OGH 8Ob6/94

OGH8Ob6/9425.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag, Dr. Langer, Dr. Rohrer und Dr. Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****AG, *****, vertreten durch Dr. Peter Raits & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. S***** & Co KG, *****, 2. Helmut W*****, 3. Helga W*****, alle vertreten durch Dr. Peter Rosenthal, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 10,000.000,-- s. A., infolge Rekurses der erstbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 28. Dezember 1993, GZ 1 R 284/93-13, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 4. Dezember 1993, GZ 10 Cg 321/93-5, soweit er die Zurückweisung der Klage hinsichtlich der erstbeklagten Partei betrifft, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit der vorliegenden Wechselklage beantragte die klagende Partei die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages über S 10 Mio.s.A. gegen die drei beklagten Parteien. Der Klage liegt der am 8.10.1993 ausgestellte Wechsel zugrunde. Als Annehmerin scheint die erstbeklagte Partei, eine GmbH & Co KG auf.

Das Erstgericht erließ den Wechselzahlungsauftrag antragsgemäß. Dieser wurde der Erstbeklagten im Wege der Ersatzzustellung durch Hinterlegung zugestellt.

Gegen diesen Wechselzahlungsauftrag erhoben die Beklagten Einwendungen, in denen sie darauf hinwiesen, daß die Erstbeklagte nicht mehr existiere. Sie sei von Amts wegen im Firmenbuch des Landesgerichtes Salzburg gelöscht worden, so daß eine wirksame Zustellung überhaupt nicht hätte erfolgen dürfen.

Aus dem vom Erstgericht sodann beigeschafften Auszug aus dem Firmenbuch ergab sich, daß die Erstbeklagte laut Eintragung vom 7.4.1992 erloschen ist. Hierauf wies das Erstgericht die Klage hinsichtlich der Erstbeklagten zurück.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Bank Folge, hob den erstgerichtlichen Beschluß, soweit er die Zurückweisung der Klage hinsichtlich der Erstbeklagten betrifft, auf, trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof wegen der zur Frage der Auswirkungen der Vollbeendigung einer Gesellschaft des Handelsrechts während eines Prozesses divergierenden Rechtsprechung für zulässig.

Es führte in rechtlicher Hinsicht aus:

Unstrittig sei, daß die Parteifähigkeit einer Prozeßpartei eine absolute Prozeßvoraussetzung von Beginn des Rechtsstreits an bis zu dessen Ende sei. Ihr Verlust sei von Amts wegen zu beachten und führe zur Nichtigkeit des Verfahrens ab Wegfall der Parteifähigkeit. Allerdings habe hier die amtswegige Löschung der Erstbeklagten nur deklarative Wirkung. Solange verwertbares Vermögen unverteilt vorhanden sei, bestehe die Gesellschaft fort und bleibe auch formell parteifähig. Erst mit der Vollbeendigung sei die Gesellschaft als solche erloschen.

Die Frage, ob eine Gesellschaft des Handelsrechts während des anhängigen Rechtsstreits ohne Vorliegen einer Gesamtrechtsnachfolge ihre Parteifähigkeit verlieren könne, sei in jüngster Zeit divergierend beantwortet worden. Die E SZ 62/43 vertrete die Meinung, daß das einmal eingeleitete Verfahren auch mit der voll beendeten Gesellschaft ohne Rücksicht darauf, ob noch Gesellschaftsvermögen vorhanden sei oder nicht, fortzusetzen sei. Demgegenüber stehe die E SZ 63/127 auf dem Standpunkt, daß die Gesellschaft bei Vollbeendigung als solche erloschen sei; damit habe auch das bestehende Prozeßrechtsverhältnis ein Ende gefunden. Schließlich gehe die E GesRZ 1991, 225 einen dritten Weg, indem sie zwar der E SZ 62/127 folge, aber die Vollbeendigung - zumindest im Falle der Fortsetzung des Prozesses durch die beklagte Gesellschaft - wegen des von der Gesellschaft weiter verfolgten Interesses an einer für sie positiven Kostenentscheidung nicht eintreten lasse.

