Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.086,40 S bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 1.014,40 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Am 7.März 1994 rammte ein Tankwagenzug auf der Tauernautobahn im Gemeindegebiet von Flachau die Lärmschutzwand und kippte im Bereich einer Autobahnbrücke um, wobei etwa 3.000 Liter Benzin "Eurosuper" aus dem Tankanhänger ausliefen und das Erdreich im Autobahn-Bereich (Böschung bei einem Widerlager der Brücke sowie Lärmschutzwall) verunreinigten. Kurz nach dem Unfall begab sich der Katastrophenreferent der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau) an die Unfallstelle, leitete Maßnahmen nach § 31 WRG ein und beauftragte den beklagten Transport- und Baggerunternehmer mit den nötigen Baggerarbeiten. Dadurch sollte als rascheste und kostengünstigste Sanierungsmaßnahme möglichst viel kontaminiertes Erdreich beseitigt werden. Nach der komplizierten Bergung des noch befüllten Tankwagenzugs begann der Beklagte mit den Arbeiten, bei denen der Katastrophenreferent sowie mehrere Mitarbeiter der klagenden Aktiengesellschaft, darunter der Autobahnmeister von Flachau, anwesend waren. Der Beklagte führte die von den Vorinstanzen näher festgestellten Grabungsarbeiten unter Anleitung durch den Katastrophenreferenten und unter gleichzeitiger Aufsicht durch den Autobahnmeister durch. Vor Aufnahme der Arbeiten am Morgen des nächsten Tages bemerkte der Autobahnmeister die Senkung eines Betonsockels, wodurch es in der Folge zu einer Beschädigung eines parallel zur Autobahn verlegten, von den Vorinstanzen näher beschriebenen Kabels kam.
Der Eigentümer des Unfallfahrzeugs zeichnete die Lieferscheine des Beklagten ab; an ihn wurde auch die Rechnung des Beklagten ausgestellt. Diese Vorgangsweise wird bei der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau bei der Beseitigung von Umweltschäden praktiziert, um dem Verursacher den Vorsteuerabzug zu ermöglichen.
Die klagende Partei begehrte vom Beklagten Schadenersatz von zuletzt 87.037,28 S sA (von den ÖBB in Rechnung gestellte Reparaturkosten sowie eigene Kosten der Schadensbehebung), weil der Beklagte durch unsachgemäße Erdbewegungsarbeiten bei der Beseitigung von verunreinigtem Erdreich die Beschädigung eines Kabels verschuldet habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ua deshalb ab, weil der Beklagte bei Erfüllung des Auftrags der Bezirksverwaltungsbehörde zur Beseitigung des durch Benzin verunreinigten Erdreichs als Organ zur Vollziehung von Maßnahmen nach § 31 Abs 3 WRG, somit hoheitlich tätig geworden sei, sodaß nur der Rechtsträger, nicht jedoch das Organ für Schäden hafte (§ 1 Abs 1 AHG).
Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der Berufung der klagenden Partei das Ersturteil einschließlich des vorangegangenen Verfahrens wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs (§ 1 iVm § 9 Abs 5 AHG) als nichtig auf und wies die Klage zurück.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der klagenden Partei ist zufolge § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig, aber nicht berechtigt.
a) Nach nunmehr stRspr des erkennenden Senats (SZ 68/220, SZ 69/49 ua, zuletzt 1 Ob 140/98i; RIS-Justiz RS0087676, RS0050130; Zechner in JBl 1996, 48; Mader in Schwimann2 § 9 AHG Rz 9) sind entgegen früherer Rspr gegen das Organ aus dessen hoheitlichem Handeln gerichtete Klagen in jedem Fall zurückzuweisen. Bei der gemäß § 9 Abs 5 AHG erforderlichen Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs gegen ein Organ ist jeweils zu untersuchen, ob die klagende Partei die beklagte Partei inhaltlich aus einem Hoheitsakt in Anspruch nimmt; dabei kommt es für die prozessualen Konsequenzen der Bejahung eines solchen absoluten Prozeßhindernisses nicht darauf an, ob sich dieses bereits aus der Klageerzählung ergibt oder ob es erst im Lauf des Verfahrens offenkundig wird, ob das Klagebegehren ausdrücklich auf Amtshaftung gestützt oder darauf gerade nicht gestützt wird und ob der Anspruch in merito zu Recht besteht (1 Ob 303/97h = RdW 1998, 263 ua). Das Gesetz hat die materiellrechtliche Norm des § 1 Abs 1 erster Satz AHG, nach der das Organ selbst dem Geschädigten nicht haftet, durch die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 9 Abs 5 AHG ergänzt.
