OGH 5Ob99/93

OGH5Ob99/937.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 19.Jänner 1993 verstorbenen, in ***** wohnhaft gewesenen Akademischen Maler Arthur Hans Franz S***** infolge des Rekurses der Witwe Friederike S*****, Kunstmalerin, ***** vertreten durch Dr.Ernst Pallauf, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 23.August 1993, GZ 22 R 289/93-18, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 5.Mai 1993, GZ 2 A 26/93-14, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die folgende Amtsurkunde zur Eintragung in das Grundbuch ausgestellt wird:

In der Verlassenschaftssache nach dem am 30.Juli 1913 geborenen und am 19.Jänner 1993 verstorbenen Arthur S*****, Akademischer Maler, zuletzt wohnhaft in *****, wird auf Grund des als gesetzliches Vermächtnis nach § 10 Abs 1 Z 1 WEG erfolgten Zuwachses des Anteils des Verstorbenen am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum bestätigt, daß an dem in den Nachlaß gehörigen halben Mindestanteil von 2165/298890 in B-LNR 79 der Liegenschaft EZ *****, mit dem gemeinsames Ehegattenwohnungseigentum an W 18 /Haus 1 verbunden ist, das Eigentumsrecht für die Witwe Friederike S*****, Kunstmalerin, ***** einverleibt werden kann, wodurch diese nach Zusammenziehung mit dem zweiten halben Mindestanteil von 2165/298890 in B-LNR 80 der Liegenschaft EZ 2091 Grundbuch 56532 Morzg Eigentümerin des 433/29889 Mindestanteiles wird, mit dem Wohnungseigentum an W 18/Haus 1 verbunden ist.

Text

Begründung

Der Verstorbene und seine Ehefrau waren Eigentümer je eines halben Mindestanteils und gemeinsame Wohnungseigentümer. Der Erblasser hinterließ seine Witwe und drei Kinder. Er berief in einem Testament vom 29.November 1988 seine Ehefrau zur Universalerbin, setzte aber im späteren Testamet vom 13.August 1992 seinen Sohn Georg zum Alleinerben ein.

Die Witwe, die auch Mit- und Wohnungseigentümerin des mit Wohnungseigentum an W 7/Haus 1 derselben Liegenschaft verbundenen 433/29889 Mindestanteils ist, beantragte am 1.März 1993, ihr die Amtsbestätigung nach § 10 Abs 1 Z 5 WEG auszufolgen. Die Wohnung sei Teil der ehelichen Wohnung und werde zur Deckung ihres Wohnbedürfnisses benötigt. Sie sei bereit, die Pflichtteilsansprüche der Kinder zu erfüllen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab, weil sich der Testamentserbe gegen die Ausstellung der Amtsbestätigung wandte, solange die Witwe nicht bereit sei, den Übernahmspreis nach § 10 Abs 2 WEG an den Nachlaß zu entrichten. Die Witwe habe kein dringendes Wohnbedürfnis, weil sie über eine weitere Eigentumswohnung im Haus verfügen könne.

Das Rekursgericht hob über den Rekurs der Witwe den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem die neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Ob die Witwe den Übernahmspreis nach § 10 Abs 2 WEG zu leisten habe oder nur den Pflichtteilsberechtigten die Pflichtteilsbeträge nach § 10 Abs 3 WEG schulde, sei mangels einer Einigung im Rechtswege zu klären. Der Zuwachs des halben Mindestanteiles trete aber nach § 10 Abs 1 WEG nur ein, wenn der überlebende Ehegatte den Anteil des Verstorbenen nicht ohnedies als Erbe oder Vermächtnisnehmer allein erwerbe. Solange dies nicht auszuschließen sei, könne die Amtsbestätigung nicht erteilt werden. Es sei denkbar, daß die Eigentumswohnung noch auf andere Weise als durch den Zuwachs der Witwe allein zukomme. Es sei zwar letztwillig der Sohn zum Erben eingesetzt, doch habe dieser sich noch nicht zum Erben erklärt. Es könne immer noch die gesetzliche Erbfolge eintreten und es sei nicht unmöglich, daß die Witwe Alleinerbin werde. Erst nach der Klärung der negativen Voraussetzung, daß die Witwe den Anteil des Verstorbenen nicht ohnehin als Erbin oder Vermächtnisnehmerin allein erwerbe, sei die Amtsbestätigung auszustellen.

