OGH 9ObA412/97x

OGH9ObA412/97x25.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Bukovec und Dr. Bernhard Rupp als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Otto K*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Michael Bauer, Rechtsanwalt in Liezen, wider die beklagte Partei O*****, *****, vertreten durch Dr. Josef List, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 863.080,17 sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. September 1997, GZ 8 Ra 84/97b-72, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. Dezember 1996, GZ 34 Cga 223/93i-57, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt mit seiner am 26. 9. 1990 überreichten Klage von der beklagten GesmbH S 863.080,17 sA.

Am 22. 1. 1991 wurde über das Vermögen der Beklagten der Konkurs eröffnet. Das somit gemäß § 7 KO unterbrochene Verfahren wurde gegen den Masseverwalter fortgesetzt. Dieser wendete in der Folge Gegenforderungen von insgesamt S 1,444.598,84 aufrechnungsweise ein.

In der Tagsatzung vom 10. 3. 1994 wurde das Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung eines etwaigen Strafverfahrens gegen den Kläger unterbrochen.

Mit Beschluß vom 9. 1. 1995 wurde der Konkurs über das Vermögen der Beklagten nach Verteilung des Massevermögens gemäß § 139 KO aufgehoben, worauf das Erstgericht mit Beschluß vom 30. 3. 1995 deren Bezeichnung in die ursprüngliche Parteibezeichnung berichtigte.

Unter Hinweis auf die Einstellung des Strafverfahrens beantragte der Kläger nunmehr die Fortsetzung des Verfahrens.

Mit Beschluß vom 18. 12. 1996 wies das Erstgericht diesen Antrag ab. Es verwies darauf, daß die Firma der Beklagten im November 1996 gem. § 2 Amtslöschungsgesetz gelöscht worden sei. Die Beklagte übe auch keinerlei Geschäftstätigkeit mehr aus; sie habe kein Vermögen mehr. Damit sei sowohl ihre Rechtspersönlichkeit als auch ihre Parteifähigkeit beendet.

Das vom Kläger angerufene Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß mit der Maßgabe, daß der Antrag des Klägers auf Fortsetzung des Verfahrens zurückgewiesen werde. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß eine nicht mehr existierende Gesellschaft nicht Partei in einem Rechtsstreit sein könne. Die Vollbeendigung einer Gesellschaft trete aber erst ein, wenn kein verwertbares Vermögen mehr vorhanden sei. Ein solches Vermögen könnte etwa ein Kostentitel sein, den die Beklagte im Falle des Obsiegens durch ein klageabweisendes Urteil erreichen würde. Die Parteifähigkeit der Beklagten könne daraus aber nur abgeleitet werden, wenn sich die Beklagte gegen die Aberkennung der Parteifähigkeit wende. Dies sei hier nicht der Fall. Auch der Umstand, daß die Beklagte eine Gegenforderung eingewendet habe, begründe ihre Parteifähigkeit nicht. Dies hätte zur Voraussetzung, daß über die Gegenforderung auch ein Aktivprozeß der Beklagten gegen den Kläger anhängig wäre. Da im Konkurs das gesamte Vermögen der Beklagten verwertet worden sei und der Masseverwalter nichts zur Verwertung einer Forderung gegen den Kläger unternommen habe, müsse davon ausgegangen werden, daß eine solche Forderung nicht vorhanden sei. Da somit die Parteifähigkeit der Beklagten zu verneinen sei, fehle es an einer Prozeßvoraussetzung, sodaß der Fortsetzungsantrag des Kläger zurückzuweisen sei. Der Rekurs an den OGH sei zuzulassen, weil zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Kostentitel oder eine aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung ein verwertbares Vermögen darstelle, das die Parteifähigkeit einer gelöschten GesmbH im Passivprozeß begründen könne, keine einheitliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen ersatzlos aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur Fortsetzung des Verfahrens zurückzuverweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei erstattete eine Rekursbeantwortung, in der sie beantragte, dem Rekurs des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Gesellschaft als vollbeendet anzusehen ist, uneinheitlich ist. Er ist auch berechtigt.

