OGH 1Ob25/91

OGH1Ob25/9130.10.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter S*****, vertreten durch Dr. Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 61.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. Mai 1991, GZ 14 R 236/90-85, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 14.August 1990, GZ 54 a Cg 1086/84-80, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß es insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"1. Es wird festgestellt, daß die beklagte Partei dem Kläger alle Schäden zu ersetzen hat, die ihm als Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** der KG S*****, bestehend aus den Grundstücken Nr ***** Garten und ***** Baufläche, durch Bor, das von der Fläche in Wien-Stadlau zwischen der

D*****-Straße - D*****-Gasse - G*****-Gasse - N*****-Straße ausgeht oder bereits ausgegangen ist, noch entstehen werden.

2. Das Mehrbegehren des Inhalts, die Feststellung gelte auch für den Rechtsnachfolger im Eigentum der zu 1. genannten Liegenschaft des Klägers bzw für den jeweiligen Eigentümer dieser Liegenschaft wird abgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 66.241,80 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin 6.841,80 S Umsatzsteuer und 25.191 S Barauslagen) und die mit 2.830,50 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.077 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 679,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die B***** Consolidated Ltd., Zweigniederlassung Wien (im folgenden B*****) betrieb in den Jahren 1903 bis 1973 in einer Betriebsanlage in Wien-Stadlau, zwischen der

D*****-Straße - D*****-Gasse - G*****-Gasse - N*****-Straße eine Borax-Erzeugung. Der B***** waren in Ansehung der anfallenden Produktionsrückstände keine Auflagen erteilt worden. Die Betriebsanlagegenehmigungen enthielten keine Auflagen über die Errichtung von Deponien. Während der Jahrzehnte währenden Borax-Erzeugung entstanden Abfälle nach dem Umsatz von Kalciumborat mit Natriumsulfat zu Natriumborat bzw von Kalciumborat mit Schwefelsäure zu Borsäure. Diese mit Bor verunreinigten Rückstände wurden durch Anschüttung eines Altarmteiles der Donau ("S***** Arm" des M*****-Wassers) in großen Mengen deponiert. Das Gesamtvolumen der Anschüttung betrug rund 54.000 m3, dabei entfielen auf kontaminiertes Material rund 30.000 m3.

1967 hatte die Gruppe "Gewässeraufsicht" der zuständigen Wiener Magistratsabteilung (MA) 29 "Brücken- und Wasserbau" Anhaltspunkte dafür, daß die B***** im Zusammenhang mit der Borax-Produktion stehende, in der Natur als weiße Paste in Erscheinung tretende Ablagerungen im genannten Donauarm vornahm, die das Grundwasser gefährden könnten. Organe der MA 29 zogen daher Materialproben und ersuchten am 1.Februar 1967 die Wiener MA 39 "Städtische Prüf- und Versuchsanstalt", "eine Untersuchung der beiliegenden zwei Materialproben hinsichtlich deren Gefährlichkeit für die Güte des Grundwassers bei Auslaugung durch Niederschlagswässer vorzunehmen. Insbesondere möge untersucht werden, ob giftige oder andere das Leben gefährdende Stoffe in den Proben enthalten sind." Die Wiener MA 39 wurde nicht ersucht, die Proben gezielt auf Bor zu untersuchen, weil dieser Stoff in den Augen des verantwortlichen Beamten der Wiener MA 29 kein Schadstoff iS des WRG war. Das von der Wiener MA 39 erstattete Gutachten ergab keinen Hinweis auf gesundheitsgefährdende Stoffe in den Proben. Nach der Erstattung dieses Gutachtens setzte die Wasserrechtsbehörde in Ansehung dieser Ablagerungen der B***** keine weiteren Kontroll- und Aufsichtsmaßnahmen. Wäre die Wiener MA 39 damals von der Wiener MA 29 darauf hingewiesen worden, daß die zu untersuchenden Proben aus dem unmittelbaren Umkreis einer Borax-Deponie stammen, wären sie gezielt auf Bor untersucht und wäre festgestellt worden, daß das Grundwasser mit Bor belastet ist, das heißt, daß lösliche Bor-Verbindungen ins Grundwasser gelangen. 1967 war die toxische Wirkung von Borsäureverbindungen bei medizinischer und kosmetischer Anwendung ebenso bekannt wie die Empfindlichkeit gewisser Pflanzen beim Gießen mit borhältigem Wasser. Damals wurde insbesondere schon die Ansicht vertreten, daß das Eindringen von Bor ins Grundwasser auf Salatkulturen schädliche Auswirkungen habe. Ab 1972 wurde in der wissenschaftlichen Literatur ausführlich über die Verunreinigung von Abwässern und Grundwässern mit Borverbindungen aus Waschmitteln berichtet und der Bor-Gehalt des Wassers als Maß für die Gewässerverunreinigung angesehen.

