OGH 5Ob137/94

OGH5Ob137/9413.12.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 1.März 1994 verstorbenen, in ***** wohnhaft gewesenen Adolf Georg H*****, infolge Revisionsrekurses der erbl.Witwe Erika H*****, vertreten durch Dr.Johann Pfeifer, öffentlicher Notar in Liezen, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 27. Oktober 1994, GZ R 837/94-33, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Rottenmann vom 14.Juli 1994, GZ A 50/94p-30, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Adolf Georg H***** ist am 1.3.1994 verstorben. Er hinterließ seine Frau Erika H***** und zwei volljährige Kinder aus erster Ehe. An der Ehewohnung ist Ehegattenwohnungseigentum begründet worden. Die je 51/1106 Anteile, mit denen Wohnungseigentum an der Wohnung 2 Haus B untrennbar verbunden ist, standen im Eigentum der Ehegatten und waren nach § 12 Abs 1 WEG verbunden.

In einem vom Verstorbenen am 2.5.1978 eigenhändig ge- und unterschriebenen "Ehe-Vertrag", den auch Erika H***** unterschrieb, setzten die Ehegatten einander wechselseitig als Universalerben ein; Erbansprüche von Kindern aus früheren Ehen sollten erst nach dem Tod beider Gatten geltend gemacht werden dürfen. Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens erklärten beide Kinder des Verstorbenen, auf ihr "Erbrecht" zu verzichten. Am 17.6.1994 gab die Witwe aufgrund des erbl.Testamentes vom 2.5.1978 zum ganzen Nachlaß eine bedingte Erbserklärung ab, die vom Erstgericht am 29.6.1994 angenommen wurde. Am 7.7.1994 beantragte die Witwe, ihr eine Amtsbestätigung nach § 10 Abs 1 Z 5 WEG auszustellen. Gleichzeitig zog sie die Erbserklärung zurück und beantragte die Überlassung des Nachlasses auf Abschlag der Begräbniskosten an Zahlungs Statt.

Das Erstgericht wies beide Anträge mit der Begründung ab, die Erbserklärung könne nicht mehr widerrufen werden. Die Witwe erwerbe den Anteil des Verstorbenen an der Eigentumswohnung daher als Erbin, sodaß ein Zuwachs dieses Anteiles im Sinne des § 10 Abs 1 WEG nicht in Frage komme.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der erbl.Witwe nicht Folge, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs - mangels veröffentlichter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den aufgeworfenen Fragen - für zulässig. Es führte aus:

Das WEG 1975 habe der Forderung Rechnung getragen, die Begründung gemeinsamen Wohnungseigentums von Ehegatten zu ermöglichen. Beim Tod eines der Ehegatten werde der Vereinigung des Mindestanteiles in der Hand des Überlebenden der Vorzug eingeräumt. In Verfolgung dieses Zieles bei gleichzeitig angemessener Berücksichtigung der Interessen der Erben bestimme § 10 Abs 1 Z 1 WEG, daß der (halbe) Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum dem überlebenden Ehegatten als gesetzliches Vermächtnis unmittelbar ins Eigentum zuwachse, wenn er den Anteil des Verstorbenen nicht ohnehin als Erbe oder Vermächtnisnehmer allein erwerbe. Der Einleitungssatz des § 10 Abs 1 WEG bedeute nichts anderes, als daß die ganze Regelung des § 10 WEG nicht von Bedeutung sei, wenn der halbe Mindestanteil des verstorbenen Ehegatten ohnedies aufgrund erbrechtlichen Titels allein an den überlebenden Ehegatten falle. Sei dies aber nicht der Fall, könne § 10 WEG also angewendet werden, so habe der überlebende Ehegatte immer noch die Möglichkeit, den Zuwachs auszuschließen, wenn er gemäß § 10 Abs 1 Z 2 WEG innerhalb einer vom Verlassenschaftsgericht festzusetzenden angemessenen Frist entweder auf den Zuwachs verzichte oder den gesamten Mindestanteil durch Vereinbarung mit den Erben unter Zustimmung der Pflichtteilsberechtigten einem Dritten übertrage. Erwerbe der überlebende Ehegatte aber den Anteil des Verstorbenen aufgrund des Zuwachses oder gehe der gesamte Mindestanteil aufgrund einer Vereinbarung über, so gelte gemäß § 10 Abs 1 Z 5 WEG für die Eintragung in das Grundbuch der § 178 AußStrG sinngemäß, sodaß das Verlassenschaftsgericht auf Antrag die Bestätigung zu erteilen habe, daß der Erwerber als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden könne (vgl 5 Ob 99/93).

