OGH 4Ob2278/96w

OGH4Ob2278/96w12.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****anstalt, ***** vertreten durch Dr.Karl Endl und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. C***** Gesellschaft mbH & Co KG, 2. C***** Gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr.Reinhold Glaser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen DM 88.880,-- (S 631.048,--) sA, infolge Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 27. März 1996, GZ 1 R 30/96d-47, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 9.November 1995, GZ 14 Cg 135/93b-39, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit S 87.283,10 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 10.028,85 Umsatzsteuer und S 27.110,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Juni 1992 beauftragte das Komitee des Internationalen Roten Kreuzes in Genf das belgische Speditionsunternehmen S.***** N.V., fünf LKW-Ladungen Hilfsgüter von Amsterdam nach Nakitchevan in Aserbeidschan zu transportieren. Der streitgegenständliche Transport umfaßte 5000 Decken und 960 Aluminium-Küchensets im Gesamtwert von DM 76.480,--; als Entgelt wurden DM 12.400,-- vereinbart. Für den Transport wurde am 15.6.1992 in Amsterdam der CMR-Frachtbrief NL 229189 ausgestellt, in dem als Absender und Frachtführer die Spedition W***** B.V. in Amsterdam angeführt ist, als Empfänger das Internationale Rote Kreuz in W*****, Deutschland, und als Auslieferungsort Aserbeidschan.

Die S.***** N.V. erteilte der Erstbeklagten, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Zweitbeklagte ist, den Auftrag, den Transport um DM 11.500,-- durchzuführen. Die Erstbeklagte gab den Transportauftrag an die S***** Spedition in K***** in der Slowakei weiter; diese ließ den Transport durch die Spedition S*****-P***** durchführen. Die Spedition S*****-P***** übernimmt laufend Transporte nach Aserbeidschan.

Solche Transporte waren zu jener Zeit unabhängig davon riskant, ob die Nordroute über Georgien oder die Südroute über die Türkei gewählt wurde. Bekannter war die Route über die Türkei; sie erschien in den meisten Fällen sicherer, war aber wegen der höheren Kosten, der Unsicherheiten mit den türkischen Frachtführern und der Fahrt durch das Kurdengebiet nicht unbedingt zu empfehlen. Auf der Südroute ist Nakitchevan nur über Armenien oder über den Iran erreichbar. Die Fahrt durch den Iran war aber zum damaligen Zeitpunkt nur unter offizieller Flagge und unter Begleitung durch das Internationale Rote Kreuz oder die Vereinten Nationen möglich und zumutbar. Frächtern waren die Unruhen und Unsicherheiten im Raum Sukhumi in Georgien bekannt. Offizielle Informationen über die Verhältnisse in den Kaukasusgebieten gab es nicht. Im Juni und Juli 1992 war für einen Transport nach Nakitchevan weder die Nordroute noch die Südroute eindeutig vorzuziehen.

Im vorliegenden Fall war keine bestimmte Transportroute vorgegeben. Der Fahrer von S*****-P***** wählte die Nordroute, auf der Fahrer dieses Unternehmens zwei- bis dreimal in der Woche fuhren. Er selbst hatte schon dreimal auf dieser Route Leninakan nordwestlich von Nakitchevan problemlos erreicht. Ihm war nicht bekannt, daß in Sukhumi Kämpfe ausgebrochen waren. Den Beklagten lagen keine offiziellen Mitteilungen über Unruhen im Raum von Sukhumi vor. Weder S*****-P*****noch S***** hatten Informationen über Kriegswirren in Georgien. Der S.***** N.V. war bekannt, daß der Transport über die Nordroute erfolgen sollte.