Der Kläger ist Eigentümer einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten Einfamilienhaus samt Garten in einer etwa 500 m vom Betriebsgelände der B***** entfernten Siedlung. Der Bedarf des Klägers und seiner Familie mit Trink- und Nutzwasser wurde aus dem Hausbrunnen gedeckt. 1983 traten - verursacht durch die Grundwasserverunreinigung durch Bor, welches von der Deponie der B***** ihren Ausgang nahm - an den Pflanzenkulturen des Klägers Schäden auf; die Pflanzen wurden welk und starben ab. Auf Grund dieser Schäden leitete der Magistrat der Stadt Wien als Wasserrechtsbehörde erster Instanz Sofortmaßnahmen ein, insbesondere eine Abkapselung der Deponie der B*****. Eine Verbesserung der Wasserqualität war aber auch nach Durchführung dieser Maßnahmen erst langfristig zu erwarten. Der Borgehalt des Grundwassers betrug im Oktober 1983 auf der Parzelle des Klägers 37 mg/l, auf dem Nachbargrundstück 67 mg/l, im Dezember 1983 auf der Parzelle des Klägers 14 mg/l, auf dem Nachbargrundstück 24mg/l; ab Februar 1984 erfolgten Messungen nur mehr auf dem Nachbargrundstück des Klägers, wobei sich folgende Durchschnittswerte für den Borgehalt des Wassers (jeweils in mg/l) ergaben: Oktober 1984 9,4, Dezember 1984 und Jänner 1985 je 8,4, November 1985 2,1, Februar 1986 4,5, September 1986 6,7, April 1987 4,5, November 1987 1,6, Februar 1988 5,0, August 1988 1,4, Februar 1989 2,9, August 1989 1,8. Nach der ÖNorm M 6250 betrugen ab 1.März 1986 die Grenzwerte von Bor in Trinkwasser 0,5 mg/l; vorher hatte der Grenzwert 1 mg/l betragen.

Der Kläger begehrt mit seiner am 14.Dezember 1984 erhobenen

Klage - ungeachtet eines von ihm behaupteten, bereits

eingetretenen Schadens von insgesamt 488.039 S - gegenüber der

beklagten Partei für sich und seinen Rechtsnachfolger im Eigentum

seiner Liegenschaft...die Feststellung, die beklagte Partei habe

ihm alle Schäden zu ersetzen, die ihm als Eigentümer bzw dem

jeweiligen Eigentümer der Parzellen... durch Bor noch entstehen

werden, das von der Fläche in Wien-Stadlau zwischen der

D*****-Straße - D*****-Gasse - G*****-Gasse - N*****-Straße

ausgeht oder bereits ausgegangen ist. Dazu trägt er im wesentlichen vor, aus der nicht genehmigten Deponie der B***** sei Bor ins Grundwasser ausgeschwemmt worden. Diese Deponie sei auch nur zum Teil umspundet (nicht aber umfangen) worden, sodaß weiterhin Bor angeschwemmt worden sei. Selbst bei Beendigung der Bor-Ausschwemmung sei das Grundwasser und das mit diesem begossene Erdreich erst nach mindestens fünf bis zehn Jahren borfrei. Bis dahin halte die Schädigung an. Es wäre Sache der Wasserrechts- und Gewerbebehörde, beides Bundesbehörden, gewesen, die notwendigen Maßnahmen zur Reinhaltung des Grundwassers zu treffen. Dies sei nicht geschehen, sodaß die beklagte Partei für alle Schäden hafte, die aus diesen Unterlassungen entstanden seien. Die Wasserrechtsbehörde hätte spätetestens ab 1959, allerspätestens aber nach der Wasserrechts-Novelle 1969 tätig werden und dem Inhaber unter Schonung der betreffenden Rechte und im Verhältnis zur Schutzbedürftigkeit des betreffenden Wasservorkommens die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen vorschreiben müssen. Die Reinhaltung des Grundwassers sei weder von der Gewerbe- noch von der Wasserrechtsbehörde zum Gegenstand eines Verfahrens gemacht worden; auch die Deponie sei nie genehmigt worden. Die Wasserrechtsbehörde habe nach § 31 a WRG eine Handlungspflicht getroffen. Die "Umweltbombe" der Borax-Deponie sei dem Magistrat der Stadt Wien als Wasserrechtsbehörde erster Instanz durchaus bekannt gewesen, habe aber nicht zu deren Entschärfung geführt. Da der Anspruch auf Feststellung der Haftungsverhältnisse mit der klägerischen Liegenschaft verbunden ist, werde das Feststellungsbegehren nicht nur für den Kläger, sondern auch für seine Rechtsnachfolger im Eigentum dieser Liegenschaft erhoben.