Der Rekurs der Witwe ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das WEG 1975 trug der Forderung Rechnung, die Begründung gemeinsamen Wohnungseigentums von Ehegatten zu ermöglichen. Das gemeinsame Wohnungseigentum der Ehegatten bedeutet eine Verknüpfung des Familien- und Erbrechtes mit den Prinzipien des Wohnungseigentums, dessen Unteilbarkeit (§ 7 Abs 1 WEG 1948) nur im Falle des gemeinsamen Wohnungseigentums von Ehegatten durchbrochen ist (§ 8 Abs 1 WEG 1975). Die Ehegatten sind Eigentümer je eines halben Mindestanteils. Die Anteile der Ehegatten am Mindestanteil werden so verbunden, daß sie, solange das gemeinsame Wohnungseigentum besteht, nicht getrennt und nur gemeinsam beschränkt, belastet, veräußert oder der Zwangsvollstreckung unterworfen werden dürfen (§ 9 Abs 2 WEG 1975). Im Todesfall wird der Vereinigung des Mindestanteils in der Hand des überlebenden Ehegatten der Vorzug eingeräumt (RV 240 BlgNr

13. GP in Meinhart, Das Wohnungseigentumsgesetz 1975, 82 ff und Anm zu §§ 9-11; Faistenberger-Barta-Call, Kommentar zum Wohnungseigentumsgesetz 1975, 232, Rz 2 zu § 10 WEG; Kralik, Die Eigentumswohnung von Ehegatten in der Verlassenschaftsabhandlung, NZ 1978, 166 ff). In Verfolgung des Zieles, bei Ehegattenwohnungseigentum dem überlebenden Ehegatten das Wohnungseigentum unter angemessener Berücksichtigung der Interessen der Erben zu erhalten, bestimmt § 10 Abs 1 Z 1 WEG, daß der (halbe) Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum dem überlebenden Ehegatten, wenn dieser den Anteil des Verstorbenen nicht ohnehin als Erbe oder Vermächtnisnehmer allein erwirbt, als gesetzliches Vermächtnis unmittelbar ins Eigentum zuwächst. Erwirbt der überlebende Ehegatten den (halben) Anteil durch Erbschaft, Vermächtsnis, Schenkung auf den Todesfall oder Erbschaftskauf, tritt das Problem nicht auf, wie der Mindestanteil ungeteilt bleiben kann. Sonst fällt der (halbe) Anteil am Mindestanteil an den überlebenden Ehegatten als gesetzliches Vermächtsnis. Es bedarf keiner Rechtshandlung des Erben. Das Eigentum geht nicht erst mit der Einverleibung, sondern schon kraft Gesetzes unmittelbar auf den überlebenden Ehegatten über (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, 518 f, Rz 1, 2 zu § 10 WEG).Der überlebende Ehegatte vereinigt damit die beiden Hälften zum Mindestanteil in seinem Eigentum. Der Zuwachs tritt nach § 10 Abs 1 Z 2 WEG jedoch nicht ein, wenn der überlebende Ehegatte vor dem Ablauf einer vom Verlassenschaftsgericht festzusetzenden angemessenen Frist entweder auf den Zuwachs verzichtet oder gemeinsam mit den Erben des Verstorbenen unter Zustimmung der Pflichtteilsberechtigten eine Vereinbarung schließt, auf Grund deren der gesamte Mindestanteil an eine Person ungeteilt oder an Ehegatten je zur Hälfte unter gleichzeitigem Erwerb des gemeinsamen Wohnungseigentumes übergeht. Im Fall des Verzichts auf den Zuwachs hat das Verlassenschaftsgericht eine öffentliche Feilbietung des gesamten Mindestanteils und des damit verbundenen Wohnungseigentums durch Versteigerung vorzunehmen (§ 10 Abs 1 Z 3 WEG). Solange die Möglichkeit des Verzichtes auf den Zuwachs besteht, ist die Verfügungsmacht des überlebenden Ehegatten auf diejenige beschränkt, die dem Erben zusteht, dem die Besorgung und Benützung der Verlassenschaft überlassen worden ist (§ 10 Abs 1 Z 4 WEG; § 810 ABGB). Erwirbt der überlebende Ehegatte den Anteil des Verstorbenen auf Grund des Zuwachses oder geht der gesamte Mindestanteil auf Grund einer Vereinbarung über, so gilt für die Eintragung in das Grundbuch der § 178 AußStrG sinngemäß (§ 10 Abs 1 Z 5 WEG), ist also vom Verlassenschaftsgericht auf Antrag die Bestätigung zu erteilen, daß der Erwerber als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden kann (§ 178 AußStrG).