Die Parteifähigkeit eines Rechtsgebildes ist eine absolute Prozeßvoraussetzung vom Beginn des Rechtsstreites an bis zu ihrem Ende (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 337). Der Verlust der Parteifähigkeit ist von Amts wegen zu beachten und führt jedenfalls zur Nichtigkeit des Verfahrens ab dem Eintritt der Parteiunfähigkeit. Die Löschung der Personenhandelsgesellschaft im Firmenbuch wirkt allerdings nur deklarativ und beeinträchtigt ihre Partei- und Prozeßfähigkeit so lange nicht, als verwertbares Gesellschaftsvermögen noch unverteilt vorhanden ist (Torggler-Kucsko in Straube, HGB I**2, Rz 3 zu § 157; SZ 64/134; WBl 1992,367; Ris-Justiz RS0021209, RS0061921 u. RS0050186). Die Frage, ob eine Gesellschaft während eines gegen sie anhängigen Rechtsstreites ohne Vorliegen einer Gesamtrechtsnachfolge ihre Parteifähigkeit mit der Folge verlieren kann, daß die Klage unzulässig wird, ist allerdings in jüngster Zeit divergierend beantwortet worden:

Der 1. Senat des Obersten Gerichtshofes vertrat in seiner

Entscheidung vom 15.3.1989, 1 Ob 551, 552/89 (SZ 62/43 = WBl 1990, 83

= GesRZ 1990, 153, dazu Mahr, ebendort 148 und Dellinger, JBl 1991,

629) die Meinung, daß ein einmal eingeleitetes Verfahren gegen eine Personengesellschaft auch mit einer vollbeendeten Gesellschaft ohne Rücksicht darauf, ob noch Gesellschaftsvermögen vorhanden sei oder nicht, fortzusetzen sei. Kurz darauf meinte allerdings der 8. Senat

in seiner Entscheidung vom 29.6.1989, 8 Ob 652/88 (SZ 62/127 = WBl

1990, 85 = RdW 1990, 11 = GesRZ 1990, 156, dazu Mahr aaO und Dellinger aaO), daß eine Personengesellschaft, sofern nicht eine Gesamtrechtsnachfolge eingetreten ist, bei Vollbeendigung als solche erloschen sei; damit habe auch das bestehende Prozeßrechtsverhältnis ein Ende gefunden. In der Folge vertrat der 2. Senat in seiner Entscheidung vom 10.4.1991, 2 Ob 518/91 (EvBl 1991/125 = ecolex 1991, 466 = RdW 1991, 233 = GesRZ 1991, 225 [Dellinger]), die Vollbeendigung einer GmbH betreffend, eine vermittelnde Lösung, indem er zwar nominell der E SZ 62/127 folgte, aber die Vollbeendigung, zumindest im Fall der Fortsetzung des Prozesses durch die beklagte Gesellschaft, wegen des von der Gesellschaft weiter verfolgten Interesses an einer für sie positiven Kostenentscheidung nicht eintreten läßt. Der 6. Senat ließ in seiner Entscheidung vom 12.12.1991, 6 Ob 635/91 (WBl 1992,128 [Zib] = ecolex 1992, 419 [Dellinger]) die Frage, ob der mögliche Kostenersatzanspruch für den Fall der Klageabweisung überhaupt eine taugliche Grundlage für das Fortbestehen einer gelöschten und (sonst) vermögenslosen Gesellschaft sein könnte, offen, weil im zu entscheidenden Fall die beklagte Partei eine Gegenforderung aufrechnungsweise eingewendet hatte, über die noch ein Aktivprozeß der dort beklagten Partei gegen die klagende Partei anhängig war (der allerdings während des Verfahrens im klageabweisenden Sinn rechtskräftig erledigt worden war).

Die in der oben zitierten Entscheidung des zweiten Senates vertretene Meinung, wonach es zur Bejahung der Parteifähigkeit der gelöschten Gesellschaft genüge, wenn das einzige potentielle Aktivum der gelöschten Gesellschaft ein im Falle der Abweisung der Klage ersiegter Prozeßkostenanspruch sei, ist in der Lehre auf Kritik gestoßen (Dellinger in GesRZ 1991,227 und ecolex 1992,419) und wurde in der Folge auch vom achten Senat in den Entscheidungen 8 Ob 6/94 (ecolex 1995,811), 8 Ob 8/95 (ecolex 1995,887) und 8 ObA 207/95 abgelehnt. Dieser Kritik schließt sich auch der erkennende Senat an:

