OGH 5Ob238/98f

OGH5Ob238/98f13.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Christian H*****, vertreten durch Dr. Hans Böck, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Samir G*****, vertreten durch Dr. Helmut Adelsberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 18. September 1997, GZ 40 R 506/97a-32, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 28. Mai 1997, GZ 6 C 1702/96p-26, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerliche, erforderlichenfalls nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Der Beklagte ist seit 1989 Hauptmieter der Wohnung top 22 im Haus *****. An der betreffenden Liegenschaft wurde im Jahr 1993 Wohnungseigentum begründet. Der Kläger verfügt über insgesamt 402/691 Miteigentumsanteile und ist auch Wohnungseigentümer der verfahrensgegenständlichen Wohnung.

Die Wohnungseigentümer haben die Gustav P***** GmbH mit der Verwaltung der Liegenschaft beauftragt. Diese wiederum wird von Christian H***** und Peter S***** vertreten.

Am 21. 11. 1996 kündigte der Kläger dem Beklagten den Mietvertrag gerichtlich auf. Er machte die Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 Z 4 und Z 6 MRG geltend. Der Beklagte erhob dagegen fristgerecht Einwendungen, in denen er die regelmäßige Verwendung des aufgekündigten Objekts für eigene Wohnzwecke behauptete und die Aktivlegitimation des Klägers bestritt.

In der Folge ist nur auf die Frage der Kündigungslegitimation des Klägers einzugehen, weil deren Verneinung zur Aufhebung der Kündigung und Abweisung des Räumungsbegehrens führte. Das Erstgericht traf zwar auch Feststellungen, aus denen es die mangelnde Berechtigung der Aufkündigung ableitete, doch blieb die diesbezügliche Tatsachen und Beweisrüge aus den noch darzustellenden rechtlichen Erwägungen in zweiter Instanz unerledigt.

Die Rechtsfrage der Aktivlegitimation des Klägers wurde schon in erster Instanz erörtert. Das Erstgericht ließ diesbezügliche Zweifel erkennen und trug dem Kläger auf, "in der nächsten Verhandlung klarzustellen, ob die Parteienbezeichnung allenfalls dahingehend berichtigt werde, daß sämtliche Wohnungseigentümer als Kläger auftreten, allenfalls vertreten durch den derzeitigen Kläger, dieser vertreten durch den Klagevertreter". Der Kläger sah jedoch keine Notwendigkeit einer Richtigstellung der Bezeichnung der klagenden Partei. Er brachte vor, daß er "Mehrheitseigentümer sei und von allen Wohnungseigentümern des Hauses, sohin auch von der Wohnungseigentümergemeinschaft, über die Hausverwaltung Gustav P***** & Co zur Klagsführung bevollmächtigt sei".

Das Erstgericht hob, wie erwähnt, die Kündigung unter gleichzeitiger Abweisung des Räumungsbegehrens unter anderem deshalb auf, weil dem Kläger die Aktivlegimation fehle. Die nach Abschluß des Mietvertrages erfolgte Verbücherung des Wohnungseigentums habe an der Vermieterstellung sämtlicher Miteigentümer der Liegenschaft nichts geändert. Sind sämtliche Miteigentümer Bestandgeber, so hätten diese in einem Prozeß über die Auflösung des Bestandvertrages als Partei aufzutreten; sie bildeten eine einheitliche Streitpartei (vgl MGA ZPO14 E 27 zu § 14). Dementsprechend hätte die klagende Partei nicht im eigenen Namen, sondern im Namen aller Wohnungseigentümer oder als Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft das Verfahren führen müssen. Trotz Erörterung dieses Problems im Verfahren sei die Parteibezeichnung beibehalten und nicht auf die Wohnungseigentümergemeinschaft richtiggestellt worden.

