OGH 5Ob29/93

OGH5Ob29/9323.3.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 21.September 1991 verstorbenen, in ***** wohnhaft gewesenen Angestellten Josef Peter S*****, infolge Revisionsrekurses der Witwe Eleonore S*****, Lehrerin, ***** vertreten durch Dr.Johann Pfeiffer, öffentlicher Notar in Liezen, gegen den Beschluß des Kreis- nunmehr Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 23.Oktober 1992, GZ R 750/92-30, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Liezen vom 7. August 1992, GZ A 149/91-27, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird bestätigt, soweit dem Rekurs der Witwe gegen die erstgerichtliche Abweisung des Antrages auf Ausstellung einer Amtsbestätigung zur bücherlichen Einverleibung des Pfandrechtes für die Pflichtteilsforderungen der minderjährigen Kinder Florian S*****, geboren am 28.Dezember 1982, und Julia S*****, geboren am 3. Mai 1987, von je S 57.625,- samt Zinsen auf die 102/556 Anteile der Witwe an der Liegenschaft EZ ***** KG ***** nicht Folge gegeben wurde.

Im übrigen werden die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Entscheidung über den Antrag der Witwe auf Ausstellung der Amtsbestätigung zur Einverleibung des Eigentumsrechtes der Witwe auf dem in den Nachlaß fallenden halben Ehegattenmindestanteil an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Josef Peter S***** starb am 21.September 1991. Er hat seine Witwe und die beiden minderjährigen Kinder hinterlassen. Das Erstgericht überließ mit Beschluß vom 21.Jänner 1992 den Nachlaß der Witwe auf Abschlag ihrer Begräbniskostenforderung, weil sich der Gerichtskommissär auf die Angabe der Witwe verließ, daß sie Eigentümerin der Eigentumswohnung sei, und eine Grundbuchsabfrage unterblieb.

Erst eine Abfrage am 15.April 1992 ergab, daß an der Ehewohnung in ***** auf der Liegenschaft EZ ***** KG ***** Ehegattenwohnungseigentum begründet worden war. Die je 51/556 Anteile, mit welchen Wohnungseigentum an der W 4 untrennbar verbunden ist, standen im Eigentum der Ehegatten und waren nach § 12 Abs 1 WEG verbunden (B-LNR 4 und B-LNR 5).

Nach der Schätzung des halben Mindestanteiles nahm die Witwe das gesetzliche Vermächtnis nach § 10 Abs 1 Z 1 WEG in Anspruch, verpflichtete sich, den beiden minderjährigen Kidnern iSd § 10 Abs 3 WEG die nach § 10 Abs 2 WEG errechneten Pflichtteilsbeträge gegen sechsmonatige Aufkündigung zu bezahlen und zur Sicherung in die Einverleibung des Pfandrechtes für diese Pflichtteilsforderungen der Kinder auf dem zusammengezogen 102/556 Wohnungseigentumsanteil einzuwilligen.

Die Witwe stellte den Antrag, eine Amtsbestätigung (ein Amtszeugnis) mit der grundbücherlichen Anordnung folgenden Inhalts auszustellen:

In EZ ***** KG *****

1. auf dem 51/556 Anteil des Josef S*****, ***** B-LNR 4, die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Eleonore S*****, ***** und die Zusammenziehung dieser Anteile mit den ihr bereits gehörigen 51/556 Anteilen, B-LNR 5, zu zusammen 102/556 Anteilen, mit welchen Wohnungseigentum an W 4 untrennbar verbunden ist,

2. auf dem 102/556 Anteil der Eleonore S*****, ***** mit welchem Wohnungseigentum an W 4 untrennbar verbunden ist, die Einverleibung des Pfandrechtes für die Forderungen gemäß § 10 Abs 3 WEG des mj. Florian S*****, ***** und der mj. Julia S*****,***** von je S 57.625,- samt je 4 % Zinsen und je 10 % Verzugszinsen.

Das Erstgericht wies den "Antrag des Gerichtskommissärs" - richtig wohl der Witwe - auf Ausstellung der Amtsbestätigung ab, weil eine solche für bisher auf der Liegenschaft nicht bestandene Rechte, also die Begründung von Pfandrechten zur Besicherung der Pflichtteilsforderungen der minderjährigen Kinder, nicht vorgesehen sei. Da aber im Entwurf der Amtsbestätigung ausdrücklich Gleichzeitigkeit der Pfandrechtsbegründung mit der Eigentumseinverleibung zur Sicherung der Rechte der Minderjährigen "ausbedungen" sei, könne auch die Amtsbestätigung nach § 10 Abs 1 Z 5

WEG iVm § 178 AußStrG nicht erteilt werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Witwe nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das Rekursgericht teilte die Rechtsansicht, daß Amtsbestätigungen nach § 178 AußStrG nur für die Übertragung, nicht aber die Neubegründung bücherlicher Rechte ausgestellt werden könnten. Die Ausstellung der Amtsbestätigung nur zur Verbücherung des Eigentumszuwachses nach § 10 Abs 1 Z 1 WEG scheitere an der verlangten Gleichzeitigkeit der Eintragungen.

