OGH 5Ob521/77

OGH5Ob521/7721.3.1977

SZ 50/43

Normen

ABGB §1304
CMR Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr Art17
ABGB §1304
CMR Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr Art17

 

Spruch:

Zur Schadensteilung bei einem durch ein Zusammenwirken von haftungsbegrundendem Frachtführerverschulden und haftungsbefreienden Transportgefahren entstehenden Schaden - Beweislast

OGH 21. März 1977, 5 Ob 521/77 (OLG Innsbruck 1 R 208/76; LG Innsbruck 26 Cg 486/74)

Text

Die beklagte Partei führte im auftrag der klagenden Partei LKW-Transporte von Preßmasse von Lauf bei Nürnberg nach Innsbruck durch. Bei Unfällen am 11. Oktober 1972 und am 19. Jänner 1973 wurde dabei das Transportgut schwer beschädigt.

Die klagende Partei begehrte mit der am 5. Juli 1974 eingebrachten Klage Ersatz des daraus resultierenden Schadens, der zuletzt mit dem der Höhe nach unbestrittenen Betrag von 210 821.30 S samt Anhang geltend gemacht wurde. Zu den Unfällen sei es aus Verschulden der Fahrer der beklagten Partei gekommen. Deren Transportversicherung, die G-Ges. m. b. H. lehne über eine unpräjudizielle Kulanzzahlung hinaus weitere Schadenersatzleistungen ab, weil der Transport im Hinblick auf die Verladung, Verpackung und Sicherung der Ladung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei und daher eine Haftung nach den Bestimmungen des Beförderungsvertrages im internationalen Straßengüterverkehr, CMR, nicht gegeben sei.

Der Beklagte wendete demgegenüber ein, daß die Transportmittelunfälle wohl auf Grund einer unsachgemäßen Verladung und eines Verpackungsmangels entstanden seien, dies aber die klagende Partei zu vertreten habe, weil Verladung und Verpackung durch den Absender und nicht durch die beklagte Partei erfolgt seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit dem Betrage von 105 410.65 S samt 10% Zinsen seit 4. Juli 1974 statt und wies das Mehrbegehren in gleicher Höhe ab.

Das Berufungsgericht gab keiner der von beiden Parteien erhobenen Berufungen Folge und bestätigte auf der Grundlage der als unbedenklich befundenen Feststellungen des Erstgerichtes dessen Urteil.

Die Untergerichte gingen bei ihren Entscheidungen von folgendem wesentlichen Sachverhalt aus:

Die Klägerin ist Eigentümerin von Schüttsilos für je eine halbe Tonne Preßmasse. Die Schüttsilos sind 174 cm hoch, 148 cm lang und

81.3 cm breit und stehen auf einem Winkeleisengestell. Diese Blechbehälter verlaufen auf einer Seite stark konisch nach unten und werden mit den vier Ständern (Beinen) in das Transportfahrzeug gestellt. Dabei entstehen beim Verladen zwangsläufig Zwischenräume, die durch Verstrebungen ausgeglichen werden sollten, weil die Silos einen sehr hohen Schwerpunkt haben und stark kopflastig sind. Bis etwa zum Jahr 1972 war die Speditionsfirma R in K mit dem Transport der Preßmasse von der Lieferfirma S und Co. in P, BRD, nach I beauftragt. Dabei wurden LKWs mit Anhänger verwendet. Die insgesamt 40 Silos wurden mit Preßmasse angefüllt und dann auf der Ladefläche des Lastwagens bzw. des Anhängers verstaut.

Bei seinem ersten Transport mit den Schüttsilos auf einem Sattelzug des Beklagten fuhr der Fahrer Hannes B am 11. Oktober 1972 auf der Autobahn Nord bei München in Richtung Salzburg. In der scharfen Kurve der Ausfahrt bremste er seine Geschwindigkeit von etwa 80 km/h auf etwa 30 km/h ab. Beim weiteren Bremsen mit der Motorbremse spürte er plötzlich, daß auf dem Sattelanhänger etwas nicht in Ordnung sei. Als er nur noch mit etwa 15 km/h fuhr, bemerkte er, daß ihm das Fahrzeug nicht mehr gehorchte. Er versuchte, es wieder in eine gerade Richtung zu bringen, das Fahrzeug kippte jedoch schließlich nach links gegen eine Leitplanke. Die Silos waren damals von der Lieferfirma verladen worden, wobei der Fahrer zugegen sein mußte. Als er meinte, die Ladung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, wurde er von den Ladern darauf hingewiesen, man habe eine solche Fracht schon oft verladen, alles gehe in Ordnung. B fiel vor allem auf, daß zwischen den Behältern und der Bordwand ein Abstand war. Er verspreizte die Behälter daher mit einer Kette, weil ihm klar war, daß er eine sehr gefährliche Ladung fuhr.

