OGH 11Os89/99

OGH11Os89/9910.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. August 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramts- anwärters Mag. Lokay als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alexander P***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Vorlage des Antrages des Verurteilten Manfred V***** auf außerordentliche Wiederaufnahme des Verfahrens an den Obersten Gerichtshof durch den Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien im Verfahren 2 d E Vr 10393/94, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Bierlein und des Verteidigers Mag. Dohnal, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten V***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren AZ 2 d E Vr 10.393/94 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien hat der Einzelrichter durch die Vorlage des vom Verurteilten Manfred V***** bei diesem Gericht eingebrachten Antrages auf außerordentliche Wiederaufnahme an den Obersten Gerichtshof das Gesetz in der Bestimmung des § 362 Abs 3 StPO verletzt.

Dem Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wird aufgetragen, dem Gesetz gemäß zu verfahren.

Text

Gründe:

Manfred V***** wurde mit rechtskräftigem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. Mai 1995, GZ 2 d E Vr 10.393/94-91, des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Am 7. Jänner 1999 brachte der Verurteilte beim Landesgericht für Strafsachen Wien einen Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens im außerordentlichen Weg nach § 362 StPO ein, der mit dem Ersuchen um Weiterleitung des Aktes an die Generalprokuratur verbunden war (ON 124/II).

Bei Behandlung dieses Schreibens machte der Einzelrichter von keiner der nach Lage des Falles in Betracht kommenden Möglichkeiten (Belehrung des unvertretenen Verurteilten über § 362 StPO; Weiterleitung der Akten an die gemäß § 362 Abs 1 Z 2 StPO allein antragslegitimierte Generalprokuratur; Abweisung nach § 362 Abs 3 StPO) Gebrauch, sondern legte den Antrag - ersichtlich in Verkennung der Rechtslage - wie ein ordentliches (dem Kompetenzbereich des Obersten Gerichtshofes unterfallendes) Rechtsmittel mit Verfügung vom 21. April 1999 unter Aktenanschluß dem Obersten Gerichtshof vor (ON 128, 130/II). Dieser stellte den Akt nach Befassung der Generalprokuratur - die keinen Anlaß zu einer Antragstellung nach § 362 Abs 1 Z 2 StPO fand - dem Erstgericht mit Note vom 12. Mai 1999 unter Hinweis auf die Regelung des § 362 Abs 3 StPO (wonach Anträge von Privaten auf außerordentliche Wiederaufnahme von den Gerichten, bei denen sie einlaufen, - im Sinne einer Zurückweisung ohne meritorische Prüfung - abzuweisen sind) zur weiteren Amtshandlung zurück (ON 131/II).

Daraufhin übermittelte der Einzelrichter (offenbar in Unkenntnis der bereits erfolgten Prüfung des Sachverhaltes durch die Generalprokuratur) das gegenständliche Begehren des Manfred V***** mit Schreiben vom 1. Juni 1999 an die Generalprokuratur (ON 132/II) und bemerkte hiezu, daß ein "Verurteilter wohl nicht als Privater im Sinn des § 362 Abs 3 StPO betrachtet werden kann". In dieser Beifügung wird neuerlich jener Rechtsirrtum geäußert, der sich schon bei der vorangegangenen Befassung des Obersten Gerichtshofes manifestiert hat.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, verletzt die Vorlage des Antrages des Verurteilten Manfred V***** auf außerordentliche Wiederaufnahme des Strafverfahrens gemäß § 362 StPO am 21. April 1999 durch den Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien an den Obersten Gerichtshof das Gesetz in der Bestimmung des § 362 Abs 3 StPO.

Die Auffassung des Einzelrichters, daß es sich beim Angeklagten (Verurteilten) nicht um einen "Privaten" im Sinne des § 362 Abs 3 StPO handle, negiert den Wortlaut des § 362 Abs 1 Z 2 StPO, wonach allein dem Generalprokurator - nicht aber anderen (Privat-)Personen - Antragsberechtigung zukommt, und die darauf basierende gefestigte Rechtsprechung (15 Os 2/96; 12 Os 7/95; 13 Os 103/94; 15 Os 9/94; 13 Os 173/93 uva).

Diese Gesetzesverletzung war festzustellen und dem Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien aufzutragen, den zitierten gesetzlichen Bestimmungen ent- sprechend vorzugehen.

Stichworte