Die beklagte Partei bestritt das Feststellungsinteresse des Klägers, weil negative Auswirkungen des Borgehaltes im Grundwasser auf die Pflanzenkulturen des Klägers in Zukunft auszuschließen seien, und wendete im übrigen ein, es habe sich um eine nicht genehmigte Deponie gehandelt; die zuständige Wasserrechtsbehörde habe aber niemals einen Anhaltspunkt dafür gehabt, daß im Betriebsgelände der B***** ohne Genehmigung Bor abgelagert worden sei. Die Gefährlichkeit von Bor sei erst in jüngster Zeit erkannt worden; vorher habe es keine Meinungen dahin gegeben, daß Bor im Grundwasser zur Gefährdung von Pflanzenkulturen führen könnte. Als dies bekannt geworden sei, habe sie die erforderlichen Maßnahmen ergriffen. Vor dem WRG 1959 habe es keine sie konkret treffenden Vorschriften zur Reinhaltung des Grundwassers gegeben. Die Deponie sei auch nicht ursächlich für die Pflanzenschäden auf der Liegenschaft des Klägers. Ein früheres Einschreiten der beklagten Partei hätte den Schaden nicht verhindert. Im übrigen sei der Anspruch längst verjährt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es den Spruch durch die Wendung... durch "im Grundwasser enthaltenes" Bor ... offenbar zur Verdeutlichung ergänzte. Es stellte noch fest: Das mit Bor verunreinigte Material sei zeitweise in Halden aufgeschüttet und in diesen Zeiträumen sofort erkennbar gewesen. Falls 1967 Bor-Einschwemmungen im Grundwasser festgestellt worden wären, hätte die Behörde die Ablagerungen der B***** jedenfalls "im Auge behalten" und in periodischen Abständen (etwa alle zwei Jahre) Untersuchungen veranlaßt. In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, das zeitweise in Halden aufgeschüttete Material sei sofort erkennbar gewesen, ohne daß dies zu effizienten Maßnahmen geführt hätte. Wäre die Materialprobe gezielt auf Bor untersucht worden, wäre die Deponie überwacht worden. Eine regelmäßige Überprüfung der Deponie hätte zu Maßnahmen iS des § 31 WRG geführt, sodaß es zu den beim Kläger aufgetretenen Schäden nicht gekommen wäre. Die ungezielte Untersuchung der Materialprobe im Jahr 1967 habe die bis heute vorhandene Verunreinigung des Grundwassers ausgelöst.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit mehr als 50.000 S und ließ die ordentliche Revision zu. Die zweite Instanz billigte die Feststellungen der ersten Instanz und deren Rechtsauffassung.

Die Revision der beklagten Partei ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Ein rechtswidriges und schuldhaftes Organhandeln in Vollziehung der Gesetze, das den Rechtsträger gemäß § 1 AHG zum Schadenersatz verpflichtet, kann auch in einer Unterlassung liegen, wenn eine Pflicht des Organs zum Tätigwerden bestand und pflichtgemäßes Handeln den Schadenseintritt verhindert hätte (EvBl 1991/73; SZ 62/73 = JBl 1991, 172; EvBl 1989/157 uva; Schragel, AHG2 Rz 131). Die Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens (§ 1294 ABGB) als Zurechnungskriterium im Schadenersatzrecht und eine der Voraussetzungen der Verschuldenshaftung kann nur auf Grund umfassender Interessenabwägung beurteilt werden (EvBl 1991/73; SZ 56/124 ua). Ein Verhalten (Handlung oder Unterlassung) ist rechtswidrig, wenn es gegen Gebote und Verbote der Rechtsordnung, die sich aus vertraglichen Vereinbarungen (Vertragsverletzungen) oder aus dem Gesetz (deliktisches Verhalten) ableiten lassen, oder gegen die guten Sitten verstößt.

