OGH 5Ob258/98x

OGH5Ob258/98x24.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A*****gesellschaft mbH, ***** 2. A***** & Co KEG, ***** beide vertreten durch Lattenmayer, Luks & Enzinger Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei Mile B*****, vertreten durch Dr. Rainer Cuscoleca, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 4. Dezember 1997, GZ 40 R 658/97d-30, womit infolge Berufung der erstklagenden und beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 15. April 1996, GZ 5 C 726/95h-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Erstklägerin die mit S 2.436,48 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 406,08 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist seit 1978 Hauptmieter der Wohnung ***** im Haus G*****gasse ***** in*****. Die Erstklägerin ist seit 3. 2. 1994 zu 379.827stel Miteigentümerin der Liegenschaft G*****gasse ***** in ***** W***** und Wohnungseigentümerin der Wohnung top Nr 12.

Das Eigentumsrecht der Zweitklägerin hinsichtlich 38/827stel Anteile wurde erst am 10. 10. 1995 einverleibt.

Am 4. 9. 1995 brachten die Klägerinnen gegen den Beklagten eine Aufkündigung ein, die am 8. 9. 1995 bewilligt wurde und am 14. 9. 1995 dem Beklagten zugestellt wurde. Diese Aufkündigung ist auf den Kündigungsgrund ua des § 30 Abs 2 Z 4 MRG gestützt. In der Aufkündigung behaupteten die Klägerinnen, Mehrheitseigentümerinnen der Liegenschaft G*****gasse ***** in ***** zu sein.

Der Beklagte erhob rechtzeitig Einwendungen gegen die Aufkündigung, bestritt das Vorliegen der geltend gemachten Kündigungsgründe sowie die Aktivlegitimation der Klägerinnen.

Im ersten Rechtsgang erklärte das Erstgericht die Aufkündigung hinsichtlich der Erstklägerin für rechtswirksam und verpflichtete den Beklagten, der Erstklägerin die Wohnung top Nr 12 im Haus G*****gasse ***** binnen 14 Tagen geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG sei durch die gänzliche Weitergabe der Wohnung an L***** B***** erfüllt. Zur Aufkündigung sei allerdings nur die Erstklägerin allein aktiv legitimiert, weil für sie Wohnungseigentum an der aufgekündigten Wohnung begründet sei.

Über Berufung beider Streitteile hob das Gericht zweiter Instanz dieses Urteil auf, trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Zur Frage der Legitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft, der Parteibezeichnung und der Berichtungsfähigkeit liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Der Oberste Gerichtshof gab zu 6 Ob 231/97g am 11. 9. 1997 den Rekursen beider Streitteile Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sei unstrittig, daß ein Wohnungseigentümer die Wohnung in Ausübung seines alleinigen Nutzungsrechtes vermieten könne. Nur er und nicht die Gemeinschaft der Mit- und Wohnungseigentümer (§ 13 lit c WEG) sei Vermieter. Der Mieter eines Wohnungseigentümers stehe zu den übrigen Mit- und Wohnungseigentümern in keiner Rechtsbeziehung. Der Wohnungseigentümer könne nicht zu Lasten der übrigen Miteigentümer für diese ein Mietverhältnis begründen. Einen Anspruch nach § 6 MRG könne der Mieter daher nur gegen seinen Vertragspartner und nicht gegen die Miteigentümer des Hauses durchsetzen. Im Falle der Begründung von Wohnungseigentum nach Abschluß des Mietvertrages bleibe nach der Entscheidung 5 Ob 111/92 = WoBl 1994, 56, der von Call ausdrücklich zugestimmt worden sei (WoBl 1994, 213) der Anspruch auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten gegenüber dem ursprünglichen Vermieter erhalten. Durch die nachfolgende Begründung von Wohnungseigentum dürfe die gesetzliche Position des Mieters nicht beeinträchtigt werden. Für die Ansicht, daß der übernehmende Wohnungseigentümer als Erwerber im Sinn des § 1120 ABGB zu qualifizieren sei, spräche einiges. Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung sei nicht nur der bücherliche Erwerber einer Liegenschaft Einzelrechtsnachfolger in der Vermieterposition, sondern auch der Fruchtnießer und nach § 2 Abs 1 Satz 1 MRG idF des 3. WÄG auch der Mieter oder Pächter eines ganzen Hauses. Ein Wohnungseigentümer sei in seiner Rechtsposition diesen angeführten "Erwerbern" durchaus ähnlich. Dennoch bestehe das Wohnungseigentumsrecht als ausschließliches Nutzungsrecht nicht selbständig, sondern nur in Verbindung mit dem Miteigentum an der Liegenschaft. Darauf komme es bei der Beurteilung der Rechtsnachfolge im Sinn des § 1120 ABGB entscheidend an. Der schlichte Miteigentümer, der nicht auch Wohnungseigentümer sei, könne nur mit Zustimmung der anderen Miteigentümer vermieten und kündigen. Bestandgeber sei die Miteigentümergemeinschaft. Die Rechtsnachfolge im Miteigentum ändere an der Vermieterstellung der Gemeinschaft nichts, diese bleibe weiter Vermieter. Der erwerbende Miteigentümer trete gemäß § 1120 ABGB nur anstelle des Veräußerers des Miteigentumsanteils in die Gemeinschaft ein. Die Ansicht, daß hinsichtlich der Gestaltungsrechte des Vermieters anderes gelte, der erwerbende Wohnungseigentümer also ausschließlich zur Kündigung des übernommenen Mieters legitimiert sei, führe im Ergebnis zu einem gespaltenen Mietverhältnis, bei dem die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis auf Vermieterseite mehreren Personen zustünden. Eine solche Spaltung der Rechtsposition sei dem Mieter nicht zumutbar und auch aus § 1120 ABGB nicht ableitbar. Für die Kündigungslegitimation bedeutet das im Sinne der Entscheidung 5 Ob 44/97z = WoBl 1997, 55 und 6 Ob 52/97h, daß nach wie vor die Miteigentümergemeinschaft zur Kündigung legitimiert sei, weil es sich um einen Akt der ordentlichen Verwaltung handle. Der Hälfteeigentümer oder Minderheitseigentümer könne gegen Nachweis der Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer kündigen. Der Wohnungseigentümer hingegen habe als bloßer Miteigentümer nicht die Rechtstellung des allein zur Kündigung berechtigten Vermieters, sondern nur die beschränkten Rechte eines Miteigentümers.

