OGH 13Os183/97

OGH13Os183/9710.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Dezember 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Grems als Schriftführer, in der bei dem Landesgericht Wiener Neustadt zum AZ 34 Vr 1298/97 anhängigen Strafsache gegen Christoph T***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Christoph T***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 7.November 1997, AZ 20 Bs 390,391/97, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Christoph T***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht den Beschwerden des Beschuldigten gegen die Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft nicht Folge gegeben, deren Fortsetzung aus dem Haftgrund des § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO verfügt und das Ende der Haftfrist mit 7.Jänner 1998 bestimmt.

Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde ist nicht im Recht.

Gegen den Beschuldigten wurde am 11.Oktober 1997 die Voruntersuchung wegen §§ 146, 147 Abs 3; 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB eingeleitet und am selben Tag aus den Gründen des § 180 Abs 2 Z 2 und 3 lit b StPO über ihn die Untersuchungshaft verhängt (S 1, ON 16).

Ursprünglich wurde ihm zur Last gelegt, fahrlässig durch leichtsinnige Kreditbenützung die Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt und durch Unterlassung der rechtzeitigen Konkursanmeldung der von ihm mitgegründeten T***** & G***** GesmbH die Befriedigung deren Gläubiger vereitelt oder geschmälert zu haben (Tatzeiten Februar 1996 bis 1997, Gesamtschaden ca 3 Mio S), unter Vortäuschung seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit ein Heizölvertriebsunternehmen (am 8. Jänner 1997 durch Lieferung von 5.000 Liter Heizöl) um 24.721,44 S sowie nach Gründung einer weiteren Gesellschaft (P*****) die Mitgesellschafterin und Geschäftsführerin zur Überlassung von Bargeldbeträgen und zu einer Bürgschaft (im Mai 1997) bewegt und dadurch um 600.000 S betrügerisch geschädigt zu haben (siehe ON 6, 18 und 26).

Am 23. und 30.Oktober 1997 wurde die Voruntersuchung auf weitere von der Gendarmerie erhobene Fakten (ON 14 und 22) ausgedehnt (S 4 und 4 b; 234), wobei der diesbezüglich errechnete mutmaßliche Schaden mehrere Millionen Schilling (nach Gendarmerieberechnungen über 7 Mio S, S 29/II; siehe dazu auch die Angaben des Beschuldigten vor der Gendarmerie S 93/I) betragen soll.

Die den dringenden Tatverdacht nicht bestreitende Grundrechtsbeschwerde behauptet (weitwendig), zur Annahme des Haftgrundes mangle es einerseits an bestimmten Tatsachen, andererseits sei die Haftverhandlung vom 24.Okto- ber 1997 verspätet (nach Ablauf der ersten Haftfrist) durchgeführt worden, weshalb der Beschuldigte zu enthaften sei.

Der des tatsächlichen geständige Beschuldigte machte vor der Gendarmerie noch weitgehende Angaben zur subjektiven Tatseite der ihm vorgeworfenen Handlungen (S 69 ff/I = 381 ff/III, 411 ff/III), bestritt in der weiteren Folge vor dem Untersuchungsrichter jedoch einen Betrugsvorsatz (ON 5).

Nach seinen vor dem Untersuchungsrichter wiederholt ausdrücklich als richtig bezeichneten Angaben vor der Gendarmerie (S 233, 233 a) nahm er unter anderem im Zeitraum von Anfang 1996 bis Jänner 1997 ohne über irgendwelche Eigenmittel zu verfügen, bei Banken persönliche oder Unternehmenskredite in der Gesamthöhe von ca 2,3 Millionen S auf, zu deren Sicherstellung er auch betrügerisch andere Personen als Bürgen bzw zur Stellung von Pfandrechten bewegte, die teilweise bereits realisiert wurden und solcherart die davon betroffenen Personen schädigte (siehe insb S 81/I), teils aber haften die Kredite noch unberichtigt aus (S 71 f, 83 f/I, 413/III). Der Beschuldigte verbrauchte diese Gelder teilweise für von ihm gegründete Unternehmen, die über keinerlei nennenwerte Einkommensmöglichkeiten verfügten, weswegen er seinen Unterhalt teilweise sogar durch Arbeitslosenunterstützung finanzieren mußte (S 75 /I), teilweise aber auch für sich persönlich (S 413/III). Trotz Kenntnis des völligen Scheiterns der ersten von ihm ins Leben gerufenen Gesellschaft gründete er eine weitere, abermals ohne jede Eigenmittel (S 77, 81 f/I), und verlegte den Sitz der ersten in ein anderes Bundesland, ohne die Veränderung handels- oder gewerberechtlich durchzuführen (S 421 f/III).

