OGH 6Ob292/97b

OGH6Ob292/97b12.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kellner, Dr. Schiemer, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Peter E*****, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Willy H*****, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 160.000 S), infolge außerordentlicher Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30. Juni 1997, GZ 14 R 206/97h-62, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen beider Parteien werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

In teilweiser Abänderung des Ersturteiles gab die zweite Instanz dem

auf § 1330 ABGB gestützten Klagebegehren statt, der beklagte Student

habe in Zukunft Äußerungen wie "... (klagender Universitätsassistent)

verleumdet", "... (Kläger) hat einen Universitätsprofessor überredet,

den Beklagten nicht zu prüfen" sowie ähnliche Aussagen zu

unterlassen, und wies das Mehrbegehren, der Beklagte habe Äußerungen

zu unterlassen, durch die dem Kläger implicite der Vorwurf gemacht

werde, er begehe zu Lasten von Studenten Prüfungsabsprachen, insoweit

ab, als es darüber hinausgehe, daß der Beklagte Äußerungen zu

unterlassen habe wie "... (Kläger) hat einen Universitätsprofessor

überredet, den Beklagten nicht zu prüfen" sowie in Ansehung der

Äußerungen "... (Kläger) nimmt falsche Korrekturen vor" und "...

(Kläger) kann aufgrund mangelnder Fähigkeiten Lehrbefugnisse ohnehin nicht erlangen".

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentlichen Revisionen beider Parteien sind nicht zulässig.

a) Der Beklagte trug in seiner Klagebeantwortung (ON 4 AS 14 f) vor, den Korrekturen (der Prüfungsarbeit) habe der Beklagte entnehmen müssen, daß diese vom Kläger stammten, eine Frage, welche eindeutig richtig beantwortet worden sei, sei mit null Punkten bewertet worden, sowie, eine behauptete Beeinträchtigung des Fortkommens des Klägers sei nicht zu befürchten, da dieser die Lehrbefugnis aufgrund der oben - in der Klagebeantwortung - dargelegten mangelnden Fähigkeiten ohnehin nicht erlangen könne. Den vom Kläger darin erblickten Verstoß gegen § 1330 ABGB erachtete die zweite Instanz deshalb als nicht gegeben, weil insoweit Vorsatz des Beklagten vom Kläger nicht einmal behauptet worden sei und dem Beklagten insoweit zufolge der richterlichen Amtsverschwiegenheit auch der Rechtfertigungsgrund des § 1330 Abs 2 dritter Satz ABGB zugute komme. Danach haftet der Mitteilende für eine nicht öffentlich vorgebrachte Meinung nicht, deren Unwahrheit er nicht kannte, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte. Den Rechtfertigungsgrund hat der Mitteilende zu beweisen (zuletzt EvBl 1997/159; Reischauer in Rummel2, § 1330 ABGB Rz 24). Grundsätzlich ist unter Verbreiten einer rufschädigenden Tatsachenmitteilung auch schon eine Mitteilung an nur eine, vom Verletzten verschiedene Person

zu verstehen (stRspr: SZ 50/86; ÖBl 1983, 142; 6 Ob 37/95 = SZ 69/12

= MuR 1997, 202, 199, [Bammer] ua). Die Mitteilung ist als eine

öffentliche zu qualifizieren, wenn keine Gewähr dafür besteht, daß der Empfänger die Mitteilung vertraulich behandeln werde. Nicht öffentlich sind ua solche Mitteilungen, die einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Behörde gemacht werden (SZ 23/4 - Handelskammer als Standesbehörde; ÖBl 1977, 122; SZ 61/205 uva;

zuletzt 4 Ob 174/97k; Harrer in Schwimann2, § 1330 ABGB Rz 42;

Koziol, Haftpflichtrecht2 II 177).

Ob eine Klagebeantwortung in einem Zivilprozeß eine öffentliche Mitteilung darstellt und ob in einem öffentlichen Zivilprozeß insoweit die erforderliche Vertraulichkeit gewährleistet ist, wurde zwar tatsächlich, soweit überblickbar, in der Rspr noch nicht beantwortet, muß aber hier nicht entschieden werden. Denn im vorliegenden Fall liegt mit § 9 Abs 1 zweiter Satz RAO ("unumwunden vorzubringen") jedenfalls ein die deliktische Haftung des Beklagten ausschließender Rechtfertigungsgrund vor. Das vom Beklagten erstattete und vom Kläger inkriminierte Vorbringen gehörte bei der Bestreitung des Klageanspruches "zur Sache", war weder beleidigend noch wider besseres Wissen erhoben und entfernte sich auch nicht von üblicher sachlicher und juristischer Ausdrucksweise.