Dabei könne im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob nicht der Wohnungseigentümer schon aufgrund seiner Rechtsposition in der Gemeinschaft allein berechtigt sei, für diese die Kündigung zu erheben. Auf einen solchen Rechtsgrund zur Aktivlegitimation habe sich nämlich die Erstklägerin nicht berufen. Beide Klägerinnen hätten ausdrücklich nur den Umstand geltend gemacht, daß sie (zusammen) Mehrheitseigentümerinnen der Liegenschaft seien. Es komme also im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob neben der Mehrheit der Miteigentümer oder neben dem Miteigentümer, der mit Zustimmung der Mehrheit kündige, auch einem Wohnungseigentümer schon aufgrund des Wohnungseigentumsvertrags die Legitimation zur Kündigung für die Gemeinschaft zukomme.

Gleichzeitig wurde dem Berufungsgericht aufgetragen, die zur Klärung der Aktivlegitimation erforderlichen ergänzenden Feststellungen über die Eigentumsverhältnisse, also darüber, ob die Klägerinnen Mehrheitseigentümer der Liegenschaft seien sowie eine Erörterung der Frage der Parteibezeichnung aufgetragen.

Auch im zweiten Rechtsgang steht fest, daß der Beklagte im maßgeblichen Zeitpunkt den Bestandgegenstand zur Gänze weitergegeben hatte und damit der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG erfüllt ist.

Im zweiten Rechtsgang traf das Berufungsgericht die oben wiedergegebenen Feststellungen über die Eigentumsverhältnisse an der Liegenschaft und der streitgegenständlichen Wohnung. Aus Anlaß der Erörterung der Aktivlegitimationen in der mündlichen Berufungsverhandlung brachte der Klagevertreter vor, daß der Wohnungseigentümer aufgrund des WEG zur auschließlichen Nutzung, die auch die Verwaltung inkludiere, berechtigt sei.

Mit Urteil vom 4. 12. 1997 gab das Berufungsgericht den Berufungen der zweitklagenden Partei und des Beklagten nicht Folge und bestätigte damit das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 15. 4. 1996.

Das Berufungsgericht ging davon aus, daß sich nunmehr die Erstklägerin zur Kündigungslegitimation auf ihre Rechtsposition als Wohnungseigentümerin gestützt habe, der nicht nur die ausschließliche Nutzung, sondern auch die Verwaltung des Wohnungseigentumsobjekts zukomme. Diese Legitimation ergebe sich aus § 13 Abs 1 WEG. Die Erstklägerin sei also als verwaltende Wohnungseigentümerin ebenso wie ein verwaltender Mehrheitseigentümer zur Kündigung legitimiert.

Hingegen komme eine Legitimation zur Aufkündigung der Zweitklägerin nicht zu, weil sie im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung noch nicht Miteigentümerin der Liegenschaft gewesen sei.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil hinsichtlich der Aktivlegitimation eines Wohnungseigentümers zur Kündigung keine einheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege und die vom Obersten Gerichtshof im ersten Rechtsgang ausgesprochene Rechtsansicht auf den nunmehr zu beurteilenden Sachverhalt - die Erstklägerin habe ihr Vorbringen hinsichtlich ihrer Aktivlegitimation geändert - nicht mehr anzuwenden sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich der Revisionsrekurs, richtig: die Revision des Beklagten, mit der die Aktivlegitimation der Erstklägerin unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im ersten Rechtsgang in Zweifel gezogen wird. Durch die nachfolgende Begründung von Wohnungseigentum dürfe die Position eines Mieters nicht beeinträchtigt werden. Die Rechtsnachfolge im Miteigentum ändere nichts an der Vermieterstellung der Miteigentümergemeinschaft, diese bleibe weiter Vermieter und zur Kündigung legitimiert.

