OGH 5Ob247/97b

OGH5Ob247/97b24.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Floßmann und Dr.Baumann, die Hofrätin des Obersten Gerichtshof Dr.Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshof Dr.Hradil als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 4.Juni 1996 verstorbenen Rudolf L*****, infolge Revisionsrekurses der erblasserischen Witwe Margarete L*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 4.April 1997, GZ 15 R 32/97z-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung vom 22.Jänner 1997, GZ 7 A 241/96m-7, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Erblasser hinterließ an Aktivvermögen Guthaben bei Banken in der Höhe von S 37.678,54. Weiters hinterließ er seinen Hälfteanteil an einem zuvor im gemeinsamen Eigentum der beiden Ehegatten stehenden Liegenschaftsanteil verbunden mit Wohnungseigentum. Im C-Blatt dieser Liegenschaft sind Pfandrechte einverleibt, wobei die zugrundeliegenden Darlehen am Todestag mit einem Gesamtbetrag von S 350.732,52 aushafteten. Weiters entstanden im Zusammenhang mit dem Begräbnis Passiva in der Höhe von S 90.382,-. Hinzu kommen Gebühren des Gerichtskommissärs in bisher noch nicht bestimmter Höhe.

Die Witwe beantragte am 19.9.1996 und am 3.1.1997 beim Gerichtskommissär die Überlassung des erblasserischen Vermögens an sie an Zahlungsstatt gemäß § 73 Abs 1 AußStrG, nachdem sie zuvor erklärt hatte, weder eine Erbsentschlagungserklärung noch eine Erbserklärung abgeben zu wollen, sich die Abgabe dieser Erklärungen jedoch ausdrücklich vorzubehalten, und erklärt hatte, das Vorausvermächtnis gemäß § 10 WEG bezüglich der erblasserischen Hälfte an der Eigentumswohnung in Anspruch nehmen zu wollen.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, im Nachlaß sei eine Liegenschaft bzw ein Liegenschaftsanteil vorhanden, sodaß "nach der üblichen Rechtsprechung" die Verlassenschaftsabhandlung durchzu- führen sei.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Witwe, soweit er sich gegen eine Abweisung des Antrages auf Ausstellung einer Amtsbestätigung richtete, zurück, gab dem Rekurs im übrigen nicht Folge, und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es führte folgendes aus:

Vorweg sei festzuhalten, daß mit dem ange- fochtenen Beschluß über den Antrag der Rekurswerberin auf Ausstellung einer Amtsbestätigung nicht entschieden worden sei, sodaß der Rekurs insofern als unzulässig zurückzuweisen sei.

Aber auch mit ihrer Argumentation zur Frage der Zulässigkeit der Überlassung des erblasserischen Vermögens an Zahlungsstatt sei die Rekurswerberin nicht im Recht. Gemäß § 73 Abs 1 AußStrG sei nur die Überlassung eines unbedeutenden und überschuldeten Nachlasses an die Gläubiger an Zahlungsstatt zulässig. Dem Erstgericht sei darin zuzustimmen, daß von der Rechtsprechung ein Nach- laßvermögen dann nicht mehr als unbedeutend angesehen werde, wenn Liegenschaften oder Anteile daran in ihm enthalten seien. Von entscheidender Bedeutung für die Berechtigung des Antrags der erblasserischen Witwe sei daher die Beantwortung der Frage, ob die erblasserische Hälfte am Mindestanteil der Liegenschaft samt Eigentumswohnung in den Nachlaß falle oder nicht. Dabei sei der Rekurswerberin zuzustimmen, daß dann, wenn gemäß § 10 Abs 1 WEG der erblasserische Anteil am Mindestanteil unmittelbar ins Eigentum des überlebenden Ehegatten zuwachse, diese Hälfte aus dem Nachlaßvermögen herausfalle und in diesem Fall, wenn ansonsten kein bedeutendes Vermögen im Nachlaß vorhanden und dieser überschuldet sei, die Überlassung des Vermögens an Zahlungsstatt an die Gläubiger zulässig sei. Dieser Zuwachs gemäß § 10 Abs 1 WEG finde nach dem Eingangssatz dieser Bestimmung jedoch nur dann statt, wenn der überlebende Ehegatte nicht ohnehin auf Grund des Gesetzes oder auf Grund eines Vermächtnisses allein den Anteil des Verstorbenen erwerbe. Der überlebende Ehegatte habe nach dieser Bestimmung die Wahl zwischen dem Erwerb der gesamten Verlassenschaft als Erbe oder dem Erwerb des Hälfteanteils an der Ehegattenwohnung als Vermächtnisnehmer einerseits und dem Verzicht auf diese Rechte und der Inanspruchnahme des gesetzlichen Zuwachses nach § 10 WEG andererseits.

