OGH 15Os133/94

OGH15Os133/9422.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.September 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch und Mag. Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kamptner als Schriftführer, in der bei dem Landesgericht Wels zum AZ 18 Vr 647/94 anhängigen Auslieferungssache gegen Robert M* und Sabine M* über die Grundrechtsbeschwerde der Beschuldigten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 19. Juli 1994, AZ 7 Bs 260,261/94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0150OS00133.9400000.0922.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurden Robert und Sabine M* im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht Linz den Beschwerden von Robert und Sabine M* gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Wels vom 12. Juli 1994, GZ 18 Vr 647/94 ON 20 und 21 Folge gegeben und die angefochtenen Beschlüsse dahin abgeändert, daß die über Robert und Sabine M* aus den Haftgründen der Flucht‑ und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit b StPO iVm § 29 Abs 1 ARHG verhängte Auslieferungshaft aufgehoben wird.

Robert und Sabine M* waren am 26. Juni 1994 um 7,30 Uhr in R*, A* auf Grund eines Haftbefehls des Amtsgerichtes Ingolstadt vom 25. Juni 1994 festgenommen worden. Mit Beschlüssen des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Wels vom 27. Juni 1994, in der Ausfertigung allerdings mit 28. Juni 1994 datiert, wurde über die Genannten die Auslieferungshaft aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr verhängt und diesen Beschlüssen in der mündlichen Verkündung Wirksamkeit bis 11. Juli 1994, in der schriftlichen Ausfertigung bis 12. Juli 1994, zuerkannt. Der Untersuchungsrichter ordnete sodann für den 12. Juli 1994 die Haftverhandlungen für beide Beschuldigten an. In diesen Haftverhandlungen wurde die Fortsetzung der Auslieferungshaft aus den Haftgründen der Flucht‑ und Tatbegehungsgefahr gemäß §180 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit b StPO beschlossen und ausgesprochen, daß dieser Beschluß bis 11. August 1994 wirksam sei.

Sein stattgebendes Erkenntnis begründete der Gerichtshof zweiter Instanz damit, daß die Haftfrist des § 181 Abs 2 Z 1 StPO nach Lage des Falles am 11. Juli 1994, 24 Uhr geendet hatte, weil die Festnahme am Sonntag, den 26. Juni 1994 um 7,30 Uhr erfolgt sei und für die Dauer der Haftfristen § 6 Abs 1 zweiter Satz StPO zu gelten habe, wonach der Tag, an dem die Frist zu laufen beginnt, nicht mitzuzählen ist; weil der 14. Tag der Frist auf den 10. Juli 1994 fiel und dieser Tag ein Sonntag war, habe die Haftfrist vorliegend am 11. Juli 1994 um 24 Uhr geendet; da die Haftverhandlung erst am 12. Juli 1994 stattfand, sei die nach Ablauf des 11. Juli 1994 währende Haft gesetzwidrig.

In ihrer Grundrechtsbeschwerde erachten sich beide Beschuldigten im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt, weil ihrer Ansicht nach die Haftfrist des § 181 Abs 2 Z 1 StPO bereits am 10. Juli 1994 um 7,30 Uhr geendet habe und die Auslieferungshaft bereits ab diesem Zeitpunkt gesetzwidrig gewesen sei. Darüberhinaus habe das Oberlandesgericht Linz über die Beschwerden der beiden Beschuldigten erst am 19. Juli 1994 entschieden und somit gegen § 2 Abs 2 GRBG verstoßen.

Keinem der Einwände kommt Berechtigung zu.

Das erste Beschwerdevorbringen ist auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu verweisen, nach der die Fristen des § 181 Abs 1 und Abs 2 StPO den Regeln des § 6 StPO unterliegen, weil sie "in diesem Gesetz" (StPO) bestimmt sind, sodaß die (erste) Haftfrist des § 181 Abs 2 Z 1 StPO nicht mit dem Tag der Festnahme, sondern mit dem auf den Tag der Festnahme folgenden Tag zu laufen beginnt (vgl 14 Os 57/94 = NRSp 1994/106; 11 Os 59/94, bereits im angefochtenen Beschluß zitiert; so auch Einführungserlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 22. Dezember 1993 JABl 1994/6 Abschnitt II 5 A). Da die Festnahme am 26. Juni 1994 (einem Sonntag) erfolgte, endete die vierzehntägige Haftfrist sonach (wie vom Oberlandesgericht Linz richtig erkannt) erst am 11. Juli 1994 (einem Montag). Im übrigen erhellt auch aus der Bestimmung des § 181 Abs 4 StPO über die (ausnahmsweise) Möglichkeit der Verlegung einer Haftverhandlung auf einen der drei dem Fristablauf folgenden Arbeitstage, daß vom Gesetzgeber die Abführung einer Haftverhandlung an einem Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag grundsätzlich nicht ins Auge gefaßt wurde.

Zutreffend wurde auch das Ende der Haftfrist erst mit Ablauf des 11. Juli 1994 und nicht mit 7,30 Uhr dieses Tages berechnet, weil die Fristen des § 181 StPO kalendermäßig zu errechnen sind; nur eine nach Stunden bemessene Frist läuft a momento ad momentum, alle übrigen (kalendermäßigen) Fristen enden mit der Mitternachtsstunde des letzten Tages der Frist (Platzgummer, Grundzüge6, S 77; SSt 29/87). Daß Vorhaftzeiten auch in Stunden auf eine zu verbüßende Strafe anzurechnen sind ‑ was die Beschwerdeführer für sich ins Treffen führen ‑, ist durch die Sonderregelung des § 148 Abs 2 StVG bedingt und im übrigen nicht in der StPO geregelt.

Vom Obersten Gerichtshof durchgeführte Erhebungen ‑ zu denen den Beschwerdeführern Gelegenheit zur Stellungnahme geboten wurde ‑ ergaben, daß die Akten des Landesgerichtes Wels am 15. Juli 1994 dem Oberlandesgericht Linz vorgelegt wurden. Noch am selben Tage wurden sie prozeßordnungsgemäß (§§ 35, 78 StPO) der Oberstaatsanwaltschaft Linz zur Einsicht und Stellungnahme übermittelt. Am 18. Juli 1994 langten die Akten wieder beim Oberlandesgericht Linz ein. Bereits am darauffolgenden Tage fasste der Gerichtshof zweiter Instanz den mit Grundrechtsbeschwerde bekämpften Beschluß. Bedenkt man, daß sich die Mitglieder des Senates vor Beschlußfassung ausreichende Kenntnis vom Akteninhalt verschaffen müssen, so erweist sich, daß das Oberlandesgericht ‑ entgegen dem Beschwerdevorbringen ‑ ungewöhnlich schnell über die Rechtsmittel der Beschwerdeführer entschieden hat, sodaß in der behaupteten "Verzögerung um einen Tag" eine Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit nicht zu erblicken ist. Angesichts dieser raschen geschäftsordnungsgemäßen Erledigung entbehren die von den Beschwerdeführern angestellten Spekulationen, der bekämpfte Beschluß sei "erst" deswegen am 19. Juli 1994 gefaßt worden, damit allenfalls noch vor der zu erwartenden Enthaftung der Beschwerdeführer ein weiterer Haftbefehl des Amtsgerichtes Ingolstadt beim Landesgericht Wels eintreffen könne, einer sachbezogenen Grundlage.

Die unbegründete Beschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

 

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