OGH 7Ob106/98h

OGH7Ob106/98h30.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Emmerich S*****, vertreten durch Mag. Norbert Lotz, Rechtsanwalt in Traun, wider die beklagten Parteien 1. Gerhard N*****, Angestellter und 2. Gertrude N*****, Kauffrau, beide *****, beide vertreten durch Dr. Alois Nußbaumer und Dr. Stefan Hoffmann, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen S 3,217.791,-- sA (Revisionsstreitwert S 3,113.313,--), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 18. Dezember 1997, GZ 4 R 127/97t-33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 7. April 1997, GZ 6 Cg 169/95z-25, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Soweit in der Revision Nichtigkeit geltend gemacht wird, wird sie zurückgewiesen.

Im übrigen wird der Revision Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung von S 104.478,-- sA als unangefochten unberührt bleiben, werden im übrigen aufgehoben. Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 31. 7. 1992 kaufte der Kläger von den Beklagten einen 1.430m**2 großen Teil ihrer Liegenschaft EZ 288 KG S***** mit dem Haus S***** 13. Der Kaufpreis betrug S 6,800.000,--, wovon der Kläger S 6,720.000,-- bezahlte.

In dem dem vorliegenden Rechtsstreit vorangegangen Verfahren zu 3 Cg 346/92y des Landesgerichtes Linz forderten die Verkäufer vom Kläger (dort Beklagten) die Bezahlung des restlichen Kaufpreises von S 80.000,--. Die Klage wurde mit der Begründung rechtskräftig abgewiesen, daß die Beklagten (dort Kläger) den Kläger durch List zum Vertragsschluß veranlaßt hätten (§ 870 ABGB). Der Kläger hatte u.a. eingewendet, daß er von den Beklagten insofern bewußt in Irrtum geführt worden sei, als sie ihm, nachdem er erkannt gehabt habe, daß die Anordnung der Räumlichkeiten des Hauses nicht mit den ihm vorgelegten Skizzen übereinstimmten, erklärt hätten, daß es diesbezüglich keine Probleme gebe. Tatsächlich sei aber wegen Abweichungen vom baubehördlich bewilligten Plan keine Benützungsbewilligung erteilt worden und hätte der Kläger (dort Beklagte) bei Kenntnis der wahren Sachlage das Objekt nie erworben. Den Entscheidungsgründen des Landesgerichtes Linz ist zu entnehmen, daß die (hier) Beklagten den Kläger über wesentliche Umstände des Kaufes dadurch bewußt in Irrtum geführt haben, daß sie ihm, um ihn zum Hauskauf zu veranlassen, den Inhalt der baubehördlichen Niederschrift vom 9. Dezember 1991 verschwiegen haben. In dieser anläßlich einer Prüfung der Baubehörde verfaßten Niederschrift wurde festgehalten, daß wegen Abweichungen vom seinerzeit erteilten Baubescheid seitens des bautechnischen Sachverständigen einer Benützungs- bewilligung keinesfalls zugestimmt werden könne.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger im wesentlichen unter Berufung auf den im Verfahren 3 Cg 346/92y Landesgericht Linz festgestellten Sachverhalt, wonach ihn die Beklagten beim Liegenschaftskauf also überlistet hätten, von den Beklagten S 3,217.791,-- sA aus dem Titel des Schadenersatzes. Mangels Zustimmung der Beklagten zur Rückabwicklung des Kaufes sei der Kläger wegen erheblicher Schulden zu einen Notverkauf um S 5,500.000,-- gezwungen gewesen. Der Mindererlös von S 1,220.000,-- sei ihm von den Beklagten ebenso zu ersetzen wie die ihm im Zusammenhang mit der Finanzierung des Hauskaufs entstandene Zinsenbelastung von S 1,046.191,--. Restliche kleinere Beträge begehrte der Kläger detailliert aufgeschlüsselt für diverse Provisionen, frustrierte Umplanungen und für frustrierte Grunderwerbssteuer.