Im vorliegenden Fall sei die Witwe aufgrund des als schriftliches Testament anzusehenden "Ehe-Vertrages" vom 2.5.1978 Alleinerbin nach ihrem verstorbenen Mann (im Unterschied zu dem in 5 Ob 99/93 behandelten Fall) und die beiden Kinder des Verstorbenen hätten wirksam auf ihre Pflichtteilsansprüche verzichtet (im Unterschied zu dem in 5 Ob 29/93 behandelten Fall). Die nach reiflicher Überlegung zustande gekommene und vom Erstgericht angenommene Erbserklärung der Witwe sei gemäß § 806 ABGB unwiderruflich (SZ 18/10; JBl 1956,48; NZ 1969, 120; vgl auch EvBl 1981/229; REDOK 8943; NZ 1992, 131). Aufgrund der unwiderruflichen Erbserklärung der Witwe und aufgrund des Verzichtes der Kinder des Verstorbenen auf ihre Pflichtteilsansprüche erwerbe die Witwe den Anteil ihres verstorbenen Mannes an der Eigentumswohnung "ohnehin als Erbin allein" (im Sinne des Einleitungssatzes des § 10 Abs 1 WEG), sodaß die gesamte Regelung des § 10 WEG hier ohne Bedeutung sei. Dies gelte insbesondere für die in § 10 Abs 1 Z 2 WEG vorgesehene Wahlmöglichkeit des Ehegatten, auf die sich die Witwe in ihrem Rekurs berufe. Aus dem von ihr zitierten Rechtssatz, die nie auszuschließende Möglichkeit, der überlebende Ehegatte könnte später doch noch den halben Mindestanteil im Sinne des Einleitungssatzes des § 10 Abs 1 WEG allein erwerben, stehe der Ausstellung der Amtsbestätigung nicht entgegen (5 Ob 99/93), sei hier nichts abzuleiten. Damit habe nämlich nur ausgeschlossen werden sollen, daß die Entscheidung, ob die Amtsbestätigung auszustellen oder ob mit Feilbietung (§ 10 Abs 1 Z 3 WEG) vorzugehen sei, unbegrenzt hinausgeschoben werde.

Die Rekurswerberin habe mit ihrem Rechtsmittel - erstmals - einen nicht unterschriebenen Vermerk über das Ergebnis einer Besprechung vom 16.6.1994 vorgelegt, wonach sie die Ausfertigung einer Amtsbestätigung und die Überlassung des Nachlaßvermögens an Zahlungs Statt beantragen werde. Es solle hier kein Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit dieses Vermerkes geäußert werden. Er stehe jedoch mit dem Inhalt der - vorgelegten - Niederschrift vom 17.6.1994 in Widerspruch, weil dort die Witwe, ihre Tochter und ihre Enkelin durch ihre Unterschrift bestätigt hätten, daß aufgrund der bedingten Erbserklärung das Nachlaßvermögen zu inventarisieren und zu schätzen sein werde. Schon aufgrund des zeitlichen Ablaufes müsse angenommen werden, daß die im Vermerk dokumentierte Absicht der Witwe am folgenden Tag geändert worden sei.

Zusammenfassend sei noch bemerkt, daß sich das Rekursgericht nicht der Ansicht insbesondere Kraliks, NZ 1978, 166 f, anzuschließen vermöge, wonach der Zuwachs nach § 10 WEG stets möglich wäre, weil diese Auffassung nach Meinung des Rekursgerichtes im Wortlaut des Einleitungssatzes des § 10 Abs 1 WEG keine Deckung mehr finde. Eine solche Auslegung würde über den Zweck des Vindikationslegates, das Wohnungseigentum nach dem Tod eines Ehegatten nach Möglichkeit in der Hand des anderen zu vereinigen, hinausgehen, weil es die Begünstigung des Vindikationslegates auch jenem Ehegatten zukommen ließe, der schon nach allgemeinem Erbrecht Alleineigentümer der Eigentumswohnung werde. Es habe daher dabei zu bleiben, daß der halbe Mindestanteil des Verstorbenen in den Nachlaß falle und daß dafür keine Amtsbestätigung nach § 10 Abs 1 Z 5 WEG auszustellen sei. Da somit der Nachlaß auch Liegenschaften umfasse, komme eine Vorgangsweise nach § 73 Abs 1 AußStrG schon aus diesem Grund nicht in Frage.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der erbl.Witwe wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß dem Erstgericht die Ausstellung einer Amtsbestätigung im Sinne des § 178 AußStrG, § 10 Abs 1 Z 5 WEG sowie die Entscheidung über den Antrag auf Überlassung des Nachlasses an Zahlungs Statt unter Abstandnahme vom gebrauchten Abweisungsgrund aufgetragen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Rechtslage trotz vorliegender einschlägiger Judikatur der Klarstellung bedarf, er ist aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin vertritt die Ansicht, daß ihr auch als aus dem Titel des Testamentes berufene Alleinerbin das Wahlrecht zwischen der Geltendmachung der erbrechtlichen Ansprüche aus diesem Titel und der Inanspruchnahme der Akkreszenz gemäß § 10 WEG zustehe und sie zeitgerecht die Wahlmöglichkeit im Sinne der Akkreszenz ausgeübt habe, weshalb ihr antragsgemäß eine Amtsbestätigung auszufertigen sei.