Das dem Kläger nach der kritisierten Meinung notwendigerweise zu unterstellende Vorbringen, die beklagte Partei hätte noch ein potentielles Vermögen in Form eines eventuell zu ersiegenden Prozeßkostenersatzanspruches, steht nämlich mit seinem übrigen Vorbringen, wonach sein eigener Anspruch berechtigt sei, in unüberbrückbarem Widerspruch. Der Kläger könnte sein schutzwürdiges Interesse an dem Prozeß nur damit begründen, daß er diesen auch verlieren könnte. Gleiches gilt auch, wenn die gelöschte und sonst vermögenslose beklagte Gesellschaft selbst auf eine Sachentscheidung drängt. Ihr Gegner wäre bei Bejahung der Parteifähigkeit zur Fortführung eines notwendigerweise aussichtslosen Prozesses gezwungen: Hält das Gericht die Klage für unberechtigt, so versteht sich von selbst, daß der Kläger damit nichts gewinnen kann. Hält das Gericht die Klage hingegen für berechtigt, dann spricht es der beklagten Gesellschaft keine Kosten zu; diese hört dann spätestens in dem Moment, in dem diese Entscheidung rechtskräftig wird, zu existieren auf, sodaß das Urteil gegen niemanden vollstreckbar wäre (so treffend Dellinger in GesRZ 1991, 227 f).

Auch der erkennende Senat geht daher davon aus, daß der für den Fall der Abweisung der Klage bestehende Anspruch der beklagten Gesellschaft auf Ersatz der Prozeßkosten keine taugliche Grundlage für das Fortbestehen der gelöschten und (sonst) vermögenslosen GesmbH darstellt.

Hingegen ist die vom 6. Senat in der oben zitieren Entscheidung 6 Ob 635/91 vertretene Auffassung, eine von der beklagten Gesellschaft eingewendete Gegenforderung schließe ihre Vermögenslosigkeit und damit ihre Vollbeendigung aus, in der Lehre auf Zustimmung gestoßen (Torggler/Kucsko, aaO, Rz 3 zu § 157; Zib in WBl 1992,128; Dellinger in ecolex 1992,419 unter Berufung auf Bork, JZ 1991,841,849; die von Dellinger erwogene Verpflichtung der Gerichte, die Berechtigung der Gegenforderung bereits im Zwischenstreit über die Parteifähigkeit zu prüfen, besteht allerdings nach Ansicht des erkennenden Senates nicht, weil es - wie Dellinger selbst einräumt - nicht systemgerecht ist, im Rahmen dieses Zwischenstreites vorweg amtswegig zu klären, was im Prozeß erst vorzubringen und zu beweisen ist). Auch in den Entscheidungen 8 Ob 1580/92 und in der Entscheidung des erkennenden Senates 9 ObA 87/97b wurde die zitierte Auffassung des 6. Senates übernommen (in der E. 8 Ob 6/94 blieb diese Frage offen). Von diesem Standpunkt abzugehen, sieht der erkennende Senat keinen Anlaß, zumal der Grundsatz, daß die Gesellschaft im Falle der Geltendmachung eines Leistungsanspruches nicht vollbeendet ist, der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entspricht (Ris-Justiz RS0062191) und kein Grund ersichtlich ist, warum dieser Grundsatz auf die Geltendmachung eines Leistungsanspruches als Gegenforderung im Passivprozeß nicht übertragbar sein soll. Die vom Rekursgericht hier vorgenommene Einschränkung, die Gegenforderung verhindere die Annahme der Vollbeendigung nur, wenn darüber auch ein Aktivprozeß anhängig ist, ist der zitierten Entscheidung des 6. Senates nicht zu entnehmen, zumal der dort von der beklagten Gesellschaft über die Gegenforderung zunächst geführte Aktivprozeß noch während des zu beurteilenden Passivprozesses wegen mangelnder Fälligkeit des Anspruches im klageabweisenden Sinn rechtskräftig beendet worden war. Auch die Entscheidungen 8 Ob 1580/92 und 9 ObA 87/97b sehen eine derartige Einschränkung zu Recht nicht vor.

Da somit die hier beklagte Gesellschaft im Hinblick auf die von ihr eingewendete Gegenforderung nicht als vollbeendet anzusehen ist, muß die Frage, welche Auswirkungen der Eintritt der Vollbeendigung während des Rechtsstreites gehabt hätte, nicht geprüft werden. Vielmehr ist das Verfahren gegen die aus den dargestellten Überlegungen nach wie vor parteifähige Beklagte fortzusetzen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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