OGH 9ObA2012/96i

OGH9ObA2012/96i15.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Rupert Dollinger und Peter Pulkrab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1.) Ursula S*****, Hausfrau, 2.) mj.Nicole S*****, und 3.) mj.Isabella S*****, sämtliche *****, Zweit- und Drittklägerin vertreten durch die Erstklägerin, sämtliche vertreten durch Dr.Wolfgang Sandmayr, Referent der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, Volksgartenstraße 40, 4020 Linz, wider die beklagte Partei Friedrich L*****, Inhaber eines Elektrounternehmens, ***** vertreten durch Dr.Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, wegen insgesamt S 104.729,90 brutto sA (im Revisionsverfahren 1.) 38.154,86,-- brutto sA, 2.) und 3.) je S 29.922,82 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9.November 1995, GZ 11 Ra 61/95-21, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. Februar 1995, GZ 8 Cga 13/93g-14, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Ehegatte der Erstklägerin und Vater der Zweit- und Drittklägerinnen Josef S***** war vom 1.6.1986 bis zu seinem Tod am 6.4.1992 beim Beklagten als Arbeiter beschäftigt. Er hinterließ keine letztwillige Verfügung. Nach den Ergebnissen des Verlassenschaftsverfahrens zu A 82/92 des Bezirksgerichtes Haag waren in erster Linie die Erstklägerin zu einem Drittel, die Zweit- und Drittklägerinnen als eheliche Kinder zu je zwei Neuntel und eine uneheliche Tochter zu weiteren zwei Neuntel als gesetzliche Erben berufen. Zufolge der Überschuldung des Nachlasses, der nach einem Ediktalverfahren letztlich einer kridamäßigen Verteilung zugeführt wurde, entschlugen sich sämtliche potentiellen Erben des gesetzlichen Erbrechts.

Mit der vorliegenden Klage begehren die Klägerinnen die Hälfte der dem verstorbenen Arbeitnehmer zustehenden Abfertigung und die Urlaubsentschädigung. Unter Berücksichtigung der Erbenstellung auch der unehelichen Tochter machen die Erstklägerin ein Drittel und die Zweit- und Drittklägerinnen je zwei Neuntel ihrer nicht in den Nachlaß fallenden Ansprüche geltend.

Der Beklagte beantragte, die Klagebegehren abzuweisen. Forderungsberechtigt seien nicht die Klägerinnen, sondern der ruhende Nachlaß. Der Beklagte habe dem verstorbenen Arbeitnehmer im übrigen ständig Vorschüsse auf die bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses fällige Abfertigung gewährt, sodaß kein Abfertigungsanspruch mehr bestehe. Am Todestag habe eine Schuld von S 79.000,-- bestanden. Der Anspruch auf Urlaubsentschädigung stehe allein dem Nachlaß zu. Da sich die Erstklägerin ihres Erbrechts entschlagen habe und die Zweit- und Drittklägerinnen erklärt hätten, sich am Nachlaßverfahren nicht weiter zu beteiligen, fehle ihnen die Stellung gesetzlicher Erben.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren mit S 26.917,60 sA hinsichtlich der Erstklägerin und mit je S 17.945,06 sA hinsichtlich der Zweit- und Drittklägerinnen statt und wies die Mehrbegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest:

Im Zeitpunkt des Todes war Josef S***** den Klägerinnen gegenüber zur Unterhaltsleistung verpflichtet. Er hatte seit dem Jahre 1988 Lohnvorschüsse in Höhe von etwa S 225.500,-- in Anspruch genommen, die der Beklagte in monatlichen Raten von S 3.000,-- bis maximal S 15.000,-- vom laufenden Entgelt einbehielt, sodaß insgesamt ein Betrag von S 169.500,-- zurückgezahlt war. Diese Lohnvorschüsse waren nicht als Bevorschussung einer bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses allenfalls zustehenden Abfertigung gedacht.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Todfallsabfertigung gemäß § 23 Abs 6 AngG den gesetzlichen Erben kraft eigenen Rechts zustehe, unabhängig davon, welche konkrete Stellung diese im Verlassenschaftsverfahren eingenommen haben. Die Erstklägerin habe daher gemäß § 757 ABGB Anspruch auf ein Drittel und die Zweit- und Drittklägerinnen gemäß den §§ 731 Abs 1, 732, 757 ABGB auf je zwei Neuntel. Die Urlaubsentschädigung gemäß § 9 Abs 3 UrlG falle zwar auch nicht in den Nachlaß, doch komme es beim Anspruchserwerb auf die konkrete Stellung als Erben an. Da die Klägerinnen nicht einmal eine Erbserklärung abgegeben hätten, stehe ihnen kein Anspruch auf Urlaubsentschädigung zu.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es dem Begehren der Erstklägerin mit S 38.154,86 brutto sA und den Begehren der Zweit- und Drittklägerinnen mit je S 29.922,82 brutto sA stattgab. Es sprach überdies aus, daß die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei.

Da die Klägerinnen unterhaltsberechtigt gewesen seien, hätten sie einen eigenen Anspruch auf die Abfertigung gemäß § 23 Abs 6 AngG erworben. Mit dieser Bestimmung habe der Gesetzgeber einen entsprechenden Querverweis auf die §§ 730 ff ABGB vorgenommen und die darin statuierte Erbfolgeordnung für maßgeblich erklärt. Im Zeitpunkt des Todes des Ehegatten bzw Vaters der Klägerinnen seien diese aufgrund des Gesetzes tatsächlich zu Erben berufen gewesen. Eine Erbfolge der Eltern oder Großeltern sei nach den Verhältnissen zunächst ausgeschlossen gewesen. Auf die Beteiligung der potentiellen Erben im Verlassenschaftsverfahren komme es nicht an.

