OGH 2Ob41/84

OGH2Ob41/8428.8.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georg M*****, vertreten durch Dr. Josef Bleierer, Rechtsanwalt in Mattighofen, wider die beklagten Parteien 1. Franz P*****, 2. W*****, beide vertreten durch Dr. Hans Jörg Putz, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wegen 150.000 S sA und 37.500 S sA, infolge Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. Dezember 1983, GZ 1 R 229/83-39, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichts Ried im Innkreis vom 22. August 1983, GZ 3 Cg 323/82-32, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide Revisionen werden zurückgewiesen.

Die Anträge auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortungen werden abgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger wurde am 22. 12. 1981 als Fußgänger beim Überqueren der Christlhuber-Gemeindestraße in St. Florian von dem vom Erstbeklagten gelenkten und gehaltenen, bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW Kennzeichen O ***** erfasst und zu Boden gestoßen, wodurch er schwere Verletzungen erlitt. Wegen dieses Unfalls sprach das Bezirksgericht Mauerkirchen den Erstbeklagten im Verfahren U 37/82 rechtskräftig des Vergehens nach dem § 88 Abs 1 und 4, erster Fall, StGB schuldig.

Mit der vorliegenden Klage wird unter Bedachtnahme auf ein gleichteiliges Mitverschulden des Klägers am Unfall ein Schmerzengeld von zuletzt 400.000 S sowie ua hinsichtlich der künftigen unfallsbedingten Schäden des Klägers die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien im Ausmaß von 50 %, bei der zweitbeklagten Partei eingeschränkt auf die Versicherungssumme, begehrt.

Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung. Sie wendeten ein Mitverschulden des Klägers im Ausmaß von 75 % und hinsichtlich des geforderten Schmerzengeldes insbesondere ein, dass bei dessen Bemessung auf den vom Kläger am 13. 1. 1982 erlittenen, eine rechtsseitige Halbseitenlähmung bewirkenden Schlaganfall und die damit verbundenen Schmerzen mangels Kausalzusammenhangs mit dem Unfall nicht Bedacht zu nehmen sei.

Das Erstgericht gab der Klage mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens statt.

Das von allen Streitteilen angerufene Berufungsgericht sprach dem Kläger ein Schmerzengeld von 50.000 S sA zu und wies das diesbezügliche Mehrbegehren ab. Im Übrigen bestätigte es das erstgerichtliche Urteil. Es sprach aus, dass der von der Bestätigung des Streitgegenstands hinsichtlich des Feststellungsbegehrens betroffene Wert 60.000 S nicht übersteigt und dass „hinsichtlich der Abänderung die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig ist“.

Aufgrund des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs vom 10. 4. 1984, 2 Ob 15/84, berichtigte das Berufungsgericht seinen Urteilsspruch dahin, dass der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstands an Geld und Geldeswert zwar 60.000 S, nicht jedoch 300.000 S übersteigt und dass die Revision insoweit gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zulässig ist.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erheben alle Streitteile auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gegründete Revisionen. Der Kläger beantragt in der Hauptsache Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils; hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungsantrag. Die beklagten Parteien halten ihre Revision iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO für zulässig und beantragen Abänderung dahin, dass dem Kläger auf der Grundlage einer Verschuldensteilung von 3 : 1 zu seinen Lasten lediglich ein Betrag von 25.000 S sA zugesprochen und die Haftung der beklagten Parteien lediglich für ein Viertel der künftigen Unfallsschäden des Klägers, bei der zweitbeklagten Partei eingeschränkt auf die Versicherungssumme, ausgesprochen, das Mehrbegehren aber abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision der beklagten Parteien als unzulässig zurückzuweisen, sinngemäß auch, ihr in eventu nicht Folge zu geben. Die beklagten Parteien beantragen in der von ihnen erstatteten Revisionsbeantwortung, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind unzulässig.