Der Fahrer übernahm Transportgut und Frachtbrief am 15.6.1992 in Amsterdam. An der deutsch-tschechischen Grenze wurde ihm mitgeteilt, daß bereits vier andere LKW nach Nakitchevan unterwegs seien. Für diese LKW werde ab der slowakisch-ukrainischen Grenze ein Begleitschutz beigestellt. Der Fahrer solle sich diesem Konvoi am 29.6.1992 an der slowakisch-ukrainischen Grenze anschließen. Der Fahrer traf den Konvoi nicht an; er schloß sich vorübergehend einem Transportzug mit Begleitschutz durch die Ukraine an, von dem er sich aber trennte, als die Fahrzeuge Richtung rumänische Grenze fuhren. Am 5.7.1992 traf der Fahrer in Sukhumi ein. Er wurde von der Polizei auf einen bewachten Parkplatz außerhalb der Stadt verwiesen. Dort sollte er die Entscheidung des Polizeichefs abwarten, ob er trotz der 10 km nach Sukhumi ausgebrochenen Kämpfe weiterfahren könne. Der Fahrer durfte den Parkplatz nicht verlassen. Es war ihm untersagt, mit S***** zu telefonieren oder ein Konsulat zu verständigen. Seine Forderung, ihm bewaffneten Begleitschutz für die Weiterfahrt zu gewähren oder die Rückfahrt zu gestatten, lehnte die Polizei ab. Am 7.7.1992 erklärte der Polizeichef, daß die LKW-Ladung vom Zollamt Sukhumi übernommen werde und der Weitertransport nach Nakitchevan gewährleistet sei. Das Transportgut wurde ausgeladen; der Fahrer fuhr in die Slowakei zurück. Zuvor erhielt er ein auf dem Zollamt Sukhumi verfaßtes Schreiben, in dem festgehalten wurde, daß der Transport "auf die p/o 'ROTOR' Stadt Sukhumi Straße Zulukidze 27" umgeleitet wurde, weil es wegen einer Sperre im Gebiet Sugdidi und der fehlenden Möglichkeit, Straßentransporte durch die Gebiete West-Gruzien, Armenien, durchzuführen, keinen sicheren Anschluß zur Stadt Nakitchevan gebe. Der Fahrer mußte das Schreiben unterfertigen; es ist mit dem Aufdruck eines Rundsiegels und zweier Stampiglien versehen. Der Fahrer übergab den CMR-Frachtbrief mit der Übernahmebestätigung der Firma S*****.

Die Ladung kam in Nakitchevan nicht an; die Nachforschungen des Roten Kreuzes blieben erfolglos. Dies "löste die Zahlungspflicht der Klägerin gegenüber dem Roten Kreuz in Höhe von DM 88.880,-- (Warenwert DM 76.480,--, Transportkosten DM 12.400,--) aus". Auch die vier anderen Lastkraftwagen, die nach Nakitchevan unterwegs waren, erreichten ihren Bestimmungsort nicht. Sie übergaben das Transportgut der Delegation des Roten Kreuzes in Baku in Aserbeidschan. Die Hilfsgüter wurden mit einem Konvoi des Roten Kreuzes über Armenien nach Nakitchevan gebracht. Über welche Route diese Lastkraftwagen nach Baku gelangt waren, konnte nicht festgestellt werden.

Am 4.5.1994 trat das Speditionsunternehmen S.***** N.V. alle seine Rechte, die ihm gegen Dritte im Zusammenhang mit dem Verlust des Transportgutes zustehen, der Klägerin ab.

Die Klägerin begehrt den Schillinggegenwert von DM 88.880,-- sA.

Die Erstbeklagte hafte als Frachtführerin, die Zweitbeklagte als ihre persönlich haftende Gesellschafterin. Der Fahrer hätte die Südroute wählen müssen. Die Klägerin habe dem Internationalen Roten Kreuz den Schaden ersetzt. Das Internationale Rote Kreuz und die S.***** N.V. hätten alle Ansprüche der Klägerin abgetreten.

Die Beklagten beantragen, das Klagebegehren abzuweisen.