Ist eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, so sind es nach stRspr auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen, seien sie auch bloß vorbereitender oder sonst hoheitlichen Zielsetzungen dienender Art, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen (SZ 55/17, SZ 60/156, SZ 64/85 uva, zuletzt 1 Ob 140/98i; RIS-Justiz 0049948; Mader aaO § 1 AHG Rz 27 mwN). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Tätigkeit zum überwiegenden Teil dem Schutz der Allgemeinheit und damit öffentlichen Interessen dient (SZ 69/188) und gilt auch bei Befugnis- oder Zuständigkeitsüberschreitung (SZ 54/171 ua, zuletzt 1 Ob 140/98i; Schragel, AHG2 Rz 118), sogar bei deliktischen Handlungen (SZ 54/109; 1 Ob 303/97h, 1 Ob 140/98i ua; Mader aaO § 1 AHG Rz 27). Der Tätigkeitsbereich, der die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zum Gegenstand hat, ist einheitlich als hoheitlich anzusehen, selbst wenn einzelne Teile dieser Aufgabe so erfüllt werden, wie sie für sich genommen nach diesem äußeren Erscheidungsbild von jedermann vorgenommen werden könnten. Davon abzugrenzen sind Handlungen und Unterlassungen mit Schadensfolgen, die vom Organ anläßlich bzw bei Gelegenheit außerhalb seines Tätigkeitsbereichs begangen werden, so etwa, wenn das Organ etwas aus privater Gefälligkeit tut (zuletzt 1 Ob 140/98i). An diesen Leitgedanken ist der vorliegende Rechtsfall zu messen.
b) Die Vorschrift des § 31 WRG über die allgemeine Sorge für die Reinhaltung des Wassers statuiert nach den Pflichten (Sofortmaßnahmen wie Reparatur, Reinigung und Absperrung sowie Verständigungspflichten gegenüber den Behörden), die bei Tankfahrzeugunfällen den Lenker, allenfalls auch den Beifahrer und den Halter treffen (Abs 2), in ihrem Abs 3 die der Wasserrechtsbehörde obliegenden Pflichten:
" ... (3) Wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, so hat die Wasserrechtsbehörde, ..., die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzug unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. ... Gefahr im Verzug ist jedenfalls gegeben, wenn eine Wasserversorgung gefährdet ist.
...
(5) Maßnahmen, die Gegenstand einer behördlichen Anordnung oder eines behördlichen Auftrages gemäß Abs 3 oder 4 sind, bedürfen keiner wasserrechtlichen Bewilligung. ..."