Zur Revision des Klägers:

Das Berufungsgericht hat das erstgerichtliche Urteil im Schmerzengeldausspruch zum Nachteil des Klägers abgeändert, weil es der Ansicht war, dass der vom Kläger am 13. 1. 1982 erlittene Schlaganfall und demgemäß die damit verbundenen Schmerzen nicht in Kausalzusammenhang mit seinen beim Unfall erlittenen körperlichen Beeinträchtigungen stünden. Hiezu führte es aus: Ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen Unfallsverletzung und Schlaganfall sei vom Erstgericht in seinen Feststellungen mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen worden. Dagegen seien allfällige mittelbare Komponenten, nämlich nach dem Unfall aufgetretene allfällige Kreislaufstörungen und Blutgerinnungsveränderungen, als Ursache für den Schlaganfall nicht völlig auszuschließen. Aus den erstgerichtlichen Feststellungen ergebe sich aber nicht, dass derartige mittelbare Komponenten auch nur mit gewisser Wahrscheinlichkeit Ursache für den Schlaganfall gewesen seien. Vielmehr sei aus dem angenommenen Sachverhalt nicht zu schließen, das Erstgericht wäre in diesem Punkt dem Gutachten des vernommenen Sachverständigen, der ausführte, die aufgezeigten mittelbaren Komponenten seien zwar nicht auszuschließen, aber auch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen, nicht gefolgt. Der Erstrichter gehe in seinen Feststellungen und in seiner rechtlichen Beurteilung dementsprechend auch davon aus, dass die angeführten mittelbaren Komponenten unter Umständen bei der Auslösung des Schlaganfalls mitbeteiligt gewesen sein könnten. Somit sei hier aber die Frage relevant, ob überhaupt der Nachweis der natürlichen Kausalität zwischen dem Unfallsereignis und dem nachfolgenden Schlaganfall gegeben sei. Erst bei Bejahung der natürlichen Kausalität, die grundsätzlich der Geschädigte zu beweisen habe, mit welcher Frage sich jedoch das Erstgericht im angefochtenen Urteil nicht befasse, wäre zu prüfen, ob die juristische Kausalität im Sinne der herrschenden Adäquanztheorie gegeben sei. Vom Geschädigten könne der strikte Nachweis des natürlichen Kausalzusammenhangs nicht verlangt werden, insbesondere, wenn komplizierte und zusammenwirkende Schadensursachen in Betracht kämen, da man sonst so gut wie immer zu einem Fehlen des Schadenersatzanspruchs käme. Ein sehr hoher Grad der Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs genüge daher; in diesem Falle habe dann der Schädiger zu beweisen, dass nicht sein Verhalten, sondern eine andere Ursache den Schaden ausgelöst habe. Wende man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, dann sei davon auszugehen, dass vom Kläger ein unmittelbarer natürlicher Zusammenhang zwischen Unfall und Schlaganfall überhaupt nicht habe bewiesen werden können. Was aber den mittelbaren Zusammenhang durch allfällig auftretende Kreislaufstörungen oder Blutgerinnungsveränderungen betreffe, mögen sie auch im konkreten Fall nicht als atypische Folge beurteilt werden, so habe im Beweisverfahren ein derartiger Kausalzusammenhang lediglich nicht ausgeschlossen werden können. Keineswegs sei aber auch nur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt, dass der Schlaganfall mittelbar durch das Unfallereignis ausgelöst worden sei. Bei dieser Sachlage müsse somit aber vom mangelnden Beweis der natürlichen Kausalität ausgegangen werden, sodass die Schmerzen und sonstigen Folgen, die der Schlaganfall beim Kläger ausgelöst habe, bei der Bemessung des Schmerzengeldanspruchs auszuklammern seien.

Hinsichtlich seines Ausspruchs über die die Abänderung des erstgerichtlichen Urteils betreffende Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO führte das Berufungsgericht aus, der Rechtsfrage des Nachweises des natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen Unfall und Schlaganfall käme die in der vorbezeichneten Gesetzesstelle genannte Bedeutung zu, weil diesbezüglich auch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht immer ganz einheitlich sei.

An die vorgenannte Ansicht ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden. Die rechtliche Überprüfung des vorliegenden Sachverhalts ergibt, dass die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO fehlen und die Revision des Klägers daher unzulässig ist.

Das Erstgericht hat im Tatsachenbereich zugrundegelegt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ohne Unfall bei entsprechender Schonung und Behandlung des Klägers der nicht unfallsbedingt vorhandene Bluthochdruck und die Zirkulationsstörungen „ohne einen Insult einhergegangen wären“. Es könne medizinisch auch eine mittelbare Beeinflussung des Eintritts des Schlaganfalls durch die unfallskausalen Verletzungen nicht ausgeschlossen werden, da verzweigte Zusammenhänge durch Kreislaufstörungen und durch geänderte Blutgerinnung nach einem Unfall gegeben sein könnten, insbesondere auch Schmerzen durch sympathikotone Wirkung den Blutdruck etwas erhöhen könnten. Die nach einem Unfall auftretenden Kreislaufstörungen und Blutgerinnungsveränderungen könnten bei einem vorgeschädigten Menschen wie dem Kläger unter Umständen an der Auslösung eines Schlaganfalls mitbeteiligt sein. In seiner rechtlichen Beurteilung erklärte das Erstgericht, dass sohin eine Mitbeteiligung der unmittelbaren Verletzungsfolgen an der Auslösung des Schlaganfalls nicht ausgeschlossen werden könne und der Erstbeklagte demnach auch den Schlaganfall mit seinen Folgen zu vertreten habe.