Die Klägerin sei nicht aktiv legitimiert. Der Frachtführer hätte den Schaden nicht abwenden können. Ein Transport über die Südroute wäre unmöglich gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Die Klägerin habe sich auf eine Legalzession nicht berufen; die behauptete vertragliche Übertragung der Rechte des Roten Kreuzes sei nicht bewiesen. Die Erstbeklagte sei Unterfrachtführer der S.***** N.V., nicht aber aufeinanderfolgender Frachtführer gewesen. Sie sei daher nur deshalb passiv legitimiert, weil die S.***** N.V. ihre Rechte der Klägerin abgetreten habe. Aus dem Unterfrachtvertrag zwischen der S.***** N.V. und der Erstbeklagten könne nicht abgeleitet werden, daß die Erstbeklagte verpflichtet gewesen wäre, eine bestimmte Route zu wählen. Die S.***** N.V. hätte der Erstbeklagten entsprechende Weisungen erteilen müssen. Da sie dies unterlassen habe, sei die Wahl der Nordroute nicht vertragswidrig gewesen. Die Vorkommnisse, die letztlich zum Verlust des Transportes geführt hatten, seien für den Frachtführer ein unabwendbares Ereignis im Sinne des Art 17 Abs 2 CMR gewesen.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die Maßnahmen der Beklagten und des den Transport durchführenden Frachtführers hätten nicht ausgereicht, einen rechtswidrigen Zugriff Dritter auf das Frachtgut zu vermeiden. In Frachtkreisen seien die Unruhen und Unsicherheiten im Raum Sukhumi bekannt gewesen. Auf der Nordroute hätte nur mit Begleitschutz gefahren werden dürfen. Der gänzlich ungesicherte Transport der durchaus wertvollen Ladung sei gravierend sorglos gewesen. Der Fahrer hätte versuchen müssen, von der slowakisch-ukrainischen Grenze aus Weisungen einzuholen, nachdem er den angekündigten Konvoi nicht angetroffen hatte. Es liege kein unabwendbares Ereignis vor, auch wenn der Fahrer die Ereignisse in Sukhumi nicht vermeiden hätte können, weil ein Widerstand gegen die dortige Polizei sinnlos gewesen wäre.

Daraus folge die Haftung der Beklagten gegenüber dem klagenden Transportversicherer, der dem Versicherten den Güterschaden ersetzt habe und dem die S.***** N.V. alle ihre Rechte gegen Dritte im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Transport und dem Totalverlust der Sendung abgetreten habe. Die Einwendungen der Beklagten gegen die Aktivlegitimation der Klägerin seien nicht stichhaltig.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Beklagten ist zulässig, weil eine Entscheidung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; sie ist auch berechtigt.

Die Beklagten vertreten die Auffassung, daß der Fahrer den konkreten Schadensablauf nicht vermeiden hätte können. Daß sich der Fahrer vom Konvoi getrennt und allein weitergefahren sei, sei jedenfalls nicht die einzige Schadensursache gewesen. Auch wenn der Fahrer im Konvoi mit Begleitschutz gefahren wäre, wäre ein Widerstand gegen die einschreitenden Staatsorgane sinnlos gewesen. Die Abtretung von Ansprüchen der S.***** N.V. reiche nicht aus, die Aktivlegitimation der Klägerin zu begründen; eine Legalzession der Ansprüche des Roten Kreuzes sei nicht behauptet, eine vertragliche Abtretung nicht bewiesen worden. Das Frachtgut sei erst verloren gegangen, als die Beförderung schon beendet gewesen sei.

Das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR), BGBl 1961/138, in der Fassung des Protokolls zum Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr, BGBl 1981/192, gilt für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort, wie sie im Vertrag angegeben sind, in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist (Art 1 Abs 1 CMR). Das Gut wurde in den Niederlanden übernommen; die Niederlande sind Vertragsstaat des Übereinkommens (BGBl 1961/138 Schutz in Straube, KommZ HGB**2 RZ**2 zu Anh I zu § 452). Die CMR ist daher anzuwenden.

Die S.***** N.V. ist als Hauptfrachtführer tätig geworden. Sie war nicht verpflichtet, das Gut selbst zu befördern. Der Hauptfrachtführer kann die Beförderung einem anderen Frachtführer übertragen. Der Unterfrachtführer ist Erfüllungsgehilfe des Hauptfrachtführers; er kann seinerseits weitere Frachtführer heranziehen. Nach Art 3 CMR haftet der Hauptfrachtführer für die Ausführung der Beförderung bis zur Ablieferung des Gutes an den Empfänger. Mehrere Unterfrachtführer haften dem Berechtigten als Gesamtschuldner, wenn ein einziger durchgehender Frachtbrief ausgestellt und von jedem der aufeinanderfolgenden Frachtführer mit dem Gut weitergegeben wurde (Art 34 CMR). Nur in diesem Fall tritt der Unterfrachtführer in das Rechtsverhältnis zwischen Absender und Hauptfrachtführer ein; andernfalls bestehen nur zwischen Absender und Hauptfrachtführer und zwischen Hauptfrachtführer und Unterfrachtführer als dessen Erfüllungsgehilfen vertragliche Beziehungen (SZ 58/6; SZ 58/122, jeweils mwN; WBl 1996, 330). Den schuldtragenden Frachtführer kann der Frachtführer, der Schadenersatz geleistet hat, aber auch dann unmittelbar in Anspruch nehmen, wenn dieser nicht sein Vertragspartner war (SZ 63/211 mwN).

