OGH 9ObA2166/96m

OGH9ObA2166/96m25.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Scheuch und Mag.Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Thomas G*****, Student, ***** vertreten durch Dr.Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei ***** Allgemeine Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Schuppich, Sporn und Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wegen 1,498.832,36 S brutto sA (Streitwert im Revisionsverfahren 1,255.105,50 S brutto sA), infolge Revision des Klägers gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.April 1996, GZ 10 Ra 170/95-52, womit infolge Berufung beider Parteien das Teilurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6.Oktober 1995, GZ 8 Cga 170/93i-45, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Revisionsgegnerin auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung

Das am 1.November 1955 begonnene Dienstverhältnis des Vaters des Klägers zur beklagten Partei endete mit seinem Tod am 12.November 1990. Der Kläger begann im Wintersemester 1982/83 mit dem Studium des Erdölwesens an der Montan-Universität in Leoben. Für dieses Studium ist eine Mindeststudiendauer von zehn Semestern vorgesehen, hievon fünf Semester für den ersten Abschnitt, vier Semester für den zweiten Abschnitt und ein Semester für die Diplomarbeit. Die durchschnittliche tatsächliche Studiendauer beträgt derzeit 16 Semester. Der Kläger erwarb Übungs- und Prüfungszeugnisse im Jahre 1983 im Ausmaß von 55, 1984 von 23, 1985 von 13, 1986 von 20, 1988 von 15 und 1990 von 14 Wochenstunden. 1987 und 1989 absolvierte der Kläger keine Prüfungen und Übungen. Erst nach dem Jahre 1990 intensivierte der Kläger das Studium und absolvierte in den Jahren 1991, 1992 und 1993 Übungen und Prüfungen im Ausmaß von 38, 48 und 25 Wochenstunden. Am 30.April 1992 beendete der Kläger den ersten Studienabschnitt. Nach Abfassung der Diplomarbeit schloß er schließlich im Wintersemester 1993/94 sein Studium erfolgreich ab.

Um die Weihnachtszeit 1986 brach bei der Mutter des Klägers ein bereits geheilt geglaubtes Krebsleiden wieder aus. In der Zeit bis zu ihrem Tod im Juli 1987 war der Kläger, der sich während der Woche in Leoben aufhielt, an der Pflege seiner in Wien wohnhaften Mutter beteiligt, arbeitete aber zugleich an den Wochenenden in einer Videothek in Wien im Ausmaß von 83 1/2 Stunden monatlich. Auch nach Aufgabe dieser Tätigkeit mit 1.September 1987 kam der Kläger mindestens einmal wöchentlich nach Wien, um seinen Vater, der den Tod seiner Gattin nicht verkraften konnte, seelisch zu unterstützen. Ab September 1989 wurde die im Familienverband lebende Großmutter des Klägers pflegebedürftig und beteiligte sich der Kläger auch an ihrer Pflege. Der Kläger erhielt von seinem Vater bis zu dessen Tod 6.000 S monatlich an Unterhalt. Vor Beginn seines Studiums leistete der Kläger einen einjährigen Militärdienst und nach dessen Beendigung zum Teil freiwillig, zum Teil aufgrund von Einberufungen bis zum Tod seines Vaters 17 Übungen in der Dauer von zwei Tagen bis zu zwei Wochen.

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei unter anderem eine Abfertigung von 1,278.193 S brutto. Er sei gesetzlicher Erbe seines Vaters und habe daher gemäß § 23 Abs 6 AngG Anspruch auf die Hälfte der Abfertigung. Der Kläger sei durch tragische private Umstände an der rechtzeitigen Beendigung seines Studiums gehindert worden; seine militärische Laufbahn habe sein Vater gebilligt. Die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters sei daher bis zu dessen Tod aufrecht gewesen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe sein Studium nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben, so daß keine gesetzliche Unterhaltspflicht mehr bestanden habe. Überdies sei der Anspruch des Klägers nach dem KVI verfallen, weil er nicht binnen sechs Monaten geltend gemacht worden sei.

Das Erstgericht gab mit Teilurteil dem auf Abfertigung gerichteten Klagebegehren mit einem Betrag von 920.078,50 S brutto statt. Es erachtete die Verzögerung des Studiums im Hinblick auf die Lebenssituation des Klägers als gerechtfertigt und kam daher zum Schluß, daß zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters der gesetzliche Unterhaltsanspruch des Klägers noch nicht erloschen gewesen sei. Die kollektivvertragliche Verfallsklausel sei nicht anzuwenden, weil die Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien nur die aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer erfasse und der Kläger, der nie Arbeitnehmer der beklagten Partei gewesen sei, einen eigenen Anspruch geltend mache.