Zur Vorschrift des § 31 WRG hat der erkennende Senat in jüngster Zeit zu 1 Ob 72/97p = JBl 1998, 118 Stellung genommen: Schutzzweck der Vorschriften der §§ 30 ff WRG ist die Reinhaltung und der Schutz der Gewässer einschließlich des Grundwassers. Wenn die Gefahr einer Gewässerverunreinigung trotz Einhaltung der nach § 31 Abs 1 WRG gebotenen Sorgfalt eintritt, so hat der nach Abs 1 Verpflichtete unverzüglich die zur Vermeidung einer Verunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die neben der Verständigungspflicht bestehende Handlungspflicht des Verursachers umfaßt alle Vorkehrungen, die ein weiteres Auslaufen von wassergefährdenden Stoffen - hier Benzin - verhindern, aber auch die Verpflichtung, bereits ausgelaufene Stoffe zu lokalisieren, einzusammeln und schadlos zu beseitigen. Werden diese Maßnahmen vom Verpflichteten nicht oder nicht rechtzeitig getroffen, so hat ihm nach § 31 Abs 3 WRG die Wasserrechtsbehörde die entsprechenden Maßnahmen aufzutragen oder bei Gefahr im Verzug die erforderlichen Sofortmaßnahmen (vgl dazu die RV zur WRG-Novelle 1969, 1217 BlgNR XI.GP, 6) unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der dabei erwachsenen notwendigen und zweckmäßigen - hoheitlich mit Bescheid vorzuschreibenden (Raschauer, WRG § 31 Rz 12) - Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Die Behörde kann den gesetzmäßigen Zustand durch eigene Organe oder durch Dritte herstellen (1 Ob 36/92 = SZ 66/37 mwN), das heißt durch unmittelbare Beauftragung eines dazu Befugten (Bauunternehmen, Baggerunternehmen, Feuerwehr etc) mittels Werkvertrags, somit eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts (vgl Raschauer aaO § 31 Rz 12 mwN).
Daß die Gewässeraufsicht Hoheitsverwaltung ist, hat der erkennende Senat bereits in der Entscheidung 1 Ob 25/91 = JBl 1992, 253 = ecolex 1991, 158 (Wilhelm 73) ausgesprochen. Zur allgemeinen Gewässeraufsicht treten ua auch einzelne Anordnungsermächtigungen als Formen der repressiven Aufsicht, etwa nach § 31 WRG, hinzu (Raschauer aaO § 130 WRG Rz 2). Da es sich bei der Durchführung der erforderlichen Sofortmaßnahmen nach § 31 Abs 3 WRG - hier der Beseitigung kontaminierten Erdreichs zur Verhinderung bzw zumindest Verringerung der Grundwasserverunreinigung - um einen Anwendungsfall der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handelt, kann nicht zweifelhaft sein, daß diese der Bezirksverwaltungs- als Wasserrechtsbehörde erster Instanz obliegenden Sofortmaßnahmen, einerlei ob die Behörde sie selbst vornimmt oder durch Dritte vornehmen läßt, wegen ihrer überwiegenden Bestimmung zum Schutz der Allgemeinheit und damit öffentlicher Interessen Hoheitsverwaltung ist.
Werden unmittelbar mit hoheitlichem Handeln im Zusammenhang stehende Aufgaben wie Maßnahmen nach § 31 Abs 3 WRG an einen Dritten übertragen, wird dadurch die hoheitliche Aufgabe nicht zu einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit (SZ 62/41 [Betrieb einer Abwasseranlage im Land Vorarlberg an einen Wasserverband nach § 87 WRG] ua), insbesondere wenn die Einbringung der durch den beauftragten Bau- oder Baggerunternehmen verrechneten Kosten gegenüber dem Verpflichteten mit Bescheid, somit mit den Mitteln des öffentlichen Rechts, zu erfolgen hat.