Zu einem weiteren Unfall kam es am 19. Jänner 1973. Der damalige Fahrer des Beklagten, Kaspar G, hatte schon beim Verladen bemerkt, daß zwischen den Silos vor allem entlang der Bordwände Zwischenräume verblieben, aber nicht verspreizt wurden. G hatte schon vor dem 19. Jänner 1973 mehrfach derartige Transporte gefahren, aber weder von der Verladefirma noch vom Beklagten Anweisungen erhalten, wie die Silos abzusichern seien. Vor dem Unfall hatte er schon einmal stark abbremsen und bei einer Parkplatzausfahrt über einen Schneewall fahren müssen. In der vereisten Kurve der Autobahnausfahrt bei Kufstein fuhr er mit etwa 15 km/h Geschwindigkeit. Dabei fiel der Sattelschlepper mit den Schüttsilos um.

Ausgehend von den für die rechtliche Beurteilung maßgebenden Bestimmungen des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) erachtete das Erstgericht, daß der Beklagte als Frachtführer, der nach Art. 17 Z. 1 CMR für jeden Schaden hafte, der an einem Frachtgut zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme und dem der Ablieferung eingetreten sei, den ihm obliegenden Beweis erbracht habe, daß die Beschädigung des Gutes mangels einer transportsicheren Verladung der Ware durch den Absender erfolgt sei und sich die klagende Partei dies anlasten lassen müsse. Auf der anderen Seite falle dem Beklagten als Frachtführer ein Verschulden seiner Fahrer bei den beiden Unfällen zu Last. B habe die nach außen hängende Autobahnausfahrt bei München mit überhöhter Geschwindigkeit befahren und in der Kurve gebremst. G habe sich überhaupt nicht um die gefährliche Ladung gekümmert und ein Verrutschen nicht berücksichtigt. In beiden Fällen seien die Schäden daher nicht nur auf die mangelhafte Sicherung der Ladung, sondern auch auf das schuldhafte Verhalten der Fahrer des Beklagten zurückzuführen. Dies rechtfertige bei Abwägung aller Umstände, die zu den beiden Unfällen führten, eine Schadensaufteilung im Verhältnis 1 : 1 und sohin nur den Zuspruch der Hälfte des Klagsbetrages an die Klägerin.