Die Beklagten beantragten Klagsabweisung. Sie bestritten jedwedes rechtswidrige und schuldhafte Verhalten beim Vertragsabschluß. Das Kaufobjekt sei damals noch nicht bezugsfertig gewesen. Eine in Einzelheiten vom Plan abweichende Bauausführung habe der Kläger unbeanstandet zur Kenntnis genommen. Hinsichtlich der baurechtlichen Genehmigungen hätten die Beklagten den Kläger mehrmals an die Gemeinde Seewalchen verwiesen. Über das Nichtvorliegen einer Benützungsbewilligung sei der Kläger informiert gewesen. Ein etwaiger Irrtum des Klägers über die Vermietungstauglichkeit des erst fertigzustellenden Kaufobjektes stelle nur einen Motivirrtum dar. Weiters beriefen sich die Beklagten auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluß und Anfechtungsverzicht. Durch die Verbücherung seines Eigentumsrechtes und die Weiterveräußerung der Liegenschaft habe der Kläger unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, daß der Kaufvertrag mangelfrei geschlossen worden sei und daß er sich an den Kaufvertrag gebunden erachte.

Das Erstgericht erkannte die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger S 1,587.600,-- samt 4 % Zinsen seit Klagszustellung zu bezahlen. Das Mehrbegehren von S 1.630.191,-- samt Zinsen wurde abgewiesen. Das Erstgericht führte, soweit hier wesentlich aus, das im Verfahren zu 3 Cg 346/92y des Landesgerichtes Linz ergangene rechtskräftige Urteil entfalte insoweit eine Bindungswirkung für den gegenständlichen Schadenersatzprozeß, als von der arglistigen Täuschung des Klägers durch die Beklagten anläßlich des Kaufvertragsabschlusses am 31. 7. 1992 auszugehen sei, weil die listige Irreführung im Vorprozeß nicht nur eine Vorfrage dargestellt habe, sondern es sich dabei um den Hauptgegenstand gehandelt habe. Damit stehe jedenfalls fest, daß der Kläger grundsätzlich Anspruch auf Schadenersatz nach § 874 ABGB habe und von den Beklagten den Vertrauensschaden ersetzt verlangen könne (den das Erstgericht mit S 1,587.600,-- ermittelte).

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge, änderte das erstinstanzliche Urteil aber infolge Berufung des Klägers dahin ab, daß es die Beklagten solidarisch zur Zahlung von S 3,113.313,-- sA verpflichtete und das Mehrbegehren nach Zahlung weiterer S 104.478,-- sA abwies. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte aus, das Kernstück der Berufung der Beklagten liege in der unter den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung dargestellten Argumentation, daß das Erstgericht zu Unrecht eine aus dem rechtskräftig beendeten Vorprozeß 3 Cg 346/92y des Landesgerichtes Linz resultierende Bindungswirkung angenommen habe. Eine solche Bindungswirkung sei zu verneinen, sodaß das Erstgericht sich nicht mit einem bloß punktuell durchgeführten Beweisverfahren hätte begnügen dürfen. Das Berufungsgericht erachtete dies als unzutreffend. Es vertrat die Ansicht, daß infolge rechtskräftiger Abweisung der Kaufpreisklage bindend und ohne Beweisaufnahme von einer den Beklagten zur Last fallenden listigen Irreführung des Klägers auszugehen sei. Der Klagsabweisung im Kaufpreisprozeß sei infolge erfolgreicher Wandlungseinrede eo ipso rechtsgestaltende Wirkung beizumessen.

Zur Schadenshöhe vertrat das Berufungsgericht von der Rechtsmeinung des Erstgerichts abweichende Ansichten und gelangte deshalb zur teilweisen Abänderung des Ersturteils.

Gegen den stattgebenden Teil dieses Urteils richtet sich die aus den Gründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht oder das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen. In eventu möge das angefochtene Urteil dahin abgeändert werden, daß das Klagebegehren vollinhaltlich abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung die Revision, insofern sie Nichtigkeit geltend macht, zu verwerfen, im übrigen die Revision als unzulässig zurückzuweisen oder ihr keine Folge zu geben.

