OGH 15Os44/95

OGH15Os44/9510.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.April 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Stöckelle als Schriftführerin, in der beim Landesgericht Leoben zum AZ 16 Vr 246/94 anhängigen Strafsache gegen Erwin S***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 und Abs 3 Z 2 und 3 SGG über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Erwin S***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 3.März 1995, AZ 9 Bs 90/95 (= ON 147 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Erwin S***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Beim Landesgericht Leoben wird zum AZ 16 Vr 246/94 unter anderem seit 19. März 1994 gegen den Transportunternehmer und Frachtführer Erwin S***** die Voruntersuchung wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 und Abs 3 Z 2 und 3 SGG geführt (3 a f/I), weil er dringend verdächtig ist, im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Hassan C*****, Muhittin C*****, Adem K***** und (teils) mit Peter S***** den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande Suchtgift, nämlich Heroin, in einer großen Menge ein- und ausgeführt zu haben, wobei er die Suchtgifttransporte als Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung solcher strafbarer Handlungen und mit Beziehung auf ein Suchtgift begangen haben soll, dessen Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der im § 12 Abs 1 SGG angeführten Menge ausmacht, indem er jeweils auf dem Landweg im Oktober 1993 128 kg und im Dezember 1993 147 kg aus der Türkei aus- und nach Österreich eingeführt, sodann über Deutschland nach Holland ausgeführt sowie Anfang März 1994 auf dem Seeweg 299,5 kg aus der Türkei aus- und nach Italien eingeführt haben soll.

Mit Beschluß vom 19.März 1994 verhängte der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Leoben deswegen über den Beschuldigten Erwin S***** die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a und b StPO (ON 12/I), deren Fortsetzung in der Folge mehrfach jeweils innerhalb der gesetzlichen Haftfristen (die Verdunkelungsgefahr ist inzwischen infolge Zeitablaufs weggefallen) sowohl vom Untersuchungsrichter als auch vom Gerichtshof zweiter Instanz als Beschwerdegericht beschlußmäßig angeordnet wurde, zuletzt mit Beschluß des Erstgerichtes vom 17.Februar 1995 (ON 142/III).

Der Beschwerde des Beschuldigten S***** gegen diesen Beschluß gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluß vom 3.März 1995, AZ 9 Bs 90/95 (= ON 147/III), nicht Folge; es sprach aus, daß die über Erwin S***** verhängte Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr fortzusetzen und der Haftbeschluß bis längstens 4. Mai 1995 wirksam sei.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Beschluß des Gerichtshofes zweiter Instanz bekämpft Erwin S***** "seinem gesamten Inhalt nach" mit Grundrechtsbeschwerde (ON 150/III), in der er sich im Grundrecht auf persönliche Freiheit dadurch verletzt erachtet, daß das Landesgericht Leoben und das Oberlandesgericht Graz die "Haftvoraussetzungen unrichtig beurteilen", indem sie zu Unrecht das Fortbestehen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr annehmen.

Die Beschwerde ist nicht im Recht.

Soweit sich der Beschwerdeführer mit der (zusammengefaßt wiedergegebenen) Argumentation (253 f/III) - er habe im Oktober 1993 und Anfang März 1994 jeweils lediglich einen LKW-Zug zur Verfügung gestellt, sonst aber mit den Transporten nichts zu tun bzw auf die Tätigkeit der beiden Türken C***** und K***** keinen Einfluß gehabt; im ersten Fall habe zwar der Verdacht bestanden, daß der LKW-Zug zum Schmuggel und Transport von Suchtgift verwendet werden könnte, es hätten aber keinerlei ausreichende Verdachtsgründe bestanden, daß dies tatsächlich der Fall sein würde; zum Transport im Dezember 1993 könne er mangels detaillierter Vorwürfe und infolge teilweise verweigerter Akteneinsicht nichts Genaues sagen - der Sache nach gegen die Annahme eines dringenden Tatverdachtes wendet, gerät er mit diesem Beschwerdevorbringen nicht nur mit mehreren für die subjektive Tatseite bedeutsamen Passagen seiner eigenen Beschuldigtenverantwortung vor dem Untersuchungsrichter (vgl etwa 87 a und verso, 87 d, 87 e bis 87 g verso, 87 i verso f, 87 k verso bis 87 m, 87 r verso/I) und (nachfolgend) vor der Sicherheitsbehörde (ON 44/II) in unlösbaren Widerspruch, sondern auch mit den belastenden Angaben seines Sohnes Peter S***** (ON 36/I) und des Mitbeschuldigten C***** (ON 69/II), die in ihrem Zusammenhang in Verbindung mit den sicherheitsbehördlichen Erhebungsergebnissen - vorbehaltlich der abschließenden Beweiswürdigung in einem allfälligen Erkenntnisverfahren - einen höheren Grad der Wahrscheinlichkeit indizieren, der Beschwerdeführer habe die ihm angelasteten strafbaren Handlungen (darunter eine Tatbeteiligung im Zusammenhang mit dem Anfang März 1994 in Triest von den italienischen Behörden gestoppten Schmuggel von nahezu 300 kg Heroin) begangen (§ 180 Abs 1 StPO).

Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß es zwar zutrifft, daß das Erstgericht dem Verteidiger des Beschuldigten (zumindest) bis 7. März 1995 die Einsicht in das gerichtliche Beschuldigtenprotokoll des Mitbeschuldigten C***** verweigert hat (vgl ON 141 iVm ON 148/III); nichtsdestoweniger wurde dem Beschuldigten vom Untersuchungsrichter wiederholt und ausreichend Gelegenheit geboten, zu den wesentlichen Belastungen des Muhittin C***** Stellung zu beziehen (vgl 87 a ff/I).

Ausgehend von der als dringend zu beurteilenden Verdachtslage, wobei der Oberste Gerichtshof jeglichen Anschein einer vorwegnehmenden Würdigung der die Verdachtsintensität tragenden Sachverhaltsprämissen zu vermeiden hat (12 Os 19, 20/93 = Jus Extra OGH-St 1192), enthält die bekämpfte Entscheidung des Gerichtshofes zweiter Instanz aber auch jene vom Beschwerdeführer vermißten bestimmten Tatsachen (mutmaßliche Beteiligung an drei Transporten mit enormen Heroinmengen aus Gewinnsucht; massive Verstrickung in den organisierten internationalen Suchtgifthandel, woraus Zwang und Repressalien zur weiteren Mitwirkung auf verschiedene Arten im Rahmen der fortbestehenden Suchtgiftorganisation drohen; bedeutende wirtschaftliche Schwierigkeiten seines Transportunternehmens; gerichtliche Vorbelastung wegen verschiedener Vermögensdelikte und wegen gewerbsmäßigen Schmuggels), die nicht bloß abstrakt, sondern durchaus konkret befürchten lassen, er werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens neuerlich gegen dasselbe Rechtsgut gerichtete strafbare Handlungen mit schweren (§ 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO) oder mit nicht bloß leichten Folgen begehen (§ 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO).

Gegen diese Überlegungen vermag der Beschwerdeführer im wesentlichen nur vorzubringen, daß er mit den inkriminierten organisierten Suchtgifttransporten nichts zu tun und nie gedealt habe, kein Bandenmitglied gewesen sei und keinerlei Möglichkeit (mehr) habe, abermals einen LKW-Zug oder andere Kraftfahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Dieses Vorbringen ist indes nicht geeignet, die sachgerechten Erwägungen des angefochtenen Beschlusses zu erschüttern.

Es entspricht der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes (vgl NRsp 1993/51; 11 Os 36/95 uva), daß bei gegebenem dringenden Tatverdacht bereits ein Haftgrund die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigt, weswegen sich im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens die Prüfung erübrigt, ob auch noch ein weiterer Haftgrund (hier: der Fluchtgefahr) gegeben ist.

Die Intensität der Tatbegehungsgefahr verbietet die beantragte Anwendung gelinderer Mittel im Sinne des § 180 Abs 5 StPO.

Da somit Erwin S***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt ist, war seine Beschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

Nicht einzugehen war auf die ausdrücklich "nicht als Beschwerdegrund" deklarierten Ausführungen über den Gang der Voruntersuchung (§ 3 Abs 1 GRBG).

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