OGH 4Ob64/84

OGH4Ob64/8425.6.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Dr. Martin Mayr und Dr. Walter Geppert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erich A, Arbeiter in Ebensee, Pfaffingerstraße 70, vertreten durch Mag.jur.Kurt Hemmer, Referent der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, Linz, Volksgartenstraße 40, dieser vertreten durch Dr. Wolfgang Graf, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei B Rudolf C & Co.KG in Ebensee, vertreten durch Dr. Josef Schachinger, Referent der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich, Linz Hessenplatz 3, dieser vertreten durch Dr. Haratün Johannes Papazian, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 91.677,-- netto s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 21.Oktober 1983, GZ 17 Cg 24/83-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Bad Ischl vom 9.Juni 1983, GZ Cr 26/83- 4, bestätigt wurde,in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.409,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 720,-Barauslagen und S 335,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Vater des Klägers, Johann A, war vom 22.4.1946 bis zu seinem Tod am 29.6.1982 bei der beklagten Kommanditgesellschaft als Seilbahnbediensteter - zuletzt 18 Jahre lang im Angestelltenverhältnis - beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Kollektivvertrag für die Bediensteten der österreichischen Seilbahnen vom 31.10.1981 (Stand 1.5.1982; im folgenden:

Kollektivvertrag) anzuwenden. Der Nachlaß nach Johann A wurde mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 10.9.1982 zur Gänze dem Kläger eingeantwortet. Im Zeitpunkt des Todes seines Vaters hatte der Kläger gegen ihn keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch.

Unter Berufung auf Art.XV des Kollektivvertrages beantragt der Kläger die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung eines - der Höhe nach unbestrittenen - restlichen Abfertigungsbetrages von S 97.643,-- brutto s.A.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung dieses Begehrens. Nach Art.XV des Kollektivvertrages, welcher § 23 Abs 1 AngG entspreche, stehe ein Anspruch auf Abfertigung nur aktiven Bediensteten zu, nicht aber deren Erben; die Ansprüche dieses Personenkreises seien in Art.XVI des Kollektivvertrages geregelt, welcher dem § 23 Abs 6 AngG nachgebildet sei. Die gegenteilige Auslegung, bei welcher die Hinterbliebenen eines verstorbenen Bediensteten mehr erhalten würden als ein aus dem aktiven Berufsleben ausscheidender Arbeitnehmer, widerspräche dem Zweck der gesetzlichen und der kollektivvertraglichen Regelung. Außer Streit steht, daß an die Witwe Johanna A, welche sich des Erbrechtes nach ihrem Gatten ausdrücklich entschlagen hat, bisher S 62.581,40 netto aus dem Titel des Sterbegeldes und S 75.206,60 netto aus dem Titel der gesetzlichen Abfertigung ausgezahlt worden sind. Die hier maßgebenden Bestimmungen des Kollektivvertrages haben folgenden Wortlaut:

'Art.XV Abfertigung 1. Bedienstete erhalten nach einer ununterbrochenen effektiven Dienstzeit von 5 Jahren bei Auflösung des Dienstverhältnisses eine Abfertigung. Diese beträgt nach dem vollendeten 5. bis zum vollendeten 10.Dienstjahr 2 Monatsbezüge, nach dem vollendeten 10.

bis zum vollendeten 20.Dienstjahr 4 Monatsbezüge, nach dem vollendeten 20.bis zum vollendeten 25.Dienstjahr 6 Monatsbezüge, nach dem vollendeten 25.Dienstjahr 8 Monatsbezüge.

2. Ein Anspruch auf Abfertigung besteht nicht:

  1. a) bei Entlassung;
  2. b) bei vorzeitigem Austritt ohne wichtigen Grund;
  3. c) bei Kündigung durch den Bediensteten, mit Ausnahme bei Erreichung des pensionsfähigen Alters.

    3. Die Abfertigung wird mit der Auflösung des Dienstverhältnisses fällig.

    4. Soweit die Sätze des Arbeiterabfertigungsgesetzes, BGBl. Nr.107/79, höher sind als jene nach Ziff.1, gelten die höheren Sätze.

    Art.XVI Sterbegeld 1. Im Falle des Ablebens eines Bediensteten erhalten ein Sterbegeld:

    a) die Witwe, in Ermangelung einer solchen jene Person, die mit dem Verstorbenen, ohne zu ihm in einem Dienstverhältnis gestanden zu sein, im gemeinsamen Haushalt gelebt und ihn vor dem Tode gepflegt hat (haben die Ehegatten wegen der Erziehung der Kinder, aus Gesundheitsrücksichten oder ähnlichen nicht in ihren persönlichen Beziehungen zueinander gelegenen Gründen nicht im gemeinsamen Haushalt gelebt, so wird gleichwohl das Sterbegeld gewährt);

    b) in deren Ermangelung die ehelichen und legitimen Kinder sowie die Stief- und Pflegekinder in ihrer Gesamtheit, und wenn auch solche nicht vorhanden sind, die gesetzlichen Erben, wenn diese mit dem Verstorbenen im gemeinsamen Haushalt gelebt und die Begräbniskosten nachweisbar bestritten haben.