Soweit die Revision Nichtigkeit geltend macht, ist sie zurückzuweisen: Der ausdrücklich geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO enthält in Wirklichkeit keine Ausführungen zu einem der drei in dieser Gesetzesstelle genannten Nichtigkeitsgründe. Vielmehr wird "vorsichtshalber" lediglich der bereits in der Mängelrüge erhobene Vorwurf wiederholt, die Vorinstanzen hätten (aufgrund ihrer unrichtigen Annahme einer Bindung an den Vorprozeß) über wesentliche Umstände kein Beweisverfahren durchgeführt, weshalb "die tatsächlichen Feststellungen in wesentlichen Beziehungen unvollständig" seien und "die Entscheidungsgründe nicht mit voller Sicherheit ersehen" ließen "welche von den in der Streitverhandlung vorgebrachten Angaben für wahr oder für unwahr zu halten" seien. Da damit jedoch keine Nichtigkeit im Sinne der zitierten Gesetzesstelle (iVm § 503 Abs 1 ZPO) geltend gemacht wird, ist die Nichtigkeitsrevision zu verwerfen.

Im übrigen ist die Revision, weil das Berufungsgericht von einer zu weit gefaßten Bindungwirkung des Vorprozesses ausging, zulässig und berechtigt.

Dem Berufungsgericht ist zunächst darin beizupflichten, daß in Lehre und neuerer Judikatur (vgl die Hinweise in Fasching, Zivilprozeßrecht2, Rz 1519 und Rechberger in Rechberger, ZPO, Rz 10 zu § 411) neben der unmittelbaren Rechtskraftwirkung eine inhaltliche Bindungswirkung des Vorprozesses für den Folgeprozeß anerkannt wird, wenn zwar keine Identität der Begehren vorliegt, aber gewisse Fälle der Präjudizialität gegeben sind. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der rechtskräftig entschiedene Anspruch überhaupt Vorfrage (bedingendes Rechtsverhältnis) für den neuen Anspruch ist, also der Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung zum Tatbestand der mit der neuen Klage begehrten Rechtsfolge gehört (RZ 1989/96; Fasching aaO Rz 1518). Häufigster Fall der bindenden Wirkung der materiellen Rechtskraft von Präjudizialentscheidungen ist in diesem Zusammenhang die Wirkung des Urteils über einen Zwischenantrag auf Feststellung (§§ 236, 259 Abs 2 ZPO) auf das Endurteil über das Klagebegehren (vgl Fasching aaO).

In der Judikatur (RIS-Justiz RS0041157) wird allerdings auch die Meinung vertreten, daß auch bei fehlender Identität des Begehrens ein Urteil eines Vorprozesses zufolge seiner materiellen Rechtskraft zur inhaltlichen Bindung des später entscheidenden Gerichtes führen könne, insbesondere wenn Parteien und rechtserzeugender Inhalt identisch seien und beide Prozesse in einem so engen inhaltlichen Zusammenhang stünden, daß die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben in beiden Fällen entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatteten. Diese von der überwiegenden Lehre (Deixler/Hübner, JBl 1996, 467; Frauenberger JBl 1996, 484; Oberhammer JAP 1996/97, 28 f; derselbe JBl 1995, 461; Fasching aaO Rz 1519; Rechberger aaO; derselbe in FS Nakamura 477, 483 f) abgelehnte Ansicht wird von der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (9 Ob 501/95 = SZ 68/2 = JBl 1995, 458 [Oberhammer]; 5 Ob 2152/96y = MietSlg 48.646; 5 Ob 2267/96k = MietSlg 48.645; 2 Ob 10/96 = SZ 69/54; 9 ObA 205/98g; zuletzt 5 Ob 12/99x) nur sehr eingeschränkt aufrecht erhalten bzw in Frage gestellt. Danach reicht es nicht aus, daß eine im Vorprozeß relevante Vorfrage auch eine solche des späteren Prozesses ist. Wenn eine bestimmte Tatsache aber im Vorprozeß nicht den Hauptgegenstand des Verfahrens bildete, sondern lediglich eine Vorfrage darstellte, kommt der Entscheidung dieser Vorfrage im Vorprozeß keine bindende Wirkung im folgenden zu (RZ 1989/96; 5 Ob 2152/96y).