Das Berufungsgericht gab nur der Berufung der beklagten Partei Folge, änderte das Teilurteil des Erstgerichtes im Sinne einer - allerdings nur aus den Gründen erschließbaren - gänzlichen Abweisung des auf Abfertigung gerichteten Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters sei bei dessen Tod am 12.November 1990 bereits erloschen gewesen, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt die durchschnittliche Gesamtstudiendauer bereits überschritten habe, ohne daß Gründe vorgelegen seien, die eine Überschreitung in diesem Ausmaß gerechtfertigt hätten. Von den insgesamt benötigten Prüfungen und Übungen im Ausmaß von 246 Wochenstunden habe er mit 131 Wochenstunden bis zum Tod seines Vaters lediglich gut die Hälfte absolviert und sich bereits im 17.Semester befunden. Wenn sich auch die familiären Ereignisse nachteilig auf den Studienerfolg des Klägers ausgewirkt hätten, dürfe nicht übersehen werden, daß es bereits vor der Erkrankung der Mutter zu einem erheblichen Leistungsabfall gekommen sei. Weiters bilde weder die Krankheit der Mutter noch die psychische Unterstützung des Vaters durch Besuche nach ihrem Tod einen ausreichenden Grund dafür, daß der Kläger in den Jahren 1987 und 1989 überhaupt keine Studienerfolge aufgewiesen habe. Es sei daher davon auszugehen, daß der Kläger vor dem Tod seines Vaters ein zielstrebiges und ernsthaftes Studium nicht betrieben habe.

Die Revision sei zulässig, weil zum Abfertigungsanspruch nach § 23 Abs 6 AngG eine umfangreiche und gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Stattgebung des Begehrens auf Abfertigung mit einem Betrag von 1,255.105,50 S brutto sA abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

Wie der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen Arb 7.700 und Arb

8.797 = ZAS 1971/13 (zust Müller) ausgesprochen hat, gebührt der Abfertigungsanspruch gemäß § 23 Abs 6 AngG nur dem gesetzlichen Erben, der im Zeitpunkt des Todes des Erblassers tatsächlich einen gesetzlichen Anspruch auf Unterhaltsgewährung hatte (vgl auch 9 ObA 2012/96i).

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes schiebt ein Studium den Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit nur hinaus, wenn das Kind die hiezu erforderlichen Fähigkeiten besitzt und das Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt (SZ 51/90 ua). Zur Beurteilung der Frage, ob das Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wurde, zog der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen EFSlg 71.565 = ÖA 1994, 66 und 7 Ob 625/95 auch für vor seinem Inkrafttreten gelegene Zeiträume die in dem erst vor dem Studienjahr 1993/94 anzuwendenden § 2 Abs 1 lit b FLAG idF BGBl 1992/311 festgelegten Kriterien heran. Die Beurteilung eines Ausbildungserfolges unter Anwendung dieser vom Berufungsgericht richtig dargestellten Grundsätze ist eine nach den Umständen des Einzelfalles zu lösende Rechtsfrage (4 Ob 1509/87; RZ 1994/45). Eine derartige Einzelfallentscheidung ist durch den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Norm korrigiert werden müßte (siehe RZ 1992/50; RZ 1994/45 mwH). Ebenso wie in dem der Entscheidung RZ 1994/45 zugrundeliegenden Fall geht die Lösung der Frage, ob der Kläger sein Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben hat, in ihrer Bedeutung nicht über den Anlaßfall hinaus und ist auch nicht zu erkennen, daß dem Berufungsgericht ein grober Fehler bei Lösung dieser Frage unterlaufen wäre.

Da der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nach § 45 Abs 1 ASGG nicht gebunden ist und entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG nicht zu lösen ist, war die Revision zurückzuweisen.

Kosten der Revisionsbeantwortung waren nicht zuzuerkennen, weil die Revisionsgegnerin auf die Unzulässigkeit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision nicht hingewiesen hat (2 Ob 41/84; 8 Ob 591/90; 8 Ob 590/91; 8 Ob 640/91).

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