Wie der erkennende Senat bereits in seiner diese Bor-Deponie betreffenden Entscheidung JBl 1991, 580 ausgesprochen hat, ist Schutzzweck der Vorschriften der §§ 30 ff WRG 1959 die Reinhaltung und der Schutz der Gewässer einschließlich des Grundwassers. Gemäß § 142 Abs 1 WRG war mangels Eintragung eines der Betreiberin B***** zustehenden Wasserrechtes der Betrieb der Deponie ohne wasserrechtliche Bewilligung seit 30.April 1960 rechtswidrig. Der Einhaltung der Vorschriften des WRG, auch dahin, daß das Grundwasser geschützt wird, dient insbesondere die in §§ 130 ff WRG geregelte Gewässeraufsicht, die sich auch auf den Schutz des Grundwassers, insbesondere in Grundwasserschongebieten, bei Heilquellen, Sand- und Schottergruben oder Abraumhalden wie hier erstreckt (§ 130 lit d WRG). Das WRG und die szt. Gewässeraufsichtsverordnung BGBl 1961/177 enthalten keine Normen, wie bei der Übersendung einer gezogenen Probe an das Laboratorium zur Untersuchung im einzelnen vorzugehen ist, sodaß entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zu prüfen ist, ob die erforderliche Sorgfalt dabei eingehalten wurde (EvBl 1991/73) und welche Maßnahmen im Einzelfall angesichts der möglichen Gefährdung des Trink- und Nutzwassers zumutbar und notwendig gewesen wären. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung das Verhalten des Organs am Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB zu messen (JBl 1988,176). Obwohl im Jahre 1967 die im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung tätig werdenden Organe der Gewässeraufsicht (Wiener MA 29) auf der Borax-Deponie der B***** zwei Proben zogen, wurde die Bor-Verseuchung des Grundwassers deshalb nicht erkannt, weil einerseits der Wiener MA 39 "Städtische Prüf- und Versuchsanstalt" (mit je einem mechanisch-technischen, chemisch-technischen und physikalisch-technischen Laboratorium) die Umstände der Probenziehung nicht mitgeteilt worden waren und andererseits das entsprechende Laboratorium - als Gehilfe des die Probe ziehenden Organs - von sich aus die Proben nicht auf Bor untersuchte, obwohl damals die toxische Wirkung von Borsäureverbindungen bei medizinischer und kosmetischer Anwendung ebenso bekannt war wie die - hier maßgebliche - Empfindlichkeit gewisser Pflanzen beim Gießen mit borhältigem Wasser und schon damals die Ansicht vertreten wurde, das Eindringen von Bor ins Grundwasser habe schädliche Auswirkungen auf Salatkulturen. Das Organ der Gewässeraufsicht, das auf einer Deponie eine Probe zieht, muß bei Anwendung des maßgeblichen Sorgfaltsmaßstabes des § 1299 ABGB dem Laboratorium alle jene Umstände bekannt geben, die sich anläßlich der Probenziehung ergeben und die für die Laboruntersuchung von Bedeutung sein können. Zutreffend verweist die zweite Instanz in diesem Zusammenhang darauf, daß die Arbeitsteilung (Probenziehung einerseits, Laboruntersuchung andererseits) kein Grund dafür sein kann, den bei der Probenziehung gewonnenen Kenntnisstand derart zu "verdünnen", daß im Laboratorium nur mehr eine ungezielte Routineuntersuchung durchgeführt wird. Die Vorgangsweise von Organen der Wiener MA 29, bei der Übersendung der 1967 gezogenen Proben an die Wiener MA 39 keinen Hinweis auf den Probenentnahmeort (etwa Firma B***** udgl) aufzunehmen, wodurch die Laboruntersuchung nicht auf den Gehalt von Bor ausgedehnt wurde, muß demgemäß ebenso als rechtswidrig beurteilt werden (vgl SZ 62/73) wie die von der Wiener MA 39 unterlassene Untersuchung der beiden Proben auf Bor. Diese Unterlassungen waren dann auch ursächlich für die Unterlassung weiterer periodischer Kontrollen der Deponie, was nach den Feststellungen schon 1967 zum "Mindeststandard" der Gewässeraufsicht gehörte. Entgegen der Auffassung der Revision hat die beklagte Partei den ihr obliegenden Beweis mangelnden Verschuldens (SZ 62/98, SZ 62/72, SZ 61/173 ua; Schragel aaO, Rz 146) nicht erbracht. Der Hinweis der beklagten Partei, die Abteilung "Gewässerschutz" habe 1967 erst seit sechs Jahren bestanden und dafür hätten nur zwei Beamte eingesetzt werden können, geht schon deshalb fehl, weil doch von diesen Beamten die Borax-Deponie bemerkt wurde und auch zwei Proben gezogen wurden.