Im vorliegenden Fall stellt die vom nunmehrigen Kläger im Vorprozeß erhobene Einrede, er sei von den hier Beklagten durch List zum gegenständlichen Kaufvertrag veranlaßt worden, für die Entscheidung über das Begehren der Verkäufer auf Zahlung eines Kaufpreisrestes lediglich eine Vorfrage dar. Das Klagebegehren hätte auch aufgrund anderer tatsächlich erhobener (s S 2 des Urteils zu 3 Cg 346/92-11 - mangelnde Fälligkeit des Kaufpreisrestes; Mangelhaftigkeit von Arbeiten, die die Verkäufer nachträglich zu erbringen gehabt hätten etc) oder allenfalls möglicher weiteren Einwendungen abgewiesen werden können. Die Vorfrage einer Überlistung beim bzw zum Liegenschaftskauf ist lediglich den Entscheidungsgründen zu entnehmen, die für sich allein nicht in Rechtskraft erwachsen können (vgl Fasching aaO Rz 1520 und 1523; Klicka, Bindungswirkung, RZ 1990, 2 ff [4]). Im Schrifttum (s. etwa Rechberger in Nakamura FS 477, 485) wird zutreffend darauf hingewiesen, daß die österreichische ZPO mit dem Zwischenantrag auf Feststellung ein Institut kennt, das - ausnahmsweise - die Möglichkeit einer rechtskräftigen Feststellung von Vorfragen eröffnet. Die Annahme, daß auch die Feststellungen über eine Vorfrage im Vorprozeß selbständig rechtskräftig werden können, würde den Zwischenantrag auf Feststellung völlig entwerten und überdies dem Wortlaut des § 411 ZPO widersprechen, wonach präjudizielle Rechtsverhältnisse dann rechtskräftig entschieden werden, wenn sie zum Inhalt eines Zwischenfeststellungsantrages gemacht wurden. Würden Vorfragen ohnehin bindend festgestellt, wäre dieser Halbsatz überflüssig (JBl 1995, 458 [Oberhammer]; Frauenberger JBl 1994, 483 f mwH; Rechberger in Nakamura FS aaO; 9 ObA 205/98g; zuletzt 5 Ob 12/99x).

Der Ansicht des Berufungsgerichtes, die im verstärkten Senat ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 8. 4. 1997, 1 Ob 2193/96d = SZ 70/60 könne die Annahme einer Bindungswirkung in der vorliegenden Causa stützen, kann nicht beigepflichtet werden. Dort geht es nämlich um den speziellen Fall des Nebenintervenienten, der sich trotz Streitverkündung nicht oder erfolglos an einem Vorprozeß beteiligt hat, dessen Hauptfrage unabdingbare Vorfrage des Regreßprozesses ist. Der eine zentrale Begründung dieser Entscheidung bildende Vorbehalt Österreichs zu Artikel 6 Nr 2 LGVÜ betrifft überdies einen völlig anderen Tatbestand als den hier zugrundeliegenden. Die genannte Entscheidung des verstärkten Senates vermag demnach am Gewicht der eben vorgetragenen Argumente gegen eine "Ausweitung der Bindungswirkung von Vorprozessen" nichts zu ändern (vgl 9 ObA 205/98g).