Damit hat das Erstgericht den tatsächlichen und juristischen Kausalzusammenhang zwischen den unfallsbedingten Körperbeeinträchtigungen des Klägers und dem Schlaganfall bejaht. Im Sinne der Entscheidung 6 Ob 512/81 schließt die Bejahung der juristischen Kausalität auch allein schon die Bejahung der natürlichen, also tatsächlichen Kausalität, in sich. Die Frage des tatsächlichen Kausalzusammenhangs gehört nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich dem Tatsachenbereich an. Die Frage, ob aufgrund der festgestellten Umstände der erforderliche Wahrscheinlichkeitsgrad einer bestimmten Ursächlichkeit erreicht ist, die Wertung dieser Tatsachenfeststellungen also, gehört dagegen in das Gebiet der Beweislastverteilung und somit zur rechtlichen Beurteilung.

Demgemäß hat das Berufungsgericht aber zulässigerweise die erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen in der Richtung geprüft, ob der vom Erstgericht ermittelte Wahrscheinlichkeitsgrad auch hinreichend für die Annahme des Beweises der Verursachung des Schlaganfalls durch das Unfallsgeschehen erscheint. Bei dieser Beurteilung ist es unter Zitierung der einhelligen Judikatur des Obersten Gerichtshofs davon ausgegangen, dass der Beweis einer bloßen Möglichkeit der Verursachung nicht genügt, sondern jedenfalls überwiegende Gründe für die Verursachung sprechen müssen, um den vom Geschädigten zu führenden Beweis der Verursachung durch den angeblichen Schädiger als erbracht anzusehen (JBl 1960, 188; RZ 1968, 138; JBl 1972, 426; ZVR 1977/231; NZ 1980, 73; SZ 52/136; 8 Ob 252/79; 1 Ob 785/83 ua). Im Sinne dieser Judikatur hat es sodann, wie dargestellt, ausgesprochen, der vom Erstgericht festgestellte Umstand, dass vorliegendenfalls ein Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Schlaganfall bloß nicht ausgeschlossen werden könne, reiche zur Annahme des vom Kläger zu erbringenden Beweises des Kausalzusammenhangs nicht hin, denn damit sei eben nicht die hiefür erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit dargetan. Diese Ansicht ist zutreffend. Eine ihr widersprechende oberstgerichtliche Judikatur liegt entgegen der - demgemäß ohne Beleg gebliebenen - Meinung des Berufungsgerichts nicht vor. Solcherart fehlt es aber an den im § 502 Abs 4 Z 1 ZPO für die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision geforderten Voraussetzungen. Sie war daher zurückzuweisen.

Der Antrag der beklagten Parteien auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung war abzuweisen, weil sie auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers nicht hingewiesen haben (2 Ob 566/84; 2 Ob 612/83 ua).

Zur Revision der beklagten Parteien:

Das Berufungsgericht hat in seinem oben wiedergegebenen Berichtigungsbeschluss ausgesprochen, dass hinsichtlich des bestätigenden Teils seines Urteils die Revision nicht zulässig ist. Zur Begründung führte es aus, die diesbezüglich zu beantwortenden Fragen der Verschuldensteilung und der Höhe des Schmerzengeldes, soweit es nicht die späteren, durch die Insultfolgen aufgetretenen Schmerzen betrifft, seien durch die von ihm angeführte Rechtsprechung geklärt.

Dieser Rechtsansicht wird in der außerordentlichen Revision der beklagten Parteien zwar widersprochen, es fehlt aber jede konkrete Ausführung, warum im vorliegenden Fall der Verschuldensteilung und Schmerzengeldbemessung eine über diesen Einzelfall hinausgehende Bedeutung iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukommen sollte. Der allgemeine Hinweis auf eine mangelnde Übereinstimmung „mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in anderen Fällen“ ist nicht hinreichend (6 Ob 810/83, 3 Ob 4, 5/84, 2 Ob 1004/84); zudem ist dieser Vorwurf auch unberechtigt.

Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien war daher zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Kläger hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung gemäß § 508a Abs 2 letzter Satz ZPO selbst zu tragen.

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