OGH 2Ob518/91

OGH2Ob518/9110.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner, Dr. Schwarz und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Viktor B*****, vertreten durch Dr. Götz Schattenberg, Dr. Ernst Moser, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei A***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger, Dr. Christian Rumplmayr, Dr. Otto Urban, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen 149.298,30 S sA infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 1. Februar 1991, GZ 3 R 18/91-47, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 27. Dezember 1990, GZ 4 Cg 190/90-43, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Rekurskosten gelten als weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Im vorliegenden Rechtsstreit trat am 15. 12. 1989 Ruhen des Verfahrens ein. Nachdem die beklagte Partei einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gestellt hatte, brachte der Kläger vor, die Beklagte sei mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 9. 10. 1990 wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden; der Löschungsbeschluß sei rechtskräftig. Der Kläger beantragte, durch Beschluß festzustellen, daß der gegenständliche Rechtsstreit durch den Untergang der Beklagten erledigt und eine Fortsetzung über Antrag der untergegangenen Gesellschaft grundsätzlich nicht mehr möglich sei.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab und führte in rechtlicher Hinsicht aus, die Löschung der beklagten Partei habe nicht konstitutive, sondern nur deklaratorische Wirkung. Die Parteifähigkeit einer GmbH dauere bis zur Vollbeendigung fort. Die Vollbeendigung sei jedenfalls dann nicht eingetreten, wenn noch Rechte bzw. Verpflichtungen der Gesellschaft behauptet werden. Die vom Kläger zitierte Entscheidung 8 Ob 652/88 (WBl. 1990, 85) betreffe die Beendigung einer Personengesellschaft, sie könne nicht ohne weiteres auf eine Kapitalgesellschaft übertragen werden. Überdies vertrete der Senat 1 des Obersten Gerichtshofes eine gegenteilige Meinung (1 Ob 551, 552/89, WBl. 1990, 83).

Dem dagegen erhobenen Rekurs des Klägers gab das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht statt und trug dem Erstgericht auf, über den Antrag des Klägers neuerlich zu entscheiden; das Verfahren sei erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen.

Das Rekursgericht schloß sich der in der Entscheidung 8 Ob 652/88 (WBl. 1990, 85 = GesRZ 1990, 156 = RdW 1990, 11) vertretenen Ansicht an, daß die Vollbeendigung einer Personengesellschaft ohne Gesamtrechtsnachfolge während eines Prozesses das Prozeßrechtsverhältnis mit der Gesellschaft beende, sodaß eine Fortsetzung des Prozesses mit der untergegangenen Gesellschaft grundsätzlich nicht möglich sei. Diese Entscheidung sei auch auf die Vollbeendigung einer GmbH anzuwenden. Der mögliche Kostenersatzanspruch der Gesellschaft im Falle der Klagsabweisung stelle keine taugliche Grundlage für das Fortbestehen einer gelöschten und vermögenslosen Gesellschaft dar. Die Rechtssache sei aber noch nicht spruchreif, sondern habe das Erstgericht zu prüfen, ob die Beklagte im Handelsregister gelöscht und ob tatsächlich Vermögenslosigkeit gegeben sei. Sollte dies der Fall sein, so sei (deklarativ) festzustellen, daß das Verfahren stillstehe. Einer endgültigen Beendigung des Verfahrens stehe entgegen, daß die Fortsetzung einer von Amts wegen gelöschten GmbH zulässig sei. Überdies sei der österreichischen Rechtsordnung eine "Einstellung des Verfahrens" fremd. Sollte die Beklagte hingegen noch über Aktivvermögen verfügen, so sei der Antrag des Klägers abzuweisen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß der Beschluß der ersten Instanz wiederhergestellt werde.

Der Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte vertritt die Ansicht, die Löschung einer GmbH wäre mit dem Tod einer Partei vergleichbar, auch § 155 ZPO unterscheide nicht, ob die verstorbene Partei einen Gesamtrechtsnachfolger hat oder nicht. Da die beklagte Partei rechtsanwaltlich vertreten sei, komme es nicht einmal zu einer Unterbrechung des Verfahrens. Für diese Löschung spreche vor allem auch, daß eine Wiederaufnahme der Liquidation nach Beendigung und nach Löschung der Gesellschaft möglich sei, soferne weiteres der Verteilung unterliegendes Vermögen sich herausstelle.

Hiezu ist folgendes zu bedenken:

Zutreffend haben die Vorinstanzen darauf hingewiesen, daß die amtswegige Löschung der beklagten Partei nur deklarative Wirkung hat (Kastner, Grundriß des österr. Gesellschaftsrechts5, 444; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, 726, HS 760; HS 3254/26; GesRZ 1990, 95 = ecolex 1990, 417 = WBl. 1990, 278 = RdW 1990, 343). Erst mit der Vollbeendigung ist die Gesellschaft als solche erloschen (8 Ob 652/88 = RdW 1990, 11 = WBl. 1990, 85 = GesRZ 1990, 156).