Nach der Legaldefinition des Organbegriffs in § 1 Abs 2 AHG sind Organe alle physischen Personen, die für den Rechtsträger in Vollziehung der Gesetze handeln. Besorgt eine physische Person hoheitliche Aufgaben, ist sie Organ, gleichviel, ob sie dauernd oder vorübergehend oder für den einzelnen Fall bestellt, gewählt, ernannt oder sonstwie herangezogen wurde - die in § 1 Abs 2 AHG aufgezählten Typen von Verleihungsakten sind nur demonstrativer Art (SZ 60/236, SZ 62/41 je mwN; RIS-Justiz RS0049950) - und ob deren Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder wie hier nach privatem Recht zu beurteilen ist (SZ 68/220; RIS-Justiz RS0087679). Die Organstellung kann auch durch (privatrechtlichen) Werkvertrag begründet werden (SZ 36/115 [Werkvertrag zur Postbeförderung], SZ 51/126 [zur Demolierung herangezogener Bauunternehmer] ua; RIS-Justiz RS0049915). Die Bestellung einer Person ist freilich nur dann eine Beleihung mit der Ausübung einer hoheitlichen Funktion iSd § 1 Abs 2 AHG, wenn mit ihr der Auftrag verbunden ist, selbst für den Rechtsträger hoheitliche Handlungen zu setzen bzw solche mitzuvollziehen; es muß also die Erfüllung der hoheitlichen Aufgabe selbst übertragen werden. Nun gibt es zwar Aufgaben, die eindeutig der Vollziehung dienen, aber durch einen eindeutigen hoheitlichen Akt, durch ein Gesetz oder eine Verordnung, aus der Vollziehung ausgeschieden und Außenstehenden unter eigener Verantwortung, aber ohne Übertragung der Möglichkeit, selbst Hoheitsakte zu setzen, übertragen werden; diese Außenstehenden sind dann nicht Organe iSd § 1 Abs 2 AHG (SZ 59/199, SZ 60/2, je mwN; RIS-Justiz RS0049954). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Vielmehr konnte und mußte zufolge § 31 Abs 3 WRG die örtlich und sachlich (§ 98 Abs 1 WRG) zuständige Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft) im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung (Art 10 Abs 1 Z 10 iVm Art 102 Abs 1 B-VG) bei Gefahr im Verzug selbst die erforderlichen Maßnahmen zur Schadensverhinderung bzw -begrenzung vornehmen oder aber damit einen Dritten, wie hier den Beklagten, beauftragen. Auch dieser handelte dann insoweit statt der Behörde als behördliches Hilfsorgan hoheitlich. Entscheidend ist, in wessen Namen und für wen das Organ im Zeitpunkt der angeblich schuldhaften Handlung funktionell tätig wurde (1 Ob 4/95 = SZ 68/190; RIS-Justiz RS0049888). In der mittelbaren Bundesverwaltung wird der Landesbedienstete funktionell für den Bund tätig (Funktionstheorie; zuletzt SZ 69/133; RIS-Justiz RS0038400); das gleiche hat zu gelten, wenn im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung (Vollzug des WRG) die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde einen Baggerunternehmer mit Schadensbegrenzungsarbeiten nach einem Tankwagenunfall beauftragt.
Die von einem Baggerunternehmer aufgrund eines Werkauftrags durch die Bezirksverwaltungsbehörde namens des, zuständigen Rechtsträgers als Wasserrechtsbehörde erster Instanz (§ 98 Abs 1 WRG) im Rahmen mittelbarer Bundesverwaltung nach § 31 Abs 3 WRG nach einem Tankwagenunfall errichteten Arbeiten zur Entfernung kontaminierten Erdreichs sind hoheitliche Tätigkeit. Für dadurch entstandene Schäden im Vermögen Dritter haftet dem Dritten der Bund als Rechtsträger amtshaftungsrechtlich. Der Baggerunternehmer kann vom Dritten zufolge § 9 Abs 5 AHG nicht in Anspruch genommen werden.
Soweit die klagende Partei die Auffassung vertritt, es habe mangels Gefahr im Verzug keine Voraussetzung für die Vornahme der nach den Klagsbehauptungen schadensursächlichen Baggerarbeiten bestanden, beurteilte dies schon die zweite Instanz zutreffend als unzulässige Neuerung. Abgesehen davon ändert, wie bereits dargestellt, auch die Überschreitung der gesetzlichen Befugnisse, etwa die - zugunsten der klagenden Partei bloß - unterstellte fehlerhafte Annahme von Gefahr im Verzug wegen fehlender konkreter Gefahr einer Gewässerverunreinigung, durch die Behörde nichts an der Rechtsqualität hoheitlichen Handelns.
Auch durch die nachträgliche Unterfertigung von Lieferscheinen und die Ausstellung einer Rechnung an den Inhaber des Tankwagenzugs durch den beliehenen Unternehmer wurde dessen hoheitliche, nach dem Klagsvorbringen schadensursächlichen Tätigkeit nicht in ein privatwirtschaftliches Verhalten umgewandelt.
Dem Rekurs kann daher kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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