Das Berufungsgericht konnte den von der klagenden Partei im Zusammenhang mit dem über die sachgemäße Verladung des Transportgutes eingeholten Gutachten des Sachverständigen E geltend gemachten Verfahrensmangel nicht wahrnehmen. Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung verwies es darauf, daß der Frachtführer von seiner Obhutshaftung im Sinne des Art. 17 Z. 1 CMR befreit sei, wenn die Beschädigung auf eine besondere Gefahrensituation zurückzuführen sei, die dem Frachtführer nicht zur Last gelegt werden kann, so im Sinne des Art. 17 Z. 3 (richtig 4) lit. c CMR beim Verladen und Verstauen des Gutes durch den Absender, den Empfänger oder Dritte, die für den Absender oder Empfänger handeln. Wenn der Frachtführer darlege, daß nach den Umständen des Falles der Verlust oder die Beschädigung des Gutes aus einer oder mehreren der in dieser Bestimmung bezeichneten besonderen Gefahren entstehen konnte, so werde gemäß Art. 18 Z. 2 CMR vermutet, daß der Schaden hieraus entstanden sei. Der Verfügungsberechtigte könne jedoch beweisen, daß der Schaden nicht oder nicht ausschließlich aus einer dieser Gefahren entstanden sei. Die Verladung und damit auch die transportsichere Verstauung des Beförderungsgutes sei im vorliegenden Falle der klagenden Partei bzw. der für sie handelnden Firma S und Co. obliegen, während die beklagte Partei für die betriebliche Sicherheit des Fahrzeuges und die Sicherheit des Transportes zu sorgen hatte. Das Erstgericht habe der Einwendung der beklagten Partei entsprechend festgestellt, daß die TransportmittelunfälIe auf Grund einer unsachgemäßen Verladung und infolge eines Verpackungsmangels entstanden seien, weil das Gut nicht gegen die normalen Transporteinwirkungen, wie etwa gegen plötzliche Bremsstöße, Auswirkungen der Fliehkraft beim Durchfahren von Kurven oder bei plötzlichen Ausweichmanövern geschützt war, wozu auch eine Sicherung des Gutes gegen Umfallen, Herabstürzen, Zerbrechen, Auslaufen und dergleichen gehört, indem es fachgerecht verstaut, gestapelt und gegebenenfalls auf der Ladefläche befestigt wird. Mit diesem Nachweis sei die Rechtsvermutung des Art. 18 Z. 2 CMR, daß der Schaden hieraus entstanden sei, in Gang gesetzt worden. Sache der klagenden Partei sei es nun gewesen, nachzuweisen, daß der Schaden nicht oder nicht ausschließlich aus dem Ladefehler entstanden sei. Die Rechtsvermutung komme dem Frachtführer nicht nur dann zustatten, wenn ihm selbst ein Verschulden nicht nachgewiesen werden könne. Auch im Falle eines solchen sei eine komplementäre Haftung eines anderen Beteiligten nicht auszuschließen. Wenn ein Schaden, wie im vorliegenden Falle, auf mehreren Ursachen beruhe, könne eine Verteilung der Haftung zwischen Frachtführer und Absender vorgenommen werden. Die gleichteilige Haftungsaufteilung entspreche auch der Sach- und Rechtslage.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR; BGBl. 138/1961) gilt für Verträge über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort, wie sie im Vertrage angegeben sind, in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindeste Vertragsstaat ist. Da dies sowohl bei der BRD (BGBl. 14/1963) als auch bei Österreich (BGBl. 138/1961) der Fall ist, sind die Bestimmungen des CMR-Übereinkommens im vorliegenden Fall anzuwenden, was auch dem Prozeßstandpunkt beider Parteien entspricht.

Es trifft zwar zu, daß die auf die Bestimmungen der CMR gegrundete Sorgfaltspflicht des Frachtführers, wiewohl dort nicht ausdrücklich geregelt, gegenüber der im § 429 HGB festgelegten verschärft ist. Zum Ausgleich dienen aber die Haftungsausschlußtatbestände des Art.17 Z. 2 und 4 CMR, ebenso wie die Beschränkung des Umfanges der Ersatzpflicht. Der Beförderer haftet darnach also, ohne daß ihm ein Verschulden nachgewiesen werden müßte, hat aber die Möglichkeit, die ihn belastende Verschuldensvermutung durch den Nachweis zu entkräften, daß die Voraussetzungen eines Haftungsausschließungsgrundes gegeben sind. Die Befreiungstatbestände können den Frachtführer selbst dann noch entlasten, wenn ein ihm zurechenbares schuldhaftes Verhalten nachgewiesen ist, wenn es eben nur nicht die einzige Schadensursache darstellt (vgl. Heuer, Die Haftung des Frachtführers nach der CMR, 52, 73, 74).

Wer zu verladen hat, wird nicht im CMR geregelt. Im Zweifel, wenn also nicht in der Vereinbarung festgelegt, ist die Verladung Sache des Verladers (Absenders). Die im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu überprüfende Beweislastverteilung bei den Ausschlußgrunden ergibt, daß dann, wenn der Frachtführer dargelegt hat, daß nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles der Schaden aus der im Art. 17 Abs. 4 Z. c. CMR bezeichneten besonderen Gefahr entstehen konnte, nach Art. 18 Z. 2 CMR vermutet wird, daß er tatsächlich daraus entstanden ist. Eine Widerlegung dieser Vermutung ist der klagenden Partei nicht gelungen. Die Auffassung der Revisionswerberin, daß sich der Beklagte nur dann auf den geltend gemachten Haftungsausschlußgrund berufen könnte, wenn er darzutun imstande wäre, daß die gegenständlichen Beschädigungen auch bei normaler vorsichtiger und der Beschaffenheit des Gutes entsprechender Beförderung eingetreten wären, trifft also nicht zu. Sache der klagenden Partei war es zu beweisen, daß zu dem Schaden auch solche Umstände beigetragen haben, für die der Frachtführer nach Art. 17 Z. 1 oder Z. 3 CMR einzustehen hat. Dies ist ihr nach den Feststellungen der Untergerichte gelungen.

Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin haben die Untergerichte einen schlüssigen Beweis, daß der Schaden auch auf einen Verladefehler zurückzuführen ist, als erbracht angesehen. Insoweit die Revision demnach von einem anders gelagerten Sachverhalt ausgeht, ist sie nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt. Auf der anderen Seite ist aber auch ein schuldhaftes Verhalten der für den Beklagten bei der Ausführung des übernommenen Transportauftrages tätigen Kraftfahrer als eine der Unfallsursachen erwiesen. Wenn der Schaden auf ein Zusammenwirken von haftungsbefreienden Transportgefahren zurückzuführen ist, so sieht Art. 17 Z. 5 CMR eine Schadensteilung vor. Ein nachgewiesenes mitwirkendes Verschulden des Beförderers kann allerdings hinter den Haftungsausschlußgrunden niemals völlig zurücktreten. Der Frachtführer haftet aber nur in dem Umfang, in dem die von ihm zu vertretenden Umstände zu dem Schaden beigetragen haben (vgl. Heuer a. a. O., 107 f.; Precht - Endrigkeit, CMR-Handbuch[3], 93 Anm. 13; Aisslingep, Die Haftung des Straßenfrachtführers und die Frachtführerhaftpflichtversicherung, 90, 91). Art. 17 Z. 5 CMR ordnet einen Schadensausgleich entsprechend dem Grundgedanken des § 254 BGB an, nachdem jede Vertragspartei gegenüber der anderen verpflichtet sein soll, den durch zurechenbares eigenes Verhalten entstandenen Teil des Schadens selbst zu tragen. Dies entspricht auch den Intentionen des § 1034 ABGB. Daß durch Art. 17 Z. 5 CMR für den Bereich der Obhutshaftung eine direkte Anwendung des subsidiär geltenden nationalen Rechtes ausgeschlossen ist, vermag die Bedeutung dieser Rechtsgrundsätze nicht zu beeinträchtigen (vgl. Heuer a. a. O., 108). Zu einer Schadensteilung könnte es nur dann nicht kommen, wenn dem Frachtführer Vorsatz nachgewiesen werden kann, weil dann nach Art. 29 Z. 1 CMR jede Haftungsbefreiung ausgeschlossen ist und Art. 17 Z. 5 CMR unanwendbar wäre.

Was nun die im Verhältnis 1 : 1 verfügte Verschuldensaufteilung zwischen den Streitteilen anbelangt, reichen die Feststellungen der Untergerichte nicht dazu hin, ein bestimmtes, insbesondere im Sinne der Revision überwiegendes Verschulden der beklagten Partei festzulegen. Mangels entsprechend konkreter Prozeßbehauptungen über die technisch-physikalischen Auswirkungen des Ladefehlers einerseits und des Frachtfehlers andererseits als den natürlichen Schadensursachen bestand kein Anlaß für eine diesbezügliche Gutachtensergänzung. Dies abgesehen davon, daß eine solche von der Revisionswerberin nicht beantragt wurde und diese auch nicht durch ergänzende Befragung des Sachverständigen zu einer derartigen Ergänzung der Feststellungsgrundlagen beigetragen hat. Ein Feststellungsmangel liegt aber nicht vor, weil dann, wenn sich das Verhältnis, in dem die beiden Parteien durch das von ihnen zu vertretende Verhalten zur Beschädigung des Transportgutes beigetragen haben, nicht bestimmen läßt, die Untergerichte zutreffend zu einer Aufteilung des Schadens zu gleichen Teilen gelangen konnten.

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