Gegen diesen bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes liegt der außerordentliche Revisionsrekurs der Witwe vor, die als erhebliche Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG idF WGN 1989 aufwirft, ob nicht nach der Sondernorm des § 10 Abs 1 Z 5 WEG auch für die Verbücherung des Pfandrechtes für die den minderjährigen Kindern des Erblassers zustehenden Pflichtteilsansprüche eine Amtsbestätigung ausgestellt werden kann, weil der überlebende Ehegatte, dem die Verbücherung des Erwerbes des Anteiles des Verstorbenen auf Grund des Zuwachses im Wege des § 178 AußStrG zusteht, doch auch die Besicherung der Gegenverpflichtung zur Zahlung des Pflichtteils an die Noterben iSd § 97 GBG übernehmen kann.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist, weil zu diesem Problemkreis eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht besteht, nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig und teilweise berechtigt.

Zwischen dem Verstorbenen und seiner Ehegattin bestand Ehegatten-Wohnungseigentum an dem Mindestanteil der Liegenschaft, mit dem Wohnungseigentum an der Ehewohnung untrennbar verbunden ist. Diese Wohnung dient der überlebenden Ehegattin zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses und zu ihrem gewöhnlichen Aufenthalt. Da sie den halben Mindestanteil des Verstorbenen nicht ohnehin als Erbin oder Vermächtnisnehmerin allein erwarb, wuchs dieser Anteil ihr nach § 10 Abs 1 Z 1 WEG als gesetzliches Vermächtnis unmittelbar ins Eigentum zu. Die Bestimmung des § 10 Abs 1 Z 2 WEG, wonach der Zuwachs nicht eintritt, wenn der überlebende Ehegatte vor Ablauf einer vom Verlassenschaftsgericht festzusetzenden Frist entweder auf den Zuwachs verzichtet oder gemeinsam mit den Erben des Verstorbenen unter Zustimmung der Pflichtteilsberechtigten eine Vereinbarung schließt, auf Grund deren der gesamte Mindestanteil an eine Person ungeteilt oder an Ehegatten je zur Hälfte unter gleichzeitigem Erwerb des gemeinsamen Wohnungseigentums übergeht, kommt nicht zur Anwendung, weil die Witwe den Zuwachs in Anspruch nimmt. Erwirbt der überlebende Ehegatte den Anteil des Verstorbenen auf Grund des Zuwachses, so gilt für die Eintragung in das Grundbuch der § 178 AußStrG sinngemäß (§ 10 Abs 1 Z 5 WEG). Es ist also der überlebenden Ehegattin, der der halbe Mindestanteil auf Grund des gesetzlichen Vermächtnisses zufällt, auf ihr Ansuchen vom Abhandlungsgericht die Bestätigung zu erteilen, daß sie im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen werden kann. Die als Folge der auf berechtigten Wunsch der Praxis mit dem WEG 1975 eingeführten Möglichkeit, daß Eigentumswohnungen auch im gemeinsamen Eigentum von Ehegatten stehen können, erforderlichen Vorschriften, um den Grundsatz der Unteilbarkeit nach § 8 Abs 1 WEG zu wahren, begünstigen den Erwerb der Hälfte des verstorbenen durch den überlebenden Ehegatten. Wächst diesem im Falle des Vindikationslegates nach § 10 Abs 1 Z 1 WEG der halbe Mindestanteil zu, so muß die Amtsbestätigung nach § 10 Abs 1 Z 5 WEG ausgestellt werden (Kralik, Die Eigentumswohnung von Ehegatten in der Verlassenschaftsabhandlung, NZ 1978, 166 ff; Faistenberger - Barta - Call, WEG, 250, Rz 52 zu § 10 WEG). Es darf daher der Revisionsrekurswerberin die begehrte Amtsbestätigung zur Herstellung der Übereinstimmung von materiellem Recht und Buchstand (vgl Würth - Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 2 zu § 10 WEG) nicht verwehrt werden.