Im vorliegenden Fall stehe lediglich die Tatsache der Löschung der Erstbeklagten im Firmenbuch fest. Sie besage aber im Sinne der obigen Ausführungen nichts darüber, ob die Erstbeklagte voll beendet sei, also tatsächlich kein verwertbares und verteilbares Vermögen mehr vorhanden sei. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, ob eine Vollbeendigung vorliege. Sollte sich in diesem ergeben, daß die Erstbeklagte bereits vor Einleitung des Rechtsstreites voll beendet worden sei, so sei die Erlassung des Wechselzahlungsauftrages und des weiteren Verfahrens mit Nichtigkeit behaftet, so daß der Wechselzahlungsauftrag aufzuheben und die Klage zurückzuweisen wäre. Sollte allerdings die Vollbeendigung erst nach Klagszustellung erfolgt sein, so sei nach Auffassung des erkennenden Senates in Zusammenschau der E SZ 62/43 und GesRZ 1991, 225 davon auszugehen, daß auch mit der an sich voll beendeten Gesellschaft das Verfahren fortzusetzen sei, zumal zumindest das Interesse an einer positiven Kostenentscheidung eine gänzliche Vollbeendigung ausschließe. Im Fall der Annahme der Vollbeendigung der Erstbeklagten sei eine Berichtigung der Parteibezeichnung unzulässig, weil durch eine solche kein Parteiwechsel herbeigeführt werden dürfe.

Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß richtet sich der Rekurs der Erstbeklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn des erstgerichtlichen Beschlusses (Klagszurückweisung).

Die klagende Partei beantragt, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; die Entscheidung hängt von der bisher divergierend gelösten Frage ab, ab wann die erstbeklagte Gesellschaft als vollbeendet zu werten ist. Der Rekurs ist zwar nicht im Ergebnis (es hat beim Aufhebungsbeschluß zu verbleiben), wohl aber teilweise hinsichtlich der Begründung (abweichender Prüfungsauftrag an das Erstgericht) berechtigt.

Die erstbeklagte Gesellschaft meint, es seien keine ergänzenden Aufträge nötig, weil bereits ausreichend klargestellt sei, daß sie bereits vor Klagseinbringung voll beendet gewesen sei; es wäre Sache der klagenden Partei gewesen, bereits in der Klage darauf hinzuweisen, daß trotz Eintragung der "Auflösung" der Gesellschaft im Firmenbuch (gemeint offenbar "Erlöschen" der Gesellschaft) eine Vollbeendigung nicht vorliege, weil die Gesellschaft noch Vermögen habe.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß die Frage der Parteifähigkeit von Amts wegen zu prüfen ist, so daß es auf ein Vorbringen der Parteien in einer bestimmten Richtung nicht ankommt.

Auf eine ausführliche Darlegung der bisherigen Judikatur und Lehre zur Frage der Vollbeendigung einer Gesellschaft, insbesondere im Zusammenhang mit einer Prozeßführung, kann verzichtet werden; es genügt auf die hiezu ergangene, das Für und Wider ausführlich erörternde Rechtsprechung des OGH aus jüngster Zeit und die dazu geäußerten Lehrmeinungen (insb. Mahr, GesRZ 1990, 148 und Dellinger, JBl 1991, 629 sowie Graff, AnwBl 1992, 154 f) zu verweisen.

