; RIS-Justiz RS0029827, RS0029845), wie insbesondere auch aus ihrer Reaktion geschlossen werden kann (Kuderna aaO 123 mwN). Melanie M***** trachtete nach den Feststellungen nicht nur, dem Kläger aus dem Weg zu gehen; sie war auch nicht mehr gewillt, nach dem Lehrabschluss weiter im Betrieb zu bleiben.
In einem vergleichbaren Fall bejahte der Oberste Gerichtshof zu RdW 1997, 297 (= RIS-Justiz RS0105952) die Berechtigung eines Arbeitgebers zur Entlassung eines Stationsgehilfen, der eine Schwesternschülerin sexuell belästigt hatte. Auch im vorliegenden Fall durfte die Beklagte das Verhalten des Klägers, nachdem ihr die Vorfälle bekannt worden waren, mit der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses beantworten, zum einen um die Betroffene nicht der Gefahr weiterer Übergriffe des Klägers auszusetzen, zum anderen aber auch um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, nicht für geeignete Abhilfe gesorgt zu haben (vgl § 2 Abs 1a Z 3 GlBG; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht7 407). Generell gilt, dass der Arbeitgeber dafür zu sorgen hat, dass die geschlechtliche Selbstbestimmung (§ 1328 ABGB; früher "Geschlechtsehre" - vgl. zur Begriffsentwicklung Karner in JBl 1997, 685), sexuelle Integrität und Intimsphäre der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird (Krejci in Rummel aaO Rz 23 zu § 1157; Kerschner in DRdA 1989, 240 [242]). Jugendliche (Lehrlinge) sind besonders schutzbedürftig (§ 23 KJBG; §§ 4, 9 BAG; Dirschmied, KJBG 19873 197; Krejci in Rummel aaO Rz 23 zu § 1157; Schwarz/Löschnigg aaO 171 u. 969; Binder in ÖJZ 1998, 175 [177]). Beim Schutz minderjähriger Arbeitnehmer liegt ein wesentlicher Anwendungsbereich des Verbotes sexueller Belästigung (Eichinger, Rechtsfragen zum Gleichbehandlungsgesetz: Mittelbare Diskriminierung - Sexuelle Belästigung - Beweislastverteilung 97).
Dass die sexuellen Übergriffe des Klägers, als sie der Beklagten bekannt wurden, bereits etwa ein Jahr zurücklagen, nahm ihnen nicht die Unzumutbarkeit der weiteren Beschäftigung des Klägers, zumal unter Umständen schon eine einmalige schwerwiegende Handlung den Entlassungstatbestand erfüllen kann (Schwimann/Pfeil, ABGB2 aaO Rz 147), hier aber der Kläger sogar seine Angriffe monatelang fortgesetzt hatte. Im Übrigen reagierte der Kläger keineswegs mit Einsicht auf die Zurückweisung seines "Grapschens", sondern damit, dass er die Betroffene in anderer Weise weiterschikanierte, indem er ihr etwa Schachteln in den Weg stellte, wenn sie das Lager betreten musste. Damit schuf er für Melanie M***** bis zu seiner Entlassung eine einschüchternde und demütigende Arbeitsumwelt (vgl § 2 Abs 1b Z 1 GlBG). In diesem Zusammenhang ist auch die Empfehlung 92/131/EWG der Kommission zum Schutz der Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz vom 27. 11. 1991 zu erwähnen. Hierin wird in Art I den Mitgliedstaaten empfohlen, Maßnahmen zur Förderung des Bewusstseins zu treffen, dass ein Verhalten sexueller Natur oder ein sonstiges Verhalten aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit, das die Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz beeinträchtigt, einschließlich des Verhaltens von Vorgesetzen und Kollegen, unannehmbar ist, wenn ein solches Verhalten für die Betroffene unerwünscht, unangebracht und anstößig ist (lit a) und/oder ein derartiges Verhalten ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Arbeitsklima für die betroffenen Person schafft (lit c).
Besondere Umstände, die das Verhalten des Klägers als entschuldbar erscheinen lassen, sind nicht hervorgekommen (Schwimann/Pfeil aaO Rz 148; ARD 4769/36/96; RIS-Justiz RS0060929, RS0060938).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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