Im gegenständlichen Fall sei die erblasserische Witwe nach dem Gesetz Alleinerbin. Sie habe bislang keine Erbserklärung abgegeben, sondern sich vielmehr eine solche ausdrücklich vorbehalten. Vom Gerichtskommissär sei ihr bislang keine Frist im Sinne der §§ 115, 118 AußStrG gesetzt worden. Es sei ihr daher bis zur Rechtskraft der Einantwortung immer noch möglich, eine positive Erbserklärung abzugeben. Daraus aber folge, daß die Bestimmungen des § 10 Abs 1 Z 1-5 WEG nicht anzuwenden seien, weil noch nicht feststehe, daß der Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil der Eigentumswohnung nicht ohnehin der erblasserischen Witwe allein auf Grund ihres gesetzlichen Erbrechtes zufalle. Daraus wiederum folge, daß der Zuwachs nach § 10 Abs 1 WEG bisher nicht stattgefunden habe, sodaß der Anteil der Verstorbenen am Mindestanteil nach wie vor zum Nachlaßvermögen gehöre. Erst mit einer unwiderruflichen Erbsausschlagung durch die Rekurswerberin stehe fest, daß sie nicht auf Grund des Gesetzes Erbin des erblasserischen Anteils am Mindestanteil wäre, sodaß in diesem Fall der Zuwachs nach § 10 Abs 1 Z 1 WEG eintreten könne. Solange sich dieser Anteil des Verstorbenen jedoch beim Nachlaßvermögen befinde, sei dieses nicht unbedeutend. Weiters könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß es im Sinne des § 73 Abs 1 AußStrG überschuldet sei, also nur zur Befriedigung der dringendsten Verlassenschaftsschulden ausreiche.

Der Rekurs erweise sich aber auch nicht im Sinne eines (im Abänderungsantrag enthaltenen) Aufhebungsantrages als berechtigt; in Betracht könnte die Aufhebung der Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht kommen, um die Rekurswerberin dazu anzuleiten, binnen einer ihr zu setzenden Frist eine Erbserklärung oder eine Erbsentschlagung abzugeben, ferner, um sie gegebenenfalls zu einer Erklärung nach § 10 Abs 1 Z 2 WEG anzuleiten. Diese Vorgangsweise habe der Oberste Gerichtshof in 5 Ob 158/92 = NZ 1993, 81 als notwendig angesehen. Im gegenständlichen Fall erscheine dies allerdings deswegen nicht möglich, weil die Rekurswerberin, über die Rechtslage durch den Gerichtskommissär infomiert, wie sich auch aus dem Protokoll vom 3.1.1997 ergebe, ausdrücklich erklärt habe, keine Erbserklärung abzugeben, sondern sich eine solche vielmehr vorbehalten zu wollen. Da sie somit ihren Willen bereits zum Ausdruck gebracht habe, erscheine es nicht zulässig, sie zu einer davon abweichenden Erklärung anzuleiten. Der Antrag auf Überlassung des Nachlaß- vermögens an Zahlungsstatt sei daher vom Erstgericht zu Recht abgewiesen worden.

Die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses gemäß § 14 Abs 1 AußStrG ergebe sich daraus, daß zur Frage, ob es für den Eintritt des Zuwachses nach § 10 Abs 1 Z 1 WEG ausreichend sei, wenn der gesetzliche Alleinerbe sich die Abgabe einer Erbserklärung vorbehalte, keine oberstgerichtliche Entscheidung vorliege. Der Entscheidung 5 Ob 158/92 = NZ 1993, 81 sei der Fall zugrundegelegen, daß zwar eine ausdrückliche Erbserklärung und Erklärung gemäß § 10 Abs 1 Z 2 WEG des überlebenden Ehegatten nicht vorgelegen habe, daß diese aber im Wege der Anleitung nachzuholen gewesen wären. In dem der Entscheidung 5 Ob 137/94 = WoBl 1996, 38 zugrundeliegenden Fall habe der überlebende Ehegatte hingegen bereits eine (unwiderrufliche) positive Erbserklärung abgegeben gehabt.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der erblasserischen Witwe wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß zu ihren Gunsten die Überlassung des Nachlasses an Zahlungsstatt und die Ausstellung einer Amtsbestätigung bewilligt werde.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelwerberin macht im wesentlichen geltend, das Erstgericht habe auch ihren Antrag auf Ausstellung einer Amtsbestätigung abgewiesen, welcher notwendigerweise mit dem Antrag auf Überlassung des Nachlasses an Zahlungsstatt verbunden sei und in der Beschlußbegründung auch wiedergegeben worden sei. Unrichtig sei die Annahme des Rekursgerichts, daß die Rechtsmittelwerberin Alleinerbin sei, weil ihr neben den Geschwistern des Erblassers nur ein gesetzliches Erbrecht zu zwei Dritteln des Nachlasses zustehe. Auch im Falle einer Erbserklärung durch die Rechtsmittelwerberin und die Geschwister würde ihr der Anteil des Erblassers am Mindestanteil unmittelbar ins Eigentum zuwachsen. Unrichtig sei weiters, daß der Zuwachs bis jetzt nicht stattgefunden habe, weil der Hälfteanteil am Mindestanteil als Vindikationslegat unmittelbar ins Eigentum zuwachse. Der Zuwachs trete daher nicht erst bei einer Erbsausschlagungserklärung ein. Auch wenn ein erbberechtigter Ehegatte unter Ladung nach § 120 AußStrG nicht zur Tagsatzung erscheine, könne er die Ausstellung einer Amtsbestätigung beantragen. Auch in diesem Fall hätte er weder eine Erbsentschlagungserklärung, noch eine Erbserklärung abgegeben.