Das von der klagenden Partei (die sich sicherhaltshalber als "nunmehr: Wohnungseigentümergemeinschaft des Hauses *****" bezeichnete) angerufene Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

Zunächst sei darauf hinzuweisen, daß sich der in der Berufung enthaltene Antrag auf Berichtigung der Bezeichnung der klagenden Partei auf die Wohnungseigentümergemeinschaft lediglich als Eventualantrag darstelle. Primär vertrete der Kläger weiterhin die Ansicht, daß er alleine im Aufkündigungsprozeß auftreten könne, da er Mehrheitseigentümer sei und überdies von allen Wohnungseigentümern über die Hausverwaltung Gustav P***** & Co zur Klagsführung bevollmächtigt sei. Das "Eventualvorbringen", daß, wenn dies nicht zutreffe, jedenfalls - auch von Amts wegen - auf die Wohnungseigentümergemeinschaft umzustellen sei, stehe in Wahrheit zum vom Kläger in erster Instanz vertretenen Rechtsstandpunkt im Widerspruch. Hiebei sei auch zu beachten, daß die Frage der Aktivlegitimation infolge Bestreitung durch den Beklagten in erster Instanz ausdrücklich erörtert wurde und der Berufungswerber trotz dieser Erörterung auf seiner alleinigen Parteistellung beharrt hat. Bereits aus diesem Grund verbiete sich eine eventuelle Richtigstellung auf die Wohnungseigentümergemeinschaft, da der Kläger in erster Instanz klargestellt habe, daß er eben nur im eigenen Namen auftreten will.

Damit erweise sich die gegenständliche Aufkündigung bereits wegen mangelnder Aktivlegitimation jedenfalls als unberechtigt.

Dem Kläger sei zwar zuzugeben, daß zur Kündigung auf der Bestandgeberseite der jeweilige Bestandgeber aktiv legitimiert ist, im Falle einer nachträglichen Begründung von Wohnungseigentum am vermieteten Objekt ändere sich jedoch nichts daran, daß nicht der nunmehrige Wohnungseigentümer, sondern die Gesamtheit aller Miteigentümer in Form der quasijuristischen Person der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 13c WEG) Vermieter sei (vgl immolex 1997/153). Diese müsse auch in einem Prozeß über die Mietrechte als Partei auftreten, mag auch der Kläger befugt sein, sie zu vertreten. Wenn wie im gegenständlichen Fall der Kläger trotz Erörterung keine Umstellung bzw Richtigstellung der Parteibezeichnung vornimmt, müsse dies zur Aufhebung der Aufkündigung wegen mangelnder Passivlegitimation führen (vgl WoBl 1997/96 = immolex 1997/153).

Ein Eingehen auf weitere Berufungsgründe erübrige sich, da bereits aus den genannten rechtlichen Überlegungen die Unberechtigkeit der Aufkündigung feststehe.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß zur Frage der aktiven Klagslegitimation im Kündigungsverfahren bei nachträglicher Begründung von Wohnungseigentum keine einheitliche Rechtsprechung des Höchstgerichtes vorliege.

In der Revision beharrt der Kläger auf seinem Rechtsstandpunkt, daß er als Mehrheitseigentümer des Hauses zur Aufkündigung des streitgegenständlichen Mietverhältnisses legitimiert sei, nicht zuletzt im Hinblick darauf, daß ihn alle Wohnungseigentümer zur Klagsführung bevollmächtigt hätten. Falls diese Rechtsauffassung vom Gericht nicht geteilt werde, hätte von Amts wegen eine Berichtigung der Bezeichnung der klagenden Partei auf die Wohnungseigentümergemeinschaft vorgenommen werden müssen (was der Kläger wie in der Berufung an die zweite Instanz vorwegnahm, indem er die klagende Partei als "nunmehr: Wohnungseigentümergemeinschaft des Hauses ..." bezeichnete). Die weiteren Rechtsmittelausführungen haben die geltend gemachten Kündigungsgründe zum Gegenstand.