    2. Das Sterbegeld beträgt:

  1. a) bis zu 3 Dienstjahren 1 Bruttomonatsbezug;
  2. b) bis zu 10 Dienstjahren 2 Bruttomonatsbezüge;
  3. c) über 10 Dienstjahre 3 Bruttomonatsbezüge;
  4. d) bei Todesfall als Folge eines Betriebsunfalles ohne Berücksichtigung der zurückgelegten Dienstzeit 3 Bruttomonatsbezüge.' Das Erstgericht wies die Klage aus rechtlichen Erwägungen ab.

    Gegenüber der allgemeinen Regelung des Abfertigungsanspruches durch Art.XV des Kollektivvertrages sei dessen Art.XVI eine Sonderbestimmung für den Fall der Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers; die Ansprüche auf Abfertigung und Sterbegeld könnten nicht nebeneinander bestehen.

    Im Berufungsverfahren schränkte der Kläger sein Zahlungsbegehren auf S 91.677 netto sA ein. Er brachte unter Vorlage mehrerer weiterer Kollektivverträge ergänzend vor, daß in der Praxis Sterbegeld und Abfertigung auch nebeneinander gewährt würden.

    Demgegenüber verwies die beklagte Partei darauf, daß nach den vorgelegten Kollektivverträgen der Anspruch auf das sogenannte Sterbequartal nur dann neben einem Abfertigungsanspruch bestehe, wenn es höher sei als dieser.

    Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht, welches die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durchführte, billigte die Rechtsauffassung der ersten Instanz, wonach Art.XVI im Verhältnis zu Art.XV des Kollektivvertrages die speziellere Norm sei. Unter Berücksichtigung des Bedeutungszusammenhanges und der Systematik der Gesamtregelung könnten diese beiden Bestimmungen nur dahin verstanden werden, daß beim Tod eines Bediensteten das Sterbegeld nach Art.XVI des Kollektivvertrages gebühre, während in den anderen Fällen einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses - ausgenommen die in Art.XV Z 2 angeführten Lösungsgründe - ein Anspruch auf Abfertigung nach Art.XV des Kollektivvertrages bestehe. Aus dem unlösbaren Widerpruch zwischen Art.XV und Art.XVI des Kollektivvertrages folge, daß Abfertigung und Sterbegeld nicht nebeneinander bestehen könnten. An diesem Ergebnis ändere auch der Umstand nichts, daß die Abfertigung in die Verlassenschaft nach dem verstorbenen Bediensteten falle, während das Sterbegeld ein höchstpersönlicher Anspruch der Witwe und der übrigen in Art.XVI des Kollektivvertrages genannten Personen sei. Nach der hier vertretenen Auslegung des Kollektivvertrages bestehe beim Tod eines Bediensteten nur ein Anspruch auf Sterbegeld; dieses sei der Witwe Johann AS bereits ausgezahlt worden. Als ehelicher Sohn und gesetzlicher Erbe des Verstorbenen hätte der Kläger im übrigen auch nach dem Gesetz keinen Anspruch auf Abfertigung, weil er im Zeitpunkt des Todes seines Vaters keinen Unterhaltsanspruch gegen diesen gehabt habe.

    Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Inhalt nach vom Kläger mit Revision aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpft. Der Kläger beantragt, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß seinem Zahlungsbegehren stattgegeben werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

    Die beklagte Partei beantragt, die Revision des Klägers 'zu verwerfen' (richtig: ihr nicht Folge zu geben).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Richtig ist, daß Art.XV Z 2 des Kollektivvertrages den

Abfertigungsanspruch nach Z 1 derselben Bestimmung nur bei

Entlassung, vorzeitigem Austritt ohne wichtigen Grund oder Kündigung

durch den Bediensteten selbst - ausgenommen bei Erreichung des

pensionsfähigen Alters - ausschließt, nicht aber auch bei Auflösung

des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Bediensteten. Eine

isolierte Betrachtung dieser Bestimmungen könnte daher tatsächlich

zu der Annahme verleiten, der Kollektivvertrag wolle auch beim Tod

des Arbeitnehmers einen - in den Nachlaß des Verstorbenen fallenden

- Abfertigungsanspruch gewähren. Demgegenüber haben jedoch die

Vorinstanzen zutreffend darauf verwiesen, daß der - ersichtlich dem

§ 23 Abs 1, 4 und 7 AngG nachgebildete - Art.XV des

Kollektivvertrages nur im Zusammenhang mit dem unmittelbar folgenden

Art.XVI zu verstehen ist, wonach beim Tod eines Bediensteten unter

bestimmten Voraussetzungen ein 'Sterbegeld' gebührt. Nicht nur der

unterschiedliche Wortlaut dieser beiden Bestimmungen (Art.XV:

'Bedienstete erhalten ......eine Abfertigung', Art.XVI: 'Im Falle

des Ablebens eines Bediensteten erhalten ein Sterbegeld.........'),

sondern vor allem auch deren innerer Zusammenhang sowie die

Bedachtnahme auf den gerade beim Ableben eines Arbeitnehmers im

Vordergrund stehenden Versorgungscharakter der Abfertigung

(Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht 2 I

130 f) lassen es daher gerechtfertigt erscheinen, in Art.XVI des Kollektivvertrages eine der Bestimmung des § 23 Abs 6 AngG vergleichbare, den Sonderfall der Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers abschließend regelnde Norm zu sehen, welche den dort genannten Personen einen nicht in den Nachlaß fallenden, sondern den Berechtigten kraft eigenen Rechtes zustehenden Anspruch auf eine mit höchstens drei Bruttomonatsbezügen begrenzte, hier 'Sterbegeld' genannte Versorgungsleistung gewährt (zu § 23 Abs 6 AngG siehe SZ 7/240;

SZ 13/96; SZ 25/231; ZVR 1975/16 ua; ebenso Spielbüchler aaO 131;

Martinek-Schwarz, AngG 6 , 481 f § 23 Anm.32; Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte 142 f §§ 23, 23 a AngG RN 288;

Martinek-Schwarz, Abfertigung - Auflösung des Arbeitsverhältnisses 357 Anm.8.2.1; teilweise abweichend Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht 3 , 18 f bei und in FN 28, wo kein Rechtserwerb kraft eigenen Rechtes, sondern eine echte Sonderrechtsnachfolge angenommen wird). Die Unrichtigkeit der gegenteiligen Rechtsmeinung des Klägers, wonach der Sterbegeldanspruch nach Art.XVI des Kollektivvertrages den Anspruch der Erben des verstorbenen Bediensteten auf Abfertigung nach Art.XV des Kollektivvertrages keineswegs ausschließe, beide Ansprüche vielmehr unter den Voraussetzungen der genannten Bestimmungen durchaus auch nebeneinander bestehen könnten, zeigt aber vor allem die nachstehende, bisher unbeachtet gebliebene überlegung: Daß die Bestimmungen der Art.XV und XVI des Kollektivvertrages die gesetzliche Abfertigungsregelung insoweit nicht berühren, als letztere für den Berechtigten günstiger ist als der Kollektivvertrag, folgt nicht nur aus Art.XXII Z 2 des Kollektivvertrages - wonach günstigere arbeits- und lohnrechtliche Bedingungen dort, wo sie bestehen, aufrecht bleiben - , sondern schon aus dem in § 40 AngG normierten, zugunsten des Angestellten einseitig zwingenden Charakter des § 23 AngG. Das bedeutet aber, daß immer dann, wenn neben den letztwillig berufenen Erben des verstorbenen Bediensteten noch ein oder mehrere gesetzliche Erben vorhanden sind, denen - wie hier der Witwe nach Johann A - im Zeitpunkt des Todes ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch gegen den Erblasser zustand, auch diese Personen ihren - der Höhe nach allerdings auf die Hälfte reduzierten - Abfertigungsanspruch nach § 23 Abs 6 AngG geltend machen können. Bei der vom Kläger vertretenen Auffassung, daß auch der Tod eines Bediensteten einen - in den Nachlaß fallenden - Abfertigungsanspruch nach Art.XV des Kollektivvertrages begründe, müßte dann aber der Arbeitgeber in solchen Fällen zwei Abfertigungen nebeneinander zahlen: Er hätte nämlich nicht nur den gesetzlichen Abfertigungsanspruch der - im konkreten Fall nicht zu Erben berufenen - unterhaltsberechtigten gesetzlichen Erben nach § 23 Abs 6 AngG zu erfüllen, sondern daneben auch noch den Erben und Gesamtrechtsnachfolgern des verstorbenen Bediensteten eine Abfertigung in der sich aus Art.XV Z 1 des Kollektivvertrages ergebenden Höhe zu entrichten. Ein solches Nebeneinanderbestehen gesetzlicher und kollektivvertraglicher, verschiedenen Personen zustehender Abfertigungsansprüche wäre aber mit dem Versorgungscharakter dieser Leistungen unvereinbar und muß daher abgelehnt werden. Nur der Vollständigkeit halber soll in diesem Zusammenhang darauf verwiesen werden, daß auch die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten, andere Berufsgruppen betreffenden Kollektivverträge (Beilagen C bis G) immer nur das Zusammentreffen eines Anspruches auf Gehaltsfortzahlung im Todesfall (meist 'Sterbequartal' genannt) mit einem gesetzlichen Abfertigungsanspruch, niemals aber mit einem erst durch den Kollektivvertrag geschaffenen Anspruch auf Abfertigung behandeln. Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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