Die Schadenskausalität zwischen der Ablagerung von Bor einerseits

und den eingetretenen Schäden an den Pflanzen des Klägers

andererseits wurde von den Tatsacheninstanzen bejaht. Die

Bejahung oder Verneinung des natürlichen Ursachenzusammenhanges

gehört in das Gebiet der Beweiswürdigung und kann daher im

Revisionsverfahren (abgesehen von hier nicht vorliegenden Denkgesetzwidrigkeiten) nicht mehr überprüft werden (SZ 58/143, SZ 52/136; 1 Ob 675/88 uva; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1926). Vorliegend hat sich das Erstgericht für seine entsprechende Feststellung ua auf ein Gutachten gestützt. Auf die entsprechenden Revisionsausführungen kann daher nicht eingegangen werden. Die von der beklagten Partei vorgenommene Rüge von Feststellungsmängeln stellt in Wahrheit eine unzulässige Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung dar, was im besonderen durch den Hinweis auf die Punkte 1 und 2 ihrer Berufungsschrift, womit ausdrücklich die erstgerichtliche Beweiswürdigung bekämpft wurde, deutlich wird.

Auch im Amtshaftungsrecht ist unter den allgemeinen Voraussetzungen ein Feststellungsbegehren zulässig (JBl 1971, 85; EvBl 1963/105; Schragel aaO, Rz 222; Vrba-Zechner, Kommentar zum Amtshaftungsrecht 212). Ein Rechtsverhältnis iS des § 228 ZPO kann auch im Bestehen einer Schadenersatzpflicht liegen, das rechtliche Interesse an der Feststellung, der Schädiger hafte für alle Nachteile, die sich in Zukunft aus dem schädigenden Ereignis ergeben, wird regelmäßig dann bejaht, wenn die Möglichkeit offen bleibt, daß das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt verursachen kann (ecolex 1990, 406; SZ 61/43 = NZ 1989, 95; SZ 60/180, jeweils mwN uva). Es genügt schon, daß sich ein Vorfall, durch den ein konkreter Schaden eintreten hätte können, bereits ereignete und wiederholen kann. Die Feststellungsklage dient nicht nur dem Ausschluß der Gefahr der Verjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten, somit der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach. Daß die klagende Partei mit zukünftigen Leistungsbegehren nicht nur den Eintritt des Schadens, sondern ungeachtet des Feststellungsurteiles auch den Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Verhalten und dem Schadenseintritt beweisen müßte, vermag dem Kläger das Feststellungsinteresse nicht zu nehmen (SZ 61/43, SZ 56/38, jeweils mwN ua). Ausgehend von der erstgerichtlichen Feststellung, daß sieben Jahre nach dem erstmaligen Auftreten der Bor-Verseuchung das Grundwasser noch immer einen höheren Borgehalt hat, als es die ÖNorm M 6250 (Öffentliche Trinkwasserversorgung. Anforderungen an die Beschaffenheit des Trinkwassers) zuläßt, ist das Feststellungsinteresse des Klägers nicht zu bezweifeln, zumal die Deponie 1983 nur umspundet wurde, somit eine Bor-Ausschwemmung durch den nach unten offenen Teil der Deponie ins Grundwasser nicht ausgeschlossen werden kann. Bei der Prüfung des Feststellungsinteresses ergibt sich allerdings, daß der Ausspruch einer Berechtigung von Rechtsnachfolgern des Klägers schon am Bestimmtheitsgebot für die Schaffung eines Exekutionstitels scheitert; im übrigen ist der Kläger in diesem Zusammenhang auf die Vorschrift des § 9 EO zu verweisen (JBl 1991, 580). In diesem Umfang ist die Revision berechtigt.

Gemäß § 6 Abs 1 AHG verjähren Amtshaftungsansprüche in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekannt geworden ist, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung. Ist dem Geschädigten der Schaden nicht bekannt geworden..., so verjährt der Ersatzanspruch erst nach zehn Jahren nach der Entstehung des Schadens. Für den Beginn des Fristenlaufes stellen die Verjährungsbestimmungen des AHG daher im Gegensatz zur allgemeinen Schadenersatzverjährung des § 1489 ABGB nicht auf das schädigende Ereignis und die Kenntnis des Schädigers, sondern auf die Entstehung (= Wirksamkeit) des Schadens und (bei der dreijährigen Verjährungsfrist) auf dessen Kenntnis ab (1 Ob 4/90; Schragel aaO, Rz 221 f). Der Klagsanspruch ist nicht verjährt, weil nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen die Schäden an den Pflanzen des Klägers erstmals im Jahre 1983 auftraten und die Klage bereits am 14.Dezember 1984 eingebracht wurde.

Der Revision ist demnach teilweise Folge zu geben. Die Entscheidung über die Kosten aller Instanzen beruht auf § 43 Abs 2 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO. Bei der neuen Kostenentscheidung wurde auch der offenbare Schreibfehler in der Kostenentscheidung der zweiten Instanz berücksichtigt.

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