Hiezu wurde erwogen:

Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin wurde über ihren Antrag auf Ausstellung einer Amtsbestätigung vom Erstgericht bisher nicht entschieden. Nach dem in diesem Zusammenhang allein maßgeblichen Spruch der erstgerichtlichen Entscheidung betrifft diese nur den Antrag auf Überlassung an Zahlungsstatt gemäß § 73 Abs 1 AußStrG. Daß die Ausstellung einer Amtsbestätigung damit in Zusammenhang steht und daß der entsprechende Antrag in der Begründung des Beschlusses erwähnt wird, vermag am Umfang des Abspruches nichts zu ändern. Da die Frage der Ausstellung einer Amtsbestätigung daher hier nicht zu lösen ist, muß auch nicht weiter untersucht werden, ob ein im Sinne des § 120 Abs 1 AußStrG zur Tagsatzung nicht erschienener Ehegatte eine solche Bestätigung erlangen könnte, wie die Rechtsmittelwerberin als Hilfsargument behauptet hat.

Zu prüfen ist vielmehr, ob der Antrag auf Überlassung des Nachlasses an Zahlungsstatt gerechtfertigt ist. Gehören zum Nachlaß - wie hier - Liegenschaften, kann er regelmäßig nicht als unbedeutend im Sinne des § 73 Abs 1 AußStrG angesehen werden (4 Ob 501/95 = SZ 68/8 mwN; 5 Ob 137/94 = WoBl 1996, 38/8 [Markl]). Sollte es aber zu einem als Vindikationslegat konstruierten Erwerb kraft Gesetzes durch Anwachsung gemäß § 10 Abs 1 WEG gekommen sein, würde der halbe Mindestanteil des verstorbenen Ehegatten wegen des unmittelbaren Eigentumsüberganges nicht in die Verlassenschaftsmasse fallen (5 Ob 158/92 = SZ 65/158 = NZ 1993, 81 mwN). Eine Akkreszenz ist nach dem Einleitungssatz des § 10 Abs 1 WEG aber nicht möglich, wenn der überlebende Ehegatte den Anteil des Verstorbenen ohnehin als Erbe allein erwirkt (5 Ob 137/94). Dies kann im vorliegenden Fall nach der bisherigen Aktenlage nicht ausgeschlossen werden, weil die Geschwister des Verstorbenen bisher keine Erbserklärung abgegeben haben und die Rechtsmittelwerberin sich die Abgabe einer - bis zur Beendigung des Verlassen- schaftsverfahrens möglichen (RIS-Justiz RS0007014, RS0007926) - Erbserklärung ausdrücklich vorbehalten hat. Von ihrem Recht auf Wahl zwischen dem nicht weiter begünstigten Erwerb als Erbin einerseits und dem Verzicht auf alle Rechte bezüglich der Wohnung aus dem gesetzlichen Erbrecht, aber der Akkreszenz mit allen Vorteilen des § 10 WEG andererseits (5 Ob 158/92; 5 Ob 137/94 mwN), hat die Rechtsmittelwerberin bisher keinen Gebrauch gemacht, weil sie zwar in den Genuß der Akkreszenz kommen, sich aber auch das gesetzliche Erbrecht offenhalten will. Unter diesen Umständen gibt es somit derzeit keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, daß es zur Akkreszenz (mit Wirkung ex tunc) gekommen ist. Damit kann aber derzeit auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Liegenschaftsanteile des Verstorbenen nicht in den Nachlaß fallen und dieser infolgedessen unbedeutend und überschuldet wäre.

Die Vorinstanzen haben somit den Antrag auf Überlassung des Nachlasses an Zahlungsstatt gemäß § 73 Abs 1 AußStrG nach der bisherigen Aktenlage zu Recht abgewiesen, weshalb dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

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