An diesem neuen Firmensitz bezog er ohne Rückzahlungsmöglichkeit Waren und Dienstleistungen (S 89/I). Dem Unternehmen zukommende Verrechnungsschecks verwendete er für eigene Zwecke (S 415 f/III). Die Lieferung von bereits bezahlten Warenautomaten verheimlichte er der Geschäftsführerin des Unternehmens, verkaufte vielmehr einen Teil davon und verwendete den Erlös für sich oder ließ seinen Vater einen Teil dieser Automaten ins Ausland verbringen (S 419 ff/III).

Rechtliche Beurteilung

Der vom Oberlandesgericht zur Begründung der Untersuchungshaft herangezogene Grund (§ 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO) setzt (unter anderem) voraus, daß infolge bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, der Beschuldigte werde auf freiem Fuß, ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens eine strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist, wie die ihm angelasteten strafbaren Handlungen, wenn ihm nunmehr wiederholte oder fortgesetzte Handlungen angelastet werden.

Dem Beschuldigten werden vorliegendenfalls solche fortgesetzte bzw wiederholte strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen mit jeweils beachtlichen Folgen angelastet. Die bestimmten Tatsachen, welche die Gefahr künftiger strafbarer Handlungen mit nicht bloß leichten Folgen begründen und zur Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft vorausgesetzt sind, können (infolge ausdrücklicher Anführung im Gesetz; letzter Halbsatz leg. cit) auch in den den Beschuldigten angelasteten wiederholten oder fortgesetzten Handlungen liegen, wenn sie von solcher Art sind, daß dadurch nicht lediglich die bloße Möglichkeit eines Rückfalles begründet wird.

Das vom Beschuldigten überwiegend selbst angegebene (und manifeste) Verhalten, insbesondere die intensiven und in kurzen Abständen wiederholten, planmäßigen, meist unter dem Deckmantel von Kapitalgesellschaften verübten Angriffe gegen fremdes Vermögen innerhalb eines Zeitraums von eineinhalb Jahren (Beginn 1996 bis Juli 1997) mit hohen Schadensbeträgen und sein daraus abgeleitetes Persönlichkeitsbild (s. 11 Os 73/95) sind zudem jene vom Beschwerdeführer vermißten bestimmten Tatsachen, die nicht bloß abstrakt, sondern durchaus konkret befürchten lassen, er werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Verfahrens neuerlich gegen dasselbe Rechtsgut gerichtete strafbare Handlungen mit nicht bloß leichten Folgen begehen (s. 15 Os 44/95).

Soweit in diesem Zusammenhang die Unschuldsvermutung (Art 6 Abs 2 MRK, der in § 2 GRBG übrigens gar nicht zitiert ist) in Anspruch genommen wird, übersieht der Beschwerdeführer, daß im Gegensatz dazu in der Haftfrage das Bestehen hinreichenden Verdachtes der Verübung einer strafbaren Handlung ausreicht (Art 5 Abs 1 lit c MRK, 15 Os 37/97); (dringender) Verdacht und (bestimmte) Tatsache sind aber - wie der Beschwerdeführer ersichtlich meint - keine Gegensätze.

In Anbetracht der Höhe des Deliktsschadens kann die Aussicht des Beschuldigten, beim Österreichischen Bundesheer als Zeitsoldat beschäftigt zu werden, keine Minderung dieser Rückfallsgefahr bedeuten (§ 180 Abs 3 letzter Satz StPO).

Das Oberlandesgericht ist daher im Ergebnis zu Recht vom Vorliegen des bezeichneten Haftgrundes ausgegangen.

Die Beschwerdeausführungen bieten auch keinen Anlaß, von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Berechnung der Haftfristen des § 181 Abs 1 und 2 StPO abzugehen (14 Os 57/94, 11 Os 59/94, 15 Os 133/94, 14 Os 155/95, 15 Os 160/95 ua). Haftfristen sind wie alle anderen von der Strafprozeßordnung so bezeichneten Fristen nach § 6 StPO zu berechnen. Eine Differenzierung gegenüber den in § 194 StPO genannten Zeiträumen ist schon deswegen geboten, weil diese vom Gesetz ebensowenig wie jene des § 35 Abs 3 JGG als Fristen bezeichnet werden. Im übrigen verlängert § 6 Abs 2 StPO im Gegensatz zu § 181 Abs 4 StPO keine Haftfrist, sondern bestimmt vielmehr deren letzten Tag bei spezifischen kalendermäßigen Konstellationen.

Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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