b) Auch in Ansehung der inkriminierten Behauptung "... (Kläger) nimmt falsche Korrekturen vor" wird keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zur Darstellung gebracht. Dazu hat die zweite Instanz ausgeführt, die Äußerung der zuständigen Studienrichtungsvertretung lasse den Schluß zu, daß dem Kläger schwere didaktische Mängel, ein unangebrachter Umgangston und ein unsystematisches "Benotungssystem" vorgeworfen werden können, sodaß die Behauptung nicht als unwahr festgestellt wurde. Zu dieser Tatfrage ist dem Revisionsgericht als reine Rechtsinstanz eine Stellungnahme versagt.

c) Die außerordentliche Revision des Beklagten führt zu ihrer Zulässigkeit selbst nichts aus, sondern verweist nur auf die Ausführungen im Rechtsmittel selbst, das im übrigen keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zur Darstellung bringt: Vom Zuspruch eines aliud kann keine Rede sein, sondern entsprach dies dem modifizierten und in seiner Ausdehnung zugelassenen Klagebegehren (Berichtigung in den Tagsatzungen vom 19.November 1993 ON 8 und 23. November 1994 ON 19), wobei als Antrag iSd § 405 ZPO nicht nur der Urteilsantrag selbst, sondern auch der gesamte Inhalt der Klage zu beachten ist (Rechberger in Rechberger, § 405 ZPO Rz 2 mwN). Der Zuspruch der zweiten Instanz, "... (Kläger) hat einen Universitätsprofessor überredet, den Beklagten nicht zu prüfen" entsprach inhaltlich dem Klagevorbringen (inkriminierter Beschwerdebrief des Beklagten an den damaligen BMWF als Aufsichtsbehörde) und ist gegenüber dem gestellten Begehren ein minus, wie auch aus dem Spruch und den Gründen der zweitinstanzlichen Entscheidung völlig klar zum Ausdruck kommt. Tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes, etwa die Verletzung der Anordnung des § 405 ZPO, stehen nicht auf dem Spiel.

Ob im Zusammenhang mit dem inhaltlichen Vorwurf "Überreden eines Universitätsprofessors" nach den Feststellungen der Beklagte aus einer "Übung hinausgeflogen" ist und ob der Beklagte von einem - iS eines unbestimmten Zahlwortes - Universitätsprofessor "hinausgeworfen" wurde oder vom namentlich bestimmten Universitätsprofessor Dr.M*****, indiziert wegen der Einzelfallbezogenheit keineswegs das Vorhandensein einer erheblichen Rechtsfrage, weil selbst ein in verschiedenen Bedeutungen verwendetes Wort wie "überreden" seine konkrete Sinngebung immer erst aus dem Wort- und Sachzusammenhang erhält. Insofern kann ein Einzelfall nicht als Leitjudikatur dienen. Rückschlüsse und Beispielswirkungen auf andere Fälle sind nicht zu erwarten (vgl 5 Ob 1596/90 zum Wort "Manipulation"; RIS-Justiz RS0031869). Soweit sich der Beklagte gegen den Begriff "Verleumden" im insoweit bestätigenden Teil der Berufungsentscheidung wendet, kann er sich schon deshalb nicht beschwert erachten, weil er in seinem eigenen, vom Kläger inkriminierten Beschwerdebrief an den damaligen BMWF als Aufsichtsbehörde erklärt hat, der Kläger habe ihn verleumdet - im Sinn von über jemanden etwas Falsches verbreiten, ohne daß deshalb schon das Tatbild des § 297 Abs 1 StGB erfüllt sein muß - und einen näher genannten Professor überredet, ihn nicht zu prüfen, ohne indes dafür den Wahrheitsbeweis erbringen zu können. Ob eine andere Beurteilung der festgestellten schriftlichen Äußerungen vertretbar ist, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und bildet demnach gleichfalls keine erhebliche Rechtsfrage (vgl 4 Ob 174/97k; RIS-Justiz RSRS0107768). Eine auffallende Fehlbeurteilung der zweiten Instanz liegt nicht vor.

d) Der Hinweis des Beklagten auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK geht fehl, weil die Meinungsfreiheit nur für wertende Äußerungen gilt und weder einen Freibrief für das Aufstellen unrichtiger Tatsachenbehauptungen noch für kritische Wertungen bedeutet, die in persönliche Beleidigungen oder Verunglimpfung ausarten (SZ 68/97) oder die auf der Basis unwahrer Tatsachenbehauptungen erhoben werden (MuR 1997, 85).

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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