Schadenersatzansprüche nach der CMR können sowohl der Absender als auch der Empfänger geltend machen (SZ 57/75 = transpR 1985, 344 = HS

14.225 mwN; s auch Helm, Der Ersatzberechtigte im CMR-Haftpflicht-Fall, transpR 1983, 29 [30f]; Piper, Einige ausgewählte Probleme des Schadenersatzrechts der CMR, VersR 1988, 202; Thume in Thume, Kommentar zur CMR, vor Art 17 Rz 11). Ist der im Frachtbrief bezeichnete Absender oder Empfänger ein Spediteur, so fallen Sachlegitimation und Schaden auseinander; der Spediteur ist dann zwar legitimiert, er hat jedoch keinen Schaden, weil er nicht Eigentümer des Transportgutes ist. In derartigen Fällen können Sachlegitimation und Schaden durch die Abtretung der Rechte aus dem Beförderungsvertrag an den Geschädigten in einer Person vereinigt werden (8 Ob 594/83 = Greiter Nr. 50 mwN). Der Spediteur wird als Interessenvertreter des Auftraggebers für berechtigt erachtet, dessen Rechte aus Schäden am Frachtgut dem Frachtführer gegenüber geltend zu machen (SZ 57/75 = transpR 1985, 344 = HS 14.225); Frachtführer sind hingegen nur dann aktiv legitimiert, von ihrem Erfüllungsgehilfen Schadenersatz zu verlangen, wenn sie dem Geschädigten den Schaden ersetzt haben (SZ 58/6; SZ 58/122; SZ 63/211; WBl 1996, 330). Die deutsche Rechtsprechung und Lehre erachtet hingegen die Drittschadensliquidation durch einen mittelbaren Stellvertreter (Spediteur, Frachtführer) allgemein für zulässig (Helm aaO transpR 1983, 33f; Piper aaO VersR 1988, 202ff; Thume aaO vor Art 17 Rz 13ff mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Die Klägerin stützt ihre Aktivlegitimation einerseits darauf, daß sie als Transportversicherin den Schaden des Roten Kreuzes gedeckt habe, andererseits auf die Abtretung aller Ansprüche durch den Hauptfrachtführer, die S.***** N.V. Die Klägerin hat ihre Behauptung, den Schaden gedeckt zu haben, nicht bewiesen. Die Beklagten haben die Behauptung nicht substantiiert bestritten, so daß insoweit ein Geständnis im Sinne des § 267 Abs 1 ZPO vorliegt (SZ 55/116).

Das Berufungsgericht hat daher zu Recht angenommen, daß die Klägerin dem Geschädigten den Schaden ersetzt hat. Daß sich die Klägerin nicht auf eine Legalzession berufen hat, schadet nicht, weil es genügt, wenn die anspruchsbegründenden Tatsachen vorgebracht werden.

Auf den Versicherungsvertrag zwischen der (Schweizer) Klägerin und dem Komitee vom Internationalen Roten Kreuz in Genf ist, mangels anderer Anhaltspunkte, Schweizer Recht anzuwenden (s § 38 Abs 2 IPRG). Gemäß Art 72 Abs 1 des Schweizer Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) geht auf den Versicherer insoweit, als er Entschädigung geleistet hat, der Ersatzanspruch über, der dem Anspruchsberechtigten gegenüber Dritten aus unerlaubter Handlung zusteht. Nach der Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts hat der Versicherer aber nur dann einen Regreß, wenn der Dritte seine vertraglichen Pflichten durch grobes Verschulden verletzt und dadurch einen Schaden verursacht hat, für den er ersatzpflichtig ist (BGE 80 II 247; BGE 118 II 502; Maurer, Schweizerisches Privatversicherungsrecht3, 420 mwN).

