OGH 5Ob134/99p

OGH5Ob134/99p26.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Bekir Cengiz P*****, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, gegen die Antragsgegnerin C***** GesmbH, *****, vertreten durch Putz & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung des zulässigen Hauptmietzinses (§ 37 Abs 1 Z 8 MRG) infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 4. Februar 1999, GZ 11 R 295/98y-45, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 22. Juni 1998, GZ 15 Msch 9/95f-42, bestätigt wurde, folgenden

Sachbeschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 4***** KG Linz, auf der, wie jetzt feststeht, nach gänzlichem Abriß des alten Baubestandes auf Grund einer Baubewilligung vom 2. 2. 1989 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel ein neues Gebäude (das Geschäftszentrum "G*****hof") errichtet wurde. Der Antragsteller war ab 12. 7. 1990 Mieter des in diesem neuen Gebäude gelegenen Geschäftslokals II.

Mit Sachantrag vom 12. 7. 1994 begehrte der Antragsteller die Überprüfung des vereinbarten Hauptmietzinses von S 5.900,-- monatlich. Der hierüber abgeführte erste Rechtsgang endete mit der Entscheidung des OGH vom 13. 3. 1996, 5 Ob 2033/96y (EWr I/1/74 = immolex 1997, 4/1 = WoBl 1998, 13/1 mit Anm von Dirnbacher), auf die verwiesen werden kann. Damals war noch nicht geklärt, ob nicht ein vermietbarer (73,84m2 großer) Raum des alten Baubestandes der Liegenschaft EZ 4***** der KG Linz erhalten geblieben und als Lokal VIId in das neue Geschäftszentrum integriert worden ist. Die deshalb als notwendig erachtete Verfahrensergänzung hat jedoch ergeben, daß sich das fragliche Geschäftslokal VIId zur Gänze in einem auf der Nachbarliegenschaft (EZ 9***** der KG Linz) stehenden Gebäude befindet. Es handelt sich dabei um einen Gewölbekeller, der 1989 von der Antragsgegnerin angemietet wurde, um ihn dem geplanten Geschäftszentrum nutzbar zu machen. Der Antragsgegnerin wurde vertraglich gestattet, bauliche Veränderungen jeglicher Art und Adaptierungen am Bestandobjekt vorzunehmen, allerdings mit der Verpflichtung, den (geplanten und derzeit - auf Grund einer ergänzten Baubewilligung - bestehenden) Durchbruch und Zugang zur Liegenschaft EZ 4***** der KG Linz nach Beendigung des Bestandverhältnisses wieder zu schließen.

Auf Grund dieses Sachverhaltes wiesen beide Vorinstanzen den Sachantrag des Antragstellers, eine Überschreitung des zulässigen Hauptmietzinses im Zeitraum 1. 7. 1990 bis 30. 6. 1992 festzustellen, (erneut) ab. Die weitgehend übereinstimmenden Entscheidungsgründe lassen sich an Hand der Rechtsausführungen des Rekursgerichtes wie folgt darstellen:

Die im gegenständlichen Fall relevante Bestimmung des § 16 Abs 1 Z 1 aF MRG gelte gemäß § 1 Abs 4 Z 1 MRG nicht für Mietgegenstände, die in Gebäuden gelegen sind, die ohne Zuhilfenahme öffentlicher Förderungsmittel auf Grund einer nach dem 30. 6. 1953 erteilten Baubewilligung errichtet worden sind. Es sei daher zu prüfen, was unter einem "Gebäude" zu verstehen ist, das sich, wie hier, über zwei selbständige Grundbuchskörper erstreckt.

Zutreffend habe das Erstgericht erkannt, daß allein schon die Komplikationen, die entstehen können, wenn sich Eigentümer- und Vermieterstellung nicht decken, eine Gesetzesauslegung ausschließe, die die Liegenschaftsgrenzen außer Betracht läßt (vgl WoBl 1993/123 und 5 Ob 141/95). Das bedeute aber nichts anderes, als daß bloß wirtschaftliche Kriterien - hier die bauliche, also bloß faktische Eingliederung des Gewölbekellers eines Hauses in ein auf einem anderen Grundbuchskörper befindliches Geschäftszentrum - nicht ausschlaggebend sind.

