OGH 6Ob377/97b

OGH6Ob377/97b15.1.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Heinz W***** und Brigitte W*****, ***** vertreten durch Dr.Philipp E.Lettowsky, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Werner S*****, vertreten durch Dr.Harald Berger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Räumung, infolge Rekurses des Beklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 8. Oktober 1997, GZ 54 R 249/97z-31, womit die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 24.Februar 1997, GZ 33 C 354/96f-20, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zurückverwiesen.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Zwischen den Streitteilen bestand in Ansehung der den Klägern gehörigen Eigentumswohnung ein auf drei Jahre befristeter Mietvertrag. Vertragsbeginn war der 15.4.1994, Vertragsende der 14.4.1997.

Mit ihrer auf § 1118 ABGB iVm § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG gestützten Klage begehrten die Kläger Räumung. Der Beklagte stelle trotz mehrfacher Versuche einer gütlichen Regelung das fortdauernde lärmbelästigende Verhalten von Kindern in seiner Wohnung nicht ab. Ein weiteres gedeihliches Zusammenleben im Haus sei für die übrigen Mieter unerträglich geworden.

Der Beklagte bestritt das Vorliegen eines Räumungsgrundes.

Das Erstgericht bejahte aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen das Vorliegen von eine sofortige Vertragsaufhebung rechtfertigenden Gründen und gab dem Räumungsbegehren statt. Schluß der Verhandlung erster Instanz war der 21.1.1997. Der Beklagte räumte die Wohnung mit Ablauf der vereinbarten Mietdauer zum 14.4.1997 und erhob danach am 30.4.1997 Berufung. In der Berufungsverhandlung wies er auf die schon erfolgte Räumung hin, die von den Klägern nicht bestritten wurde.

Das Berufungsgericht wies die Berufung des Beklagten mit der Begründung zurück, sein Rechtsschutzinteresse an der Sachentscheidung sei durch die nach Vertragsende erfolgte Räumung weggefallen. Die Räumung sei irreversibel, eine Anspruchsgrundlage, die Wohnung zurückzuerlangen, bestehe nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Beklagten ist gemäß § 519 Z 1 ZPO zulässig, weil das Berufungsgericht die Berufung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat, ohne in die Prüfung der Sache einzugehen (vgl Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 519). Er ist auch berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre (SZ 53/86; SZ 61/6; RIS-Justiz RS0002495 und RS0041770; Fasching IV 13 f; ders LB2 Rz 1709 ff; Kodek aaO Rz 9 ff vor § 461) setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer, somit ein Anfechtungsinteresse voraus. Der Rechtsmittelwerber muß durch die angefochtene Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt sein und damit ein rechtliches Interesse an der Anfechtung haben. Dieses Rechtsschutzbedürfnis muß auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel vorhanden sein. Sein Fehlen macht das Rechtsmittel unzulässig.

Wenngleich der Beklagte die Wohnung wegen Ablaufes der vertraglich vereinbarten Mietdauer bereits vor Einbringung der Berufung geräumt hat, eine Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses somit nicht mehr in Frage kommt, so beseitigt dieser Umstand nicht das rechtliche Interesse des Beklagten an der Anfechtung des von der ersten Instanz erlassenen Räumungstitels. Ob dem Beklagten ein rechtliches Interesse an der Beseitigung des Räumungstitels allenfalls schon deshalb zukommt, weil dieser tatbestandsmäßig ein im Sinn des § 30 Abs 2 Z 3 MRG unleidliches Verhalten des Beklagten voraussetzt, kann dahingestellt bleiben. Das Rechtsschutzbedürfnis des Beklagten liegt schon in der Bekämpfung der ihm vom Erstgericht auferlegten Prozeßkosten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Zulässigkeit von an den Obersten Gerichtshof gerichteten Rechtsmitteln kann das in der Hauptsache fehlende Anfechtungsinteresse nicht durch das Interesse an der Beseitigung der Kostenentscheidung der zweiten Instanz ersetzt werden. Der Oberste Gerichtshof hat hiezu ausgeführt, die Entscheidung zweiter Instanz im Kostenpunkt sei unanfechtbar. Sie könne nicht die weitertragende Entscheidung in der Hauptsache nur deshalb anfechtbar machen, damit über die Unanfechtbarkeit der Entscheidung im Nebenpunkt hinweggekommen werde (SZ 61/6; EvBl 1993/60; MR 1994, 213; RIS-Justiz RS0002396).

Zur Zulässigkeit von an die zweite Instanz gerichteten Rechtsmitteln hat der Oberste Gerichtshof jedoch wiederholt ausgesprochen, daß ein Wegfall des Interesses an der Entscheidung über die Hauptsache nicht schadet. Das Rechtsschutzinteresse des Beklagten liege in diesen Fällen schon in der (zulässigen) Bekämpfung der ihm im Ersturteil auferlegten Prozeßkosten erster Instanz (EvBl 1971/218, EvBl 1988/100 = SZ 61/6; JBl 1977, 650; JBl 1985, 170; WBl 1988, 55; RIS-Justiz RS0043855 und RS0002396; vgl Kodek aaO Rz 9 vor § 461).

Der erkennende Senat teilt diese Auffassung unter Hinweis auf die weitere ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach das Berufungsgericht das Urteil der ersten Instanz aufgrund des zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz gegebenen Sachverhaltes zu beurteilen hat, und die Beschwer auch dann nicht wegfällt, wenn der Beklagte die auferlegte Leistung nach Schluß der Verhandlung erster Instanz erbringt (EvBl 1981/101, RIS-Justiz RS0000723).

Das Berufungsgericht hat somit zu Unrecht eine Beschwer des beklagten Berufungswerbers verneint. Dem Rekurs wird Folge gegeben und dem Berufungsgericht die neue Entscheidung über die Berufung des Beklagten unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Stichworte