Die Klägerin hat nicht behauptet, daß die Beklagten (ihre Erfüllungsgehilfen) ein grobes Verschulden treffe; die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich der Versicherer nach Schweizer Recht beim vertragswidrig handelnden Schädiger regressieren kann, wurde in erster Instanz auch nicht erörtert. Dies schadet aber nicht, weil die Klägerin die Beklagten selbst dann nicht allein aufgrund der Legalzession in Anspruch nehmen könnte, wenn sie regreßberechtigt wäre. Die Erstbeklagte war weder aufeinanderfolgender Frachtführer im Sinne des Art 34 CMR noch jener Frachtführer, der den Schaden verschuldet hat.

Die Klägerin hat ihre Aktivlegitimation auch auf die Abtretung aller Rechte durch die S.***** N.V. gestützt. Die Wirksamkeit einer Abtretung bestimmt sich nach dem für den abgetretenen Anspruch maßgebenden Recht (§ 45 IPRG; Schwimann in Rummel, ABGB**2 § 45 IPRG Rz 2 mwN). Abgetreten wurden die Rechte aus dem Beförderungsvertrag; für den Beförderungsvertrag ist, wenn - wie hier mangels anderer Anhaltspunkte anzunehmen ist - keine Rechtswahl getroffen wurde, das Recht am Sitz des Frachtführers maßgebend (§ 36 IPRG; Schwimann aaO § 36 IPRG Rz 1a mwN). Die Beklagten haben ihren Sitz in Österreich; die Abtretung ist daher nach österreichischem Recht zu beurteilen.

Die S.***** N.V. ist Hauptfrachtführer. Daß sie der Klägerin oder dem Roten Kreuz den Schaden ersetzt hätte, hat die Klägerin nicht behauptet; Schadenersatz kann aber grundsätzlich nur verlangen, wer einen Schaden erlitten oder einem anderen ersetzt hat. Die S.***** N.V. hätte sich demnach nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bei den Beklagten nicht regressieren können, obwohl sie mit der Erstbeklagten einen Frachtvertrag geschlossen hat. Ihr standen im Zeitpunkt der Abtretung noch keine Rechte zu, die sie abtreten hätte können.

Anders ist nur zu entscheiden, wenn dem Frachtführer das Recht zur Drittschadensliquidation zugestanden wird (s Piper aaO VersR 1988, 203f; zur Drittschadensliquidation des Leasingnehmers s ecolex 1995, 631 = ZVR 1996/61 = JUS-Extra OGH-Z 1617 = JBl 1996, 114 [Lukas] = EvBl 1996/19). Nur unter dieser Voraussetzung wäre der S.***** N.V. bereits ein Schadenersatzanspruch gegen die Erstbeklagte zugestanden, der durch Abtretung auf die Klägerin übergehen hätte können. Die Frage der Aktivlegitimation kann aber im vorliegenden Fall offenbleiben, weil, wie noch darzulegen ist, die Voraussetzungen eines Haftungsausschlusses gegeben sind:

Nach Art 17 Abs 1 CMR haftet der Frachtführer für gänzlichen oder teilweisen Verlust und für Beschädigung des Gutes, sofern der Verlust oder die Beschädigung zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt, sowie für Überschreitung der Lieferfrist. Der Frachtführer ist von dieser Haftung (ua dann) befreit, wenn der Verlust, die Beschädigung oder die Überschreitung der Lieferfrist durch Umstände verursacht worden ist, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte (Art 17 Abs 2 CMR).