Die klagenden Parteien beantragten, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Zunächst setzte die Erstklägerin durch die im Berufungsverfahren erstattete Erklärung, ihr komme das Kündigungsrecht schon aufgrund ihrer rechtlichen Eigenschaft als Wohnungseigentümerin der aufgekündigten Wohnung zu, keinen Verstoß gegen das Verbot des § 483 Abs 4 ZPO, wurde doch aus bereits im erstinstanzlichen Verfahren erwiesenen Tatsachen bloß ein neuer rechtlicher Gesichtspunkt abgeleitet (vgl Rechberger Rz 3 zu § 235 ZPO). Damit bindet aber die im ersten Rechtsgang vom Obersten Gerichtshof zu 6 Ob 231/97g geäußerte Rechtsansicht, daß nur die Mehrheit der Miteigentümer zur Aufkündigung des Mieters einer Eigentumswohnung legitimiert sei nicht mehr, weil der Oberste Gerichtshof in diesem Zusammenhang vom ursprünglichen Vorbringen der Klägerinnen ausgegangen war, sie seien als Mehrheitseigentümerinnen zur Kündigung legitimiert. Ausdrücklich wurde, wie schon oben dargestellt, offengelassen, ob nicht auch ein Wohnungseigentümer schon aufgrund des Wohnungseigentumsvertrags über die Legitimation zur Kündigung für die Gemeinschaft verfüge.

Nachdem sich die Erstklägerin auf eine solche Legitimation berufen hat, und die Verwirklichung des angezogenen Kündigungsgrundes durch den Beklagten nicht mehr strittig ist, ist allein die Frage entscheidend, ob ein Wohnungseigentümer, der sein Wohnungseigentum erst nach Abschluß des Mietvertrages erworben hat, zur Ausübung des Gestaltungsrechtes der Kündigung des Wohnungsmieters allein legitimiert ist. Die Abweisung des Kündigungsbegehrens der Zweitklägerin durch das Berufungsgericht blieb unbekämpft.

Die Frage der Aktivlegitimation des Wohnungseigentums-Vermieters zur Aufkündigung des übernommenen Mieters eines dem MRG unterliegenden Mietgegenstandes, an dem Wohnungseigentum erst nach dem Vertragsabschluß begründet worden ist, hat die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in den letzten zwei Jahren unterschiedliche, einander teils widersprechende, Positionen eingenommen. Zur vollständigen und ausführlichen Darstellung dieser Fragen kann auf Call, Mietrecht und Wohnungeigentum im MRG - Althaus in WoBl 1998, 161 f verwiesen werden. Mit der Entscheidung vom 10. 3. 1998, 5 Ob 44/98h = WoBl 1998, 177/120 hat der erkennende Senat eine Judikaturwende vollzogen und ausgesprochen, daß nicht die Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer oder die Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern vielmehr nur der einzelne WE-Vermieter den übernommenen MRG-Mieter aufkündigen kann. Der Senat folgte dazu weitgehend der Argumentation Calls in WoBl 1997, 182/55 und gab auch die Konstruktion der Abtretung des Kündigungs- als Gestaltungsrechts des Wohnungseigentums-Vermieters mit schlüssiger Zustimmung aller übrigen Mit- und Wohnungseigentümer auf. Die Einräumung des alleinigen Nutzungs- und Verfügungsrechts an einem bestimmten Objekt, mag es auch vermietet sein, die gemäß § 1 Abs 1 WEG dem Wesen einer von allen Miteigentümern gemeinsam getragenen Begründung von Wohnungseigentum entspreche, lasse regelmäßig die (ergänzende) Vertragsauslegung zu, daß dem Wohnungseigentümer damit auch alle jene Rechte übertragen werden, die mit seinem alleinigen Nutzungs- und Verfügungsrecht korrespondieren. Dazu gehöre auch das Recht, ein am Wohnungseigentumsobjekt bestehendes Mietverhältnis nach Maßgabe der gesetzlichen Möglichkeit aufzukündigen.

Das Ergebnis und die Begründung dieser Entscheidung ist bisher auf positiven Widerhall gestoßen (vor allem Call, Mietrecht und Wohnungseigentum im MRG-Haus, WoBl 1998, 161 f, der schon bisher für die Kündigungslegitimation des Wohnungseigentümers eingetreten ist und hiefür entscheidende Denkanstößte geliefert hat).

Der erkennende Senat hält auch entgegen anderer Judikatur (vgl etwa 6 Ob 52/97h = WoBl 1997, 237/96 und 6 Ob 231/97g = WoBl 1998, 144/103) daran fest (zuletzt 5 Ob 238/98f vom 13. 10. 1998).

Es hat daher auch im gegenständlichen Fall zu gelten, daß die Erstklägerin als Wohnungseigentümerin des Mietobjekts zur Kündigung legitimiert ist.

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Dabei war zu beachten, daß aufgrund der Rechtskraft der Entscheidung der zweiten Instanz hinsichtlich der fehlenden Aktivlegitimation der Zweitklägerin diese aus dem Prozeßrechtsverhältnis ausgeschieden ist.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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