Auch nach § 9 Abs 3 UrlG seien die Erben unmittelbar anspruchsberechtigt. Abgesehen von dem in Betracht kommenden größeren Personenkreis sei auch hier die konkrete Erbberechtigung maßgeblich. Da im konkreten Fall weder ein Testament noch ein Erbvertrag vorhanden gewesen seien, kämen ohnehin wieder nur die gesetzlichen Erben zum Zug. Ein Unterschied liege nur darin, daß die halbe Abfertigung im Hinblick auf den Alimentationszweck nach Kopfquoten, sohin je zu einem Viertel, zuzusprechen sei, hingegen der Anspruch auf Urlaubsentschädigung entsprechend den Erbquoten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die Klagebegehren abgewiesen werden. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerinnen haben sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Den Ausführungen des Revisionswerbers, die Klägerinnen hätten keinen eigenen originären Anspruch auf die Todfallsabfertigung, weil sie mangels Erbserklärung nur potentiell anpruchsberechtigt seien und die Abfertigung sei vom Beklagten bereits vorher als Lohnvorschuß ausgezahlt worden, ist entgegenzuhalten:

Der Anspruch der gesetzlichen Erben, zu deren Erhaltung der Erblasser gesetzlich verpflichtet war, auf die Todfallsabfertigung gemäß § 23 Abs 6 AngG ist nach Lehre und Rechtsprechung originärer Natur und hat mit Ansprüchen der Verlassenschaft nichts zu tun. Der Arbeitgeber kann dagegen weder Ansprüche gegen den Verstorbenen kompensationsweise einwenden, noch kann der Arbeitnehmer zu Lebzeiten oder von Todes wegen über diesen Anspruch verfügen. Der in Betracht kommende Personenkreis ist gesetzlich umschrieben, die Auswahl hat nach unterhaltsrechtlichen Kriterien zu erfolgen. Ob ein unterhaltsberechtigter gesetzlicher Erbe im Verlassenschaftsverfahren tatsächlich zum Zug kommt, ist für seinen Anspruch auf die Abfertigung ohne Belang. Die Hinterbliebenenabfertigung soll nämlich einerseits gewährleisten, daß nur die nahen Angehörigen, die auf das Einkommen des Familienerhalters angewiesen waren, in den Genuß der Überbrückungshilfe kommen und andererseits aber auch durch eine Überschuldung des Nachlasses nicht beeinträchtigt werden (vgl Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte, §§ 23, 23 a AngG, Rz 265 ff, 286 ff mwH; Martinek/M.Schwarz/W.Schwarz, AngG7 § 23 Erl 35 ff mwH; Binder in Runggaldier, Abfertigungsrecht 225 ff, 230 f;

Gansberger, Abfertigungsanspruch und A-Gericht, NZ 1978, 138 ff;

Kryda, Der Abfertigungsanspruch nach dem verstorbenen Ehegatten, SWK 1979, B I/1; Marhold, Neues Unterhaltsrecht und Abfertigung, ZAS 1981, 128 ff mwH; Birkner, Abfertigungsanspruch unehelicher Kinder - neue Rechtslage, RdW 1990, 86 ff mwH; SZ 7/240; SZ 13/96; SZ 25/231;

Arb 5340, 6673, 7309, 7421, 7700, 8797; IndRME 1952, 139 und 275; 4 Ob 64/84 = ARD 3742/15/85). Der behaupteten Aufrechnungserklärung des Beklagten stehen sohin nicht nur die Feststellungen der Vorinstanzen entgegen, sondern auch die mangelnde Verfügungsmacht der Parteien des Arbeitsvertrages über die Abfertigungsansprüche der Klägerinnen.

Ähnliche Erwägungen müssen auch für den Anspruch auf Urlaubsentschädigung gemäß § 9 Abs 3 UrlG gelten. Während die Regierungsvorlage zum Urlaubsgesetz noch ausführte, daß dem Arbeitnehmer eine Urlaubsentschädigung gebühre, wenn das Arbeitsverhältnis nach Entstehen des Urlaubsanspruches, jedoch vor Verbrauch des Urlaubs durch Tod des Arbeitnehmers endet (§§ 9 Z 4; 150 BlgNR 14. GP, 3), änderte der Ausschuß für soziale Verwaltung diese Bestimmung dahin ab, daß die Entschädigung den Erben gebühre (§§ 9 Abs 2; 276 BlgNR 14. GP). Demnach sind die Erben kraft gesetzlicher Anordnung unmittelbar anspruchsberechtigt; sie sind berechtigt, die Auszahlung der Urlaubsentschädigung vom Arbeitgeber des Erblassers unmittelbar zu verlangen (vgl Kuderna UrlG § 9 Rz 31; Arb 10.143 ua). Mangels testamentarischer oder erbvertraglicher Verfügungen - sohin mangels Erbenkonkurrenz - ändert sich an der Stellung der Klägerinnen als in erster Linie gesetzlich berufenen Erbinnen nichts. Eine Erbserklärung ist auch in diesem Fall nicht zu verlangen; durch die Erbsentschlagung haben die Klägerinnen zwar auf die überschuldete "Erbschaft" verzichtet, nicht aber auf jene Ansprüche, die kraft Sondernorm mit dem Todesfall auf die Hinterbliebenen übergeleitet werden (vgl § 10 Abs 2 BUAG: Im Todesfall geht der Anspruch auf die Erben über; Binder aaO, 228 mwH).

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40 und 50 ZPO begründet.

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