Zutreffend hat das Rekursgericht aufgezeigt, daß der 1. Senat in seiner E vom 15.3.1989, 1 Ob 551, 552/89 (SZ 62/43 = WBl 1990, 83 = GesRZ 1990, 153, dazu Mahr, ebendort 148 und Dellinger, JBl 1991, 629), die Meinung vertritt, daß ein einmal eingeleitetes Verfahren gegen eine Personengesellschaft auch mit einer vollbeendeten Gesellschaft ohne Rücksicht darauf, ob noch Gesellschaftsvermögen vorhanden sei oder nicht, fortzusetzen ist. Kurz darauf meinte allerdings der erkennende 8. Senat in seiner E vom 29.6.1989, 8 Ob 652/88 (SZ 62/127 = WBl 1990, 85 = RdW 1990, 11 = GesRZ 1990, 156, dazu Mahr aaO und Dellinger aaO), daß eine Personengesellschaft, sofern nicht eine Gesamtrechtsnachfolge eingetreten ist, bei Vollbeendigung als solche erloschen ist; damit hat auch das bestehende Prozeßrechtsverhältnis ein Ende gefunden. In der Folge vertrat der 2. Senat in seiner E vom 10.4.1991, 2 Ob 518/91 (EvBl 1991/125 = ecolex 1991, 466 = RdW 1991, 233 = GesRZ 1991, 225 mAnm v. Dellinger), die Vollbeendigung einer GmbH betreffend, eine vermittelnde Lösung, indem er zwar nominell der E SZ 62/127 folgt, aber die Vollbeendigung, zumindest im Fall der Fortsetzung des Prozesses durch die beklagte Gesellschaft, wegen des von der Gesellschaft weiter verfolgten Interesses an einer für sie positiven Kostenentscheidung nicht eintreten läßt. Darüber hinaus hat sich zwischenzeitig auch der 6. Senat in seiner E vom 12.12.1991, 6 Ob 635/91 (ecolex 1992, 419 mAnm v. Dellinger) mit dieser Frage beschäftigt, die Frage, ob der mögliche Kostenersatzanspruch für den Fall der Klagsabweisung überhaupt eine taugliche Grundlage für das Fortbestehen einer gelöschten und (sonst) vermögenslosen Gesellschaft sein könnte, aber dahingestellt lassen, weil im zu entscheidenden Fall die beklagte Partei eine Gegenforderung aufrechnungsweise einwendete, über die noch ein Aktivprozeß der dort beklagten Partei gegen die klagende Partei anhängig war (der allerdings während des Verfahrens im klagsabweisenden Sinn rechtskräftig erledigt worden war).

An der Ansicht des 1. Senates wurde von der Lehre überwiegend Kritik geübt, sie wurde im wesentlichen abgelehnt und der Ansicht des 8. Senates der Vorzug gegeben (ablehnend Mahr aaO und Dellinger, JBl 1991, 629, beide allerdings mit verschiedenen Differenzierungen, sowie Bajons, Zivilverfahren FN 1 zu Rz 64; zustimmend jedoch Graff aaO). Die Folgeentscheidungen des OGH traten ihr nicht mehr näher, so daß sie wohl als vereinzelt und überholt zu betrachten ist.

Fraglich bleibt lediglich, ob eine Vollbeendigung einer Personengesellschaft während eines gegen sie anhängigen Passivprozesses möglich ist - so der 8. Senat (warum dies nach Dellinger, JBl 1991, 629, just gerade bei der GmbH & Co KG ieS nicht möglich sein sollte, ist mit Graff aaO nicht einsichtig) - oder ob dies - wie der 2. Senat im Ergebnis meint - faktisch ausgeschlossen ist. Dieser folgt nämlich, entgegen seinen ausdrücklichen Erklärungen, nicht der Ansicht des 8. Senates, weil er den Anspruch auf Ersatz der Prozeßkosten für den Fall der Klagsabweisung für eine taugliche Grundlage für das Fortbestehen der gelöschten und (sonst) vermögenslosen Gesellschaft ansieht. Damit wäre eine Vollbeendigung während des laufenden Prozesses stets faktisch unmöglich, weil ein Kostenersatzanspruch während des laufenden Verfahrens nie ausgeschlossen werden kann. Auch diese "vermittelnde" Entscheidung ist in der Lehre auf Kritik gestoßen; von Dellinger (GesRZ 1991, 227 sowie ecolex 1992, 419) wird sie abgelehnt; der in ihr enthaltene Gedanke wurde schon vorher von Mahr (aaO) verworfen.

Die Vollbeendigung tritt ganz allgemein ein, wenn kein verwertbares und verteilbares Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist.