Strittig ist allerdings die Frage, ob eine Gesellschaft während eines gegen sie anhängigen Rechtsstreits ihre Parteifähigkeit verlieren kann mit der Folge, daß die Klage unzulässig wird. Der erste Senat des Obersten Gerichtshofes vertritt dazu die Meinung, das einmal eingeleitete Verfahren sei mit der vollbeendeten Gesellschaft ohne Rücksicht darauf, ob noch Gesellschaftsvermögen vorhanden ist oder nicht, fortzusetzen (1 Ob 551, 552/89 = GesRZ 1990, 153). Demgegenüber führte der achte Senat aus, daß bei Vollbeendigung der Gesellschaft diese als solche erloschen sei; damit habe auch das bestehende Prozeßrechtsverhältnis sein Ende gefunden (8 Ob 652/88 = GesRZ 1990, 156 = Rdw 1990, 11 = WBl. 1990, 85). Diese Entscheidungen betreffen Personengesellschaften, doch besteht für die hier zu beurteilende Frage kein Unterschied zu einer Gesellschaft mbH. Wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, erlischt auch eine Gesellschaft mbH mit Vollbeendigung (RdW 1990, 11 = WBl. 1990, 85 = GesRZ 1990, 156). In der Bundesrepublik Deutschland bestand eine Divergenz zwischen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichtes (siehe Theil, JZ 1982, 373 mwN). In der Entscheidung des BAG vom 22. 3. 1988 (NJW 1988, 2637) wurde die Frage, ob eine beklagte GmbH im anhängigen Rechtsstreit ihre Parteifähigkeit verlieren kann mit der Folge, daß die Klage unzulässig wird, offen gelassen.

Die Ansicht des ersten Senates des Obersten Gerichtshofes, wonach das einmal eingeleitete Verfahren mit der vollbeendeten Gesellschaft fortzusetzen sei, wurde von der Lehre abgelehnt (Mahr, Rechtsprobleme bei Vollbeendigung einer Personenhandelsgesellschaft während eines Rechtsstreites, GesRZ 1990, 148 ff; Bajons, Zivilverfahren, FN 1 zu Rz 64). Der erkennende Senat schließt sich insoweit der Ansicht des achten Senates an, wonach eine Gesellschaft bei Vollbeendigung als solche erloschen ist und damit auch das bestehende Prozeßrechtsverhältnis sein Ende gefunden hat. Wenn auch erhebliche praktische Gründe dafür sprechen, daß der Rechtsstreit auch gegen eine vollbeendete Gesellschaft fortgesetzt werden kann, und es bedenklich ist, dem Kläger einfach den Prozeßgegner zu entziehen, so kann doch nicht übersehen werden, daß eine nicht mehr existierende Gesellschaft nicht Partei in einem Rechtsstreit sein kann und daß die Prozeßführung gegen ein rechtliches Nichts nicht möglich ist. Offen bleibt allerdings die Frage, wann die Vollbeendigung einer Gesellschaft eintritt. Diesbezüglich wurde verschiedentlich die Ansicht vertreten, daß die Gesellschaft ihre Partei- und Prozeßfähigkeit solange nicht verliere, als ihre Rechtsverhältnisse gegenüber Dritten noch nicht abgewickelt seien (GesRZ 1978, 82 = RZ 1978/84; GesRZ 1985, 194; SZ 57/156). Nach ganz allgemeiner Ansicht tritt Vollbeendigung ein, wenn kein verwertbares und verteilbares Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist (Mahr, aaO, 151). Eine Gesellschaft kann aber jedenfalls mit der Behauptung, ihr stehe noch ein Anspruch zu (und insoweit habe sie noch Vermögen) einen Aktivprozeß führen; insoweit gilt sie als parteifähig. Ein ähnlicher Fall liegt hier vor. Die Beklagte wendet sich dagegen, daß ihr die Parteifähigkeit aberkannt und das Verfahren dadurch beendet wird. Aus ihrem Fortsetzungsantrag und dem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes ergibt sich, daß sie vielmehr die Abweisung der Klage begehrt, weil der Klagsanspruch unbegründet sei. Würde sie ein solches Urteil erreichen, erlangte sie damit auch einen Kostentitel, der sie instandsetzen würde, die bislang in diesem Rechtsstreit von ihr aufgewandten Kosten vom Kläger ersetzt zu verlangen. Ihre Vermögenslosigkeit steht daher insoweit zur Zeit noch nicht fest, es ist daher ihre Parteifähigkeit gegeben (BGH 21. 10. 1985 = NJW-RR 1986, 394). Die gegenteilige Ansicht von Mahr, aaO, 152 stützt sich auf die Entscheidung BGHZ 74, 212 = JZ 1979, 566. Von dieser Rechtsprechung ist der BGH aber, wie aus der oben angeführten Entscheidung ersichtlich ist, abgegangen. Bei Prüfung der Parteifähigkeit der Beklagten kann nicht nur darauf abgestellt werden, ob die klagende Partei ein schutzwürdiges Interesse an dem Verfahren hat, sondern muß auch das Interesse der Beklagten an einer für sie positiven Kostenentscheidung berücksichtigt werden.

Es war daher dem Rekurs der Beklagten Folge zu geben und der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO.

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