Auch der in SZ 70/60 in einem obiter dictum gemachten Andeutung, die erwähnten, zu "Rechtssicherheit und Entscheidungsharmonie" ergangenen Entscheidungen könnten durch die Art 21 Abs 1 und 22 Abs 3 LGVÜ neue Bedeutung erlangen und im vollen Umfange aufrecht zu halten sein, kann aus den in 9 ObA 205/98g angestellten Erwägungen nicht vorbehaltlos gefolgt werden (vgl allerdings 1 Ob 60/97y = SZ 70/261). Danach läßt sich solches auch aus der zu den parallelen Bestimmungen der Art 21 und 22 EUGVÜ ergangenen Rechtsprechung nicht ableiten. Der EuGH hat zu Art 21 EUGVÜ ausgesprochen (Slg der Rechtsprechung 1987 S 4861 Gubisch/Palumbo), daß dieser Artikel dann Anwendung zu finden hat, wenn die Parteien der beiden Prozesse diesselben sind und wenn beide Klagen wegen desselben Anspruchs anhängig gemacht worden sind. Dies sei insbesondere dann anzunehmen, wenn beide Rechtstreitigkeiten den gleichen Gegenstand hätten, wobei dieser Begriff nicht auf die formale Identität der beiden Klagen beschränkt werden könne. Insbesondere müsse vermieden werden, daß die Anerkennung einer in einem Vertragsstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidung, durch die die Verurteilung zur Erfüllung eines Vertrags ausgesprochen werde, im ersuchten Staat abgelehnt werde, wenn eine Entscheidung eines Gerichts dieses Staates vorläge, die die Unwirksamkeit oder die Auflösung desselben Vertrages ausspreche. Ein solches Ergebnis, das die Wirkung jeder gerichtlichen Entscheidung auf das nationale Hoheitsgebiet beschränke, liefe den Zielen des Einkommens zuwider, das auf eine Verstärkung des Rechtsschutzes innerhalb der gesamten Gemeinschaft und eine Erleichterung der Anerkennung der in jedem Vertragsstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidung in jedem anderen Vertragsstaat gerichtet sei. Unabhängig von der strittigen Frage, inwieweit das LGVÜ überhaupt anzuwenden, d.h. zur ergänzenden Interpretation inländischen Rechtes heranzuziehen ist (siehe SZ 70/60), kann die gegenständliche Fallkonstellation dem Begriff "desselben Anspruchs" im Sinn des Art 21 Abs 1 LGVÜ im Hinblick auf die obigen Darlegungen nicht gleichgehalten werden. Gleiches gilt für die Bestimmung des Art 22 LGVÜ, wonach dann, wenn bei Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Klagen, die im Zusammenhang stehen, erhoben werden, das später angerufene Gericht das Verfahren aussetzen kann, solange beide Klagen im ersten Rechtszug anhängig sind (Abs 1). Klagen stehen im Sinne dieses Artikels im Zusammenhang, wenn zwischen ihnen eine so enge Beziehung gegeben ist, daß eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, daß in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten (Abs 3). Dabei kann jedoch nicht übersehen werden, daß das Ergebnis des ersten Prozesses die zweite Partei und den Richter im zweiten Prozeß nicht formell bindet. Sinn dieser Bestimmung ist es vielmehr, die Möglichkeit offenzuhalten, daß dasjenige Gericht, welches sein Verfahren aussetzt, einen Erkenntnisgewinn ziehen kann, der später zur Entlastung des Verfahrens oder aber auch zu einer kohärenten Entscheidung führen kann (Schack in IPRax 1996, 80 zur Entscheidung des EuGH vom 6. 12. 1994, RSC 406/92 Tatry/Maciej Rataj). Auch eine Interpretation unter dem Blickwinkel des LGVÜ, das auf innerstaatlich geregelte Bindungswirkungen keinen unmittelbaren Einfluß nimmt, vermag daher jene Entscheidungen, die eine Bindung an den Vorprozeß aus Gründen der Rechtssicherheit und Entscheidungsharmonie annehmen, nicht wirklich zu stützen (s auch 5 Ob 12/99x).

Auch der erkennende Senat ist der Auffassung, daß "Entscheidungsharmonie" zwar grundsätzlich erstrebenswert ist, die Grenzen der materiellen Rechtskraft allein deshalb aber nicht ausgeweitet werden können. Mit dem Gedanken der Rechtssicherheit ist es durchaus vereinbar, bei der Beurteilung eines neuen Anspruchs Konsequenzen aus einer allenfalls erkannten Unrichtigkeit einer Vorentscheidung zu ziehen und jene nicht einfach "fortzuschreiben" (2 Ob 10/96 = SZ 69/54; RIS-Justiz RS0102102; zuletzt 5 Ob 12/99x). Da die von den Vorinstanzen angenommene Bindung an die Feststellungen betreffend eine listige Irreführung des nunmehrigen Klägers durch die hier Beklagten im Vorprozeß somit nicht besteht, erweist es sich als unumgänglich, die zu dieser Frage angebotenen Beweise aufzunehmen.

Der Revision war daher spruchgemäß stattzugeben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach entsprechender Verfahrensergänzung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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