Anders ist die Rechtslage, soweit mittels einer Amtsbestätigung auch die Verbücherung von Pfandrechten der minderjährigen Noterben zur Besicherung ihrer Pflichtteilsansprüche angestrebt wird. Kommt nach § 10 Abs 3 WEG der § 10 Abs 2 WEG nicht zur Anwendung, so schuldet doch der überlebende Ehegatte, dem der Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil zugewachsen ist, den Pflichtteilsberechtigten des Verstorbenen einen Geldbetrag, der den vom Übernahmspreis iSd § 10 Abs 2 WEG zu errechnenden Pflichtteilsansprüchen entspräche. Ist dem überlebenden Ehegatten die sofortige Entrichtung dieser Geldbeträge nach seinen Verhältnissen, besonders seinem Vermögen, seinem Einkommen, seinen Sorgepflichten, seinen Aufwendungen für die Wohnung und zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Lebenshaltung nicht zumutbar, so hat das Verlassenschaftsgericht mangels einer anderslautenden Vereinbarung auf Antrag die Befriedigung unter Festsetzung einer angemessenen Verzinsung bis zu einer Frist von höchsten fünf Jahren hinauszuschieben oder die Zahlung in Teilbeträgen zu bewilligen (Faistenberger - Barta - Call, WEG 261, Rz 76 ff zu § 10 WEG; Würth in Rummel, ABGB2 Rz 4 zu § 10 WEG). Das Gesetz sieht eine Sicherstellung der Pflichtteilsansprüche im § 10 Abs 3 WEG nicht vor (Faistenberger - Barta - Call, aaO Rz 81 zu § 10 WEG). Es ist daher verständlich, daß für die Besicherung eine dem § 10 Abs 1 Z 5 WEG entsprechende Norm fehlt, weil ja auch die sofortige Berichtigung der Pflichtteilsansprüche der Berechtigten zu erwarten sein kann. Da der Wortlaut des § 178 AußStrG die Ausstellung einer Amtsbestätigung zur Eintragung erst neu zu begründender bücherlicher Rechte ausschließt und eine sinngemäße Anwendung nach dem WEG schon deshalb nicht vorgesehen ist, weil es sich nicht um "in die öffentlichen Bücher eingetragene unbewegliche Güter oder auf denselben haftenden Forderungen" handelt, die dem Vermächtnisnehmer zufallen, besteht keine Möglichkeit zur Erteilung der Bestätigung, daß die Pfandrechte der minderjährigen Kinder im Grundbuch eingetragen werden können. Zur Einverleibung dieser Pfandrechte bedarf es einer verbücherungsfähigen Urkunde, also etwa des vor dem Gerichtskommissar geschlossenen Übereinkommens. Zur Begründung neuer Recht gilt der § 178 AußStrG nicht (SZ 12/23; SZ 25/15 ua).

Der Antrag auf Ausstellung der Amtsbestätigung zur bücherlichen Einverleibung des Pfandrechtes für die Pflichtteilsforderungen der minderjährigen Noterben wurde daher zutreffend abgewiesen.

Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, daß die Antragstellerin die Gleichzeitigkeit beider Eintragungen "ausbedungen" habe (vgl § 97 GBG). Das Wort "zugleich" kommt zwar in dem vom Gerichtskommissär vorbereiteten Entwurf der Amtsbestätigung vor, nicht aber im Antrag der Witwe (ON 24 S 78/79).

Dennoch kann die Amtsbestätigung zur Verbücherung des Eigentumszuwachses nicht sogleich ausgestellt werden. Die Noterben sind minderjährig. Nach § 162 AußStrG hat das Abhandlungsgericht auf einem Pflichtteilsausweis zu bestehen, wenn ein Zweifel entsteht, ob ein minderjähriger Erbe in seinem Pflichtteil verletzt ist. Über das Pflichtteilsübereinkommen wird das Verlassenschaftsgericht pflegschaftsgerichtlich zu entscheiden und darauf zu dringen haben, daß die Pflichtteilsforderungen der Kinder, wenn ihre Entrichtung gestundet wird, ausreichend durch Pfandrechtseinverleibung sichergestellt werden, weil auch sonst vorher eine Einantwortung nicht zulässig wäre (Kralik - Ehrenzweig, Erbrecht3, 316; Welser in Rummel, ABGB2 Rz 17 zu § 817; SZ 41/13; NZ 1988, 198 ua). Es fehlt also noch an der Genehmigung eines zur Verbücherung geeigneten Übereinkommens über die Entrichtung und Sicherstellung der Pflichtteilsforderungen.

Die Amtsurkunde zur Verbücherung des Eigentumszuwachses der Witwe kann sodann mit der zur Sicherung der Ansprüche der Minderjährigen erforderlichen Bedingung erteilt werden, daß zugleich mit dieser Eintragung die Einverleibung des Pfandrechtes für die bestimmt zu bezeichnenden Pflichtteilsforderungen der Noterben erfolgt, so daß die Kinder nicht Gefahr laufen, daß ihnen die vereinbarte Sicherheit verloren geht. Nur auf diesem Wege können die Ansprüche der Witwe auf Erteilung der Amtsbestätigung nach § 178 AußStrG und die der Kinder auf ausreichende Sicherstellung ihrer Pflichtteilsansprüche erfüllt werden.

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