Zutreffend hat schon das Rekursgericht darauf hingewiesen, daß eine Einigung des überlebenden Ehegatten mit dem Erben über die Rechtsfolgen des Zuwachses nach § 10 Abs 2 WEG (Verpflichtung des überlebenden Ehegatten zur Zahlung des Übernahmspreises an die Verlassenschaft) oder § 10 Abs 3 WEG (Verpflichtung zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses und zu seinem gewöhnlichen Aufenthalt dient) nicht Voraussetzung für den Zuwachs und den Anspruch auf Erteilung der Amtsbestätigung nach § 178 AußStrG ist. Der Streit über die Höhe des Übernahmspreises oder Pflichtteilsanspruches ist im Rechtsweg auszutragen, weil das Verlassenschaftsgericht nicht berufen ist, den Übernahmspreis festzusetzen (anders § 11 AnerbenG; Kralik NZ 1978/170).

Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der Rechtsfrage, wann dem überlebenden Ehegatten die Amtsbestätigung über seinen Erwerb durch Zuwachs auszustellen ist, schon befaßt. Zu 5 Ob 158/92 wurde am 15. Dezember 1992 entschieden, daß die Ausstellung der Amtsbestätigung nach § 10 Abs 1 Z 5 WEG nicht erfolgen kann, solange der Schwebezustand nach § 10 Abs 1 Z 2 WEG andauert, weil der Übergang des halben Mindestanteils des verstorbenen Ehegatten an den überlebenden Ehegatten bis zum Ablauf der vom Verlassenschaftsgericht zu setzenden Frist auflösend bedingt ist: Der überlebende Ehegatte kann immer noch auf den Zuwachs verzichten. Verzichtet er oder wird der ganze Mindestanteil einem Dritten übertragen, so tritt der Zuwachs nach § 10 Abs 1 Z 2 WEG nicht ein.

Zu 5 Ob 29/93 sprach der Oberste Gerichtshof am 23.März 1993 aus, daß dem überlebenden Ehegatten die Amtsbestätigung nach § 178 AußStrG auszustellen ist, wenn er den Zuwachs nach § 10 Abs 1 Z 1 WEG in Anspruch nimmt. Es könne dann nicht mehr zu einem Verzicht auf den Zuwachs oder zur einvernehmlichen Übertragung des Mindestanteils kommen. Dort verhinderte nur die fehlende Sicherstellung der Pflichtteilsansprüche minderjähriger Noterben die sofortige Erteilung der Amtsbestätigung, so daß es insoweit zur Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das Verlassenschaftsgericht erster Instanz kam, das nach Sicherstellung der Ansprüche der pflegebefohlenen Noterben die Amtsbestätigung zu erteilen hat.

Der als Vindikationslegat konstruierte Erwerb des halben Mindestanteils kraft Gesetzes tritt durch Akkreszenz ein, soferne nicht vor Ablauf der vom Verlassenschaftsgericht zu setzenden Frist der überlebenden Ehegatten auf den Zuwachs verzichtet oder durch Vereinbarung aller Beteiligten das Eigentum am (ganzen) Mindestanteil einem Dritten übertragen wird. Solange die Frist nicht gesetzt ist, dauert der Schwebezustand an. Der überlebende Ehegatte kann aber schon früher verbindlich erklären, weder auf den Zuwachs zu verzichten noch die beiden halben Anteile ungeteilt einem Dritten übertragen zu wollen, und dadurch den Schwebezustand abkürzen (Faistenberger-Barta-Call, WEG 1975, 250, Rz 51 zu § 10 WEG; Würth in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 10 WEG). Der Antrag der durch einen Rechtsanwalt vertretenen Witwe vom 1.März 1993, ihr die Amtsbestätigung auszustellen, daß das Eigentum an dem halben Mindestanteil des Verstorbenen durch Zuwachs auf sie übergegangen ist und dieser Erwerb des Eigentums im Grundbuch einverleibt werden kann, bedeutet nicht nur, daß die Witwe den Zuwachs in Anspruch nimmt, sondern beinhaltet zweifelsfrei auch die Erklärung, auf den Zuwachs nicht zu verzichten und sich nicht zu einer einvernehmlichen Übertragung des Mindestanteils an einen Dritten zu verstehen. Damit bedarf es nicht mehr der Fristsetzung nach § 10 Abs 1 Z 2 WEG, weil auch auf den Verzicht (die Ausschlagung des gesetzlichen Vermächtnisses) verzichtet werden kann und damit der dem überlebenden Ehegatten beschwerliche Schwebezustand, in welchem für längere Zeit seine Verfügungsmacht auf die Befugnisse nach § 810 ABGB beschränkt sein kann, beendet ist (Faistenberger-Barta-Call 250 Rz 51 zu § 10 WEG).