Im konkreten Fall sei daher für die Frage, ob eine Neuerrichtung iSd § 1 Abs 4 Z 1 MRG vorliegt, nur jener Gebäudeteil zu betrachten, der der EZ 4***** KG Linz zugehört. Dieser sei neu errichtet worden. Ob der auf der EZ 9***** KG Linz gelegene zugemietete Gewölbekeller baulich in das Geschäftszentrum integriert wurde, sei unbeachtlich (vgl zu § 17 MRG 5 Ob 107/95).

Damit komme die Bestimmung des § 1 Abs 4 Z 1 MRG zur Anwendung, sodaß das Erstgericht den Mietzinsüberprüfungsantrag des Antragstellers zu Recht abgewiesen habe.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es liege zwar höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung der Begriffe "Haus" iSd § 17 MRG sowie "Wohnhaus" iSd § 1 Abs 4 Z 2 MRG, nicht aber zur hier anstehenden Rechtsfrage vor, ob bei einem "Gebäude" iSd § 1 Abs 4 Z 1 MRG auf Liegenschaftsgrenzen Bedacht zu nehmen ist. Daß ein Gebäude iSd § 17 MRG nicht über Liegenschaftsgrenzen gehen könne, sei nicht automatisch auf den in § 1 Abs 4 Z 1 MRG verwendeten Begriff des Gebäudes zu übertragen (5 Ob 124/98s; 5 Ob 107/95).

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen stellt der Antragsteller in seinem Revisionsrekurs mit dem Argument in Frage, daß es nach der Vorentscheidung 5 Ob 2033/96y für die Verneinung des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs 4 Z 1 MRG nur darauf ankommen könne, ob mehr als nur einzelne Mauern eines alten Objektes, nämlich ein als Geschäftslokal nutzbarer ganzer Raum in das neue Geschäftszentrum integriert wurde. Ob es sich bei diesem Raum um einen Bestandteil der Nachbarliegenschaft handelt, sei unerheblich. Die von den Vorinstanzen befürchteten Komplikationen bei einem Auseinanderfallen von Eigentümer- und Vermieterstellung könnten die Annahme des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs 4 Z 1 MRG nicht rechtfertigen. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den Sachbeschluß der zweiten Instanz so abzuändern, daß dem Mietzinsüberprüfungsantrag des Antragstellers stattgegeben und die Antragsgegnerin zur Rückzahlung der Überschreitungsbeträge verurteilt wird; hilfsweise soll der rekursgerichtliche Sachbeschluß (allenfalls unter Einschluß des erstgerichtlichen Sachbeschlusses) aufgehoben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückverwiesen werden.

Von der Antragsgegnerin liegt dazu eine fristgerecht erstattete Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag vor, die Entscheidungen der Vorinstanzen zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß der OGH die auf § 1 Abs 4 Z 1 MRG bezogene Ausnahmeschädlichkeit der Einbeziehung eines vom ursprünglichen Baubestand erhalten gebliebenen Raumes in das von der Antragsgegnerin auf Grund einer Baubewilligung vom 2. 2. 1989 auf der Liegenschaft EZ 4***** KG Linz errichtete Gebäude nie auf den Fall bezogen hat, daß sich der fragliche Raum in einem Haus auf der (noch dazu im Fremdeigentum stehenden) Nachbarliegenschaft EZ 9***** KG Linz befindet. Dieser Sachverhalt ist erst im zweiten Rechtsgang hervorgekommen. Von einer Mißachtung der Bindungswirkung der Entscheidung 2 Ob 2033/96y durch die Vorinstanzen kann daher keine Rede sein.