Hiezu beruft sie sich auf die Entscheidung 5 Ob 158/92 = SZ 62/158. Darin hat der erkennende Senat ausgesprochen, daß die Sonderbestimmungen des § 10 Abs 1 Z 1 bis 5 WEG nur für den Fall gelten, daß der überlebende Ehegatte den Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil (= den halben Mindestanteil) nicht ohnehin als Erbe oder Vermächtnisnehmer allein erwerbe. Das heiße nicht, daß es auf die bloße Berufung des überlebenden Ehegatten als Erben (hier: aufgrund des Testamentes) oder als Vermächtnisnehmer ankäme. Maßgebend sei vielmehr der Erwerb der Erbschaft. Dazu komme es nicht, wenn der überlebende Ehegatte die Erbschaft ausschlage. Der überlebende Ehegatte habe nämlich die Wahl zwischen dem nicht weiter begünstigten Erwerb als Erbe oder letztwilliger Vermächtnisnehmer einerseits und dem Verzicht auf alle Rechte bezüglich der Wohnung aus letztwilligen Verfügungen bzw dem gesetzlichen Erbrecht, aber der Akkreszenz mit allen Vorteilen des § 10 WEG andererseits (Würth in Rummel2 § 10 WEG Rz 1 mwN).

Aus dieser Entscheidung ergibt sich zwar, daß der Rechtsmittelwerberin das darin beschriebene Wahlrecht zustand. Durch Abgabe ihrer - gemäß § 806 ABGB unwiderruflichen - Erbserklärung hat sie sich aber für den Erwerb als Erbin entschieden und nicht (wie in 5 Ob 29/93 = WoBl 1993/136) den Zuwachs gemäß § 10 Abs 1 Z 1 WEG in Anspruch genommen; letzteres hat sie erst - verspätet - nach Ausübung ihres Wahlrechtes getan. Der bisherigen Aktenlage zufolge wäre die Rechtsmittelwerberin Alleinerbin. Während in 5 Ob 99/93 = tw JUS 1527 nach dem Verfahrensstand kein Anhaltspunkt für die Annahme bestand, der Witwe könne der halbe Anteil des verstorbenen Ehegatten als Erbin oder letztwillige Legatarin zustehen, gibt es nach dem gegenwärtigen Stand dieses Verlassenschaftsverfahrens ganz im Gegenteil keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Witwe könne dieser Anteil nicht als Erbin zustehen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß sie den Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil ohnehin als Erbin allein erwirbt, weshalb nach dem Einleitungssatz des § 10 Abs 1 WEG die folgenden Sonderbestimmungen nicht anzuwenden sind. Damit kommt weder eine Fristsetzung gemäß § 10 Abs 1 Z 2 WEG noch die Ausstellung einer Amtsbestätigung gemäß § 10 Abs 1 Z 5 WEG, § 178 AußStrG in Betracht. Nur wenn sich der Erwerb kraft allgemeinen Erbrechtes nachträglich als irrig herausstellen sollte, würde doch Akkreszenz (mit Wirkung ex tunc) eintreten (Würth aaO mwN).

Der Vorschlag Kraliks (Erbrecht 251 f; derselbe, Die Eigentumswohnung von Ehegatten in der Verlassenschaftsabhandlung, NZ 1978, 166 f), sich über den von ihm für unüberlegt gehaltenen gesetzlichen Wortlaut einfach hinwegzusetzen und das Vindikationslegat ohne Rücksicht darauf, ob der Ehegatte den Wohnungsanteil auch als Erbe oder gewillkürter Vermächtnisnehmer erwerben würde, wirken zu lassen, ist abzulehnen. Am eindeutigen Wortlaut des Einleitungssatzes führt - mag man auch die gesetzliche Regelung für unglücklich halten - kein Weg vorbei (vgl Welser, Das Wohnungseigentumsgesetz 1975, NZ 1975, 153, 155; Koziol, Entschuldbare Fehlleistungen des Gesetzgebers?, JBl 1976, 172).

Die Behauptung der Rechtsmittelwerberin, sie habe den Zuwachs durch Vorlage des "Vermerkes" über das Ergebnis einer Besprechung vom 16.6.1994, die angeblich in einer Liezener Notariatskanzlei stattgefunden hat, geltend gemacht, ist - sollte sie damit nicht bloß die Vorlage mit ihrem Rekurs meinen - aktenwidrig. Vielmehr hat die Rechtsmittelwerberin bei der Tagsatzung vom 17.6.1994 vor dem Gerichtskommissär zufolge der von ihr gefertigten Niederschrift nicht die im "Vermerk" vorgesehenen Anträge gestellt, sondern eine Erbserklärung abgegeben.

Schon die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, daß die Voraussetzungen für eine Überlassung des Nachlasses an Zahlungs Statt angesichts der in den Nachlaß fallenden Liegenschaftsanteile nicht vorliegen.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

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