Der Revisionsantrag geht dahin, die vorgeschlagene Parteiberichtigung vorzunehmen und das Berufungsurteil im Sinn einer Stattgebung des Kündigungs- und Räumungsbegehrens abzuändern, in eventu das Urteil der zweiten Instanz oder die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Vom Beklagten liegt dazu eine fristgerecht erstattete Revisionsbeantwortung mit dem Antrag vor, der zur Gänze unzulässigen Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie erweist sich im Sinn ihres ersten Aufhebungsbegehrens auch als berechtigt.

Mit der Frage, wer zur Aufkündigung eines Mietvertrages legitimiert ist, wenn nach dessen Abschluß Wohnungseigentum am fraglichen Mietobjekt begründet wurde, hat sich der erkennende Senat in jüngster Zeit mehrfach befaßt. Er ist dabei der von den Vorinstanzen vertretenen Rechtsauffassung entgegengetreten, daß nur alle Mit- und Wohnungseigentümer gemeinsam oder gar nur die Wohnungseigentümergemeinschaft kündigen könne. Vielmehr sei daran festzuhalten, daß jedenfalls der Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer die Kündigungslegitimation zuzubilligen ist (WoBl 1998, 104/147) und daß sogar der Wohnungseigentümer des Mietobjektes allein kündigen kann, wenn nach dem hypothetischen Parteiwillen aller Mit- und Wohnungseigentümer - wie bei der gegenseitigen Einräumung von Wohnungseigentum üblich - von einer Abtretung des diesbezüglichen Gestaltungsrechtes auszugehen ist (WoBl 1998, 177/120; WoBl 1998, 287/184). Abzulehnen ist in derartigen Fällen jedenfalls die Kündigungslegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft, da dieser Rechtspersönlichkeit nur in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft, nicht aber hinsichtlich einzelner Wohnungen zukommt, die in Sondernutzung stehen (vgl WoBl 1998, 177/120).

Zuzugeben ist, daß diese Judikatur noch nicht als gefestigt angesehen

werden kann (vgl etwa 6 Ob 52/97h = WoBl 1997, 237/96 und 6 Ob

231/97g = WoBl 1998, 144/103). Sie ist jedoch bisher auf positiven

Widerhall gestoßen (siehe vor allem Call, Mietrecht und Wohnungseigentum im MRG-Althaus, WoBl 1998, 161, der schon früher für die Kündigungslegitimation des Wohnungseigentümers eingetreten ist und hiefür entscheidende Denkanstöße geliefert hat). Der erkennende Senat hält daher (nach Korrektur der noch in WoBl 1997, 182/55 vertretenen, von Call kritisierten Meinung) auch im gegenständlichen Fall an ihr fest. Damit haben aber die Vorinstanzen dem Kläger die Kündigungslegitimation zu Unrecht aberkannt. Der Kläger verfügt über die Mehrheit der Miteigentumsanteile der gegenständlichen Liegenschaft, was ihn schon nach früherer Judikatur zur Kündigung legitimiert hätte (siehe die Nachweise in WoBl 1998, 147/104), er ist zudem noch Wohnungseigentümer des Mietobjektes, und er hat - was an sich schon auf Grund der ihm im Wohnungseigentumsvertrag eingeräumten ausschließlichen Nutzungs- und Verfügungsbefugnis angenommen werden könnte - sogar ausdrücklich geltend gemacht, von allen Mit- und Wohnungseigentümern zur Klagsführung ermächtigt zu sein.

Der einzige vom Berufungsgericht bisher behandelte Grund für die Aufhebung der Kündigung und Abweisung des Räumungsbegehrens ist daher nicht zu halten. Es ist auf die gegen die Verneinung der geltend gemachten Kündigungsgründe vorgebrachten Argumente der Berufung einzugehen, was eine Aufhebung des Berufungsurteils und Rückverweisung der Rechtssache an die zweite Instanz zur allfälligen Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung bedingt.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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