Im übrigen ist den Vorinstanzen beizupflichten, daß der jetzt feststehende Sachverhalt den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG erfüllt.

Wie das Rekursgericht zutreffend anmerkte, wurde zum Ausnahmetatbestand des § 1Abs 4 Z 2 MRG (der an das "Wohnhaus" mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen anknüpft) bereits judiziert, daß weitere Gebäude neben dem Ein- bzw Zweifamilienhaus für die Verfehlung der Teilausnahme vom MRG nur dann eine Rolle spielen können, wenn sie sich auf derselben Liegenschaft (auf demselben Grundbuchskörper) befinden wie das zu beurteilende Objekt. Über Liegenschaftsgrenzen hinaus läßt sich nämlich der für die Einheit "Haus" ("Zweifamilienhaus", "Liegenschaft") erforderliche Zusammenhang mehrerer Gebäude nicht herstellen (MietSlg 47/36). Das gebieten nicht nur Zweckmäßigkeitserwägungen, wie sie etwa in Entscheidungen zur Problematik der Überwälzung von Bewirtschaftungskosten auf den Mieter eines sich über zwei oder mehrere Grundbuchskörper erstreckenden Bestandobjekts angestellt wurden (vgl WoBl 1993, 183/123 ua); entscheidend ist vielmehr, daß sich mit den Begriffen "Haus", "Wohnhaus", "Gebäude" etc bestimmte Verkehrsanschauungen verbinden, die der Gesetzgeber offenbar für die Gesetzesauslegung nutzen wollte, indem er sich dieser landläufigen Begriffe bediente.

Genau für diese Auslegung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung hat sich der OGH auch schon bei der Prüfung des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs 4 Z 1 MRG entschieden. Er hielt zwar immer daran fest, daß die Neuerrichtung eines einzelnen Mietobjektes oder der bloße Umbau des Gebäudes unter Wiederverwendung bestehen gebliebener vermietbarer Räume nicht zur Teilausnahme vom MRG führt (WoBl 1993, 114/78; WoBl 1995, 18/6; WoBl 1998, 13/1; 5 Ob 43/97b = EWr I/1/87; Würth in Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 53 zu § 1 MRG; Dirnbacher in der Anm zu WoBl 1998, 45/16), stellte aber andererseits klar, daß der Anbau eines neuen Gebäudes an ein bestehen gebliebenes nicht einmal dann schadet, wenn sich Alt- und Neubau auf einem Grundbuchskörper befinden und Verbindungen (etwa durch Zwischentrakte, gemeinsame Abwasserleitungen udgl) zwischen ihnen bestehen (vgl WoBl 1999, 13/1; WoBl 1999, 13/2; immolex 1999, 7/2).

Übertragen auf den gegenständlichen Fall bedeutet dies, daß an der vom Tatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG geforderten Neuerrichtung des Gebäudes, in dem der Mietgegenstand des Antragstellers liegt, nicht zu zweifeln ist. Daß durch einen Mauerdurchbruch eine Verbindung zu einem bestehen gebliebenen anderen Gebäude hergestellt wurde, schadet der Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung nicht, weil nach der Verkehrsauffassung, die der Anbindung eines Neubaus an einen Altbau keine unterscheidungskräftige Bedeutung zumißt, ein völlig neues Gebäude geschaffen wurde. In ihm befindet sich keinerlei Altbestand, sodaß auch nicht von einer ausnahmeschädlichen Weiterverwendung erhalten gebliebener Räume gesprochen werden kann. Daß sich die vom Neubau erschlossene alte Bausubstanz auf einem anderen Grundbuchskörper befindet, verstärkt diese an der Verkehrsanschauung orientierte Auslegung. Zu Recht haben daher die Vorinstanzen mit dem Hinweis auf die Ausnahmeregelung des § 1 Abs 4 Z 1 MRG die vom Antragsteller begehrte Mietzinsüberprüfung abgelehnt.

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