Hieraus folgt, daß eine aufgelöste und gelöschte Gesellschaft jedenfalls solange als parteifähig anzusehen ist, solange sie als klagende Partei einen Anspruch behauptet und hierüber einen Aktivprozeß führt (so auch die Meinung des 6. Senates), weil zuvor nicht beurteilt werden kann, ob sie wirklich und endgültig vermögenslos ist. Ob sich gleiches noch vertreten läßt, wenn die gelöschte Gesellschaft nur aufrechnungsweise Gegenforderungen einwendet (so im Ergebnis der 6. Senat, in dessen zu entscheidenden Fall allerdings zu Prozeßbeginn zusätzlich noch ein Aktivprozeß über die eingewendete Gegenforderung anhängig war), ist sehr fraglich (abwägend Dellinger, ecolex 1992, 419 unter Berufung auf Bork, JZ 1991, 841, 849).

Es kann aber - entgegen der Meinung des 2. Senates, der das Rekursgericht im Ergebnis folgt - nicht genügen, wenn das einzige potentielle Aktivum der gelöschten Gesellschaft ein allenfalls - im Fall der Klagsabweisung - ersiegter Prozeßkostenanspruch gegen die klagende Partei ist. Daß dem Kläger in einem solchen Fall notwendigerweise zu unterstellende Vorbringen, die beklagte Partei hätte noch ein potentielles Vermögen in Form eines eventuell zu ersiegenden Prozeßkostenersatzanspruches, steht nämlich mit seinem übrigen Vorbringen, wonach sein eigener Anspruch berechtigt sei, in unüberbrückbarem Widerspruch. Der Kläger könnte sein schutzwürdiges Interesse an dem Prozeß nur damit begründen, daß er diesen auch verlieren könnte. Gleiches gilt auch, wenn die gelöschte und ansonst vermögenslose beklagte Gesellschaft selbst auf eine Sachentscheidung drängt. Ihr Gegner wäre bei Bejahung der Parteifähigkeit zur Fortführung eines notwendigerweise aussichtslosen Prozesses gezwungen: Hält das Gericht die Klage für unberechtigt, so versteht sich von selbst, daß der Kläger damit nichts gewinnen kann. Hält das Gericht die Klage hingegen für berechtigt, dann spricht sie der beklagten Gesellschaft keine Kosten zu, und hört diese spätestens in dem Moment, in dem diese Entscheidung rechtskräftig wird, zu existieren auf, so daß das Urteil gegen niemanden vollstreckbar wäre (so treffend Dellinger in GesRZ 1991, 227 f).

Hieraus folgt, daß im fortgesetzten Verfahren jedenfalls zu prüfen ist, ob die gelöschte GmbH & Co KG tatsächlich kein verwertbares Vermögen mehr hat, also voll beendet ist.

Ist sie bereits vor Einleitung des Rechtsstreits voll beendet worden, ist - wie das Rekursgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat - die Erlassung des Wechselzahlungsauftrages und das weitere Verfahren mit Nichtigkeit behaftet, so daß der Wechselzahlungsauftrag aufzuheben und die Klage zurückzuweisen wäre.

Sollte die Vollbeendigung erst nach Klagszustellung erfolgt sein, die Beklagte also erst nach dieser Zeit ihr letztes verwertbares Vermögen verloren haben, ist - entgegen der Meinung des Rekursgerichtes - das Verfahren mit ihr nicht fortzusetzen, sondern einzustellen (vgl RZ 1985,42 mwN). Das Verfahren wäre zwar dann nicht von Anfang an nichtig, könnte aber ab dem Zeitpunkt, in dem die beklagte Gesellschaft über kein (zumindest potentiell - siehe Aktivprozeß) verwertbares Aktivvermögen mehr verfügt, nicht mehr fortgesetzt werden, weil - wie oben dargelegt - ein möglicherweise ersiegbarer Kostenersatzanspruch kein Aktivvermögen ist, das der Annahme der Vollbeendigung einer gelöschten und ansonsten völlig vermögenslosen Gesellschaft entgegensteht.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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