Das Rekursgericht begründete die Verweigerung der Erteilung der Amtsbestätigung allerdings mit einem ganz anderen Schwebezustand, daß nämlich noch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, daß die überlebende Ehegattin = Witwe den halben Mindestanteil des verstorbenen Ehegatten doch noch auf Grund eines erbrechtlichen Titels allein erwirbt. Bei einer wörtlichen Auslegung des Einleitungssatzes des § 10 Abs 1 WEG könnte man meinen, der Zuwachs trete nicht ein, wenn der überlebende Ehegatte den Anteil des Verstorbenen ohnehin allein als Erbe oder Vermächtsnisnehmer erwirbt. Kralik, NZ 1978, 166 f, weist aber überzeugend nach, daß das gesetzliche Vermächtnis nicht so lange aufgeschoben bleiben kann, bis endgültig ein Erwerb durch einen anderen Titel, etwa weil eine neuere letztwillige Verfügung aufgefunden wird, auszuschließen ist. Der Einleitungssatz bedeutet nichts anderes, als daß die ganze Regelung des § 10 WEG nicht von Bedeutung ist, wenn der halbe Mindestanteil des verstorbenen Ehegatten ohnedies auf Grund erbrechtlichen Titels allein an den überlebenden Ehegatten fällt. Der überlebende Ehegatte soll das Wohnungseigentum am gesamten Mindestanteil auch dann erlangen, wenn dies nach allgemeinem Erbrecht nicht zuträfe. Ob der überlebende Ehegatte die Wahl zwischen dem nicht weiter begünstigten Erwerb als Erbe oder letztwilliger Vermächtnisnehmer einerseits oder der Akkreszenz mit allen Vorteilen des § 10 WEG hat (Würth in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 10 WEG; Welser, Das WEG 1975, 155; Meinhart, WEG 1975, 94), ist hier nicht zu beurteilen, weil nach dem gegenwärtigen Stand des Verlassenschaftsverfahrens gar keine Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, der Witwe könne der halbe Anteil des verstorbenen Ehegatten als Erbin oder letztwillige Legatarin zustehen.

Die nie auszuschließende Möglichkeit, daß der überlebende Ehegatte später doch noch den halben Mindestanteil iSd Einleitungssatzes des § 10 Abs 1 WEG allein erwerben könnte, steht der Ausstellung der Amtsbestätigung nicht entgegen (vgl auch Kralik-Ehrenzweig, Erbrecht3, 251). Die Klärung, ob die Amtsbestätigung auszustellen oder mit der Feilbietung nach § 10 Abs 1 Z 3 WEG vorzugehen ist, soll nicht unbegrenzt hinausgeschoben werden. Da der Rechtsstandpunkt des testamentarisch berufenen Erben, daß die Amtsbestätigung erst zu erteilen ist, wenn sich die überlebende Ehegattin zur Zahlung des Übernahmspreises und nicht bloß zur Erfüllung der Pflichtteilsansprüche bereit findet, unberechtigt ist, bedarf es auch nicht etwa einer Verweisung auf den Rechtsweg, wie sie Kralik, NZ 1978, 169, für den Fall vorschlägt, daß das Vindikationslegat nach § 10 Abs 1 Z 1 WEG bestritten wird und über seine Wirksamkeit im Prozeß zu entscheiden ist.

Die beantragte Amtsbestätigung ist zu erteilen.

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