Der Frachtführer haftet in dem Umfang, in dem die von ihm zu vertretenden Umstände zum Schaden beigetragen haben. Die Befreiungstatbestände können den Frachtführer selbst dann noch entlasten, wenn ihm ein zurechenbares, schuldhaftes Verhalten nachgewiesen wird, das aber nicht die einzige Schadensursache ist (SZ 50/43 = transpR 1982, 111 mwN; transpR 1984, 282; RdW 1983, 42 = transpR 1983, 138). Die Haftung des Frachtführers ist keine Erfolgs- oder Gefährdungshaftung, sondern eine vermutete Verschuldenshaftung mit verschärftem Sorgfaltsmaßstab (SZ 56/113 = JBl 1984, 152; SZ 60/64; transpR 1991, 422; Thume/Seltmann in Thume, Kommentar zur CMR, Art 17 Rz A8). Der Frachtführer hat die äußerste, nach den Umständen des Falles mögliche und zumutbare Sorgfalt anzuwenden. Für unabwendbare Vorfälle oder Zufälle haftet er jedoch nicht (Thume/Seltmann aaO).

Es kommt daher nicht darauf an, ob der Schaden durch höhere Gewalt

verursacht wurde; Art 17 Abs 2 CMR knüpft vielmehr an den Begriff des

unabwendbaren Ereignisses an, wie er insbesondere auch in § 9 Abs 2

EKHG verwendet wird. Maßgebend ist, ob auch ein besonders

gewissenhafter Frachtführer (Fahrer) bei Anwendung äußerster, ihm

vernünftigerweise noch zumutbarer Sorgfalt den konkreten

Schadensablauf nicht vermeiden hätte können (ecolex 1994, 387 = WBl

1994, 342 = ZfRV 1994, 157 = ZVR 1994/139 = VersR 1994, 1455 mwN; s

auch SZ 50/40 = JBl 1978, 211 = EvBl 1978/30; JBl 1992, 124 = RdW

1991, 46; Thume/Seltmann aaO Art 17 Rz A 11).

Das Frachtgut ist im vorliegenden Fall verloren gegangen, nachdem der Fahrer von der Polizei in Sukhumi am Weiterfahren und auch am Zurückfahren gehindert und gezwungen worden war, Aluminiumgeschirr und Decken auszuladen. Dem Fahrer wurde erklärt, daß die Ladung an ihren Bestimmungsort weitergeleitet werde; dies wurde ihm auch schriftlich bestätigt. Die Ladung ist seither verschwunden; ob dies auf eine Verfügung der Polizei oder auf einen rechtswidrigen Angriff Dritter zurückzuführen ist, steht nicht fest.

Auch ein besonders gewissenhafter Fahrer hätte nicht verhindern können, daß ihm das Frachtgut von der Polizei abgenommen wird. Zu prüfen bleibt, ob sich die Beklagten deswegen nicht darauf berufen können, daß die Beschlagnahme unvermeidbar war (zur Beschlagnahme als unvermeidbarer und unabwendbarer Umstand s 3 Ob 584/83, insoweit von der Veröffentlichung in transpR 1985, 265 nicht umfaßt), weil sich der Fahrer entgegen der ihm erteilten Weisung nur für einen Teil der Strecke einem Konvoi mit Begleitschutz angeschlossen hat.

Das Fahren in einem Konvoi mit Begleitschutz soll vor rechtswidrigen Übergriffen Dritter, wie jener räuberischer Banden, schützen. Es ist aber weder dazu gedacht noch im Regelfall dazu geeignet, polizeiliche Maßnahmen zu verhindern. Aus dem Nichtbefolgen einer Weisung, sich einem Konvoi mit Begleitschutz anzuschließen, folgt nicht typischerweise, daß der Fahrer die Fahrt nicht fortsetzen kann, weil ihn die Polizei auffordert, die Ware auszuladen, um sie den lokalen Behörden zur Weiterbeförderung zu überlassen. Umso weniger entspricht es dem typischen Kausalverlauf, daß das Transportgut in der Folge verschwindet.

Den Beklagten ist es demnach gelungen nachzuweisen, daß auch ein besonders gewissenhafter Frachtführer (Fahrer) bei Anwendung äußerster, ihm vernünftigerweise noch zumutbarer Sorgfalt den konkreten Schadensablauf nicht vermeiden hätte können. Damit entfällt ihre Haftung, ohne daß es noch darauf ankäme, ob der Beförderungsvertrag durch das Ausladen vorzeitig beendet wurde. Der Anspruch der Klägerin ist auch unabhängig davon nicht berechtigt, ob sie aktiv legitimiert ist.

Die behauptete Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Revision war Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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